Rede von
Hans-Josef
Fell
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Minister Röttgen, Ihre wunderbaren Reden zu
erneuerbaren Energien sind ja inzwischen allseits be-
kannt. Ich will darauf eingehen, dass diese Reden und
Ihre Taten weit auseinanderklaffen, und zwar sowohl in
der Vergangenheit als auch heute. Es ist wunderbar, zu
hören, wie stark Sie heute die Wirtschaftskraft der erneu-
erbaren Energien gelobt haben. Sie haben auch viele
Falschargumente bezüglich der hohen Kosten und ande-
res ausgeräumt. Dafür herzlichen Dank.
Sie haben auch gesagt, dass dies eine Wirtschaftsent-
wicklung darstellt, die phänomenal ist – sinngemäß zu-
mindest – und auf die wir stolz sein sollten. Ich frage
Sie: Wo war denn Ihr Weitblick und der Ihrer Partei, dies
frühzeitig zu erkennen? In der Tat geht das minimal auf
das alte Stromeinspeisegesetz zurück, das damals in ei-
ner interfraktionellen Aktion von dem inzwischen leider
verstorbenen Hermann Scheer von der SPD, Herrn
Engelsberger von der CDU/CSU und Herrn Daniels von
den Grünen auf den Weg gebracht und – mit der Mehr-
heit der Union, ohne Zweifel – verabschiedet wurde.
Als dann in den Folgejahren der 90er-Jahre die Er-
kenntnisse bezüglich der erneuerbaren Energien immer
mehr in das Bewusstsein drangen und eine Novelle zu
diesem Gesetz zwingend erforderlich war, weil mit der
Liberalisierung die Strompreise für die Windkraft und
damit auch die Einspeisevergütung sanken und die er-
neuerbaren Energien unter die Räder kamen, da haben
Sie nicht mehr mitgemacht. Sie haben auch bei der Inte-
gration der Photovoltaik und der Bioenergien und der
Verankerung einer Festpreisvergütung im Erneuerbare-
Energien-Gesetz im Jahr 2000, das das eigentliche Fun-
dament für das deutsche Wirtschaftswunder der erneu-
erbaren Energien war, nicht mitgemacht. Sie persönlich
haben damals, ohne Weitblick zu haben, gegen dieses
Gesetz gestimmt.
Im Hinblick darauf sollten Sie einmal Ihre Vergan-
genheit beleuchten. 2004 haben Sie gegen die Novelle
zu diesem Gesetz gestimmt, obwohl Sie damals zustim-
men wollten. Frau Merkel hatte aber diktiert: Eine Zu-
stimmung der Union gibt es nur, wenn das Gesetz 2007
abgeschafft wird. Wo also bleibt Ihr Weitblick?
Auch Ihre Landes-CDU hat keinen Weitblick gehabt.
Noch 2005 wurde unter der Regierung Rüttgers in einem
Koalitionsvertrag festgelegt, eine Bundesratsinitiative
zur Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu
ergreifen.
Gott sei Dank hat sie nicht gegriffen, obwohl beispiels-
weise von der CSU mehrfach der Antrag in den Bundes-
rat eingebracht wurde, dieses Gesetz abzuschaffen. Dies
ist die wahre Historie, die belegt: Sie haben keinen Weit-
blick gehabt, sondern ernten heute nur den Erfolg. Im-
merhin bestätigen Sie den Erfolg.
Nun zur heutigen Fehleinschätzung.
Sie sagen, es sei ein tolles Energiekonzept, das Sie – mit
35 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis 2020
und 80 Prozent bis 2050 – auf den Weg bringen. Sie sa-
gen, so sehe der Ausbau der erneuerbaren Energien auf
heutigem Niveau aus.
Ich habe Sie mehrfach nach den Detailzahlen gefragt,
die Ihnen im Prognos-Gutachten als Grundlage für die
Begründung der Laufzeitverlängerung dargelegt wurden.
Dort sind folgende Zahlen angenommen: minus 85 Pro-
zent gegenüber dem heutigen Ausbau bei Bioenergien,
minus 75 Prozent bei Solarenergie, minus 65 Prozent bei
Wind onshore. Sie haben mir immer wieder die eigenen
Zahlen verweigert. Ich bitte Sie heute, endlich die jährli-
chen Zubauraten, die Sie in Ihrem Energiekonzept zu-
grunde legen, zu nennen. Wenn Sie höhere Zahlen als
Prognos und EWI haben, müssen Sie mehr als 35 Pro-
zent Strom bis 2020 annehmen. Dann gibt es keine Be-
gründung mehr für die Laufzeitverlängerung der Atom-
kraft.