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    Plenarprotokoll 17/65 Tagesordnungspunkt 3: Unterrichtung durch die Beauftragte der Bun- desregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Achter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland (Drucksache 17/2400) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin BK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olaf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Harald Wolf, Senator (Berlin) . . . . . . . . . . . . Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Richard Pitterle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Auswege aus der Krise: Steuerpolitische Gerechtigkeit und Handlungsfähigkeit des Staates wiederherstellen (Drucksache 17/2944) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 6792 D 6793 A 6795 D 6797 B 6798 C 6800 C 6813 D 6814 A 6816 A 6818 A 6820 C 6821 A 6822 A Deutscher B Stenografisc 65. Sit Berlin, Donnerstag, d I n h a Wahl des Abgeordneten Siegmund Ehrmann als ordentliches Mitglied im Kuratorium der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundes- republik Deutschland“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Abgeordneten Dr. h. c. Wolfgang Thierse als ordentliches Mitglied und des Ab- geordneten Dietmar Nietan als stellvertreten- des Mitglied im Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 5 a, b und d . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6791 A 6791 B 6791 B 6792 D Volker Bouffier, Ministerpräsident (Hessen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6802 A 6804 A undestag her Bericht zung en 7. Oktober 2010 l t : Serkan Tören (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: 6806 A 6806 C 6808 A 6809 B 6810 C 6812 A 6812 C Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 6824 A 6825 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung des Arznei- mittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittel- marktneuordnungsgesetz – AMNOG) (Drucksachen 17/3116, 17/3211) . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 24. Oktober 2008 zwischen der Regie- rung der Bundesrepublik Deutschland, der Regierung des Königreichs Belgien, der Regierung der Französischen Repu- blik und der Regierung des Großher- zogtums Luxemburg zur Einrichtung und zum Betrieb eines Gemeinsamen Zentrums der Polizei- und Zollzusam- menarbeit im gemeinsamen Grenz- gebiet (Drucksache 17/3117) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Anpassung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesminis- teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Hinblick auf den Vertrag von Lissabon (Drucksache 17/3118) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschafts- plans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2011 (ERP-Wirtschaftsplange- setz 2011) (Drucksache 17/3119) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Vereinbarung vom 20. April 6826 A 6826 B 6828 B 6828 C 6830 B 6832 A 6833 A 6833 C 6835 B 6836 C 6837 D 6837 D 6838 A 6838 A 2010 zwischen der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland und der Regierung von Quebec über Soziale Sicherheit (Drucksache 17/3120) . . . . . . . . . . . . . . . f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Europa-Mittelmeer-Luftver- kehrsabkommen vom 12. Dezember 2006 zwischen der Europäischen Gemein- schaft und ihren Mitgliedstaaten einer- seits und dem Königreich Marokko an- dererseits (Vertragsgesetz Europa- Mittelmeer-Luftverkehrsabkommen – Euromed-LuftvAbkG-Marok) (Drucksache 17/3121) . . . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Martin Dörmann, Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Betroffene Kulturein- richtungen nach Frequenzumstellung für drahtlose Mikrofone angemessen entschädigen (Drucksache 17/3177) . . . . . . . . . . . . . . . h) Antrag der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Dr. Hans-Peter Bartels, Klaus Barthel, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: Gesundes Aufwachsen von Kindern und Jugendli- chen fördern (Drucksache 17/3178) . . . . . . . . . . . . . . . i) Antrag der Abgeordneten Holger Ortel, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Reform der Gemeinsamen Fische- reipolitik zum Erfolg führen (Drucksache 17/3179) . . . . . . . . . . . . . . . j) Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Dr. Valerie Wilms, Undine Kurth (Qued- linburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Chancen der EU-Fischereireform 2013 nutzen und Gemeinsame Fischereipoli- tik grundlegend reformieren (Drucksache 17/3209) . . . . . . . . . . . . . . . k) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Verbraucher- schutz auf Finanzmärkten nachholen (Drucksache 17/3210) . . . . . . . . . . . . . . . l) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung (TA) Innovationsreport Blockaden bei der Etablierung neuer Schlüsseltechnologien (Drucksache 17/2000) . . . . . . . . . . . . . . . 6838 B 6838 B 6838 C 6838 C 6838 D 6838 D 6838 D 6839 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 III Tagesordnungspunkt 5: c) Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schaffung von Rechtssicherheit für Carsharing-Stationen und Elektrofahr- zeug-Stellplätze (Drucksache 17/3208) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum be- günstigten Flächenerwerb nach § 3 Ausgleichsleistungsgesetz und der Flächenerwerbsverordnung (Zweites Flächenerwerbsänderungsgesetz – 2. FlErwÄndG) (Drucksache 17/3183) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Fritz Kuhn, Markus Kurth, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte der Arbeitsuchenden stärken – Sanktio- nen aussetzen (Drucksache 17/3207) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Uwe Kekeritz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Pakistan nach der Flut langfristig unterstützen und Schulden umwandeln (Drucksache 17/3206) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die weitere Bereini- gung von Bundesrecht (Drucksachen 17/2279, 17/3109) . . . . . . . b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 19. März 2010 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Anguilla über den steuerlichen Infor- mationsaustausch (Drucksachen 17/3026, 17/3200) . . . . . . . 6839 B 6839 B 6839 B 6839 C 6840 A 6840 B c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zum Vor- schlag für eine Verordnung des Euro- päischen Parlaments und des Rates über Finanzbeiträge der Europäischen Union zum Internationalen Fonds für Irland (2007 bis 2010) (Drucksachen 17/2629, 17/3232) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu der Verordnung der Bun- desregierung: Zweite Verordnung zur Änderung der Mauthöheverordnung (2. ÄndMautHV) (Drucksachen 17/2891, 17/2971 Nr. 2.3, 17/3161) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung zur Um- setzung der Dienstleistungsrichtlinie auf dem Gebiet des Umweltrechts sowie zur Änderung umweltrechtlicher Vor- schriften (Drucksachen 17/2821, 17/2971 Nr. 2.1, 17/3170) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung: Grünbuch zur Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungs- politik (inkl. 10823/10 ADD 1) KOM (2010) 284 endg.; Ratsdok. 10823/10 (Drucksachen 17/2408 Nr. A.8, 17/3112) g) Beratung der Zweiten Beschlussempfeh- lung des Wahlprüfungsausschusses: zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009 (Drucksache 17/3100) . . . . . . . . . . . . . . . h) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Die Fußballwelt- meisterschaft – Eine Chance für Süd- afrika (Drucksachen 17/1959, 17/2493) . . . . . . . i)–q) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145 und 146 zu Petitio- nen (Drucksachen 17/3069, 17/3070, 17/3071, 17/3072, 17/3073, 17/3074, 17/3075, 17/3076, 17/3077) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6840 C 6840 D 6841 A 6841 B 6841 C 6841 C 6841 D IV Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 Tagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung und Bericht des Vertei- digungsausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Peter Altmaier, Michael Brand, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Elke Hoff, Rainer Erdel, Burkhardt Müller-Sönksen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ver- besserung der Regelungen zur Einsatzver- sorgung (Drucksachen 17/2433, 17/3229) . . . . . . . . . . Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Remmers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Frank Schwabe, Ulrich Kelber, Dirk Becker, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD: Ein nationales Klimaschutzgesetz – Ver- bindlichkeit stärken, Verlässlichkeit schaffen, der Vorreiterrolle gerecht werden (Drucksache 17/3172) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Ott, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europäi- sches Klimaschutzziel für 2020 anheben (Drucksache 17/2485) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Die richtigen Lehren aus Kopenha- gen ziehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, Sabine Stüber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Klimaschutzziele gesetzlich veran- kern – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Ott, Bärbel Höhn, Hans- Josef Fell, weiterer Abgeordneter und 6842 D 6843 A 6844 A 6844 B 6846 A 6846 D 6847 D 6848 D 6850 A 6850 B der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Klimaschutzgesetz vorlegen – Klimaziele verbindlich festschreiben (Drucksachen 17/522, 17/1475, 17/132, 17/2318) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . Dr. Hermann Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz- ausschusses zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Richtlinie …/…/EU des Europäi- schen Parlaments und des Rates über Einla- gensicherungssysteme [Neufassung] (inkl. 12386/10 ADD 1 und 12386/10 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) (Drucksachen 17/2994 Nr. A.23, 17/3239) . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Britta Haßelmann, Fritz Kuhn, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Vorschlag für eine RL des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme (Neufas- sung) KOM-Nr. (2010) 368 endg.; Rats- dok.-Nr. 1238610 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Einlagen bei Finanzinstituten: Dezentrale Sicherungssysteme als Modell für Europa (Drucksache 17/3191) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6850 C 6850 C 6852 D 6853 D 6854 C 6855 B 6856 D 6857 A 6858 D 6859 A 6859 B 6860 B 6861 B 6862 C 6863 C 6864 D 6865 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 V Peter Aumer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Dr. Birgit Reinemund (FDP) . . . . . . . . . . . . . Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Gerhard Schick, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Verfahren zur Auswahl von Bundes- bankvorständen reformieren (Drucksachen 17/798, 17/1075) . . . . . . . . . . . Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabi- litierungsgesetzes (Drucksachen 17/1215, 17/3233) . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski- Weiß, Petra Crone, Petra Ernstberger, weiterer 6865 B 6866 A 6867 B 6868 B 6869 A 6870 A 6870 D 6872 A 6872 B 6874 A 6875 B 6876 C 6877 B 6879 A 6879 B 6880 B 6881 D 6884 B 6885 B 6886 A 6886 C Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Mo- derne verbraucherbezogene Forschung ausbauen – Tatsächliche Auswirkungen ge- setzlicher Regelungen auf Verbraucher prüfen (Drucksache 17/2343) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erik Schweickert (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (Drucksachen 16/13800, 17/591 Nr. 1.18, 17/3158) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Katja Mast, Ulla Burchardt, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Mindest- lohn für die Weiterbildungsbranche (Drucksache 17/3173) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Kramme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6887 B 6887 C 6888 C 6889 D 6890 C 6891 D 6892 D 6894 B 6894 C 6895 C 6896 C 6897 C 6898 D 6900 A 6901 B 6901 C 6902 B 6903 C 6904 A 6905 A 6906 C VI Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: a) Antrag der Abgeordneten Marcus Weinberg (Hamburg), Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Heiner Kamp, Patrick Meinhardt, Dr. Martin Neumann (Lausitz), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Ausländi- sche Bildungsleistungen anerkennen – Fachkräftepotentiale ausschöpfen (Drucksache 17/3048) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Priska Hinz (Herborn), Fritz Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Strategie statt Streit – Fachkräfteman- gel beseitigen (Drucksache 17/3198) . . . . . . . . . . . . . . . . Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Heiner Kamp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Alpers (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ewa Klamt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Rosemarie Hein, Kathrin Senger-Schäfer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sicherung und Bewahrung der Wandbilder von Prof. Ronald Paris und Prof. Walter Womacka in Berlin (Drucksache 17/2020) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Konzept für die Bewahrung kulturhistorisch bedeutsa- mer Kunst am Bau der jüngeren Zeit entwickeln (Drucksache 17/3186) . . . . . . . . . . . . . . . . 6907 B 6908 B 6909 B 6910 C 6910 C 6910 D 6911 B 6912 D 6914 C 6915 D 6916 D 6917 C 6918 D 6918 D Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe – zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Frieser, Erika Steinbach, Arnold Vaatz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marina Schuster, Pascal Kober, Serkan Tören, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Todesstrafe weltweit ächten und abschaffen – zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Todesstrafe weltweit abschaffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Katrin Werner, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschaffung der Todesstrafe weltweit (Drucksachen 17/2331, 17/2114, 17/2131, 17/3181) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Folter bekämpfen und Folter- opfer unterstützen (Drucksachen 17/2115, 17/3180) . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Heinrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6919 A 6919 D 6922 A 6923 C 6925 A 6926 A 6926 B 6926 C 6927 C 6929 C 6930 B 6931 A 6932 A 6933 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 VII Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von den Abgeordneten Oliver Krischer, Britta Haßelmann, Ingrid Nestle, weiteren Abgeordneten und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Energiewirtschaftsgesetzes (Drucksache 17/3182) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Bun- des-Immissionsschutzgesetzes (Drucksachen 17/2866, 17/3034, 17/3169) . . Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Biologi- sche Vielfalt für künftige Generationen be- wahren und die natürlichen Lebensgrund- lagen sichern (Drucksache 17/3199) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, René Röspel, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die richtigen Lehren aus dem Aus- bruch des isländischen Vulkans Eyjafjalla- jökull ziehen – Klimaforschung und Geowissenschaften stärken und die Vo- raussetzungen für ein nationales und euro- päisches Krisenmanagement im Luftver- kehr schaffen (Drucksache 17/3174) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Wichtel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Torsten Staffeldt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung: Ini- tiative für eine Richtlinie des Europäischen 6934 B 6934 C 6935 A 6935 A 6935 B 6937 C 6938 D 6939 C 6940 B 6941 A Parlaments und des Rates über die Euro- päische Ermittlungsanordnung in Straf- sachen Ratsdok. 9145/10 (Drucksachen 17/2071 Nr. A.7, 17/3234) . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Fraktion der SPD: Evaluierung der Neuorganisation der Bundespolizei durch einen wissenschaftlichen Sachver- ständigen (Drucksache 17/3068) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Dr. Günter Krings, Dr. Hans-Peter Uhl, Reinhard Grindel, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Stefan Ruppert, Hartfrid Wolff (Rems- Murr), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Neuorganisation der Bundespolizei erfolgreich fortsetzen – Bundespolizistinnen und Bundespolizisten unterstützen (Drucksache 17/3187) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine Normalisierung der Beziehungen der Europäischen Union zu Kuba (Drucksache 17/3188) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6942 C 6943 A 6943 A 6943 B 6944 A 6945 A 6947 B 6948 B 6948 D 6949 B 6949 C 6950 B 6951 B 6952 A 6953 A 6954 A VIII Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Volker Beck (Köln), Agnes Krumwiede, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stif- tungszweck der Stiftung Flucht, Vertrei- bung, Versöhnung erfüllen (Drucksache 17/3064) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brähmig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . . Lars Lindemann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD: Die Friedens- und Konflikt- forschung stärken – Deutsche Stiftung Friedensforschung finanziell ausbauen (Drucksache 17/1051) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Röhlinger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie – zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Stein- kohlevereinbarung gilt – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für einen 6955 B 6955 B 6956 A 6957 A 6957 D 6958 D 6959 A 6959 D 6960 A 6961 B 6962 C 6963 D 6964 C geordneten und sozialverträglichen Ausstieg aus dem subventionierten Steinkohlebergbau (Drucksachen 17/3043, 17/3044, 17/3231) b) Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Fritz Kuhn, Markus Tressel, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Subventionierten Steinkohlebergbau sozialverträglich be- enden (Drucksache 17/3201) . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rüstungsexporte in Staaten des Nahen Ostens einstellen – Militärische Zusam- menarbeit beenden – Atomwaffenfreie Zone befördern (Drucksache 17/2481) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) . . . . . . . . Christoph Schnurr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Kultur und Medien zu dem An- trag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Katrin Göring-Eckardt, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das „Parla- ment der Bäume gegen Krieg und Gewalt“ muss dauerhaft geschützt werden (Drucksachen 17/1580, 17/3115) . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Poland (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6965 C 6965 C 6965 C 6967 C 6968 D 6969 D 6970 D 6972 A 6972 B 6973 D 6975 A 6975 B 6976 C 6977 A 6978 A 6978 B 6979 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 IX Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . . Reiner Deutschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon- Taubadel, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kir- gisistan unterstützen – Den Frieden sichern (Drucksache 17/3202) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) zur Abstimmung über die Zweite Beschlussemp- fehlung des Wahlprüfungsausschusses: zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. Sep- tember 2009 (Tagesordnungspunkt 34 g) . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oliver Luksic (FDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu der Unterrich- tung: Vorschlag für eine Richtlinie …/…/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme [Neufas- sung] (inkl. 12386/10 ADD 1 und 12386/10 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) (Tagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem An- trag: Das „Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt“ muss dauerhaft geschützt wer- den (Tagesordnungspunkt 26) 6979 D 6980 C 6981 B 6981 D 6982 D 6983 C 6985 A 6985 D 6986 B Petra Merkel (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . . . . Monika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (Tagesord- nungspunkt 16) Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rolf Hempelmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Breil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Än- derung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Dr. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Biologische Vielfalt für künftige Generationen bewahren und die natürlichen Lebensgrundlagen sichern (Zusatztagesord- nungspunkt 4) Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Stüber (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: 6987 A 6987 A 6988 A 6989 A 6989 D 6990 C 6991 C 6992 C 6993 B 6994 B 6994 D 6995 B 6995 D 6996 B 6997 C 6998 B 6999 A 6999 C X Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 Initiative für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäi- sche Ermittlungsanordnung in Strafsachen Ratsdok. 9145/10 (Zusatztagesordnungspunkt 5) Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Buschmann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Raju Sharma (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kirgisistan unterstützen – Den Frie- den sichern (Zusatztagesordnungspunkt 7) Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Franz Thönnes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Link (Heilbronn) (FDP) . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7000 D 7001 C 7002 C 7003 B 7004 A 7005 B 7006 A 7007 A 7007 D 7009 A Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6791 (A) (C) (D)(B) 65. Sit Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9
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    1) Anlage 9 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6985 (A) (C) (D)(B) ler hinsichtlich der Auswahl und Einrichtung von barrie- refreiem Wahlraum nicht zweifelsfrei feststellbar. Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 07.10.2010 Bundestag im Rahmen der Prüfung der Wahleinsprüche nach seiner ständigen Praxis vorrangig die Einhaltung der bestehenden wahlrechtlichen Vorschriften prüft. Nach diesen bestehenden Regelungen war ein Wahlfeh- Rupprecht (Tuchenbach), Marlene SPD 07.10.2010* Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Aigner, Ilse CDU/CSU 07.10.2010 Binder, Karin DIE LINKE 07.10.2010 Bleser, Peter CDU/CSU 07.10.2010 Bülow, Marco SPD 07.10.2010 Friedhoff, Paul K. FDP 07.10.2010 Fritz, Erich G. CDU/CSU 07.10.2010* Götz, Peter CDU/CSU 07.10.2010 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 07.10.2010 Groth, Annette DIE LINKE 07.10.2010* Heil, Hubertus SPD 07.10.2010 Höger, Inge DIE LINKE 07.10.2010** Hörster, Joachim CDU/CSU 07.10.2010* Krestel, Holger FDP 07.10.2010 Liebich, Stefan DIE LINKE 07.10.2010** Dr. Lötzsch, Gesine DIE LINKE 07.10.2010 Dr. Maizière de, Thomas CDU/CSU 07.10.2010 Marks, Caren SPD 07.10.2010 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.10.2010 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 07.10.2010 Özoğuz, Aydan SPD 07.10.2010 Oswald, Eduard CDU/CSU 07.10.2010 Pflug, Johannes SPD 07.10.2010 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 07.10.2010 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der OSZE Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneter Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) zur Abstimmung über die Zweite Be- schlussempfehlung des Wahlprüfungsausschus- ses: zu Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. Sep- tember 2009 (Tagesordnungspunkt 34 g) Ich stimme der Annahme der aus der Anlage 9 er- sichtlichen Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsaus- schusses auf Bundestagsdrucksache 17/3100 zu, weil der Schreiner, Ottmar SPD 07.10.2010 Dr. Seifert, Ilja DIE LINKE 07.10.2010 Senger-Schäfer, Kathrin DIE LINKE 07.10.2010 Dr. Solms, Hermann Otto FDP 07.10.2010 Dr. Steinmeier, Frank- Walter SPD 07.10.2010 Strenz, Karin CDU/CSU 07.10.2010* Toncar, Florian FDP 07.10.2010 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 07.10.2010 Werner, Katrin DIE LINKE 07.10.2010* Widmann-Mauz, Annette CDU/CSU 07.10.2010 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 07.10.2010 Zöllmer, Manfred SPD 07.10.2010 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 6986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) Ich muss zu dieser Abstimmung Folgendes erklären: Die Gemeinden bemühen sich zwar, barrierefreie Wahlräume zur Verfügung zu stellen. Bei einem Anteil von beispielsweise etwa zwei Dritteln nichtbarrierefreier Wahllokale in der Stadt Dresden muss der Bundestag aus meiner Sicht aber die Schlussfolgerung ziehen, dass das gesetzliche Ziel der Gleichstellung behinderter Men- schen durch barrierefreie Wahlräume mit den bestehen- den Regelungen bisher nicht erreicht wurde. Die Rege- lungen müssen deshalb zwingender ausgestaltet werden. Es ist nach meiner Einschätzung – und diese Einschät- zung teilt meine Fraktion – für unsere Demokratie kein tragbarer Zustand, wenn ein so hoher Anteil der Wahllo- kale nicht barrierefrei ist. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Menschen, die wählen wollen, dies nur deshalb nicht tun, weil sie kein barriere- freies Wahllokal vorfinden. Zwar könnten diese Wahlbe- rechtigten mit Wahlschein in einem anderen, barriere- freien Wahllokal oder per Briefwahl wählen – das bedeutet aber zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Dies ist nicht zumutbar. Allen Wahlberechtigten muss – unabhängig von einer Mobilitätsbeeinträchtigung oder Behinderung – die Wahl vor Ort im Wahllokal ermög- licht werden. Menschen mit Behinderungen haben das Recht auf barrierefreie Wahllokale und öffentliche Einrichtungen. Das VN-Übereinkommen über die Rechte von Men- schen mit Behinderungen verpflichtet dazu genauso wie das Grundgesetz. Hinzu kommt: Das Durchschnittsalter der Wahlberechtigten wird immer mehr zunehmen. Auch deshalb haben die Auswahl und die Einrichtung barriere- freier Wahllokale eine besondere Bedeutung für mich und meine Fraktion. Der Bundestag steht aus meiner Sicht in der Verant- wortung, die Wahlvorschriften nicht einfach nur im Rah- men der Wahlprüfung anzuwenden, sondern sie im Be- darfsfalle – in seiner Funktion als Gesetzgeber – zu ändern. Ich werde der Beschlussempfehlung zustimmen, weil dort auf der Grundlage der geltenden Wahlvorschriften vertretbar argumentiert wurde. Ich setze mich zugleich für meine Fraktion im Wahlprüfungsausschuss für eine Änderung der Wahlvorschriften ein. Ziel ist die Prüfung der gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich barrierefreier Wahlräume durch die Bundesregierung und eine zügige Änderung der Vorschriften. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Oliver Luksic (FDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Richt- linie .../.../EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Einlagensicherungssysteme [Neufassung] (inkl. 12386/10 ADD 1 und 12386/10 ADD 2) (ADD 1 in Englisch) (Tagesordnungs- punkt 7) Zur Abstimmung zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP für eine Subsidiaritätsstellung- nahme nach § 93 a Abs. 1 GO-BT zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Ra- tes über Einlagensicherungssysteme (Neufassung), KOM(2010) 368 endg. erkläre ich Folgendes: Der Binnenmarkt stellt eine der Hauptgesetzgebungs- kompetenzen der EU dar. Mit dem vorliegenden Richtli- nienvorschlag sollen mittels einer Harmonisierung die während der Finanzkrise zutage getreten Schwachstellen in den bestehenden Einlagensicherungssystemen besei- tigt werden. Mit der Schaffung eines europaweit hohen Niveaus des Einlagenschutzes wird Inhabern von Einla- gen ein schnellerer und effizienterer Schutz gewährt. Dies fördert das Vertrauen der Bürger in das Finanzsys- tem und ist damit auch für die Stabilität des nationalen und europäischen Finanzmarkts von besonderer Bedeu- tung. Dieses Ziel kann meines Erachtens nicht in glei- cher Weise auf nationaler Ebene erreicht werden. Nationalen Besonderheiten der Finanzmarktstruktur und der Gefahr einer Verzerrung des Wettbewerbs im EU-Binnenmarkt wird dadurch genügend Rechnung ge- tragen, dass lediglich die Rahmenbedingungen der je- weiligen Einlagensicherungssysteme – „Level Playing Field“ – harmonisiert werden. Die Europäische Kom- mission beabsichtigt keine Maximalharmonisierung und gewährt den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum bei der näheren Ausgestaltung. Selbst falls man die vorgetragenen Bedenken hin- sichtlich der inhaltlichen Detailausgestaltung der Richt- linie teilt, so wäre auch unter dieser Prämisse die Sub- sidiaritätsrüge das falsche Instrument. Die Subsidiaritätsrüge ist schon formal in ihren Er- folgsaussichten von dem Zustandekommen eines Mehr- heitsquorums unter den mitgliedstaatlichen Parlamenten abhängig. Dies verspricht jedoch geringe Aussicht auf Erfolg. Damit käme es auf die materielle Prüfung der Rüge schon gar nicht mehr an. Die Subsidiaritätsrüge stellt neben der Subsidiaritäts- klage das schärfste Schwert dar, welches dem Bundestag durch den Vertrag von Lissabon zur Überprüfung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips an die Hand gege- ben wurde. Ich halte es für europapolitisch nicht oppor- tun, für die erstmalige Ausübung eines so wichtigen Rechts einen Anwendungsfall zu wählen, der schon aus oben genannten Gründen wenig Aussicht auf Erfolg hat. Mit einer Stellungnahme gemäß Art. 23 Abs. 3 GG könnte man dagegen Bedenken hinsichtlich der inhaltli- chen Detailausgestaltung der Richtlinie ebenso äußern, und zwar unabhängig von einem vorliegenden Subsidia- ritätsverstoß. Mit einer solchen Stellungnahme könnte die Bundesregierung direkt aufgefordert werden, die vorliegenden Bedenken in ihre Verhandlungslinie mit zu übernehmen, und auch europapolitisch das richtige Signal gesendet werden. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6987 (A) (C) (D)(B) Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Das „Parlament der Bäume ge- gen Krieg und Gewalt“ muss dauerhaft ge- schützt werden (Tagesordnungspunkt 26) Petra Merkel (Berlin) (SPD): Hiermit erkläre ich, dass ich dem Antrag zustimme, da ich das Werk des Künstlers Ben Wagin für dauerhaft schützenswert halte. Der Deutsche Bundestag sollte die Nutzung des Gelän- des dauerhaft gewährleisten. Ebenso sollte die Landes- regierung Berlin aufgefordert werden, dieses Mahnmal gegen Krieg und Gewalt in die Landesdenkmalliste auf- zunehmen Monika Grütters (CDU/CSU): „Ja, Berlin ist eine Sandwüste, aber wo sonst findet man Oasen?“ – Passen- der als der von mir verehrte Dichter Jean Paul hätte man nicht beschreiben können, was der kleine Ort des „Parla- ments der Bäume“ ist: eine Oase der Erinnerung, der Kunst und der Selbstreflexion des Parlaments in der in- nerstädtischen Wüste Berlins und des Regierungsvier- tels. Hinter dem Bundespressehaus an der Ecke Schiffbau- erdamm/Reinhardtstraße, befindet sich dieses „Parla- ment der Bäume gegen Krieg und Gewalt“. Es entstand in der Zeit der politischen Wende 1989/90, als sich für das „Niemandsland“ des Grenzstreifens keiner verant- wortlich fühlte. Der Künstler Ben Wagin, seine Freunde, Künstler wie Tadeusz Kantor, Klaus Staeck, Otto Dressler und Mit- glieder des Baumpatenvereins verwendeten die einzel- nen Segmente der Hinterlandmauer – die Grenze verlief am westlichen Spreeufer –, um auf ihnen das Jahr und die Anzahl der Mauertoten aufzulisten. Auf dem Ge- lände lagern nun Steinplatten mit den eingravierten Na- men der über 900 Menschen, die an der innerdeutschen Grenze in den Jahren 1948 bis 1989 getötet wurden. Ben Wagin ergänzte die Dokumentation durch Bilder und Gedichte. Ursprünglich gehörten zu dem Kunstwerk drei Berei- che: die 16 Bäume, die von den Ministerpräsidenten ge- pflanzt wurden und die 16 Bundesländer symbolisieren sollten, das grüne Denkmal „Europa Erde werde“, das dem Neubau des Bundespressehauses weichen musste, und das Ensemble der 400 Bäume. Diese wurden im Herbst 1990 von den Senatorinnen und Senatoren aus Ost- und West-Berlin zusammen mit dem Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der Parlamentspräsidentin des Deutschen Bundestags Rita Süßmuth, der Präsidentin des Berliner Abgeordneten- hauses Hanna-Renate Laurien und dem SPD-Vorsitzen- den Hans-Jochen Vogel sowie zahlreichen Bundestags- abgeordneten anlässlich der ersten Plenarsitzung im Reichstagsgebäude entlang dem Kolonnenweg ge- pflanzt. Engagiert haben sich ebenso Bundespräsident Johannes Rau, die Bundesminister Klaus Töpfer, Wolfgang Mischnick und Wolfgang Schäuble. Von die- sen 400 Bäumen stehen heute noch 100. Der Kolonnen- weg und 58 Mauersegmente sind an originaler Stelle noch erhalten. Der künstlerisch gestaltete Ort im Regierungsviertel erinnert zudem an die sowjetischen Soldaten, die im Mai 1945 hier aus dem Hinterhalt erschossen wurden, sowie an die ersten Mauertoten, die genau an dieser Stelle bei dem Versuch, über die Spree aus der DDR zu flüchten, ums Leben kamen. Ergänzt wird das heutige Kunstwerk durch den be- rühmten Spruch des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow, den er anlässlich seines Besuches zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR am 7. Oktober 1989 formulierte: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Das „Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt“ ist nach der East Side Gallery das längste noch im Ori- ginal erhaltene Stück Hinterlandmauer und der einzig noch an originaler Stelle verbliebene Mauerrest im Re- gierungsviertel. Es ist das Verbindungsglied zu den Mauerresten im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus und zur Mauermarkierung im Bundespressehaus. Die sichtbar gemachte Erinnerung in diesen beiden Gebäuden wäre ohne das „Parlament der Bäume“ nicht erklärbar. Im November 2008 hat Bundestagspräsident Norbert Lammert, der sich mehr als seine Vorgänger für das Denkmal engagiert, entschieden, dass der Bundestag die gärtnerische Pflege der Anlage übernimmt und die Zu- gänglichkeit zum „Parlament der Bäume“ garantiert. Bernd Neumann, der Beauftragte für Kultur und Medien im Kanzleramt, BKM, hat Mittel bereitgestellt und so gemeinsam mit dem Senat von Berlin die Einzäunung, die Beleuchtung, die öffentliche Beschilderung und die Einbettung in das Mauerkonzept für das Denkmal am historischen Ort sichergestellt. Der Antrag, der heute zur Abstimmung steht, fordert die Bundesregierung nun auf, in Zusammenarbeit mit dem Senat von Berlin im gemeinsamen Ausschuss von Bund und Berlin nach § 247 BauGB den gültigen Be- bauungsplan für das Regierungsviertel – I-210 – so zu ändern, dass eine künftige Bebauung des Grundstücks, auf dem sich das „Parlament der Bäume gegen Krieg und Gewalt“ von Ben Wagin befindet, verhindert wird und das Kunstwerk unter Denkmalschutz gestellt wird. Die Baukommission des Deutschen Bundestages hat dies im Hinblick auf den Wert des Grundstücks zunächst abgelehnt. Ich habe Respekt vor dieser Entscheidung, denn sie ist aus der Sicht der Baupolitiker sicher gut nachvoll- ziehbar. Auch die Haltung des Bundestagspräsidenten und des Staatsministers für Kultur und Medien, die beide darauf verweisen, dass das Gelände bis 2018 nicht ange- tastet wird, und die davon ausgehen, „dass es von Dauer ist“ – so Bernd Neumann bei der Einweihung des Doku- mentationsortes am 30. September 2010 –, ist nachvoll- ziehbar. Ich werde dem Antrag zur Änderung des Bebauungs- planes und zur Unterdenkmalschutzstellung des „Parla- ments der Bäume“ dennoch zustimmen, weil ich es für 6988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) ein schönes und bedeutendes Signal gehalten hätte, wenn sich der Deutsche Bundestag zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit und zum 80. Geburtstag des Künstlers Ben Wagin jetzt, im Jahr 2010, zu diesem Zu- geständnis an den Wert und die Würde des authentischen Gedenkortes, des Kunstwerkes auf seinem eigenen Ge- lände und des Parlaments der Bäume, hätte durchringen können. Anlage 5 Zu Protokoll gegebenen Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes Thomas Bareiß (CDU/CSU): Heute reden wir über den Antrag der Grünen-Fraktion zur Änderung des Ener- giewirtschaftsgesetzes vor dem Hintergrund auslaufen- der Konzessionsverträge im Strom- und Gasnetzbereich. Ausnahmsweise reden wir damit heute einmal über ei- nen energiepolitischen Oppositionsantrag, der nichts mit der Kernenergie zu tun, worüber ich mich sehr freue. Wie in anderen zahlreichen Anträgen im energiepoli- tischen Bereich sieht die Opposition die Thematik aller- dings zu kurzsichtig. Eine differenziertere Betrachtung ist hier vonnöten. Dazu gehört zunächst einmal die grundsätzliche Frage, was hinter dem Wunsch der Kommunen, Energie- politik zu machen, steckt. Es ist nämlich durchaus zu be- fürchten, dass hier weitreichende finanzielle Belastun- gen nicht in vollem Umfang gesehen werden. Es darf nicht zu der Situation kommen, dass sich die Kommunen mit dieser Aufgabe übernehmen. Grundsätzlich möchte ich davor warnen, dass den großen Herausforderungen im Bereich des Stromnetz- ausbaus nicht in ausreichendem Maße Genüge getan wird. Gerade im Verteilnetzbereich stehen wir vor wich- tigen Aufgaben. Dazu gehört zunächst einmal die Inte- gration der erneuerbaren Energien, deren Anteil stetig wächst. In diesem Jahr wird es Schätzungen zufolge al- lein im Bereich Photovoltaik zu einem Zubau in Höhe von rund 10 000 Megawatt kommen. Uns allen muss klar sein, dass wir unsere ambitionier- ten Ausbauziele im Bereich der erneuerbaren Energien nur erreichen können, wenn wir in Sachen Netzausbau mitziehen. Ein weiterer Punkt in dem Zusammenhang ist die Entwicklung von intelligenten Netzen, Smart Grid. Auf- grund des je nach Sonnen- oder Windaktivität schwan- kenden Angebots an erneuerbaren Energien ist dieses In- strument dringend notwendig. Damit einher geht der Einsatz von intelligenten Zählern, Smart Meter. Ich will die Aufzählung an dieser Stelle beenden, aber es sollte klar sein, dass wir hier vor großen Herausforderungen stehen, die auch mit massiven Investitionskosten ver- bunden sind. Dieser Verantwortung müssen sich die Kommunen bewusst sein. Zudem ist der Netzkauf nicht die einzige Möglichkeit, um sich als Kommune einen größeren Einfluss auf die Netze zu sichern. Angesichts der hohen Kosten eines Er- werbs sind durchaus auch die kostengünstigeren Beteili- gungsmodelle oder im Einzelfall auch die Gründung von Kooperationen in Erwägung zu ziehen. Das Problem, das die Grünen schildern, wird mit dem Antrag meines Erachtens nicht gelöst, da andere Aspekte ausgeblendet werden. Die Grünen sagen in dem Antrag, dass in den nächsten Jahren Tausende Konzessionsver- träge zwischen Kommunen und Energieversorgungsun- ternehmen zum Betrieb von Strom- und Gasverteilnet- zen auslaufen. Im derzeitigen EnWG sei nicht gewährleistet, dass ein einfacher Wechsel zu anderen Betreibern möglich ist. Die Hürden eines Wechsels seien zu groß, da zum Beispiel die bisherigen Netzbetreiber nicht verpflichtet seien, umfassend über den Wert des Netzes zu berichten. Es muss in dem Zusammenhang aber auch gesehen werden, dass viele der in den kommenden Jahren auslau- fenden Konzessionsverträge vor Inkrafttreten des EnWG 1998 geschlossen wurden. Diese Verträge enthalten so- genannte Endschaftsklauseln, die Details über die Aus- stiegsbedingungen regeln. Ich bin der Meinung, dass bestehende vertragliche Regelungen zu achten sind. Die Politik sollte nur ein- greifen, wenn es zwingend notwendig ist. Daher müssen wir sicherlich genau prüfen, in welcher Weise dies not- wendig sein wird. Dabei denke ich zum Beispiel an die Informationspflicht über Zustand und Wert der Netze – Stichwort Transparenz. Ohnehin haben wir in der Koalition vereinbart, im nächsten Jahr im Zuge der Umsetzung des dritten Bin- nenmarktpakets das Energiewirtschaftsgesetz zu novel- lieren. In diesem Zusammenhang werden wir in aller Ruhe über die Notwendigkeit gesetzgeberischen Han- deln entscheiden. Wirklich erforderliche Änderungen in § 46 EnWG werden dann vorgenommen. Mit der Über- weisung an den zuständigen Wirtschaftsausschuss wer- den wir die Möglichkeit haben, über diese Frage zu dis- kutieren. Dabei kann auch das berechtigte Anliegen der Kommunen aufgegriffen werden, im Rahmen einer Ver- änderung der Stromnetzentgeltverordnung den Kauf- preis zu prüfen, um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Abschließend möchte ich nochmals kurz auf das ein- gangs erwähnte energiepolitische Gesamtkonzept der Bundesregierung zu sprechen kommen. Darin haben wir in einem eigenständigen Kapitel die großen Herausfor- derungen beim Netzausbau dargestellt und aufgezeigt, welche Handlungen notwendig sind, wenn wir es ernst meinen mit dem Weg ins Zeitalter regenerativer Ener- gien. Neben dem enormen Ausbaubedarf bei den Übertra- gungsnetzen im Hochspannungsbereich gehört dazu vor allem auch die Notwendigkeit, massivst in die Verteil- netze im Niedrigspannungsbereich zu investieren. Mit jedem Megawatt an Photovoltaikzubau fallen entspre- chende zusätzliche Investitionen im Verteilnetzbereich an. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6989 (A) (C) (D)(B) Wenn wir über Ziele und Maßnahmen reden, müssen wir auch so ehrlich sein zu sagen, was uns das kostet, und zugleich dazu stehen, dass uns dies wert ist. Unsere ambitionierten Ausbauziele bei den erneuerbaren Ener- gien dürfen nicht daran scheitern, dass wir den Gesamt- rahmen aus den Augen verlieren, und dazu gehört der Ausbau der Verteilnetze. Diesen Punkt dürfen wir bei dieser Diskussion um das Energiewirtschaftsgesetz nicht vergessen. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Unsere Strom- und Gasnetze sind in der Tat ein wichtiges Thema. Ohne eine leistungsfähige Netzinfrastruktur werden wir unser Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostrom- verbrauch bis 2050 auf 80 Prozent zu erhöhen, nicht er- reichen. Deshalb haben wir dieses Thema auch in unse- rem Energiekonzept umfassend berücksichtigt, etwa indem wir planen, intelligente Netze zu schaffen oder ein „Zielnetz 2050“ zu entwickeln. Was nun den debattengegenständlichen Antrag der Grünen angeht, so ist zunächst richtig: Städte und Ge- meinden entscheiden im Rahmen eines Konzessionsver- trages, wer der örtliche Strom- bzw. Gasverteilnetzbe- treiber sein soll. Konzessionsverträge können für maximal 20 Jahre abgeschlossen und müssen öffentlich ausgeschrieben werden. In den nächsten Jahren laufen die Konzessionsver- träge bundesweit überwiegend aus. Das betrifft circa 2 000 Konzessionsverträge, die in den kommenden zwei Jahren neu abgeschlossen werden müssen. Entscheidend ist auch: Die auslaufenden Konzessions- verträge schaffen gute Voraussetzungen für Wettbewerb im Verteilnetzbetrieb. Die mit dem Auslaufen der Kon- zessionsverträge verbundenen Ausschreibungen beflü- geln diesen, ja sind Voraussetzung für einen Wettbewerb um den effizienten Verteilnetzbetrieb, der so in Stufen realisiert wird. Nun zur Kritik der Grünen an der bestehenden Geset- zeslage: Sie kritisieren die geltende Regelung des § 46 Abs. 2 EnWG als unzureichend, weil insbesondere zu unbestimmt. Im Gesetz heißt es nämlich, dass bei Nicht- verlängerung eines Konzessionsvertrags der bisherige Netzbetreiber verpflichtet ist, die Verteilungsanlagen im Gemeindegebiet dem neuen Energieversorger gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung zu überlassen. Sie haben insofern Recht, als hier unter anderem un- bestimmte Rechtsbegriffe verwandt werden. Dies ist al- lerdings dem Umstand geschuldet, dass bewusst keine Einzelfallregelung getroffen, sondern ein weiter Anwen- dungsbereich eröffnet werden soll. Falsch ist die Schlussfolgerung, dass diese offene Regelung, die im Einzelfall verhandelt werden muss und darf, Gemeinden vom Wechsel des Konzessionärs abhalten würde. In der Praxis, die ich auch als aktiver Kommunalpolitiker kenne, entscheidet die Gemeinde über den Konzessionär. Die Verhandlungen auf Basis des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG müssen anschließend Alt- und Neukonzessionär miteinander führen. Sie pflichten mir doch bei, dass dies zwischen den Energieversorgern im Regelfall auf Au- genhöhe geschehen dürfte. Ich kann nicht erkennen, dass es notwendig ist, in der im Antrag geschilderten Art und Weise den Gemeinden beizuspringen. Sie haben nämlich mit der Auslegung des § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG höchs- tens mittelbar insofern zu tun, als sich ein Rechtsstreit zwischen den Energieversorgern entfachen könnte. Demgegenüber behaupten die Grünen, dass der Wechsel nicht erfolgen würde, weil die Gemeinden angeblich „drohende juristische Auseinandersetzungen mit einem mächtigen und finanzkräftigen Energiekonzern“ fürch- ten. Meine Damen und Herren, im Gesetzgebungsverfah- ren hat der Gesetzgeber trotz entsprechender Vorschläge davon abgesehen, eine ausdrückliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung aufzunehmen. Eine Verpflich- tung zur Gebrauchsüberlassung ist ein ebenso geeigne- tes, aber milderes Mittel, um dem neuen Netzbetreiber eine Verfügungsmacht über die für den Netzbetrieb not- wendigen Anlagen einzuräumen, was sich dann auch in der wirtschaftlich angemessenen Vergütung niederschla- gen wird. Soweit praktische Probleme bei einer Netz- überlassung ohne Eigentumsübertragung möglich sind – zum Beispiel die Pflicht zur Weiterübertragung des Netzes nach Ablauf des neuen Konzessionsvertrages –, können diese vertraglich bei der Gebrauchsüberlassung geregelt werden. Mit Festschreibung einer wirtschaftlich angemesse- nen Vergütung soll sichergestellt werden, dass der Ver- sorgerwechsel nicht an einer eben prohibitiv hohen Ver- gütung scheitert. Über die konkrete Höhe müssen sich die Parteien im Verhandlungswege einigen. Die Fest- schreibung eines konkreten Verfahrens zur Ermittlung der Vergütungshöhe würde einen Eingriff in die Ver- tragsfreiheit darstellen – und den wollen wir eben nicht. Wenn teilweise sogar eine Begrenzung der Vergütung auf den kalkulatorischen Restwert gefordert wird, wäre dies bei abgeschriebenen Netzen faktisch eine Verpflich- tung zur „Zwangsschenkung“. Auch das wollen wir nicht, deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Rolf Hempelmann (SPD): Der Antrag der Grünen geht im Kern um die Stärkung der kommunalen Energie- wirtschaft. Damit sprechen die Grünen ein Thema an, das auch der SPD-Fraktion am Herzen liegt. Die kom- munalen Unternehmen haben in der Vergangenheit be- wiesen, jedenfalls viele von ihnen haben das getan, dass sie kundenorientierte Energiedienstleistungen mit inno- vativen Konzepten voranbringen können. Damit schaf- fen sie die Voraussetzungen für mehr Energieeffizienz auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite, eine Ent- wicklung, die wir brauchen, um ohne Lebensqualitäts- verlust mit weniger Energie auskommen zu können. Konkret geht es dem Antragsteller um die Schaffung von Rechtssicherheit bei der Übertragung von Verteil- netzen von Strom und Gas. Im Antrag ist zutreffend be- schrieben, welche Schwierigkeiten in den letzten Jahren immer wieder beim Wechsel von Konzessionsverträgen aufgetreten sind. Wir teilen die Auffassung, dass eine wesentliche Ursache in den rechtlich unbestimmten Be- grifflichkeiten zum Konzessionswechsel in § 46 EnWG begründet sind. Dadurch begünstigt die jetzige Gesetzes- 6990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) lage die Fortsetzung des Status quo, führt also häufig dazu, dass Kommunen ihr Netz nicht rückerwerben, son- dern dem alten Konzessionär weiter überlassen. Neben den unklaren Wechselregelungen in § 46 spie- len auch andere vom Antragsteller angeführte Aspekte eine den Wechsel behindernde Rolle. So fehlen in der Tat kaufinteressierten Kommunen oft maßgebliche In- formationen über die technische und wirtschaftliche Si- tuation des Netzes, Informationen, die für die Bewertung eines Netzkaufs oder Netzrückkaufs aber unbedingt er- forderlich sind. Auch die in § 46 vorgegebene „wirt- schaftlich angemessene Vergütung“ als Grundlage zur Berechnung des Netzkaufpreises ist zu unbestimmt und unklar. Viel zu oft bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Käufer und Verkäufer darüber, welches Entgelt für die Übernahme eines Netzes tatsächlich angemessen ist. Was ist die Folge dieser Unklarheiten und Regelungs- lücken? Eine der Folgen jedenfalls ist, dass eine Vielzahl von Fällen vor Gericht geklärt werden muss. Das führt zu jahrelanger Rechtsunsicherheit aufseiten der Kommu- nen und nährt die Befürchtung, dass notwendige Investi- tionen in die betroffenen Netzabschnitte ausbleiben. Wie ich eingangs dargestellt habe, unterstützt die SPD den Rekommunalisierungstrend im Bereich der Strom- und Gasverteilnetze und sympathisiert insofern auch grundsätzlich mit dem vorliegenden Antrag. Wir glau- ben allerdings, dass noch einige Ergänzungen notwendig und sinnvoll wären. Erstens. Zwar fordert der Antragsteller zu Recht, ge- stützt durch mehrere OLG-Urteile, dass zur Bestimmung des Kaufpreises das Ertragswertverfahren vorgegeben werden sollte. Dies wäre auch deshalb sinnvoll, weil auf diese Weise die Kostenanerkennung durch die Bundes- netzagentur weitgehend gesichert wäre. Um allerdings zu vermeiden, dass quasi schrottreife Netze zu überhöh- ten Preisen den Besitzer wechseln, muss gewissermaßen als Korrektiv – auch das schlagen die Oberlandesge- richte vor – aus unserer Sicht der Tagesneuwert berück- sichtigt werden, also der tagesaktuelle Zustand des Net- zes. Nur so wäre tatsächlich ein angemessener Kaufpreis sichergestellt und der bisherige Eigentümer auch bei ei- nem anstehenden Konzessionswechsel motiviert, weiter- hin notwendige Investitionen vorzunehmen. Zweitens. Ein weiterer Punkt, der unseres Erachtens einer pragmatischen Lösung bedarf, betrifft die zum Teil jahrelange Dauer und die hohen Kosten der gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten. Hier schlagen wir die Einführung einer Verpflichtung vor, spätestens ab einem halben Jahr Verfahrensdauer und ab- sehbaren erheblichen Zeitverzögerungen eine Schlich- tungsstelle anrufen zu müssen. Drittens. Auch wenn wir die Forderung nach einer umfassenden Informationsweitergabe frühzeitig vor Auslaufen einer Konzession unterstützen, legen wir auf- grund der Vielzahl betriebswirtschaftlich relevanter und sensibler Daten Wert darauf, dass die Informationen nicht quasi am Schwarzen Brett ausgehängt werden und anschließend frei vagabundieren können. Dies lässt sich zwischen den Beteiligten mit verpflichtenden Vertrau- lichkeitsvereinbarungen regeln, deren Verletzung aller- dings mit hohen Konventionalstrafen belegt sein muss. Mit diesen Ergänzungen findet der Gesetzentwurf un- sere Unterstützung. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Initiative in den breiteren Kontext der Novellie- rung des Energiewirtschaftsgesetzes eingebettet werden sollte. Diese muss ohnehin zeitnah erfolgen. Sie bietet Gelegenheit, weitere, gerade die Verteilnetze betreffende Fragen zu klären, zum Beispiel die Anpassung der Netz- regulierung an neue Herausforderungen wie Smart Grids und horizontale Stadtwerkekooperationen. Wir werden entsprechende Vorlagen und Empfehlun- gen formulieren, die wir unsererseits kurzfristig in das parlamentarische Verfahren einspeisen. Klaus Breil (FDP): Der Gesetzentwurf der Grünen verfolgt zwei Ziele: Erstens soll die kommunale Energiewirtschaft ge- stärkt werden – das ist super. Zweitens soll Rechtssicherheit bei der Übertragung von Verteilnetzen für Strom und Gas geschaffen werden. Das ist auch super – so weit unterschreiben wir beides: Wettbewerb und Rechtssicherheit – toll! Auf Rechtssi- cherheit folgt nämlich Planungssicherheit. Genau das brauchen unsere Unternehmen. Und genau das haben wir ihnen durch unser Energiekonzept für die nächsten Jahre gegeben. Verwechseln Sie Planungssicherheit aber bitte nicht mit Planwirtschaft. In diese Richtung versuchen die Grü- nen uns nämlich ständig bei der Energiepolitik zu drän- gen. Dass das nur wenig bringt, zeigt der Zwischenbe- richt der „Ökohauptstadt Freiburg“. Dort wurde das Planziel einer regenerativen Stromerzeugung von 10 Prozent für 2010 mit 3,7 Prozent nur ganz knapp ver- fehlt. Aber zurück zum Anfang – Stichwort Wettbewerb: Mehr Wettbewerb bei der Energieerzeugung – das ist eine der Ur-Forderungen der FDP. Wie ich finde, bekom- men die Mittelständler der Energiewirtschaft das bis dato ganz gut hin. Sie denken fortschrittlich. Sie inves- tieren, zwar nicht ausschließlich – aber doch ganz be- achtlich – in klimaschonende Erzeugungskapazitäten. Und sie stellen sich breit auf, unter anderem mit Biogas- und Biomasseanlagen, Erdgas-BHKWs, Windkraftanla- gen, onshore wie offshore, und mit KWK-Anlagen. Damit tragen sie schon heute zu 8 Prozent – 50 TWh – zur deutschen Stromerzeugung bei. Und das wird nicht weniger werden. Im Gegenteil: Stadt- werke können über Beteiligungen an Offshore-Wind- parks durch das 10-Punkte-Sofortprogramm des Ener- giekonzeptes diesen Anteil noch weiter ausbauen. Gleiches kann die Förderung CCS-fähiger fossiler Kraftwerke für Akteure mit weniger als 5 Prozent Marktanteil schaffen. Ich glaube, dass wir den Stadtwer- ken damit mehr Rückenwind für ihre Entwicklung geben konnten. – So weit, so gut auf der Erzeugungsseite. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6991 (A) (C) (D)(B) Aber zwischen Erzeuger und Verbraucher steht noch der Verteiler – also das Netz. Mehr und mehr Kommu- nen haben in der Vergangenheit ihre Netze privatisiert. Das war für sie – in schweren Zeiten – ein probates Mit- tel gegen Geldnot. Man hat dann Energieunternehmen durch Konzessionsverträge den Aufbau und Betrieb der Versorgungsnetze erlaubt – sale and lease back. In den kommenden Jahren laufen viele dieser langfristig ange- legten Verträge aus. Manche Kommune sieht darin die Möglichkeit, politischen Einfluss auf die lokale Energie- versorgung zurückzugewinnen. Ist das die einzige Motivation zur Rekommunalisie- rung der Verteilnetze? Die Kommunen wollen trotz klammer Kassen ihre Netze zurückkaufen. Gleichzeitig kritisieren sie via Verbände die Netzentgelte als zu nied- rig. Da stellt sich mir die Frage: Weshalb möchte man ein Investment machen, das sich augenscheinlich nicht lohnt? Finanziell kann das so attraktiv doch nicht sein – erst recht nicht, wenn man die Mittel dafür nicht locker hat. Was ist es aber dann? Ein auslaufender Konzessions- vertrag, der nicht verlängert wird. Und eine Kommune, die ihr Netz selbst wieder betreiben kann. Beide ändern nichts an den Regeln für den Wettbewerb auf dem Ener- giemarkt. Jeder Kunde kann schon heute seinen Energie- lieferanten frei wählen. Ihm ist es also völlig egal, wer per Konzessionsvertrag für den Netzbetrieb verantwort- lich ist. Jetzt führen Sie bitte nicht an, Rekommunalisierung diene dem Klimaschutz. Die Kommunen haben auch so schon die Möglichkeit, in dezentrale Erzeugungslösun- gen und erneuerbare Energien zu investieren. Dafür brauchen sie keine eigenen Netze. Und „eigene“ meine ich im Sinne Ihres Gesetzesentwurfes. Sie möchten, dass die Kommunen wieder Eigentümer der Netze werden. Da sehen wir einiges anders als Sie: Wir wollen einen echten Wettbewerb um Konzessionen. Was wir aber nicht wollen, ist, das Energiewirtschaftsgesetz zu einem Schutzgesetz für die Kommunen zu machen. Das hat be- reits das OLG Düsseldorf in aller Klarheit festgestellt – ich zitiere –: Der Zweck des Energiewirtschaftsgesetzes besteht nicht in dem Schutz der Gemeinde, etwa um die Entscheidungsfreiheit der Gemeinde zu erweitern, sondern in der Ermöglichung des Wettbewerbs durch Dritte. Wir wollen keine Staatsnetze. Wir wollen, dass sich der effizienteste Netzbetreiber im Wettbewerb um die Konzessionen durchsetzt. Das bedeutet Transparenz und Gleichbehandlung für alle potenziellen Bewerber um die Netzkonzession. Die Kommune muss daher bei einer Neuausschreibung der Konzession alle Bewerber mit In- formationen versorgen. Sie darf nach dem Sinn des Ge- setzes sich selbst dabei nicht bevorzugen, wenn sie das Netz übernehmen will. Denn natürlich benötigt jeder Wettbewerber um die Konzession Informationen über das Netz, bevor er seine Entscheidung trifft. Statt zu klagen, sollten die Kommunen selbst etwas zur Besserung der Lage tun. Sie sind die Herren des Ver- fahrens. Jede Kommune kann die Konzessionsinhaber vertraglich verpflichten, bei Auslaufen der alten Konzes- sion die potenziellen Mitbewerber ausreichend mit In- formationen zu über das Netz zu versorgen. Beim Wech- sel des Betreibers eines „Netzes zur allgemeinen Versorgung“ gibt es im Energiewirtschaftsgesetz eine Überlassungspflicht. Entgegen Ihrer Argumentation gibt es darin sehr wohl eine eindeutige Regelung zur Übertra- gung der Anlagen an einen Neukonzessionär. Allerdings hat man damals davon abgesehen, eine ausdrückliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung aufzunehmen. Eine Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung ist ein ebenso geeignetes, aber weitaus milderes Mittel. Auch so wird einem neuen Betreiber die Verfügungsmacht über die notwendigen Anlagen eingeräumt. Außerdem: Mit Festschreibung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung stellen wir sicher, dass der Versorgerwechsel nicht an einer verboten hohen Vergü- tung scheitert. Wir lehnen eine allgemeine Begrenzung der Vergütung auf den kalkulatorischen Restwert ab. Bei abgeschriebenen Netzen bedeutet das nämlich eine Ver- pflichtung zur Zwangsschenkung. An dieser Stelle sei an Art. 14 des Grundgesetzes erinnert – unzulässiger Ein- griff in die Eigentumsfreiheit. Daher lehnen wir Ihren Gesetzesentwurf ab. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Die Koalition will – ich zitiere aus ihrem zweifelhaften Energiekon- zept – „den Wettbewerb und eine marktwirtschaftliche Orientierung auf den Energiemärkten stärken.“ Dass es ihr dabei ausschließlich um die Stärkung des Wettbe- werbs für die vier Atomkonzerne geht, ist im ganzen Land bekannt. Nicht umsonst spricht auch der Deutsche Städtetag im Zusammenhang mit der Laufzeitverlänge- rung von einer „Gefährdung der Wirtschaftlichkeit der Investitionen von Städten und ihrer Unternehmen in Er- neuerbare Energie“. Die Linke hat ein Gegenkonzept zu dieser Agenda für die Energiekonzerne – gegen das schwarz-gelbe Ener- giekonzept – mit der Forderung nach einer umfassenden Rekommunalisierung des Energiesektors. Der Energie- sektor muss als Bereich der öffentlichen Daseinsvor- sorge unter demokratische Kontrolle gestellt werden. Wer sollte das besser bewerkstelligen als die Kommunen selbst? Viele Konzessionsverträge zwischen großen Energieunternehmen und den Kommunen laufen dem- nächst aus. Genau da setzt ein Hebel an, der den Umbau zu erneuerbaren Energien wesentlich antreiben kann, denn Gemeinden können in Konzessionsverträgen fest- schreiben, dass Gewinne in erneuerbare Energien inves- tiert werden können; sie können Vorgaben für den Stromeinkauf machen. Sie können mit dem Auslaufen der Konzessionen also auf vielfältige Weise bestimmen, wie der regionale Strommix aussehen soll. In vielen Städten wollen die örtlichen Stadtwerke die Netze selbst nutzen. Viele Stadtwerke mit mehrheitlich kommunaler Beteiligung haben den Wunsch, die Bürge- rinnen und Bürger mit regional erzeugtem erneuerbaren Strom zu versorgen. Es ist die Aufgabe von Bundespoli- tik, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, 6992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) um genau solchen Stadtwerken die Übereignung der Energienetze so einfach wie möglich zu gestalten – für einen nachhaltigen Klimaschutz, für Bürgerbeteiligung und für die Wertschöpfung in regionalen Wirtschafts- kreisläufen. Es kann deshalb nicht sein, dass sich Ener- giekonzerne hinstellen und bei Auslaufen der Konzes- sionsverträge horrende und völlig utopische Summen für die zum Teil völlig überalterten Netze verlangen. Dass das Ende von Konzessionen regelmäßig in Jahre andau- ernden Rechtsstreitigkeiten mündet, zeugt von der Dreistigkeit und der Profitgier der Konzerne gegenüber Kommunen. Ein Beispiel: Die Stadt Wolfhagen hat als erste Stadt in Nordhessen ihr Stromnetz von Eon zurück- gekauft. Sie will bis 2015 ihren gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energien decken. Die Kaufsumme für die Netze von 2,4 Millionen Euro lag nach Einschätzung der Stadtwerke 180 Prozent über dem tatsächlichen Wert. Dort hat erst der Gang vor das Bundesverwal- tungsgericht eine Lösung schaffen können. Noch ein Beispiel: RWE musste auf Drängen des Oberverwal- tungsgerichts 2,8 Millionen D-Mark an die Gemeinde Nürnbrecht in Nordrhein-Westfalen zurückzahlen. Solche Beispiele gibt es noch einige, und ohne eine klare Regelung zur Festsetzung des wirklichen Wertes regionaler Energienetze steht eine Flut von gerichtlichen Auseinandersetzungen bevor – allerdings nur, wenn Kommunen durch die Dreistigkeit der Konzerne nicht abgeschreckt werden und die Gerichtskosten vorstrecken können. Es ist ganz klar, dass hier massiver Handlungs- bedarf besteht, der die Kommunen bei ihrem Streben nach erneuerbaren Energien und Selbstbestimmung un- terstützt. Deshalb begrüßt die Linke den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen; wir halten ihn aber noch nicht für weitgehend genug. Kommunen, genossenschaftliche Bürgerinitiativen und auch andere regionale Energieanbieter oder Vereini- gungen müssen jederzeit in der Lage sein, sich gegen Atomkraft, gegen Kohlekraft, gegen überzogene Lei- tungsgebühren, gegen dubiose Strombörsenspekulatio- nen und für erneuerbare Energien, für Kraft-Wärme- Kopplung, für Energieeffizienz, für Klimaschutz und für demokratische Mitbestimmung zu entscheiden. In den Kommunen selbst müssen die Bürgerinnen und Bürger durch viel niedrigere Hürden bei Bürgerbegehren und Volksentscheiden selbst entscheiden können, ob sie wei- terhin Strom und Gas vom fossil-nuklearen Großanbieter beziehen wollen oder ob sie die Sache selbst in die Hand nehmen. Dafür müssen sie Konzessionsverträge jeder- zeit kündigen können und die Energienetze zu Konditio- nen übereignet bekommen, die der Realität entsprechen. Wenn die Koalition es mit der Wettbewerbsfähigkeit ernst nimmt, dann erhört sie die Hilferufe aus den Ge- meinden und Städten und beendet endlich ihre unsägli- che Lobbypolitik für die Energiekonzerne. Denn was entgegen des Atom- und Kohlewahnsinns der Koalition tatsächlich verbraucherfreundlich und preisdämpfend wirkt, ist die Rekommunalisierung – wie in Ahrensburg, wo der rekommunalisierte Gasanbieter nach dem ersten Abrechnungsjahr 1,4 Millionen Euro an die Kunden zu- rückzahlen konnte. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Deutschland laufen aktuell und in den kommenden Jah- ren Tausende sogenannter Konzessionsverträge zwi- schen Kommunen und Energieversorgungsunternehmen zum Betrieb von Strom- und Gasverteilnetzen aus. Das bietet Kommunen die Chance, ihre Netze in Zukunft wieder in Eigenregie oder aber in Kooperation mit ande- ren Kommunen betreiben zu können oder einfach nur einen anderen Netzbetreiber zu wählen. Das ist Wettbe- werb um die Netze, das ist originärer Handlungsspiel- raum von Kommunen, den wir stärken sollten. Viele Kommunen wollen mit den Verteilnetzen als Rückgrat bei der Energiezeugung selbst aktiv werden: dezentral, mit erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme- Kopplung vor Ort. Dabei wollen wir sie unterstützen. Wir brauchen Kommunen mit Stadtwerken als Akteuren im Energiemarkt. Doch leider legt das Energiewirt- schaftsgesetz in seiner aktuellen Fassung den Kommu- nen einen großen Stein in Form von § 46 Abs. 2 EnWG in den Weg, wenn sie am Ende der Laufzeit von Konzes- sionsverträgen wieder an ihre Netze kommen wollen. So ist der aktuelle Netzbetreiber zum Beispiel nicht verpflichtet, der Kommune relevante Daten über das Netz und dessen Zustand zur Verfügung zu stellen. Wie ich aus vielen Kommunen höre, geschieht dies in den al- lermeisten Fällen auch nicht oder die Informationen kommen unvollständig und mitunter viel zu spät und müssen oft erst über das Gericht eingeklagt werden. Den Kommunen fehlt damit jegliche Grundlage, über die Zu- kunft ihrer Netze entscheiden zu können. Aber es gibt noch mehr Probleme. Bei der Feststel- lung eines Kaufpreises sieht das Energiewirtschaftsge- setz eine „angemessene wirtschaftliche Vergütung“ vor, den die Kommunen oder ein neuer Netzbetreiber an den bisherigen zu zahlen haben. Was ist denn bitte eine „an- gemessene wirtschaftliche Vergütung“? Die Forderun- gen liegen oft 100 Prozent auseinander, und ich kenne keinen Fall, wo die Sache nicht am Ende vor Gericht ge- landet wäre. Deshalb geschieht es leider nur all zu häu- fig, dass eine Kommune sich nur deshalb wieder für den gleichen Netzbetreiber entscheidet, weil sie die gerichtli- che Auseinandersetzung scheut. Das können wir nicht wollen; wir wollen kommunale Entscheidungsfreiheit und Wettbewerb um die Netze. Ich habe die Bundesregierung schriftlich gefragt, ob sie gedenkt, an der unbefriedigenden Formulierung des § 46 Abs. 2 EnWG etwas zu ändern. Die Antwort der Bundesregierung war so knapp wie unmissverständlich: Sie antwortete mit einem Wort: „Nein“. So grandios setzt sich die Bundesregierung für die Rechtssicherheit der Kommunen ein. Aber das passt genau ins Bild, denn es sind in der Regel RWE & Co., welche die Verteilnetze jetzt betreiben und diese natürlich nicht hergeben wol- len. Mit unserem Gesetzentwurf ließen sich diese Pro- bleme lösen. Wir schlagen vor, den § 46 EnWG dahin gehend zu konkretisieren, dass der Kaufpreis für die Netze nach dem Ertragswertverfahren definiert wird. Das ist sachgerecht und entspricht am ehesten dem Wert der Netze. Außerdem wollen wir klarstellen, dass der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6993 (A) (C) (D)(B) bisherige Nutzungsberechtige und Konzessionsnehmer das Netz dem neuen Konzessionsnehmer nicht nur wie im gültigen EnWG formuliert überlässt, sondern über- eignet und damit alle Rechte am Netz dauerhaft aufgibt. Damit die Kommune überhaupt mit ausreichendem zeit- lichen Vorlauf in die Lage versetzt wird, den Wert des Netzes und daraus resultierende wirtschaftliche Perspek- tiven des Netzbetriebes für sich selbst und für Dritte ein- zuschätzen, soll der bisherige Konzessionsnehmer ver- pflichtet werden, drei Jahre vor Vertragsende alle diesbezüglichen Informationen zur Verfügung zu stellen. Nur mit einem solchen Vorlauf können seriöse Verhand- lungen auf einer soliden Grundlage an Daten und Infor- mationen geführt werden. Im Sinne der betroffenen Kommunen und für mehr Wettbewerb im Energiemarkt angesichts Tausender aus- laufender Konzessionsverträge brauchen wir eine Neufassung des § 46 EnWG. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir in den Ausschüssen im Unterschied zum kate- gorischen „Nein“ der Bundesregierung konstruktiv über das Thema sprechen und vielleicht sogar einen Konsens erreichen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebenen Reden zu Beratung des Entwurfs eines Neunten Geset- zes zur Änderung des Bundes-Immissions- schutzgesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Dr. Michael Paul (CDU/CSU): 50 Millionen Kraft- fahrzeuge fahren auf den deutschen Straßen. Insgesamt beträgt der Energieverbrauch im Verkehrssektor 28 Prozent. Dieser Energiebedarf wird fast ausschließ- lich durch Mineralölprodukte gedeckt: durch Ottokraft- stoffe und Dieselkraftstoffe. Es ist an der Zeit, auch in diesem Bereich den Weg hin zu den erneuerbaren Ener- gien zu beschreiten, sowohl um knappe Ressourcen zu schonen als auch, um das Klima zu schützen. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, den wir heute beraten, wird nun die Möglichkeit flankiert, ab 2011 Ottokraftstoff mit bis zu zehn Volumenprozent Bio-Ethanol in Verkehr zu bringen. Anstatt wie bisher nur Kraftstoff mit der zulässigen Beimischungsgrenze für Bio-Ethanol von 5 Volumenprozent, werden die Au- tofahrer künftig Kraftstoff mit 10 Prozent Ethanolanteil an ihrer Tankstelle tanken können. Durch die Einführung von E10 wird der Biokraftstoff- anteil pro Liter Kraftstoff erhöht. Dies wird es überhaupt erst ermöglichen, dass die anspruchsvollen, durch das Biokraftstoffquotengesetz vorgeschriebenen Biokraft- stoffanteile erfüllt werden können. Das Biokraftstoff- quotengesetz schreibt seit dem 1. Januar 2007 eine Min- destbeimischung von Biokraftstoffen zu Motorenbenzin und Dieselkraftstoff vor. Es verpflichtet die Mineralöl- wirtschaft, einen jährlich festen und mit den Jahren an- wachsenden Mindestanteil von Biokraftstoffen in den Verkehr zu bringen. Dieser Anteil stieg jährlich an und beträgt in diesem Jahr 6,25 Prozent des Energiegehalts der gesamten in den Verkehr gebrachten Kraftstoffe (§ 37a Abs. 3 BImSchG). Mit E5 allein war diese Quote nicht erreichbar. Durch die Einführung von E10 ist es nun- mehr möglich, die durch das Biokraftstoffquotengesetz vorgeschriebenen Biokraftstoffanteile zu erfüllen. Bioethanol wird aus dem nachwachsenden Kohlen- stoffträger Biomasse oder den biologisch abbaubaren Anteilen von Abfällen hergestellt. Durch die zuneh- mende Beimischung von Bioethanol werden dement- sprechend weniger fossile Kraftstoffe verbrannt. Bei ent- sprechender umweltfreundlicher Herstellung, die durch entsprechende Zertifizierung des Bioethanols nachge- wiesen wird, verbessern wir dadurch die Klimabilanz nachhaltig. Die Bundesregierung hat am 28. September 2010 ein umfassendes Energiekonzept zur Sicherstellung einer zuverlässigen, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung beschlossen. Damit liegt zum ersten Mal seit 20 Jahren ein ideologiefreies, technologieoffe- nes und marktorientiertes Energieprogramm vor, das alle energiewirtschaftlich relevanten Bereiche anspricht, auch den Verkehrsbereich. Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt die im Energie- konzept aufgeführten Ziele für die Verminderung von Treibhausgasen, für den Anteil erneuerbarer Energien und für Energieeffizienz. Die vorgegebenen Reduktions- ziele für den CO2-Ausstoß sind ehrgeizig: 40 Prozent weniger CO2-Ausstoß ab 1990 bis 2020 und 80 bis 95 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2050. Ferner ist für den Verkehrssektor im Energiekonzept ausdrücklich die Steigerung des Anteils von Biokomponenten in Kraft- stoffen festgeschrieben. Die Zielvorgaben für die Dekar- bonisierung werden schrittweise anspruchsvoller. Zu- dem ist die Treibhausgasbilanz des Kraftstoffs ein zentraler Bestandteil für die künftige Begünstigung be- sonders förderungswürdiger Biokraftstoffe. Mit der gesetzlichen Regelung soll zum einen dem Klimaschutz durch eine Verringerung der Verbrennung mineralischer Kraftstoffe Rechnung getragen werden. Zum anderen soll durch den Ausbau der Biokraftsstoff- industrie eine Basis für die Versorgungssicherheit mit Kraftstoffen geschaffen werden. Versorgungssicherheit ist neben Klimaverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit ebenfalls ein Ziel im Zieldreieck unserer Energieversor- gung. Wir können so unsere Abhängigkeit von impor- tiertem Öl senken. Zur Einführung von E10-Kraftstoff soll das Neunte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzge- setzes die Verordnungsermächtigungen des BImSchG erweitern. Die Bundesregierung wird zum einen ermäch- tigt, sogenannte Bestandsschutzsorten bei Kraftstoffen zu regeln. Darüber hinaus wird die Bundesregierung er- mächtigt, die Datenerhebung bei Mineralölunternehmen zur Erstellung einer Ökobilanz der Treibstoffe zu regeln. Bei der Einführung von E10-Kraftstoffen muss dafür Sorge getragen werden, dass ältere Fahrzeuge, die mög- licherweise E10-Kraftstoff nicht vertragen, keinen Scha- den nehmen. Aus diesem Grund ist sicherzustellen, dass an jeder Tankstelle weiterhin eine Bestandschutzsorte 6994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) angeboten wird; also eine Sorte Kraftstoff, die problem- los von allen Fahrzeugen „vertragen“ wird. Die Rege- lung dieser Bestandsschutzsorten-E5, die wie bisher nur bis zu 5 Prozent Bioethanol enthalten, ist notwendig, um die kontinuierliche Versorgung aller auf dem Markt be- findlichen Fahrzeuge mit geeignetem Kraftstoff sicher- zustellen. Nach Angaben der Hersteller sind etwa drei Millionen Fahrzeuge E10-unverträglich, das heißt, sie können nur mit E5 betrieben werden. In der Hauptsache handelt es sich um ältere Fahrzeuge. Für den einzelnen Autofahrer muss leicht und schnell erkennbar sein, ob sein Auto E10 verträgt oder nicht verträgt. Dazu müssen die Hersteller, die Importeure und diesmal auch der ADAC einen Weg finden. Es kann nicht sein, dass hie- rüber erst im letzten Moment oder gar nicht Auskunft gegeben wird. Die Einführung von E10 war 2008 nicht zuletzt daran gescheitert; dies darf sich nicht wiederho- len. Der Gesetzentwurf dient im Wesentlichen der Umset- zung der EU-Kraftstoff-Richtlinie im Hinblick auf die Spezifikationen für Otto-, Diesel- und Gasölkraftstoffe und die Einführung eines Systems zur Überwachung und Verringerung der Treibhausgasemissionen. Darüber hi- naus erfolgt bei dieser Gelegenheit eine redaktionelle Anpassung von § 13 BImSchG an das neu nummerierte Wasserhaushaltsgesetz. Die EU-Kraftstoffrichtlinie verpflichtet die Mitglied- staaten, bis Ende des Jahres 2010, das Inverkehrbringen von Ottokraftstoff mit bis zu 10 Prozent Bioethanol zu ermöglichen. Darüber hinaus sieht die Richtlinie vor, dass für Fahrzeuge, deren Motoren einen Anteil von 10 Prozent Bioethanol im Kraftstoff nicht vertragen, si- cherzustellen ist, dass mindestens bis zum Jahr 2013 Kraftstoffe mit einem maximalen Sauerstoffgehalt von 2,7 Prozent und einem maximalen Ethanolgehalt von 5 Prozent in Verkehr gebracht werden. Zur Umsetzung der konkreten Anforderungen der Richtlinie soll in Deutschland die Kraftstoffqualitätsverordnung geändert werden. Die Regelung von Bestandsschutzsorten in ei- ner novellierten 10. BImSchV setzt eine Ergänzung der bereits in § 34 BImSchG vorhandenen Verordnungser- mächtigungen voraus, die mit diesem Gesetzentwurf ge- schaffen werden soll. Die Umsetzung der EU-Richtlinie bis zum Jahresende ist für die Mitgliedsländer Pflicht. Ich bitte Sie daher um die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf der Bundesre- gierung. Ute Vogt (SPD): Der vorliegende Gesetzentwurf hat – unter anderem – die „Einführung eines Systems zur Überwachung und Verringerung von Treibhausgasemis- sionen“ zum Ziel, wie es die EU-Richtlinie 2009/30/EG vom 23. April 2009 vorsieht. Ein zentraler Punkt dabei ist die Einführung einer verpflichtenden Berichterstat- tung der Kraftstoffvertreiber über Menge, Art, Erwerbs- ort und Ursprung des Treibstoffes sowie die Mitteilung über die Lebenszyklustreibhausgasemissionen pro Ener- gieeinheiten an den Bund. Die Informationspflicht, die damit neu geschaffen wird, ist eine notwendige Grund- lage für das Ziel der Verringerung der Treibhausgas- emissionen. Sicher ist der uns vorliegende Gesetzentwurf nur ein winziger Baustein in einer notwendigen Reihe von Maßnahmen, um dem Ziel der CO2-Reduktion näher zu kommen. Unter diesem Aspekt stellt sich deshalb auch die Frage, warum sich die Bundesregierung bis heute Zeit gelassen hat, einen Vorschlag einer Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht vorzulegen. Schließ- lich muss die Verordnung laut Vorgabe der EU bis zum 31. Dezember 2010 in allen Mitgliedstaaten umgesetzt sein. Es ist jedoch zu begrüßen, dass nun endlich eine Umsetzung der Richtlinie erfolgt und der Einführung von E10 nichts mehr im Wege steht. Außerdem wird der Bestandsschutz für ältere Fahrzeuge gewährleistet, in- dem auch weiterhin Kraftstoff mit einer geringeren Bei- mischung von Bioethanol im Umlauf bleibt. Die Grundlagen, die wir heute legen, können zu Ver- besserungen des Klimaschutzes beitragen. Wir sollten sie jedoch lediglich als kleinen Baustein auf dem Weg der Reduktion von CO2 sehen. Denn ernst zu nehmen ist die Kritik verschiedener Umweltverbände, dass Bioetha- nol nicht in letzter Konsequenz „Bio“ und klimaneutral ist. Der in Deutschland hergestellte Biokraftstoff ent- spricht ökologischen Standards – was bedauerlicher- weise in vielen anderen Ländern der Welt aber nicht der Fall ist. Wir brauchen deshalb als Konsequenz auf die Umsetzung der Verordnung rechtlich verbindliche Krite- rien für Kraftstoffe, die gewissen Nachhaltigkeitskrite- rien entsprechen. Ein Weg ist es, in Bioethanol nicht die Lösung der deutschen Treibhausgasemissionen zu sehen und alternativen Kraftstoffen ebenfalls eine Chance ein- zuräumen. Bei Einsatz eines Hektars an Ackerfläche zur Produktion von flüssigen bzw. gasförmigen, biogenen Kraftstoffen, kann beispielsweise ein mit Biomethan be- triebener Pkw eine bis zu rund dreimal so lange Strecke zurücklegen wie ein mit Bioethanol betriebener. Wir müssen außerdem dafür sorgen, dass die mit die- ser Gesetzesänderung geschaffene Berichtspflicht für Kraftstoffvertreiber nicht ein weiteres bürokratisches Monstrum wird, sondern dass die gewonnenen Erkennt- nisse zeitnah in aktuelle Politik einfließen. Die für sie neuen, sehr umfangreichen Berichtspflichten dürfen bei Kraftstoffvertreibern nicht den Eindruck hinterlassen, sie werden nur um des Datensammelns willen erfasst. Es müssen Taten folgen und entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden – und auch weiterhin alternative Me- thoden, die zur Verminderung von Treibhausgasemissio- nen beitragen können, verfolgt werden. Es ist ein erster Schritt, über die neu geschaffene Be- richtspflicht Fakten über Kriterien von Biokraftstoffen zu erhalten. Aber Datensammeln allein hilft noch nichts. Es muss in einem zweiten Schritt die gleiche Anforde- rung an fossile Kraftstoffe gelten. Denn nur so ist eine echte Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeit der verschie- denen Kraftstoffarten gegeben. Michael Kauch (FDP): Der vorliegende Gesetzent- wurf schafft die Ermächtigungsgrundlage zur Änderung der 10. Bundes-Immissionsschutzverordnung dahin ge- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6995 (A) (C) (D)(B) hend, dass insbesondere die Beimischungsgrenze für Etha- nol im Ottokraftstoff von bisher 5 Prozent auf 10 Prozent erhöht werden kann. Dies ist ein richtiger Schritt. Denn der Straßenverkehr trägt einen erheblichen Anteil zu den Treibhausgasemissionen in Deutschland und Europa bei. Durch das Gesetz wird die Möglichkeit eröffnet, einen höheren Anteil regenerativer Energien im Straßenverkehr einzusetzen. In der letzten Wahlperiode ist die Beimi- schung von 10 Prozent Ethanol im Benzin mit der Be- gründung abgelehnt worden, dass es zu Problemen mit der Motorentechnik kommen kann. Im Koalitionsvertrag haben Union und FDP daraufhin beschlossen, die Einfüh- rung von E10 als Option zu ermöglichen. Diese Möglich- keit wird eröffnet durch eine klare Kennzeichnung, so dass jeder Fahrer entscheiden kann, welchen Kraftstoff er tankt. Dies ist ein Schritt zu mehr Klimaschutz im Ver- kehr und schafft zugleich Sicherheit für die Autofahrer. Für mehr Umweltschutz im Verkehr beschreitet die Ko- alition drei Wege: mehr und bessere Biokraftstoffe, Elektromobilität und Weiterentwicklung der Brennstoff- zellentechnik. Als FDP wollen wir zudem nicht nur die Beimischung von Biokraftstoff erleichtern, sondern auch den Markt für reine Biokraftstoffe wiederbeleben. Damit meinen wir es ernst: Die von SPD-Finanzminister Peer Steinbrück ursprünglich zum 1. Januar 2010 vorgese- hene Steuererhöhung für reine Biokraftstoffe haben wir deshalb gestoppt. Mit dem Wachstumsbeschleunigungs- gesetz haben wir einen Beitrag zur Marktfähigkeit von reinen Biokraftstoffen geleistet. Mit der Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes schaffen wir nun die Grundlage für eine erweiterte optionale Beimischung von Ethanol. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Heute sprechen wir über legalen Alkohol im Auto. Es geht nicht um die Pro- mille beim Fahrer, sondern um den erzwungenen Alko- holkonsum für Motoren; denn Ethanol, aus nachwach- senden Pflanzen gewonnen, wird als CO2-neutraler Treibstoff eingestuft. Deshalb sollen ab 2011 zwangs- weise 10 Prozent Alkohol in die Kraftstoffe gemischt werden; das wäre ein Alkoholanteil im Benzin wie bei Wein. Damit hofft die Bundesrepublik die Klimaziele zu erreichen. Aber gerade beim Klimaschutz muss man komplex in globalen Maßstäben denken. Ein Problem der Zwangs- beimischung von Alkohol in diesen Mengen ist, dass dieser aus Biomasse gewonnen wird. Zuckerrohr wird angebaut, zu Alkohol destilliert, und dann wird alles ver- brannt. In Europa stehen wegen Biogasnutzung, Lebens- mittelproduktion und Agrarrohstoffversorgung bereits heute keine ausreichenden Flächen zur Verfügung. Also wird der Alkohol aus der Dritten Welt importiert. Da die Kraftstoffanbieter diesen Alkohol verpflichtend brau- chen, kaufen sie die notwendigen Agrarpflanzen auf. Dieses Gesetz führt in den Entwicklungsländern zur Umstellung der Nahrungsproduktion auf Energiepflan- zenanbau. Außerdem sind die großen Kraftstoffanbieter organisatorisch nicht in der Lage, mit Tausenden Klein- bauern einzelne Lieferverträge abzuschließen. Also ar- beiten sie mit Agrargroßunternehmen zusammen; diese verdrängen dann selbstständige Bauern. So werden so- ziale Gefüge zerstört, so haben 925 Millionen Men- schen nicht genug zu essen, und alle sechs Sekunden verhungert ein Kind, weil ausreichend Land für den Nahrungsmittelanbau fehlt. Der Druck, neues Ackerland auf bisher ungenutzte Flächen zu gewinnen, steigt – Ur- wälder werden gerodet, und Grünland wird zu Acker- land für Monokulturen. Die Artenvielfalt sinkt, und beim Pflanzenanbau für Alkohol im Tank gibt es kaum Be- schränkungen für den Einsatz von Chemikalien und gen- manipuliertem Saatgut. Damit zerstört dieses Gesetz die Lebensgrundlagen von Mensch und Tier. Auch Zertifi- zierungen helfen da nichts. Was nutzt es, wenn Alkohol für Europa aus zertifiziertem Anbau stammt und die ur- sprünglich dort angebauten Pflanzen für andere Ab- nehmer dann auf frischen Rodungsflächen wachsen müssen? Wir in der Bundesrepublik müssen die Beimi- schung von Import-Alkohol in Benzin verhindern, so- lange noch ein Mensch auf der Erde hungert. Ein Problem kommt auch auf die Nutzer älterer Pkw, die sich neue Autos nicht leisten können, zu. Ältere Mo- toren werden durch den hohen Alkoholanteil zerstört. Ab 2014 ist dies nach dem Auslaufen der Übergangsfrist unvermeidlich. Die Autohändler haben bereits Dollar- zeichen in den Augen. Auch der Benzinpreis steigt durch die Alkoholkosten und die Beimischungskosten an. Im Öko-Mäntelchen steigern Sie die Mehrwertsteuer- einnahmen für den Finanzminister. Durch dieses Gesetz wird Natur zerstört werden; viele Menschen werden ihre Existenz verlieren. Wer sich hohe Benzinpreise und neue Autos nicht leisten kann, verliert Mobilität. – Das alles ist nicht hinnehmbar. Von diesem Gesetz profitieren Agrarkonzerne, Genmanipulatoren aus der Chemiein- dustrie und Pkw-Hersteller. Wer dieses Gesetz so verab- schiedet, zeigt Herz für Konzerne und den Menschen die kalte Schulter. Daher sagt die Linke Nein zu diesem Ge- setz, zu diesem Öko-Kolonialismus. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die grüne Fraktion begrüßt, dass nun die Möglichkeit ge- schaffen wird, Ottokraftstoff mit bis zu zehn Volumen- prozent Ethanol – also E10 – in Verkehr zu bringen. Ebenfalls begrüßen wir, dass dabei Nachhaltigkeits- und Qualitätskriterien berücksichtigt werden. Der Bundesrat hat darauf hingewiesen, dass es Möglichkeiten gäbe, bei Sicherstellung der Nachhaltigkeit die Kontrolle dieser Kriterien mit weniger bürokratischem Aufwand zu be- werkstelligen. Hier sollte die Bundesregierung noch nacharbeiten. Wie wir alle wissen, handelt es sich hier nur um eine Pflichtaufgabe seitens der EU. Da, wo die Regierungs- parteien selbst handeln müssten, versagen sie; da wo sie handeln, machen sie alles schlimmer. Nichts ist geblie- ben von dem Versprechen des Koalitionsvertrages, die reinen Biokraftstoffe wieder wettbewerbsfähig zu ma- chen. Die Besteuerung ist aktuell immer noch zu hoch für eine Wirtschaftlichkeit; dies belegt selbst der Bio- kraftstoffbericht der Bundesregierung. Aber es kommt noch schlimmer: Immer noch ist geplant, die reinen Bio- kraftstoffe zukünftig so hoch wie Diesel und Benzin zu 6996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) besteuern. Wer soll hier noch auf die Politik vertrauen und investieren? Sie haben zwar die Wiederbelebung des realen Bio- kraftstoffmarktes in den Koalitionsvertrag geschrieben. Bisher ist keine Umsetzung erfolgt. Im Energiekonzept der Bundesregierung findet sich eben keine Aussage zu einer Steuererleichterung für die reinen Biokraftstoffe. Sind Sie endlich ehrlich: Eine Wiederbelebung des Marktes für reine Biokraftstoffe wird es unter Schwarz- Gelb nicht geben. Aber die Union und die FDP schauen nicht nur zu, wie der Reinkraftstoffmarkt für Biokraftstoffe vor die Hunde geht, sondern sie arbeiten auch im Quotenmarkt für die Konzerne. Wem außer den Mineralölkonzernen ist geholfen, wenn zukünftig die Hydrierung in der Quote erlaubt wird? 3 Prozent Hydrierungsanteil beim Diesel bedeuten, dass der Mittelstand aus diesem Markt- segment gedrängt wird. Statt Rapsöl aus deutschen Lan- den gibt es zukünftig Palmöl aus Indonesien. „Pack den Regenwald in den Tank“ ist wohl das Leitmotiv der Bio- kraftstoffstrategie von Röttgen und Aigner. Die Regie- rung ist wieder den Konzern-Lobbyisten auf den Leim gegangen. Das sogenannte Energiekonzept ist das passende Stichwort, Konzeptionslosigkeit ist das oberste Leitmo- tiv. In dem ganzen Papier gibt es dutzende Prüfaufträge, aber keine einzige Aussage dazu, wie reine Biokraft- stoffe wieder einen Markt bekommen sollen. Ebenfalls eine Fehlanzeige gibt es beim nationalen Aktionsplan der Bundesregierung für erneuerbare Energien, der im Sommer nach Brüssel geschickt wurde. Darin wird zwar von steigenden Anteilen von Biokraftstoffen berichtet, es gibt aber keine Maßnahme, die das unterlegen würde. Die einzig wirkungsvolle Maßnahme für den Ausbau der erneuerbaren Energien, die etwas Positives bewegen wird, ist ein schnellstmöglicher Regierungswechsel. Dies hat offenbar selbst die bayerische Staatsregierung verstanden. Diese hat einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der sich in den meisten Punkten gar nicht so schlecht liest. Leider dient der Antrag nur, in Bayern Ak- tivität vorzugaukeln. Die Unions-Abgeordneten sollten ihren Job tun und das umsetzen, was sie längst verspro- chen haben. An der FDP sollte es eigentlich nicht liegen. Die hatte noch bis zur letzten Bundestagswahl die glei- chen Versprechen abgegeben. Jetzt müssten Sie nur ihre eigenen Versprechen halten – und die Biokraftstoffe hät- ten in Deutschland wieder eine Zukunft. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Biologische Vielfalt für künftige Generationen bewahren und die natürlichen Lebensgrundlagen sichern (Zusatz- tagesordnungspunkt 4) Josef Göppel (CDU/CSU): „Wir müssen Klima- schutz und Biodiversität gemeinsam denken“, hat Frau Bundeskanzlerin Merkel gestern in ihrer Rede auf der Konferenz zu Klimaschutz und biologischer Vielfalt hier im Bundestag gesagt, und sie hat es mit einem ein- drucksvollen Beispiel belegt: Durch den klimawandelbe- dingten Anstieg der Meeresspiegel stehen die Korallen- riffe buchstäblich vor dem Untergang. Dieses Beispiel zeigt, wie die Dinge zusammenhängen. Frau Merkel hat zugleich deutlich gesagt: „Mit jedem Jahr, das wir ver- lieren, ist die Anstrengung nachher um so größer. Nichtstun wird sich bitterlich rächen.“ Wir alle wissen, die Ursachen und Folgen des Artenschwundes sind auf vielfache Weise mit den Ursachen und Folgen des Kli- mawandels verbunden. Ein im Aufbau befindlicher At- las der UNEP zeigt, wie Gebiete mit besonders hohem Artenreichtum und Gebiete mit überdurchschnittlicher CO2-Speicherung zusammenhängen. Es gilt deshalb, dem Verlust an biologischer Vielfalt mit gleicher Priori- tät entgegenzutreten wie den Ursachen für den Klima- wandel. Ich halte es, in Zeiten massiver Auseinandersetzun- gen und Konflikte in der Atom- und Energiepolitik, für äußerst bemerkenswert, dass es in kürzester Zeit gelun- gen ist, einen so umfassenden und fundierten gemeinsa- men Antrag zur Bewahrung der biologischen Vielfalt und zum Schutz unserer Lebensgrundlagen auf den Weg zu bringen. An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die konstruktiv zu diesem Erfolg beigetragen haben. Der gemeinsame Antrag ist nicht nur ein gutes Zeichen für das deutsche Parlament, er ist auch ein ein- deutiges Signal an unsere Partner im Kampf gegen den Klimawandel und den Artenschwund. Ich bin der festen Überzeugung, dass der Erhalt der Artenvielfalt nicht nur eine ethische Verpflichtung zur Bewahrung der Schöp- fung ist, sondern auch eine existenzielle Bedeutung für das Wohlergehen heutiger und künftiger Generationen hat. In wenigen Tagen wird die internationale Konferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt in Nagoya, Japan, stattfinden. Der gemeinsame Antrag kommt somit genau zum richtigen Zeitpunkt. Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen, die zeigen, warum die- ser Antrag so bedeutend ist. Erstens, wir brauchen ein klares Biodiversitätsziel im strategischen Plan der Kon- vention. Der strategische Plan ist der Teil der Konven- tion, in dem verbindliche Ziele definiert werden. Zwei- tens, wir brauchen eine wirksame, gerechte und völkerrechtlich verbindliche Übereinkunft für den Zu- gang zu genetischen Ressourcen und den Vorteilsaus- gleich. Ein Großteil der natürlichen Vielfalt befindet sich in den Entwicklungsländern, die nicht über die notwen- digen Finanzmittel verfügen, um die Artenvielfalt mit all ihren Wohlfahrtsleistungen aus eigener Kraft zu schüt- zen. Zugleich ist die biologische Vielfalt der Regenwäl- der ein Schatz für die Forschung und Wirtschaft in vie- len Industrieländern. Drittens, wir brauchen einen langfristigen und verlässlichen Finanzierungsmechanis- mus für die Errichtung und dauerhafte Sicherung eines weltweiten Schutzgebietsnetzes. Dazu gehört elementar auch der Waldschutz. Deutschland hat 500 Millionen Euro bis 2012 und ab 2012 jährlich 500 Millionen für den Erhalt und die nachhaltige Entwicklung bedrohter Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6997 (A) (C) (D)(B) Ökosysteme, insbesondere Wälder, zugesagt. Diese Mit- tel müssen nun auch eingesetzt werden. Man kann die Frage stellen, warum sollen wir hier in Deutschland für den Erhalt der tropischen Urwälder be- zahlen. Die Antwort ist: So wie die europäischen Land- wirte erwarten, von der Allgemeinheit für Leistungen des Umweltschutzes entschädigt zu werden, genauso er- warten die Menschen in den Entwicklungsländern finan- ziellen Ausgleich für den Schutz der Artenvielfalt, deren wirtschaftliche Vorteile hauptsächlich den Industrielän- dern zugutekommen. Norwegen gibt für den Schutz der tropischen Wälder seit 2007 jährlich 500 Millionen US- Dollar und in diesem Jahr nochmals eine Milliarde US- Dollar zusätzlich aus. Der Biodiversitätsverlust trifft die wirtschaftlich schwächsten Regionen der Erde am stärksten. Die biolo- gische Vielfalt leistet besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern einen unverzichtbaren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung, Armutsbekämpfung, Ernäh- rungssicherung, Trinkwasserschutz, Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Wer Leistungen für die Gesellschaft erbringt, muss dafür besser gestellt sein als derjenige, der nur die gesetzlichen Mindestanforderun- gen erfüllt oder zur Zerstörung der Artenvielfalt beiträgt. Auch in unserem Land gibt es Artenverluste. Nur ein Beispiel: Nach dem Auslaufen der EU-Flächenstille- gungsprogramme steht heutzutage eine der bekanntesten Vogelarten der offenen Kulturlandschaft, die Feldlerche, auf der Roten Liste. In Deutschland hat der Bestand zwi- schen 1980 und 2005 um etwa 30 Prozent abgenommen. Bei der Neuregelung der gemeinsamen Agrarpolitik muss deshalb der Schutz der biologischen Vielfalt be- rücksichtigt und honoriert werden. Mit dem kooperati- ven Naturschutz, wie er mit den Landschaftspflegever- bänden heute schon praktiziert wird, haben wir ein brauchbares Instrument, um die biologische Vielfalt in Deutschland zu stabilisieren. Ich möchte zum Schluss nochmals auf die Worte von Frau Merkel zurückkommen, des gesagt hat: „Wir müs- sen Klimaschutz und Biodiversität gemeinsam denken.“ Ich füge hinzu, wir müssen Biodiversität und Wald- schutz gemeinsam denken und wir müssen Biodiversität und Landwirtschaft gemeinsam denken. Das Thema bio- logische Vielfalt muss deshalb in allen Politik- und Wirt- schaftsbereichen wie zum Beispiel der Haushalts-, Wirt- schafts-, Agrar-, Fischerei-, Wald-, Klima-, Verkehrs- und Bau- sowie der Bildungs- und Forschungspolitik ko- operativ verankert werden. Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine Anmerkung zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie: Die Wasserrah- menrichtlinie ist ein Positivbeispiel, wie die nachhaltige Nutzung und der Erhalt der Fließgewässer kombiniert werden können. Die Wasserrahmenrichtlinie sollte des- halb in größerem Umfang für Artenschutzziele genutzt werden. Der Blick auf die weltweite Verantwortung darf nicht den Blick für das konkrete Verhalten im eigenen Lebens- bereich verdecken. Trotz der gigantischen globalen He- rausforderungen dürfen wir nicht vergessen, dass jeder seinen Beitrag zum Schutz des Klimas und der biologi- schen Vielfalt leisten kann. Auf die konkreten Maßnah- men kommt es an. Wir müssen jetzt handeln. Ich glaube, dass wir mit dem heutigen Antrag auf dem richtigen Weg sind. Wir erwarten deshalb von der Bundesregie- rung, dass den Worten Taten folgen. Ich wünsche Frau Merkel, Herrn Umweltminister Röttgen und der deut- schen Delegation viel Erfolg bei den Verhandlungen in Nagoya. Dr. Matthias Miersch (SPD): Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, gerade noch rechtzeitig einen interfrak- tionellen Antrag zur 10. Vertragsstaatenkonferenz über die biologische Vielfalt in den Deutschen Bundestag ein- zubringen. Dieser Antrag war zugegebenermaßen eine schwierige Geburt. Nichtsdestotrotz möchte ich betonen, dass ich froh über die Einigung innerhalb dieses Hauses bin, denn eine weitere Zeitverschwendung lässt die aktu- elle Situation nicht mehr zu. Es ist klar, dass die europäischen, aber auch die inter- national zugesagten Biodiversitätsziele nicht erreicht werden. Der Verlust biologischer Vielfalt schreitet dra- matisch voran, und je schneller wir dem Artensterben und dem Verlust von Lebensräumen entgegenwirken, desto besser wäre es. Bundeskanzlerin Merkel hat auf dem gestrigen Kongress der Unionsfraktionen zur Bio- diversität ebenfalls auf den bedenklichen Verlust von Le- bensräumen 20 Jahre nach der Rio-Konferenz hingewie- sen. Sie hat darauf hingewiesen, dass es bei der nach wie vor zu hohen Flächeninanspruchnahme noch viele Pro- bleme zu lösen gibt, dass wir ein Netzwerk von Meeres- schutzgebieten benötigen, dass wir ein Protokoll zum gerechten Vorteilsausgleich verabschieden müssen und vieles mehr. Viele Worte – und die Bundeskanzlerin hat die Lage ja auch richtig erkannt –, aber wo bleiben die Taten, Frau Merkel? Betrachtet man die Realität im Handeln der Bundes- regierung, fällt auf, dass die Entwürfe der Haushalts- pläne 2011 für das Bundesumweltministerium und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die auf dem Kopenhagen-Gipfel zugesagten zusätzlichen Mittel in Höhe von jährlich 420 Millionen Euro nicht enthalten. Mit diesem Geld sollten unter anderem An- passungsmaßnahmen an den Klimawandel sowie der Waldschutz finanziert werden. Bereits im Haushaltsjahr 2010 wurden neu und zusätzlich nur 35 Millionen Euro jeweils im BMU- und BMZ-Haushalt für den internatio- nalen Klimaschutz eingestellt. Für die restlichen 350 Millionen Euro wurden bestehende Klimaschutz- projekte einfach umdeklariert. Diese Taschenspielerei muss ein Ende haben. Die Bundeskanzlerin ist gut bera- ten, dafür zu sorgen, dass die von ihr zugesagten Mittel in voller Höhe und vor allem als „frisches Geld“ in den Haushalt eingestellt werden. International versprechen, national brechen – damit setzt die Bundesregierung Deutschlands Glaubwürdig- keit bei internationalen Verhandlungen aufs Spiel. Deutschland läuft Gefahr, ein unzuverlässiger Vertrags- partner zu werden. Das sind denkbar schlechte Voraus- setzungen für die anstehenden Verhandlungen, nicht nur 6998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) in Nagoya, sondern auch bei den Klimaverhandlungen in Mexiko. Ich möchte Ihnen ein weiteres Beispiel nennen: Bun- desminister Dirk Niebel hat in seinen Haushalt keine Mittel für das Gebiet ITT im Yasuni-Nationalpark in Ecuador eingestellt. Es soll mit finanziellen Zusagen der Industrieländer vor Beeinträchtigungen durch die Förde- rung von Öl geschützt werden. Mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Projekt brüskiert Minister Niebel nicht nur die ecuadorianische Regierung, die gu- ten Willens ist, das Projekt zu einem vernünftigen Ende zu führen, sondern auch die Parlamentarier von Union, SPD und Grünen, die sich in einem gemeinsamen An- trag für die Unterstützung des ITT-Projektes eingesetzt haben. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass die FDP-Politiker diesen Antrag nicht mittragen wollten. Und noch ein Beispiel: Ich hätte mir in unserem An- trag mehr Mut in der Agrarpolitik gewünscht. Aber das war mit den Agrarpolitikern aus den Koalitionsfraktio- nen nicht zu machen. Ich hätte mir einen wichtigen Schritt in der Fischereipolitik gewünscht, aber auch hier gab es keine Einigung. Natürlich muss sich die Bundes- regierung trotzdem für eine nachhaltige Agrar- und Fi- schereipolitik in Deutschland, aber auch auf europäi- scher Ebene einsetzen. Die Meere sind überfischt. Darunter leidet die Biodiversität, aber auch die indige- nen Völker und lokale Gruppen, die vom küstennahen Fischfang leben und denen die Lebensgrundlage durch die europäischen Trawler genommen wird. Doch auch in der Agrarpolitik geht dieser Bundesregierung die Bedie- nung von Lobbyinteressen vor den Interessen des Natur- und Umweltschutzes. Dennoch ist es wichtig, dass es diesen Antrag gibt; der Erhalt der Biodiversität und damit der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist ein so bedeutendes Thema, dass das Parlament dazu Stellung beziehen muss. Es bleibt also viel zu tun. Ein wegweisender Schritt auf der Kon- ferenz in Nagoya wäre dazu ein wichtiges Signal. Taten statt Worte, Frau Bundeskanzlerin! Angelika Brunkhorst (FDP): Die Artenvielfalt auf der Erde ist immens – die Zahl der Arten, die täglich ausstirbt, jedoch auch. Flora und Fauna auf unserem Pla- neten werden in bedrohlichem Maße kleiner. Täglich sterben rund 150 Tier- und Pflanzenarten aus: Pflanzen, Vögel, Fische und andere Lebewesen, die wir für immer verlieren werden. Für das drastische Artensterben ist fast immer der Mensch verantwortlich. Durch den Raubbau an der Na- tur, die Zerstörung der Regenwälder, die Versiegelung der Landschaft, die Monokulturen und durch intensive Landwirtschaft wird vielen Arten der Lebensraum und damit die Lebensgrundlage entzogen. Sie verschwinden unwiederbringlich. Bislang führten alle Versuche, dieser Entwicklung entgegenzutreten, nicht zum gewünschten Erfolg. Mit dem globalen Biodiversitätsziel wollten wir bis 2010 eine spürbare Reduktion des weltweiten Artenrückgangs erreichen. Wie der 3. Bericht zur globalen Lage der bio- logischen Vielfalt jedoch belegt, ist dies bislang nicht gelungen. Tag für Tag verschwinden weitere fünf Arten von unserer Erde. Teilweise sind sie uns bekannt, teil- weise handelt es sich um noch unbekannt Arten. Einige sind ein Verlust aufgrund ihrer Attraktivität, andere auf- grund ihrer möglichen Heilkraft. Die Gründe für das Verfehlen des Biodiversitätsziels sind vielfältig. Ein großes Problem ist die mangelnde Verankerung der Biodiversität in allen Sektorpolitiken. Zudem mangelt es – vor allem in vielen Entwick- lungs- und Schwellenländern – an finanziellen Mitteln für den Schutz und Erhalt der biologischen Vielfalt. Unter der CBD-Präsidentschaft Deutschlands wur- den in den vergangenen Monaten einige zielführende Initiativen angestoßen. Vor allem mit der Initiierung der internationalen Studie zum ökonomischen Wert der Bio- diversität hat das Thema eine bislang nie da gewesene öffentliche wie auch politische Aufmerksamkeit erreicht. Mit dem von Deutschland auf den Weg gebrachten Grundsatzbeschluss zur Einrichtung eines internationa- len Wissenschaftsrates, IPBES, haben wir eine weitere wichtige Etappe erreicht. Vergleichbar dem IPCC, der den Klimawandel ins Bewusstsein der Menschen rückte, soll IPBES Politik und Bürger für das Artensterben sen- sibilisieren. Denn nur wer Zusammenhänge erkennt, ist auch bereit, Verantwortung zu übernehmen. Unter der deutschen Präsidentschaft haben wir uns weiter für die Einrichtung eines weltweiten Netzwerkes von Schutzgebieten starkgemacht. Diese Schutzgebiete sind eine zentrale Voraussetzungen zum Erhalt der glo- balen biologischen Vielfalt und damit zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, CBD. Zur Unterstützung des Schutzgebietsnetzwerkes wurde die globale Schutzgebietsinitiative „LifeWeb“ ins Leben gerufen. Auf internationaler Ebene haben wir uns massiv für die Regelung des Zugangs und des gerechten Vorteils- ausgleichs bei der Nutzung genetischer Ressourcen, ABS-Regime, eingesetzt. Unser Ziel ist es, jetzt konkret in Nagoya ein international verbindliches Abkommen zu verabschieden. Vom 18. bis 29. Oktober 2010 wird die 10. Vertrags- staatenkonferenz des Übereinkommens über die Biologi- sche Vielfalt in Nagoya tagen. Hier gilt es, greifende Maßnahmen für den Zeitraum bis 2020 festzuzurren. Im Zentrum der Verhandlungen stehen die Verabschiedung eines umsetzbaren Protokolls zum Zugang und gerech- ten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Res- sourcen, das sogenannte Access und Benefit Sharing, ABS, die Frage der Finanzierung des globalen Biodiver- sitätsschutzes sowie die Festlegung eines neuen interna- tionalen Biodiversitätszieles einschließlich der Verab- schiedung einer aktionsorientierten internationalen Biodiversitätsstrategie von 2011 bis 2020. Die negativen Folgen für die Vielfalt des Lebens kön- nen nur abgewendet werden, wenn die Staatengemein- schaft rasch wirksame Maßnahmen zur Erhaltung und Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 6999 (A) (C) (D)(B) nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt ergreift. Deshalb begrüße ich, dass es uns im Hinblick auf die an- stehende Konferenz in Nagoya gelungen ist, einen inter- fraktionellen Antrag zur 10. CBD gemeinsam abzustim- men und auf den Weg zu bringen. Es gilt, die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu schüt- zen, zu sichern und deren nachhaltige Nutzung so zu or- ganisieren, dass möglichst viele Menschen heute und auch in Zukunft davon leben können. Im Bundestag ist es uns gelungen, mit diesem Antrag über die Parteigren- zen hinweg ein Zeichen zu setzen. Ich hoffe, dass wir in Nagoya im Kampf gegen den Verlust von Artenvielfalt umsetzbare Strategien finden, um kommenden Genera- tionen einen vielfältigen Planeten überlassen zu können. Sabine Stüber (DIE LINKE): Dass wir heute im Ple- num doch noch über die biologische Vielfalt beraten, lässt mich zumindest erst einmal hoffen. Allerdings spricht es Bände, dass der Antrag so kurzfristig – er liegt seit gestern vor – auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Über all dem Hin und Her, wie man die Laufzeitverlän- gerung für AKW am Bundesrat vorbeimogeln kann, hatte die Koalition die Vertragsstaatenkonferenz zur bio- logischen Vielfalt im Oktober in Japan wohl vergessen. Drei Punkte möchte ich ansprechen. Erstens, es ist zu spät, um der Bundesregierung noch einen parlamentari- schen Auftrag für Nagoya mitzugeben. Wir können nur hoffen, dass die Vorbereitung der Konferenz im Sinne des zu beratenden Antrages gelaufen ist. Wir haben in diesem Jahr schon oft über die biologische Vielfalt ge- sprochen, ob hier im Plenum oder auch in den Ausschüs- sen. Was Frau Merkel allerdings nun wirklich im Gepäck für Japan hat? Wir, die Abgeordneten, wissen es nicht. Der Bundesumweltminister, der sich angesichts des drit- ten globalen Berichts zur biologischen Vielfalt fragt, ob wir genug und ob wir das Richtige getan haben, weiß es diesmal hoffentlich. Meine zweite Anmerkung betrifft die Ignoranz. Ich möchte niemandem zu nahetreten, aber ich kann Ihnen ein Zitat des US-Amerikaners Luther Burbank an dieser Stelle einfach nicht ersparen: „Wer nicht gerne denkt, sollte wenigstens von Zeit zu Zeit seine Vorurteile um- gruppieren.“ Die Linke ist mit 76 Abgeordneten nicht mehr die kleinste Fraktion im Bundestag. Darüber sollten Sie ein- mal nachdenken. Denn es geht nicht mehr um das Tafel- silber, dass verspielt wird. Es geht längst um unser Haus, in dem wir wohnen; es geht um unsere Zukunft. Da ist Ausgrenzung nur noch kontraproduktiv. Die Linke wäre bei dem Antrag heute gerne eine der antragstellenden Fraktionen. Ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen des Bundestages wäre der Problematik angemessen ge- wesen. Nichtsdestotrotz begrüßen wir den Antrag, der auch durch die unterschiedlichen Handschriften weitge- hend unsere Zustimmung hat. Hätten wir mitwirken dür- fen, hätten wir gerne für einen Aspekt Ihren Blick ge- weitet. Damit sind wir beim dritten Punkt unserer inhaltli- chen Kritik. In der TEEB-Studie wird versucht, die bio- logische Vielfalt auf Geldwerte festzulegen. Das sind für uns die neuen Gefahren: die Ökonomisierung der Natur, die Betrachtung der biologischen Vielfalt als Dienstleis- tungscenter für den Menschen. Das passt zu dieser Ge- sellschaft, das ist ein urkapitalistischer Ansatz: Was nichts kostet, ist nichts wert. In Ihrem Antrag, klingt das dann so: „Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, aufgrund der fundamentalen Bedeutung der Bio- diversität und ihrer Leistungen für das menschliche Wohlergehen den Schutz der biologischen Vielfalt als Querschnittthema ihrer Politik im Sinne der Empfehlung der TEEB-Studie weiterzuentwickeln.“ Hier wird mit einer verblüffenden Ausschließlichkeit künftiges politisches Handeln der Bundesregierung pos- tuliert. Dem können wir nicht zustimmen. Die Naturgü- ter werden zu Geldwerten gemacht, so tickt Kapitalis- mus. Aber so werden wir die Probleme weder global noch im eigenen Land lösen. Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist ein gutes Zeichen, dass es gelungen ist, auf der Grundlage des von der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Mai in den Bundestag eingebrachten An- trages „Biodiversität national und international konse- quent schützen“, Bundestagsdrucksache 17/2005, einen interfraktionellen Antrag zum Thema biologische Viel- falt zu vereinbaren. Der Verlust an biologischer Vielfalt schreitet nahezu ungebremst voran. Ihr Schutz braucht das deutliche Engagement aller in diesem Haus vertrete- nen Parteien. Wir brauchen verstärkte Anstrengungen des Bundes, der Länder, der Kommunen, der Europäi- schen Union und auf internationaler Ebene. Auch wenn uns viele Zahlen präsent sind, war es doch erschreckend, in diesem Jahr den dritten Globalen Aus- blick der Biodiversitätskonvention CBD zu lesen. Von den im April 2002 von den Vertragsstaaten des UN- Übereinkommens über die biologische Vielfalt für das Jahr 2010 formulierten 21 Teilzielen wurde kein einziges erreicht. Hinter jeder Zielbewertung steht der Halbsatz: „Im globalen Maßstab nicht erreicht“. Das Jahr 2010 als internationales Jahr der biologi- schen Vielfalt steht so leider für die vielen verpassten Chancen der Vergangenheit, unsere eigenen Lebens- grundlagen zu schützen, Lebensräume zu erhalten, den Artenverlust zu stoppen und die genetische Vielfalt auf unserer Erde zu sichern. Ein aktuelles Beispiel: Die Öl- katastrophe im Golf von Mexico ist noch nicht einmal vollends verstanden, geschweige denn bewältigt, da sind die Überlegungen zu einem Moratorium gegen Tiefsee- bohrungen schon wieder vom Tisch. Die Öl-Konzerne machen einfach weiter und die Welt guckt hilflos zu. Es ist unfassbar. Von der globalen bis zur lokalen Ebene muss der Schutz der Leistungen von Ökosystemen stärker als ge- samtgesellschaftliche und ressortübergreifende Aufgabe verstanden werden. Also ist es gut, dass wir das heute noch einmal als Auftrag an die Bundesregierung formu- liert haben. Ich freue mich auch, dass wir – obwohl die- ses Ziel ja gesetzlich verankert ist – ein Bekenntnis der Koalitionsfraktionen zum 10-Prozent-Ziel bei der Ein- 7000 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) richtung eines nationalen Biotopverbundes auf der Lan- desfläche haben. Noch schöner wäre es natürlich, wenn die Bundesregierung bei einer meiner nächsten Nachfra- gen auch in der Lage wäre, mir zu sagen, wie weit wir bei der Umsetzung dieses Zieles sind. Noch ist sie dazu ja nicht in der Lage. Ich denke, dass es überhaupt Zeit ist, ernsthaft über die Einrichtung eines nationalen Monitoringzentrums zu diskutieren. Wir brauchen die Erfassung der biologi- schen Vielfalt an zentraler Stelle, wir brauchen auch Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, die diese Daten interpretieren, die ökologischen, ökonomischen und so- zialen Folgen der Veränderungen untersuchen und Ge- genstrategien zu negativen Entwicklungen formulieren. Was wir auch dringend benötigen, ist eine Verbesserung der erschreckenden Situation bei der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Taxonominnen und Taxonomen. Wir Grünen erwarten hier eine Initiative der Forschungs- ministerin und kein tatenloses Zusehen, wie immer mehr Wissen über Arten verloren geht. Biologische Vielfalt steht für Nahrung, Baustoffe, Fa- sern, Energie, Arzneimittel, sauberes Wasser und sau- bere Luft. Sie liefert technische Vorbilder, stabilisiert das Klima, schützt vor Extremereignissen und dient sogar noch der Entsorgung vieler unserer Abfälle. Deshalb geht es nicht um das eine oder andere possierliche Tier- chen oder die eine oder andere exotisch-schöne Pflanze. Es geht um unsere Lebensgrundlagen und die der Gene- rationen nach uns. Die Studie über die Ökonomie von Ökosystemdienstleistungen und biologischer Vielfalt, TEEB, liefert uns dafür anschauliches Zahlenmaterial und Handlungsempfehlungen für die unterschiedlichen Zielgruppen. Dies ist auch ein Ergebnis der deutschen Präsidentschaft, unter der die Studie auf den Weg ge- bracht wurde. Die während der 9. Vertragsstaatenkonferenz 2008 in Bonn verabschiedete Agenda für die deutsche Präsident- schaft enthält allerdings auch noch mehrere bis heute of- fene Punkte. Die Bundesregierung wird der künftigen ja- panischen Präsidentschaft also Altlasten übergeben. Dies betrifft insbesondere die noch ausstehende Einigung auf einen strategischen Plan für die Zeit nach 2010, die Ver- abschiedung eines völkerrechtlich bindenden Abkom- mens über den Zugang und gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen und schließlich die Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Ressourcen, um die Konventionsziele erreichen zu können. So viel Zeit, wie es einige meinen, haben wir leider nicht mehr für die Erfüllung dieser Ziele. Die bevorstehende 10. Vertragsstaatenkonferenz im japanischen Nagoya muss von der Bundesregierung und der Europäischen Union energisch genutzt werden, wirklich voranzukom- men. Der heute vorgelegte fraktionsübergreifende An- trag richtet sich daher nicht nur an die Bundesregierung in ihrer Eigenschaft als noch amtierende Präsidentschaft der CBD, sondern auch als verantwortungsvolle Ver- handlungspartnerin in Nagoya. Der strategische Plan ist vor allem den Industrielän- dern wichtig. Die Entwicklungsländer werden dem aber nur zustimmen, wenn die Finanzierung verbindlich ge- klärt wird. Da ist es nicht hilfreich, wenn die Bundes- regierung zugesagte Mittel für Klimaschutz, Biodiversi- tätsschutz und Entwicklungshilfe sich immer wieder gegenseitig anrechnet und so das Kriterium der Zusätz- lichkeit umgeht. Mehr Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit an dieser Stelle sind zu wünschen. Bei ABS geht es um die Unterbindung von Biopirate- rie, ein für die Entwicklungsländer und indigene Grup- pen enorm wichtiges Anliegen. Dem stehen die wirt- schaftlichen Interessen der Industrieländer gegenüber, die die Ressourcen der Entwicklungsländer kommerziell nutzen. Es muss einen fairen Ausgleich geben. Nicht vergessen dürfen wir auch das Biosafety-Proto- koll. Beim Thema biologische Sicherheit haben wir uns leider nicht einigen können, so dass der interfraktionelle Antrag dieses Anliegen ausspart. Gentechnik gehört zwar noch nicht zu den Hauptursachen des Verlustes an biologischer Vielfalt, aber hier gilt es, den Anfängen prä- ventiv zu wehren. Gentechnisch veränderte Pflanzen sind ein Risiko, das geeignet ist, größte Schäden in unse- ren Ökosystemen anzurichten. Auf ihre Anwendung sollte verzichtet werden. Zumindest brauchen wir drin- gend eine verbindliche Regelung der Haftungsfragen. Wir Grünen unterstützen es, dass die UNEP, das Um- weltprogramm der Vereinten Nationen, ein internationa- les Wissenschaftlergremium für Biodiversität einrichten will. Damit würde für politische Entscheidungsträger ein zuverlässiges und glaubwürdiges Gremium eingerichtet. Wir Grünen können uns auch sehr gut mit dem Gedan- ken anfreunden, dass das IPBES, so der Name des neuen Gremiums, auf dem afrikanischen Kontinent angesiedelt wird. Aber ich betone: Entscheidend wird sein, wie wir alle uns verhalten. Wir haben heute keinen Mangel an Wissen, sondern uns fehlt die Bereitschaft entschieden zu handeln. Daher mahne ich mit Goethe: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten se- hen.“ Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Initiative für eine Richtlinie des Euro- päischen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsa- chen Ratsdok. 9145/10 (Zusatztagesordnungs- punkt 5) Ansgar Heveling (CDU/CSU): „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Bö- ses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Mit diesen Worten beginnt Franz Kafkas „Der Prozess“. Die- ser Anfangssatz löst sicherlich bei jedem, der ihn liest, ein beklemmendes Gefühl aus. Mir geht es jedenfalls immer wieder so, wenn ich das Buch zur Hand nehme. Diese 19 Worte spielen auf die Urangst eines jeden an: die Sorge, in die Mühlen eines Verfahrens zu geraten, aus dem man sich, einmal darin verstrickt, nicht wieder herauslösen kann, eines Verfahrenes, das, weil seine Re- Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 7001 (A) (C) (D)(B) geln nicht bekannt sind, entgrenzt ist und deswegen im Gegenzug den Einzelnen klaustrophobisch einengt. Es ist eine der Errungenschaften des Rechtsstaates, dass uns dieses beklemmende Gefühl heutzutage nur li- terarisch begegnet und wir hier bei uns nicht die Sorge haben müssen, real in eine Verfahrensmühle zu geraten, wie Josef K. in Kafkas „Der Prozess“. Recht und Gesetz binden Polizei und Strafverfolgungsbehörden, sie gelten gegenüber jedermann gleichermaßen, jeder kann sich auf seine Rechte berufen, und bei Rechtsverletzungen besteht für jedermann die Möglichkeit, Rechtschutz in Anspruch zu nehmen. Bei uns können die Menschen mithin darauf vertrauen, dass die rechtsstaatlichen Re- geln eingehalten werden – bei uns und auch in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union insgesamt. So selbstverständlich, wie alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union Rechtsstaaten mit einem außeror- dentlich hohen Schutzniveau sind, so selbstverständlich ist aber auch, dass jedes Land seine eigene Rechtstradi- tion hat. Gerade das Strafrecht und das Strafverfahrens- recht gehören zum Kernbereich der einzelstaatlich gere- gelten Rechtsmaterien. Natürlich ist es richtig, im Zuge des europäischen Harmonisierungsprozesses auch zu einer Harmonisie- rung strafrechtlicher und strafverfahrensrechtlicher Re- gelungen in Europa zu kommen und das bisherige Sys- tem der Rechtshilfe durch neue Instrumente abzulösen. Als Kehrseite zur Freiheit, die wir in Europa genießen dürfen, machen Kriminalität und Straftaten an den Gren- zen der Einzelstaaten nicht halt. Hier müssen Polizei und Strafverfolgungsbehörden selbstverständlich in ganz Eu- ropa in die Lage versetzt werden, schnell, adäquat und effektiv handeln zu können. Weil Straf- und Strafverfahrensrecht aber zum Kern- bereich rechtsstaatlichen Handelns gehören, bedarf es bei der Harmonisierung in diesem Bereich der besonde- ren Sensibilität. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil ausgeführt, dass „wegen der be- sonders empfindlichen Berührung der demokratischen Selbstbestimmung durch Straf- und Strafverfahrensnor- men … die vertraglichen Kompetenzgrundlagen … strikt – keinesfalls extensiv – auszulegen (sind) ... Das Strafrecht in seinem Kernbestand dient nicht als rechts- technisches Instrument zur Effektuierung einer interna- tionalen Zusammenarbeit, sondern steht für die beson- ders sensible demokratische Entscheidung über das rechtsethische Minimum“. Ein wesentlicher Faktor hier- bei ist, dass Vertrauen in die rechtsstaatlichen Gewähr- leistungen bestehen muss. Dieses Vertrauen in die rechtsstaatlichen Gewährleistungen in den Einzelstaaten ist über Jahrzehnte gewachsen. Und so muss es auch in Europa gehen: Das Vertrauen muss wachsen können. Es lässt sich nicht verordnen. So ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass der Europäi- sche Rat mit den Schlussfolgerungen von Tampere 1999 beschlossen hat, den Grundsatz der gegenseitigen Aner- kennung, der ursprünglich als Instrument zur Herstel- lung des Binnenmarkts entwickelt wurde, im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen einzuführen. Mit dem Rahmenbeschluss über den Euro- päischen Haftbefehl gibt es auch bereits einen ersten um- gesetzten Rechtsakt, der diesem Prinzip folgt. Erlassen wurde auch schon der Rahmenbeschluss zur Europäi- schen Beweisanordnung. Dieser wurde indessen in vie- len Mitgliedstaaten, so auch in der Bundesrepublik, noch nicht umgesetzt. Angesichts der Tatsache, dass Vertrauen Zeit braucht, um zu wachsen, erscheint es übereilt, wenn mit einer Ini- tiative zur Europäischen Ermittlungsanordnung jetzt schon der nächste Schritt begonnen werden soll. Sinn- voller ist es, zunächst die Umsetzung des vorhergehen- den Rahmenbeschlusses zur Europäischen Beweisanord- nung abzuwarten und die Erkenntnisse der Umsetzung und Anwendung dann in eine etwaige Initiative zur Eu- ropäischen Ermittlungsanordnung einfließen zu lassen. Auf diese Weise kann sich das notwendige Vertrauen mit der Zeit entwickeln. Wir unterstützen daher die gemeinsame Initiative für eine Entschließung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundge- setzes. Es ist gut, dass wir über die Fraktionsgrenzen hinweg eine gemeinsame Linie gefunden haben und auf diese Weise als Parlament wahrnehmbar unsere Stimme erheben können. Dr. Eva Högl (SPD): Wenn heute Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden in der EU für ihre Tätigkeit Beweismittel im europäischen Ausland beschaffen müs- sen, ist dies langwierig und aufwendig. Vor diesem Hin- tergrund hat Belgien eine Initiative für eine Richtlinie zur Europäischen Ermittlungsanordnung in Strafsachen gestartet. Bisher greifen die Strafverfolgungsbehörden auf das Instrument der Rechtshilfe zurück, das auf europäischer Ebene auf dem Rechtshilfeübereinkommen des Europa- rats von 1959 und dem der Europäischen Union von 2000 basiert. Daneben haben wir mit dem Rahmenbe- schluss über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln innerhalb der Europäischen Union von 2003 sowie dem Rahmenbeschluss über die Europäische Beweisanordnung von 2008 Rechtsinstrumente auf der Basis der gegenseitigen Anerkennung. Im Gegensatz zur Europäischen Beweisanordnung soll die geplante Euro- päische Ermittlungsanordnung nicht nur für bereits erho- bene Beweismittel, sondern auch zur Beschaffung neuer Beweise gelten und hat damit einen erweiterten Gel- tungsbereich. Bei der Europäischen Ermittlungsanordnung würde ein Standardformular ausreichen, mit dem die jeweiligen Behörden einander ersuchen könnten, bestimmte Ermitt- lungen durchzuführen oder Beweismaterial zu sammeln und auszutauschen. Die Veranlassung etwa von Zeugen- befragungen oder Hausdurchsuchungen könnte deutlich einfacher in die Wege geleitet werden. Entscheidend für die Verwertbarkeit der im Ausland angeforderten Beweise ist das Vertrauen auf ihre recht- mäßige Erhebung. Gerade wegen der besonderen Bedeu- tung von Beweisen im Strafverfahren sind konkrete An- forderungen an ihre Erhebung zu stellen. Nur wenn eine 7002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) Behörde sicher sein kann, dass die von Partnerbehörden anderer EU-Länder gewonnenen Beweise den rechtli- chen Anforderungen im eigenen Land genügen, ist es für sie sinnvoll, das Instrument der Europäischen Ermitt- lungsanordnung anzuwenden. Das hierfür notwendige gegenseitige Vertrauen speist sich aus vergleichbaren Standards. Schon 2004 hatte der Deutsche Bundestag zum Vor- schlag für die Europäische Beweisanordnung festge- stellt, dass der Grundsatz der gegenseitigen Anerken- nung im Bereich des Strafrechts an bestehenden Unterschieden der Rechte von Beschuldigten scheitert. Er hat seinerzeit darauf bestanden, dass bei Eingriffen in die Rechte von Beschuldigten jeweils gesondert festzu- stellen ist, ob und inwieweit die Voraussetzungen für den Verzicht auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit bestehen. Dem hatte sich im Übrigen auch die Bundesre- gierung in einer Erklärung mit entsprechendem Vorbe- halt angeschlossen. Leider können wir heute noch nicht das notwendige Maß an Einheitlichkeit dieser Standards in Europa fest- stellen. Solange dieser Zustand besteht, bedarf es eines allgemeinen Versagungsgrundes, damit keine Verpflich- tung zur Anerkennung und Ausführung von Ermittlungs- anordnungen statuiert wird, deren Erlass und Vollstre- ckung nach nationalem Recht nicht zulässig wäre. Wir sind der Auffassung, dass vor Einführung eines neuen umfassenden Rechtsinstruments zur grenzüber- schreitenden strafrechtlichen Erhebung und Verwertung von Beweisen der Bedarf dafür gründlich geprüft und geklärt werden sollte. Erst wenn sichergestellt ist, dass eine Neuregelung Vorteile gegenüber den traditionellen Instrumenten der Rechtshilfe bringt, sollte diese einge- führt werden. Die notwendige Prüfung muss auch mögli- che Defizite der bisherigen Rahmenbeschlüsse und die Ergebnisse der Befragung der Mitgliedstaaten durch die Europäische Kommission zum Grünbuch zur Beweiser- langung in Strafsachen einschließen. Die Europäische Kommission selbst hat 2009 im Stockholmer Programm dargelegt, dass der Anerken- nung, Durchsetzung und Evaluierung der bestehenden Instrumente europäischer Zusammenarbeit im Straf- rechtsbereich besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden soll. Die Richtlinie zur Europäischen Beweisan- ordnung selbst trat erst Anfang 2009 in Kraft und ist in den Mitgliedstaaten bis Januar 2011 umzusetzen. Als überzeugte Europäerin liegt mir nicht daran, die rechtspolitische Integration bzw. vertiefte Zusammenar- beit in der Europäischen Union zu bremsen. Ich sehe je- doch die Gefahr, dass eine vorschnelle Ausdehnung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf die Be- weiserhebung noch vor Anerkennung und Einführung gemeinsamer Mindeststandards zum Verlust von bereits entstandenem Vertrauen und Akzeptanz führen und sich daher kontraproduktiv auswirken kann. Das für die ef- fektive Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung notwendige Vertrauen muss erst erworben und kann nicht vorausgesetzt werden. Es freut mich daher, dass es uns im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags gelungen ist, fraktionsüber- greifend und einstimmig eine Stellungnahme abzugeben, in der die kritische und gleichwohl konstruktive Haltung deutscher Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu- sammengefasst ist. Wir begleiten damit den Prozess der Richtlinienentstehung mit konkreten Vorschlägen und geben der Bundesregierung inhaltliche Empfehlungen an die Hand. Mit der Verabschiedung der Stellungnahme haben wir als Deutscher Bundestag die Chance, als starke Stimme in Europa Gehör zu finden. Ich bin sicher, dass unsere Vorschläge und Anregungen in zukünftige Verhandlun- gen ebenso einfließen werden wie in den angekündigten Entwurf einer Richtlinie von Justizkommissarin Viviane Reding. Wir können der engeren justiziellen Zusammen- arbeit in Strafsachen in Europa optimistisch entgegenbli- cken und werden uns weiterhin engagiert in die Debatte auf nationaler und europäischer Ebene einbringen. Marco Buschmann (FDP): Vorliegend befassen wir uns mit der Initiative für eine Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen. Es geht hier im Kern um die Frage, wann und unter welchen Vorausset- zungen ein Mitgliedstaat die Anordnung zu einer straf- prozessualen Ermittlungsmaßnahme eines anderen Mit- gliedstaates exekutieren muss. Bei Fragen strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen ist höchste Wachsamkeit geboten. Denn es handelt sich mitunter um tiefe Grundrechtseingriffe. Nicht umsonst sprechen wir in Deutschland stets davon, dass es sich beim Strafprozessrecht um konkretisiertes Verfassungs- recht handelt. Wir sind in Deutschland stolz auf das hohe rechtsstaatliche Niveau, das wir im Strafprozess prakti- zieren. Dieses hohe Niveau schlägt sich insbesondere in der Rechtsstellung des Beschuldigten sowie in der Syste- matik der Beweiserhebungs- und Beweisverwertungs- verbote nieder. Gerade als überzeugte Europäer sagen wir Liberale: Auch im Bereich der Strafverfolgung muss es eine bes- sere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten geben. Aber es darf keine Harmonisierung um jeden Preis geben, jeden- falls dann nicht, wenn die Errungenschaften unseres li- beralen Rechtsstaates in Deutschland in Gefahr geraten könnten. Denn dies würde nicht nur dem deutschen Rechtsstaat, sondern auch der europäischen Idee scha- den. Die Europäische Union gründet auf Vertrauen, und solches Vertrauen könnte in Gefahr geraten, wenn die Mitgliedstaaten um ihre Identität fürchten müssen. Dass der Bereich des Straf- und des Strafprozessrechts für diese Identität besonders wichtig ist, hat das Bundesver- fassungsgericht in seinem Lissabon-Urteil unterstri- chen. Mit diese Sorge sind wir nicht allein: Das kann schon deshalb jedermann erkennen, da wir diese Sorge in ei- nem gemeinsamen Antrag der Fraktion der CDU/CSU, FDP, SPD und Bündsnis 90/Die Grünen zum Ausdruck gebracht haben. Auch die Fraktion der Linken teilt diese Sorge, wie wir aus den vorangegangenen Beratungen Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 7003 (A) (C) (D)(B) wissen. Das Haus ist sich hier einig. Einig sind wir uns auch mit dem Bundesrat, der bereits dieser Sorge mit ei- ner eigenen Stellungnahme Ausdruck verliehen hat. Auch außerhalb der obersten Staatsorgane besteht diese Sorge. Das lässt sich beispielsweise den Stellungnahmen des Deutschen Richterbundes, des Deutschen Anwalt- vereins und der Bundesrechtsanwaltskammer entneh- men. Vor diesem Hintergrund empfiehlt Ihnen der Rechts- ausschuss des Deutschen Bundestages, zu der Initiative für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen eine Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes abzugeben, in der wir Wege aufzeigen, diese Sorgen auszuräumen. Wichtig sind aus meiner Sicht dabei insbesondere fol- gende Punkte. Wichtig ist, dass Mindeststandards für Beschuldigte oder Drittbetroffene eingehalten werden. Nur so können wir das bereits geschaffene Vertrauen der Bürger in Europa stärken. Solche einheitlichen Mindest- standards existieren jedoch noch nicht für alle Mitglied- staaten. Unser Ziel muss es sein, erst die Mindeststan- dards zu verwirklichen, bevor wir den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ausdehnen. Ein zweites wichtiges Anliegen ist meiner Ansicht nach die Schaffung eines allgemeinen Versagungsgrun- des, wonach die Vollstreckung der angeordneten Maß- nahmen versagt werden kann, wenn diese nach nationa- lem Recht unzulässig wäre. Ein Strafverfahren, in das wir Vertrauen haben können, kann nur dann gewährleis- tet sein, wenn etwa der bei uns verfassungsrechtlich be- gründete Richtervorbehalt nicht unterlaufen werden kann. Ein drittes wichtiges Anliegen ist der Datenschutz. Im Rahmen der Europäischen Ermittlungsanordnung sollen besonders sensible Daten ausgetauscht werden. Bei- spiele dafür sind etwa DNA-Daten, Fingerabdrücke, In- formationen über Vermögensverhältnisse oder – wie im Fall der Wohnraumüberwachung – Daten aus dem höchstpersönlichen Umfeld der betroffenen Personen. Der Schutz dieser Daten muss auf hohem Niveau erfol- gen. Lassen Sie uns heute einen Schritt gehen, um das Ver- trauen in Europa zu stärken. Lassen Sie uns unsere Sor- gen für die Standards unseres Strafverfahrensrechts kon- struktiv in Richtung der Europäischen Institutionen artikulieren – nicht weil wir gegen jede Harmonisierung in diesem Bereich sind, sondern weil wir uns für Rechts- staatlichkeit und Grundrechtsschutz einsetzen. Raju Sharma (DIE LINKE): Uns wird ja immer wie- der nachgesagt, wir würden Europa boykottieren. Das ist natürlich völliger Unsinn. Im Gegenteil: Wir Linken sind ausgesprochene Europa-Fans. Wie sollten wir als Frie- denspartei auch etwas Schlechtes darin sehen, wenn Völker, die sich vor siebzig Jahren noch erbittert be- kämpft haben, heute friedlich miteinander leben? Wie könnten wir, die wir für internationale Solidarität eintre- ten, das Verblassen nationaler Grenzen und Egoismen verurteilen? Wenn der Weltbürger ein Ideal ist, so gilt das selbstverständlich auch für den Europäer. Unsere Kritik richtet sich also nicht gegen das Zusammenwach- sen der Staaten an sich, sondern lediglich gegen manche Regel, die für diesen Verbund aufgestellt wird. Wir hal- ten es für undemokratisch, wenn das einzige von den EU-Bürgern direkt gewählte Organ kein Recht auf Ge- setzesinitiative hat. Wir wenden uns dagegen, dass wirt- schaftliche Freiheiten über soziale Rechte gestellt wer- den, und statt einer Militarisierung der EU wünschen wir uns eine Verpflichtung zur Abrüstung. Für Regelungen im Detail gilt dasselbe. Manche Richtlinie, welche die Harmonisierung in Europa voran- treiben soll, ist gut gemeint, im Ergebnis aber kein Ge- winn. So ist es auch mit der Ermittlungsanordnung in Strafsachen, deren Ziel die gegenseitige Anerkennung von strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen ist. Das ist für Strafverfolgungsbehörden natürlich eine verführeri- sche Vorstellung: Das Amtsgericht Hohenschönhausen ordnet in Palermo eine Hausdurchsuchung an und keinen Tag später ist sie in vollem Gange. Das Ganze hat aller- dings einen Haken: Was in einem Land übliche Ermitt- lungspraxis ist, kann im anderen ein schwerer Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze sein. Diesen Unterschieden aber schenkt die Initiative, wie sie jetzt vorliegt, kaum Beachtung. Versagungsgründe für den Vollstreckungs- staat bestehen so gut wie keine, verfahrensrechtliche Mindeststandards existieren nicht. Zu befürchten wäre im Ergebnis ein Absinken des Strafverfahrensrechts auf den niedrigsten Level. Das aber ist gerade im grund- rechtsrelevanten Bereich des Strafrechts nicht hinnehm- bar. Denn hier geht es nicht um den freien Austausch von Gurken oder Glühbirnen, hier geht es um die Frage, ob am Ende eines Verfahrens ein Mensch seine Freiheit verliert. Nicht ohne Grund hat die Bundesrepublik des- halb ein hohes Maß an Beschuldigtenrechten und strenge Regeln zur Erhebung und Verwertung von Beweisen ge- schaffen. Erfreulicherweise gab es in der Hochschätzung unse- res Strafverfolgungsrechts eine ungewohnte Überein- stimmung mit den Koalitionsfraktionen. Denn die Rechte von Beschuldigten und verurteilten Straftätern stehen bei der Union ja nicht immer so hoch im Kurs. Ich erinnere nur an die Sicherungsverwahrung. Da kann schon mal der Eindruck entstehen, einige der Hardliner in der CDU setzen das Strafrecht mit einem hohen Straf- rahmen gleich und kennen den Resozialisierungsgedan- ken nur vom Hörensagen. Bei den interfraktionellen Verhandlungen über die Ermittlungsanordnung war hiervon jedoch nichts zu spüren. Stattdessen wurde konstruktiv und mit überein- stimmender Zielrichtung diskutiert, die Vorschläge aller Fraktionen wurden ernsthaft erwogen und flossen in den Antrag ein. Genau so stelle ich mir gelungene parlamen- tarische Arbeit vor: getragen vom Interesse an der Sache, vom Willen, die bestmögliche Lösung zu finden, offen für Argumente des politischen Gegners und selbst- bewusst genug, um eigene Irrtümer einzuräumen. Schade ist nur, dass dieser positive Geist nicht bis zum Ende anhielt. Bei dem von allen erarbeiteten Antrag 7004 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) durfte die Linke als Urheber wieder nicht erscheinen, ideologische Vorbehalte der Union überwogen den Wil- len, der gemeinsamen Arbeit Rechnung zu tragen und geschlossen gegenüber Brüssel aufzutreten – was der Sa- che nicht gerade zuträglich ist. Dabei haben die gemein- samen Verhandlungen doch gezeigt, dass es anders geht. Es wäre schön, wenn die CDU das zum Anlass nähme, ihre Haltung gegenüber der Linken endlich zu überden- ken. Dann wäre der Antrag zur Ermittlungsanordnung nicht nur seinem Inhalt nach, sondern auch in seinem Entstehen Anstoß zu mehr Demokratie – hier und in Europa. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten sind gefallen. Das ist gut für die Bürgerinnen und Bürger in der Union, aber leider profitieren davon auch Straftäter, die sich ungehindert zwischen den Mitgliedstaaten bewegen kön- nen. Die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten wollen deshalb – und das ist nachvollziehbar – besser und effizienter zusammenarbeiten. Strafverfolgung durch Polizei und Justiz erfolgt jedoch nicht gegen über- führte Straftäter, sondern gegen – mehr oder weniger – Verdächtige. Ein Verdacht kann grundsätzlich gegen jede und jeden entstehen. Deshalb gilt für alle Verdächti- gen die Unschuldsvermutung; deshalb haben Verdäch- tige grundrechtlich und menschenrechtlich gesicherte Rechte, die von den Ermittlungsbehörden zu achten sind. Die Initiative von sieben Mitgliedstaaten zur Schaf- fung einer Europäischen Ermittlungsanordnung will ein umfassendes Instrument zur Beweisgewinnung über Staatengrenzen hinweg schaffen, um die Zusammenar- beit der Strafverfolgungsbehörden innerhalb der Euro- päischen Union effizienter zu gestalten. Der Richtli- nienentwurf sieht eine sehr weitgehende Anerkennung und Beachtung von Beweisgewinnungsersuchen von ei- nem Mitgliedstaat zum anderen vor. Voraussetzung der Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger in der Europäi- schen Union für ein solches Vorgehen ist ein grundsätzli- ches Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der jeweiligen Strafrechtsordnungen. Dieses Vertrauen ist von essen- zieller Bedeutung für das Gelingen der Europäischen Union als Ganzer und für den äußerst sensiblen Bereich der Justiz- und Innenpolitik im Besonderen. Ich meine nicht nur das Vertrauen der Mitgliedstaaten in die jeweils anderen Mitgliedstaaten und ihre Rechtsordnungen, son- dern auch und insbesondere das Vertrauen der Bürgerin- nen und Bürger der Europäischen Union in die Rechts- staatlichkeit der jeweiligen anderen Staaten und in die Europäische Union als Ganzes. Nur durch ein solches Vertrauen können die teils gro- ßen Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen und den Traditionen der Mitgliedstaaten überbrückt werden. Aber dieses Vertrauen muss erworben werden, es kann nicht einfach vorausgesetzt werden. Der vorliegende Richtlinienentwurf wird aber gerade das nicht leisten können. Ganz im Gegenteil: Dieses Instrument greift zwar nicht in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ein, aber es kann im Einzelfall empfindlich in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Denn wir haben leider noch keine gemeinsamen Standards im Strafver- fahren. Die mitgliedstaatlichen Verfahrensordnungen sind noch sehr unterschiedlich, dadurch kann es im Ein- zelfall zu empfindlichen Rechtslücken kommen. Gerade das dürfen wir nicht zulassen, denn es wird dem europäi- schen Projekt schaden und die Entfremdung der Bürge- rinnen und Bürger gegenüber der Europäischen Union weiter vergrößern. Wir müssen ein faires Strafverfahren gewährleisten können. Dafür ist es unerlässlich, dass nationale Beweis- erhebungs- und Beweisverwertungsverbote sowie natio- nale Verfahrensbestimmungen nicht durch Ermittlungs- anordnungen unterlaufen werden können und dem Be- troffenen so im Einzelfall Rechte vorenthalten werden. In Deutschland wären dies zum Beispiel der verfas- sungsrechtlich begründete Richtervorbehalt, die Beleh- rungspflichten gegenüber Beschuldigten und Zeugen so- wie deren Aussageverweigerungsrechte. Es darf auch nicht sein, dass deutsche Behörden verpflichtet werden, eine Ermittlungsanordnung gegen einen nach deutschem Recht noch nicht strafmündigen Beschuldigten zu voll- strecken. Für solche Fälle ist es unerlässlich, einen allge- meinen Versagensgrund vorzusehen, wenn die Vollstre- ckung der Ermittlungsanordnung nach nationalem Recht unzulässig wäre. Es ist derzeit auch noch nicht möglich, völlig auf die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit zu verzichten. Die Strafrechtsordnungen der Mitgliedstaaten weisen nach wie vor große Unterschiede auf. Daher sollte auch weiterhin nur bezüglich der Deliktsgruppen auf die Prü- fung der beiderseitigen Strafbarkeit verzichtet werden, auf die man sich in den bisherigen Instrumenten der ge- genseitigen Anerkennung geeinigt hat. Des Weiteren sollten diese Deliktsgruppen näher präzisiert werden, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Da im Bereich der Ermittlungsanordnung besonders sensible Daten ausgetauscht werden, ist es wichtig, einen hohen Datenschutzstandard zu garantieren. Der derzei- tige Schutz, der noch auf der Europaratskonvention Nr. 108, Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Da- ten, aus dem Jahre 1981 beruht bzw. auf dem Rahmenbe- schluss des Rates 2008/977/JI des Rates vom 27. No- vember 2008 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusam- menarbeit in Strafsachen verarbeitet werden und dessen Umsetzungsfrist im November 2010 endet, ist nicht aus- reichend. Der vorgenannte Rahmenbeschluss stellt nur einen absoluten Minimalkonsens dar, der Ausdruck der Prä-Lissabon-Regelungen – Einstimmigkeit im Rat und lediglich Anhörung des Europäischen Parlaments – war. Auch darf die Praxis mitgliedstaatlicher Initiativen nicht dazu führen, dass Vorschläge mit nicht ausreichend qualifizierten und substanziellen Begründungen zur Ver- einbarkeit der Vorhaben mit den Grundsätzen der Subsi- diarität und der Verhältnismäßigkeit vorgelegt werden. Zwar ist das Initiativrecht einer Gruppe von Mitglied- staaten in diesem Bereich sinnvoll und richtig. Die An- forderungen an gute Gesetzgebung inklusive Folgenab- schätzung und umfassender Begründung dürfen dabei aber nicht vernachlässigt werden. Schließlich sollten erst Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 7005 (A) (C) (D)(B) einmal die Umsetzung der bereits beschlossenen Euro- päischen Beweisanordnung – die Frist endet im Januar 2011 – und die Erfahrungen mit diesem Instrument ab- gewartet werden, bevor ein neues, wesentlich weiterrei- chendes Instrument geschaffen wird. Aus allen diesen Gründen wenden wir – alle Fraktio- nen des Deutschen Bundestages – uns gegen diese Initia- tive einiger Mitgliedstaaten über die Europäische Ermitt- lungsanordnung in Strafsachen. Wir fordern die Bundesregierung auf, im Sinne dieser Stellungnahme an den weiteren Verhandlungen teilzunehmen und die Auf- fassung des Bundestages zu achten. Zum Schluss möchte ich allen Berichterstattern für die konstruktive Zusammenarbeit danken. Ich möchte aber auch noch einmal darauf hinweisen, dass ich es ge- rade in europäischen Angelegenheiten für sinnvoll er- achte, dass bei einem interfraktionellen Antrag des Deut- schen Bundestages auch alle im Bundestag vertretenen Fraktionen beteiligt werden, wenn sie sich denn auf eine Position einigen können. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kirgisistan unter- stützen – Den Frieden sichern (Zusatztagesord- nungspunkt 7) Manfred Grund (CDU/CSU): Seit seiner Unabhän- gigkeit im Jahr 1991 haben sich in Kirgistan, mehr als in anderen Ländern der Region, immer wieder demokrati- sche Bestrebungen behauptet. Aber die Folge war auch eine Instabilität, die die Entwicklung des Landes ge- hemmt hat. Autoritäre Tendenzen wurden wiederholt durch politische Umstürze beendet, auf die demokrati- sche Reformen folgten. Aber die Begleiterscheinung dieser Entwicklungen liegt in der fortdauernden Schwä- che der staatlichen Institutionen. Korruption und organi- sierte Kriminalität konnten sich entfalten, die wirtschaft- liche Entwicklung war enttäuschend. Viele Kirgisen sind arm geblieben. Mit der Frustration der Bevölkerung ha- ben die ethnischen Spannungen zugenommen. Nach dem Sturz Präsident Bakijews im April hat die neue Regierung unter Übergangspräsidentin Otunbajewa eine ambitionierte Verfassungsreform begonnen, die ein parlamentarisches Regierungssystem etablieren soll. In dem Referendum vom 27. Juni konnte sie sich dafür eine breite Unterstützung der Bevölkerung sichern. Die Re- gierung konnte sich so eine demokratische Legitimation verschaffen. Die Tatsache, dass eine erneute Kandidatur von Rosa Otunbajewa bei den für Dezember 2011 ange- setzten Wahlen ausgeschlossen wurde, war ein wichtiger Schritt zur Vertrauensbildung. Die vergleichsweise lange Zeit ihrer Übergangspräsidentschaft ist angesichts der politischen Instabilität im Lande gerechtfertigt. Die für das kommende Wochenende angesetzten Parlaments- wahlen sollen bereits zuvor für eine demokratisch ge- wählte Regierung sorgen. Dadurch allein wird sich jedoch die Schwäche der Regierungsinstitutionen nicht überwinden lassen. Schwach ist die Kontrolle der Regierung insbesondere über den Süden des Landes, wo Anhänger Bakijews nach wie vor über Rückhalt verfügen, wo das organi- sierte Verbrechen – vor allem durch den Drogenhandel – stark ausgeprägt ist und wo das Zusammenleben zwi- schen Kirgisen und Usbeken spannungsvoll ist. Wie es- kalationsträchtig die Lage ist, zeigte sich an den massi- ven Ausschreitungen gegen die usbekische Minderheit in Osch und anderen Orten des Südens, die im Juni zu Hunderten von Toten und Zehntausenden von Flüchtlin- gen führten. Wie ohnmächtig die Regierung diesen Ge- waltausbrüchen gegenüberstand, zeigten ihre Bitten um internationale militärische Unterstützung, vor allem an die Adresse Russlands. Dieser Mangel an Autorität und Durchsetzungskraft der staatlichen Institutionen stellt das größte Risiko für den politischen Fortschritt in Kirgistan dar. Deshalb kommt es jetzt in erster Linie auf die Stabilisierung und Konsolidierung der Staatsmacht sowie auf den Ausbau und die Stärkung ihrer Organe an. Gelingt dies nicht, be- steht die sehr reale Gefahr, dass über kurz oder lang die Vertreter korrupter und krimineller Interessen die Macht übernehmen oder eine andauernde politische Instabilität Kirgisistan zum Einfallstor für islamistische Kämpfer macht. Kirgistan wird internationale Unterstützung brauchen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wäre eine deutli- che Verbesserung der regionalen Kooperation zwischen den Staaten Zentralasiens, die unter anderem zum Abbau ethnischer Spannungen zwischen den Volksgruppen bei- tragen könnte. Vor allem von Kasachstan sind bislang Initiativen für eine Intensivierung der regionalen Koope- ration ausgegangen. Jedoch versuchen die Staaten Zen- tralasiens nach wie vor eher, sich gegenüber negativen Entwicklungen bei ihren Nachbarn abzuschotten, als die Probleme gemeinsam zu lösen. Kirgistan wird neben zivilen Hilfen auch polizeiliche und gegebenenfalls militärische Unterstützung zur Stabi- lisierung der Lage brauchen. Der kasachische Vorsitz ist dabei in der Verantwortung, die Hilfen der OSZE zu ko- ordinieren. Wenn es zur Entsendung einer Friedens- truppe kommt, müsste sie durch den der Sicherheitsrat der VN legitimiert werden. Doch je kritischer sich die Lage entwickeln mag, desto mehr würde es darauf an- kommen, dass eine Friedensmission entsprechend robust ist. Dafür müsste ein solcher Einsatz von einem Mit- gliedsland getragen und geführt werden, das die erfor- derlichen Fähigkeiten zur Verfügung stellen kann. Das könnte nach Lage der Dinge nur Russland sein. Ein konzertiertes Vorgehen der internationalen Ge- meinschaft ist in dieser Situation besonders wichtig. Die Wirksamkeit unserer Strategie wird entscheidend von ei- ner engen Abstimmung mit Russland abhängen. Je mehr die USA und die EU, Russland – und auch China – mit unterschiedlichen Ansätzen gegeneinander konkurrie- ren, desto stärker werden wir unsere konstruktiven Ein- flussmöglichkeiten auch gegenseitig beschneiden. 7006 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) In Zentralasien verfügt Russland aus geografischen wie historischen Gründen über politische Möglichkeiten, die die EU nicht besitzt. Weder die Europäer noch die Amerikaner werden in Zentralasien entschieden und mit der notwendigen Nachhaltigkeit als Ordnungsmacht auf- treten können, wenn Krisen in der Region ein Eingreifen internationaler Partner erfordern. Russland hat eine Schlüsselrolle. Nur im engen Zusammenwirken mit Russland werden wir – nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis – einen wichtigen konstruktiven Bei- trag zur Stabilisierung Kirgistans leisten können. Franz Thönnes (SPD): Am 10. Oktober 2010 wird in Kirgisistan gewählt. Damit steht dieses Land nach ei- ner spannungsgeladenen Entwicklung vor einer erneuten Bewährungsprobe. Denn nach dem Sturz des autokrati- schen Präsidenten Kurmanbek Bakijew im April dieses Jahres durch die Opposition, wurde eine Übergangsre- gierung mit Rosa Otunbajewa an der Spitze gebildet, die das Parlament für aufgelöst erklärte und baldige Neu- wahlen versprach. Im Juni 2010 erschütterten schwere ethnische Unru- hen zwischen Kirgisen und der usbekischen Minderheit den armen Süden des Landes. Es starben Hunderte Men- schen, überwiegend Usbeken, und Tausende mussten fliehen. Berichte informierten uns darüber, dass es durch die Unruhen des Junis 2010 in Dschalalabad – der Heimatre- gion des gestürzten Präsidenten Bakijew, über 370 Tote und gut 2 300 Verletzte gegeben habe. 30 000 Menschen ergriffen die Flucht. Für die Ursachen des Konflikts gibt es die unterschiedlichsten Mutmaßungen. So werden Anstachelungen durch entmachtete Regierungsvertreter ebenso vermutet wie die Planung einer gezielten Vertrei- bung der wohlhabenderen usbekischen Minderheit durch die land- und arbeitslose kirgisische jüngere Generation. Davon blieb natürlich auch die Übergangsregierung nicht verschont. Kritiker warfen ihr vor, nicht ausrei- chend für Stabilität gesorgt zu haben. Am 27. Juni 2010 haben bei dem erfolgreich und rela- tiv friedlich verlaufenden Verfassungsreferendum über 90 Prozent der Wähler, bei einer Wahlbeteiligung von rund 70 Prozent, für den Verfassungstext gestimmt. Die- ser sieht die Stärkung der parlamentarischen Kontroll- rechte und die Beschränkung der Befugnisse des Präsi- denten vor. Rosa Otunbajewa wurde mit diesem Referendum als Präsidentin bis Dezember 2011 bestä- tigt. Damit hat die Übergangsregierung eine gute Grund- lage, einen glaubwürdigen Prozess der Reformen und der Demokratisierung anzustoßen. Aber die politische Lage in Kirgisistan bleibt kritisch. Im Süden gibt es weiterhin Spannungen zwischen Kirgi- sen und Usbeken. Die genauen Hintergründe der Unru- hen zu ermitteln, insbesondere ob kirgisische Politiker und Ordnungskräfte darin verwickelt waren, bleibt schwierig. Hinzu kommt das große Wirtschaftsgefälle zwischen Norden und Süden und das Ausmaß organi- sierter Kriminalität im Süden Kirgisistans. Es wird ange- zweifelt, ob und inwieweit die neue Regierung die Kon- trolle über alle Sicherheitskräfte im Land hat. Auch war sie bislang nicht in der Lage, die vollständige Sicherheit im Süden zu erreichen. Für die Tage um die Wahlen he- rum kann nicht ausgeschlossen werden, dass es erneut zu einer Verschlechterung kommt. Bislang ist dies den Be- richten nach aber Gott sei Dank noch nicht so. Es ist gut, dass die Übergangsregierung ihre Zusage eingehalten hat, dass nun am kommenden Sonntag Neu- wahlen des kirgisischen Parlamentes stattfinden. Hoffen wir, dass diese Wahlen ungestört vonstattengehen und auch in der Zeit eine ruhige Atmosphäre bestehen wird. Gleichwohl gilt – egal welches Resultat das Wahler- gebnis erbringt –, dass die Staatengemeinschaft, die Eu- ropäische Union und die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gefordert sind, Aktivitäten und Maßnah- men zu ergreifen, die zur Stabilität Kirgisistans beitra- gen. Bisher eingeleitete Unterstützungen sind da sehr wohl noch ausbaufähig. Ja, ausbaunotwendig. Zwar ist umfangreiche humanitäre und finanzielle Hilfe geleistet worden, die Bundesregierung zum Bei- spiel hat 500 000 Euro für die Versorgung der Flücht- linge zur Verfügung gestellt und die Zentralasienbeauf- tragte in die Region entsandt. Insgesamt aber müssen im Rahmen eines langfristigen Prozesses gemeinsame Ini- tiativen ergriffen werden, um neue Eskalationen der Ge- walt zu verhindern. So gehört natürlich die Situation in Kirgisistan auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen. Stabilität und Si- cherheit in diesem Land bedürfen mit geeigneten Maß- nahmen zur Friedenssicherung dem verstärkten Engage- ment der Staatengemeinschaft. Dabei tragen auch die Länder der Region im Sinne einer stabilisierenden Mit- wirkung eine wesentliche Mitverantwortung. Und es ist unumstritten, dass eine zu entsendende OSZE-Mission abzusichern ist. Die EU ist selbstverständlich aufgefordert, ihrer Ver- antwortung im Sinne der eigenen EU-Zentralasienstrate- gie gerecht zu werden. Zur Aufarbeitung der Unruhen im Juni und zur Gewährleistung der Stabilität wird es auch notwendig sein, eine internationale Untersuchung durch die Beauftragten für Menschrechte bzw. nationale Minderheiten der Vereinten Nationen oder der OSZE einzuleiten. Wir alle wissen, dass nach derartigen Entwicklungen, wie sie die Menschen und die Gesellschaft in Kirgisistan erfahren haben und wie wir sie von außen beobachten konnten, eine lange Wegstrecke eines Prozesses des Dis- kurses und der Versöhnung bis zu einem neuen, bis zu einem friedlichen Miteinander vor uns liegt. Dafür ist natürlich ein politischer Prozess erforderlich, der alle an den Konflikten beteiligten Parteien, die friedens- und stabilitätswillig sind, mit einbezieht. Die Vereinten Na- tionen, die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland haben das Know-how für eine konstruktive Begleitung und Absicherung dieser Wegstrecke. Sie soll- ten dies anbieten und sich dementsprechend einbringen. Auch ist der Forderung zuzustimmen, dass sowohl OSZE wie auch EU helfen müssen bei einer Politik der Good Governance und der Herstellung von Rechtsstaat- lichkeit. Dem Recht des Stärkeren gilt es die Stärke des Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 7007 (A) (C) (D)(B) Rechts entgegenzusetzen. Dazu ist einerseits eine refor- mierte und durchsetzungsfähige Polizei erforderlich wie ebenso auch der organisierte und wirkungsvolle Schutz der Rechte von Minderheiten. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht nun in den Ausschuss. Die SPD-Bundestagfraktion sieht in vielen Bereichen eine Übereinstimmung mit den darin wiedergegebenen Inhalten und wird sich mit ihren Posi- tionen an den Beratungen im Ausschuss mit dem Ziel, zu einer breiten Übereinstimmung zu kommen, beteiligen. Noch viel wichtiger aber sind jetzt bereits konkrete ver- stärkte internationale Aktivitäten der Bundesregierung für Stabilität und Sicherheit in der Region, die über das bisherige Maß hinausgehen. Kirgisistan kann aber nur dann eine demokratische und in Frieden lebende Republik werden, in der vor al- lem die Menschen im Süden eine bessere Zukunft haben und in der die usbekische Minderheit in Sicherheit leben kann, wenn mit der Kraft der ganzen internationaler So- lidarität hieran verantwortungsvoll gearbeitet und damit auch die Stabilität in der ganzen Region gewährleistet wird. Michael Link (Heilbronn) (FDP): Meiner Rede möchte ich voranstellen, dass die FDP-Bundestagsfrak- tion den Grundgedanken des Antrags der Grünen-Frak- tion teilt, einen für die noch sehr junge und gebrechliche kirgisische Demokratie unterstützenden Antrag zu ver- abschieden. Vieles, was in dem Antrag steht, können wir unterschreiben. Einige Passagen erfordern Redebedarf, gleichwohl bietet der Ausschuss noch Gelegenheit dazu. Kirgistan benötigt in seiner aktuellen Situation Unter- stützung, aber man sollte ebenfalls zur Kenntnis neh- men, dass das jüngst abgehaltene Referendum durchaus als ein Erfolg zu werten ist. Zwar ist die Lage noch nicht im ganzen Land stabil, aber die Verfassung schafft mehr Demokratie als im jeden anderen Land der Region, wenn auch ihre Implementierung mit schmerzhaften und wi- dersprüchlichen Prozessen verbunden ist. Das Land hat in den letzten Monaten eine Phase in- tensiver politischer Auseinandersetzung und Debatten erlebt. Es wurde dabei – neben der Personalisierung – auch über politische Konzepte und Alternativen disku- tiert. Der Ausgang der Wahlen am Sonntag ist ungewiss. Und – wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben – schon dies ist eine für diese Region ungewöhnlich erfreuliche Situation. Eine ebenfalls positive Nachricht – lassen Sie mich dies noch hinzufügen – ist die Verhaftung zweier Ver- dächtiger, die im Zusammenhang mit der brutalen Er- mordung des kirgisischen Journalisten Gennadi Pawliuk stehen sollen. In Kirgistan wird der Versuch einer parlamentari- schen Demokratie gemacht – zum ersten Mal in dieser Region in dieser Konsequenz. Es gibt eine Chance, dass Kirgistan beweisen kann, dass präsidentielle Systeme in autoritärer Ausprägung nicht die einzige Option für die Länder Zentralasiens sind und dass mehr Demokratie möglich ist. Letztlich können ethnische, religiöse und andere Spannungen, welche die Region immer wieder erschüttern, nur durch Demokratie und Interessenaus- gleich entschärft werden. Dies liegt ebenfalls im Inte- resse Deutschlands und der Europäischen Union. Jedoch steht der Demokratisierungsprozess sowie der Aufbau funktionierender Institutionen in Kirgistan erst am An- fang. Deshalb sollte Deutschland gemeinsam mit den euro- päischen Partnern alles Mögliche tun, um das neu ge- wählte Parlament und die neue Regierung zu unterstüt- zen. Die Erfahrung hat leider gezeigt, dass dazu vor allem Geduld erforderlich ist. Für eine nachhaltige Sta- bilisierung des Landes müssen alle Ethnien in den Pro- zess der Nationswerdung einbezogen werden. Wir müs- sen gleichwohl darauf vorbereitet sein, dass nach den Wahlen abermals unruhigere Zeiten anbrechen können. Daraus ergibt sich für mich auch die Notwendigkeit die- ses Antrags. Und daraus ergibt sich auch die Wichtigkeit einer erfolgreichen Umsetzung der Zentralasienstrategie der Europäischen Union. Das Ziel der EU sollte es vor allem sein, in den zen- tralasiatischen Staaten Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und ein friedliches Miteinander zu fördern. Es ist noch nicht lange her, dass Kirgistan am Rande eines Staatszer- falls stand. Die schrecklichen Nachrichten, die uns jüngst in diesem Jahr aus Kirgistan erreichten, belegen auf bedrückende Weise, wie schnell die Situation in die- sem Land blutig eskalieren kann. Bis heute sind die ge- nauen Hintergründe der Juni-Unruhen nicht geklärt. Zahlreiche Indizien sprechen für eine Verwicklung der organisierten Kriminalität in die damaligen, pogromähn- lichen Zustände. Glücklicherweise ist es Rosa Otunbajewa und ihrer Übergangsregierung zumindest teilweise gelungen das damalige Chaos zu begrenzen und nicht wieder aufflam- men zu lassen. Jedoch muss es das Ziel sein, dass die neue Regierung die Kontrolle über das gesamte Land, also auch über den Süden, und den kompletten Verwal- tungsapparat gewinnt. Nun steht Europa gegenüber Kirgistan in der Verant- wortung zu beweisen, dass es Zentralasien nicht ledig- lich aus energiepolitischer Perspektive sieht. Es muss al- les unternommen werden, dass der eingeschlagene, kirgisische Weg in Richtung Stabilität und Demokratie fortgesetzt werden kann. Hierfür bedarf es eines kohä- renten und entschlossenen Auftretens der EU, damit sich nicht nur in Kirgistan, sondern mittelfristig in der ge- samten Region stabile und gerechte Gesellschaften ent- wickeln können. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): In Zentralasien ver- sinkt ein Staat im Chaos, und die Welt ist ratlos. Wir alle wissen, dass sich die Minderheitenkonflikte in Kirgisien schnell zu einem Flächenbrand ausweiten können. Vie- len ist auch klar, dass wir es in Zentralasien längst mit ei- nem Flächenbrand zu tun haben. In dessen Zentrum und dessen Auslöser ist der NATO-Krieg in Afghanistan. Die wenigsten aber wollen die Destabilisierung, die vom Af- ghanistankrieg auch für Usbekistan und Kirgisien aus- geht, wahrhaben. Die Destabilisierung hingegen, die für 7008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 (A) (C) (D)(B) Pakistan ausgeht, ist mittlerweile unumstritten, wie in der Rede von der „AfPak-Region“ deutlich wird. Die beiden offensichtlichen und weithin bekannten Ursachen für diese Destabilisierung sind die Tatsache, dass Pakis- tan als Rückzugsgebiet islamistischer Kämpfer und als Hauptversorgungsroute der US-amerikanischen Streit- kräfte dient. Die völkerrechtswidrigen Angriffe der US- Armee auf pakistanischem Boden mit unbemannten Drohnen und zuletzt auch bemannten Waffensystemen haben mittlerweile dazu geführt, dass Pakistan seine Grenzen für die NATO-Transporte geschlossen hat. Die wartenden Lkw wurden von militanten Islamisten mehr- fach angegriffen. Fast kann man von einem gemeinsa- men Vorgehen der pakistanischen Sicherheitskräfte mit den Guerilla-Kämpfern ausgehen. Die Islamisten finden breiten Rückhalt in der Bevölkerung und auch in Teilen der Armee, weil Pakistan und die pakistanische Regie- rung von der NATO in einen Krieg gezwungen werden, den Armee und Bevölkerung nicht unterstützen. Dasselbe ist in Kirgisien und Usbekistan der Fall. Beide sind Rückzugs- und Rekrutierungsbasis für die Gegner der NATO in Afghanistan, und über beide wi- ckelt die NATO ihren militärischen Nachschub ab, wäh- rend gleichzeitig die Gegenseite ihre Drogen über diese Länder exportiert und damit die organisierte Kriminalität in diesen Ländern zu einer politischen Macht gedeihen lässt. Da die NATO ihren fatalen Krieg in Afghanistan aber auf Gedeih und Verderb fortsetzen will und dazu die Militärbasen in Termez und Manas aufgrund der jüngs- ten Spannungen mit und Angriffe in Pakistan noch dringlicher denn je braucht, kann sie in der Region keine deeskalierende, unabhängige Politik verfolgen. Die Staa- ten, die am Afghanistan-Krieg beteiligt sind, müssen auf Biegen und Brechen mit jeder Regierung in Taschkent und Bischkek zusammenarbeiten, egal wie korrupt diese ist, egal ob sie sich an die Macht geputscht hat und egal wie sehr sie ihre eigene Bevölkerung unterdrückt. Es ist ein Wunder, dass es in diesem Kontext zu Span- nungen kommt. Die Herrschercliquen bereichern sich maßlos an den Einnahmen, die sich aus der Kriegslogis- tik ergeben, die Familie des gestürzten Präsidenten Bakijew soll alleine 2009 Aufträge in Höhe von bis zu 80 Millionen US-Dollar für das Pentagon übernommen haben. Gleichzeitig machte das organisierte Verbrechen Millionengewinne mit dem Opiumhandel. Für die einfa- che Bevölkerung hingegen gibt es keinerlei Perspekti- ven, um der Armut zu entfliehen – außer der Emigration. 2008, vor Beginn der globalen Wirtschafts- und Finanz- krise, bestand ein Viertel des kirgisischen Nationalein- kommens aus Auslandsüberweisungen junger Kirgisen, die überwiegend in Russland und Kasachstan beschäftigt waren. Die Arbeitsmigranten aus den zentralasiatischen Staaten waren diejenigen, die als erste und am härtesten von der Wirtschaftskrise betroffen waren. Millionen von ihnen kehrten mit der Wirtschaftskrise zurück, ge- schätzte 500 000 alleine nach Kirgisien. Beobachter warnten bereits Ende 2009, dass die kirgisische Wirt- schaft diesen überhaupt keine Perspektive biete. Da jeg- liche politische Opposition unterdrückt werde, sei abzu- sehen, dass sich viele Arbeitslose entweder den militanten Islamisten oder der organisierten Kriminalität anschließen würden und es bald zu Aufständen kommen würde. So ist es auch gekommen. Die Pogrome im Juni 2010 trafen vor allem die usbekische Minderheit und fanden in unmittelbarer Nähe zur usbekischen Grenze statt. Viele befürchteten damals, der unberechenbare usbeki- sche Präsident Karimow könnte seine Truppen mobili- sieren und über die Grenze marschieren lassen. Diese Eskalationsstufe wurde zum Glück vorerst noch nicht er- reicht. Die Frage ist aber: Wie hätte die Bundesregierung sich hierzu verhalten können, die für ihren Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auf den Stützpunkt im usbe- kischen Termez angewiesen ist und hierfür selbst zu den schwersten Menschenrechtsverletzungen der usbeki- schen Regierung schweigt? Eine Schockstarre hat die internationale Gemein- schaft nach dem Umsturz im April in Kirgisien ergriffen, und reflexartig – wie im vorliegenden Antrag der Grü- nen – werden altbekannte Rezepte hervorgekramt: die Forderungen nach internationalen Polizei- und Militär- einsätzen. Doch bislang ist kein Land bereit, sich in die- ser Form in Kirgisien zu engagieren. Weil alle wissen, dass sie die Lage nicht in den Griff bekommen werden, so lange die NATO in Afghanistan ist. Keiner will die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hat: nicht die NATO, nicht die USA, die sich mit Osterweiterung, Af- ghanistankrieg und der sogenannten Tulpenrevolution tief in den Einflussbereich Russlands eingegraben und Zentralasien zum Austragungsort eines „neuen Kalten Krieges“ mit Russland gemacht hat, und auch nicht Russland selbst. Doch die altbekannten Rezepte werden den Flächen- brand nur beschleunigen. Die International Crisis Group, die bereits der militärischen Zerschlagung Jugoslawiens das Wort geredet hat, schreibt: „Unglücklicherweise könnte es schon zu spät sein für alle Bemühungen, dem gespaltenen Land die Einheit wiederzugeben. Zu weit sind die Desintegrationsprozesse fortgeschritten, zu viel ist geschehen. Deshalb muss der Sicherheitsrat der Ver- einten Nationen eine Krisenintervention planen, sodass die Staatengemeinschaft in der Lage ist, kurzfristig und effizient auf alle Wellen der Gewalt und Flüchtlings- ströme in der Region zu reagieren.“ Hier wird einer Tei- lung Kirgisiens unter internationaler militärischer Bei- hilfe entlang ethnischer Linien das Wort geredet. Ein Experiment, welches die NATO mit tatkräftiger Unter- stützung der Crisis Group bereits auf dem Balkan durch- geführt hat und mit dem sie bereits dort grandios ge- scheitert ist. In Zentralasien, wo instabile Regime eine Vielzahl von Bevölkerungsgruppen umfassen, große Rohstoffvorkommen existieren und das durch die NATO zum Schauplatz eines „neuen Kalten Krieges“ mit Russ- land gemacht wurde, ist das Eskalationspotenzial noch ungleich höher. Die verfahrene Lage in Kirgisien und Zentralasien muss zu einem wirklichen Umdenken führen. Die NATO muss ihre Niederlage in Afghanistan eingestehen und das Konfliktpotenzial, das von diesem Krieg für die ge- samte Region ausgeht, anerkennen. Der Abzug der Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 7009 (A) (C) (D)(B) NATO aus Afghanistan muss einhergehen mit der Fest- stellung, dass dieses Militärbündnis seine Grenzen über- schritten hat, im wahrsten Sinne des Wortes eine Gefähr- dung des Weltfriedens darstellt und deshalb aufgelöst gehört. Der Westen muss aufhören, seinen Einflussbe- reich auch militärisch immer weiter in den Osten auszu- dehnen – dies überfordert auch seine Kräfte –, und muss die legitimen Interessen Russlands anerkennen. Grund- lage hierfür kann der von Russland vorgeschlagene euro- atlantische Sicherheitsvertrag sein. Nur wenn die militä- rische Konfrontation beendet wird, kann kooperativ die wirtschaftliche Entwicklung und Demokratisierung Zen- tralasiens unterstützt werden und sich diese Region sta- bilisieren. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kirgisistan steht kurz vor dem Staatszerfall: ethnische Spannungen, eine handlungsunfähige Regie- rung und eine zusammengebrochene Wirtschaft – dies sind die klassischen Symptome eines versagenden Staa- tes. Das Land wird durch einen ethnischen und sozialen Konflikt förmlich zerrissen. Eine machtlose Präsidentin ohne nennenswerte Unterstützung verliert zunehmend die Kontrolle über den Süden des Landes. Die Verliere- rin in diesem Konflikt ist die usbekische Minderheit, die zunehmend marginalisiert und verfolgt wird. Im Juni dieses Jahres erschütterten Berichte über Hunderte Tote und Tausende Flüchtlinge die Weltöffentlichkeit. Wie kommt es zu dieser Verschärfung des Konflikts? Kirgisistan ist eines der ärmsten Länder der Erde. Ein Drittel der 5,3 Millionen Einwohner Kirgisistans lebt un- ter der Armutsgrenze. Eine Verdopplung der Strompreise zu Beginn des Jahres und eine extrem hohe Arbeitslosig- keit führte im April dieses Jahres zur Erhebung der Be- völkerung gegen den autokratisch regierenden Präsiden- ten Kurmanbek Bakijew. Am 7. April floh Bakijew zunächst in den Süden des Landes. Dort genießt er noch immer einen großen Rückhalt in der Bevölkerung. Schließlich verließ Bakijew das Land, nicht ohne seinen Anspruch auf das Amt des Präsidenten nochmals zu be- kräftigen. Die im April gebildete Übergangsregierung ist sehr heterogen und damit konfliktanfällig. Präsidentin Otunbajewa ist es zudem nicht gelungen, ehemalige Un- terstützer des gestürzten Präsidenten Bakijew mit in die Regierung zu holen. Dies wäre notwendig gewesen, um die Macht im Süden des Landes zu etablieren. Dort lebt der Großteil der usbekischen Minderheit, die etwa 15 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Im Süden ist ihr Anteil jedoch weitaus höher. Die usbekische Min- derheit ist wirtschaftlich besser gestellt als die Mehrheit der Bevölkerung, politisch ist sie jedoch schwach. Füh- rungspositionen in Verwaltung, Politik und Wirtschaft sind hauptsächlich von ethnischen Kirgisinnen und Kir- gisen besetzt. Politische und soziale Spannungen sind die Folge. Diesen Konflikt machten sich Bakijew und sein Umfeld im Juni zu nutze, um die Übergangsregie- rung durch gezielte Aufwiegelung der ethnischen Grup- pen schachmatt zu setzen. Die UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay berichtete, dass die ersten Angriffe abgestimmt, gezielt und gut geplant stattfanden. Es ist offensichtlich, dass vorhandene ethnische Spannungen systematisch poli- tisch instrumentalisiert wurden. Die Folge war, dass der Süden Kirgisistans im Chaos versank und die Über- gangsregierung nicht in der Lage war, die usbekische Minderheit vor Angriffen zu schützen. Weit über 1 000 Tote, eine Massenflucht und die Zerstörung ganzer Stadtviertel waren zu beklagen. Rosa Otunbajewa rief Russland und die USA um militärische Unterstützung an. Doch niemand wollte sich in den Konflikt hineinzie- hen lassen. Obwohl das Referendum, bei dem am 27. Juni über die neue demokratische Verfassung und über die Präsi- dentschaft Otunbajewas abgestimmt wurde, ruhig ver- lief, konnte die Übergangsregierung bis heute ihre Macht im Süden des Landes nicht konsolidieren. So scheiterte etwa die Absetzung des nationalistischen und Bakijew-treuen Bürgermeisters von Osch am Wider- stand der Kirgisinnen und Kirgisen im Süden. Die usbe- kische Minderheit lebt in ihren zum größten Teil zerstör- ten Wohnvierteln in Angst vor einem erneuten Übergriff und ist politisch kaltgestellt. Human Rights Watch infor- mierte in einem Bericht vom 18. August über die ethni- sche Gewalt in Kirgisistan. Die mehrheitlich kirgisi- schen Sicherheitskräfte haben sich danach an den Übergriffen auf Usbekinnen und Usbeken aktiv beteiligt. Auch vormals gemäßigte Politikerinnen und Politiker nehmen kaum noch Partei für die usbekische Minder- heit, Medien verbreiten nationalistische, antiusbekische Parolen. Am 22. Juli beschloss die OSZE, 52 Polizistinnen und Polizisten in den Süden Kirgisistans zu entsenden. Deren Präsenz sollte Übergriffe auf die usbekische Minderheit unterbinden. Dies lehnte Rosa Otunbajewa ab, da sie für die Sicherheit der Polizistinnen und Polizisten nicht ga- rantieren konnte. Es hatte unmissverständliche Drohun- gen gegen ein OSZE-Polizeikontingent aus dem Süden des Landes gegeben – ein weiteres Zeichen der Schwä- che der Zentralregierung. Der Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden des Landes bleibt bestehen, die usbekische Minderheit lebt weiter in Angst und eine Es- kalation der Lage scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. Am kommenden Sonntag stehen Parlamentswahlen bevor. Der Wahlkampf trägt seit Wochen zur Eskalation der Lage bei. Es ist mehr als fraglich, ob diese Wahlen eine stabile Regierung hervorbringen, da die Wahlbe- rechtigten unter 29 Parteien wählen können, von denen keine ihre Vorstellungen von der wirtschaftlichen und politischen Zukunft des Landes klar und deutlich formu- liert. Weniger politische Programme als der Machtan- spruch konkurrierender Clans prägen die Parteienland- schaft. Die usbekische Minderheit fühlt sich von keiner Partei vertreten. Viele Beobachter erwarten neuerliche Gewaltausbrü- che. Das Fergana-Tal, willkürlich aufgeteilt zwischen drei Staaten, ist der geografische Krisenherd. Nicht nur der Staat Kirgisistan, sondern die ganze Region ist be- (A) (C) (D)(B) droht. Autoritäre Staaten mit ethnischen und sozialen Konflikten, latente Spannungen zwischen ihnen und die Bedrohung durch Drogenhandel und den terroristischen Islamismus aus den südlichen Nachbarn Afghanistan und Pakistan machen diesen Teil Zentralasiens zu einer Gefahr für sich selbst und uns alle. Es ist unerlässlich, besonders Kirgisistan bei seinem wirtschaftlichen Aufbau zu unterstützen, da nur so den Nationalisten der Boden entzogen werden kann. Auslän- dische Polizistinnen und Polizisten können das Problem nicht lösen. Es bedarf eines komplexen Instrumentari- ums der Krisenprävention und der Friedenssicherung. Dazu sind nur die Vereinten Nationen in der Lage. Des- halb ist die Befassung des UN-Sicherheitsrates mit der Situation in Kirgisistan notwendig. Welche Maßnahmen sinnvoll und angemessen sind, bedarf einer genaueren Analyse. Auf deren Grundlage muss über ein Paket aus wirtschaftlicher Hilfe, politischen Verhandlungen und der Herstellung und Wahrung von Sicherheit für die Menschen nachgedacht werden. Dessen Umsetzung ist Aufgabe der Vereinten Nationen. Die maßgebliche Be- teiligung der Europäischen Union ist dabei sicher unum- gänglich. Vor allem aber liegt sie in unserem eigenen In- teresse. Kirgisistan braucht die Hilfe der internationalen Gemeinschaft jetzt und nicht erst dann, wenn der Kon- flikt eskaliert ist. Offsetdruc sellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Kö 7010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 kerei, Bessemerstraße 83–91, 1 ln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 22 65. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 7. Oktober 2010 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Marcus Weinberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Ja, bitte.



Rede von Agnes Alpers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

Herr Kollege, Sie haben gerade betont, welche Ent-

wicklungen es bei der Integration gab. Ich glaube, auch
Sie haben zur Kenntnis genommen, dass im Berufsbil-
dungsbericht explizit hervorgehoben wurde, dass junge
Menschen mit Migrationshintergrund im Durchschnitt
einen schlechteren Schulabschluss haben als junge Men-
schen ohne Migrationshintergrund, dass sie aber selbst
dann, wenn sie einen gleichwertigen Schulabschluss
oder sogar gleiche bzw. bessere Noten als Menschen
ohne Migrationshintergrund haben, nicht integriert wer-
den, weil sie zum Beispiel Ali heißen. Im Berufsbil-
dungsbericht wird die Frage aufgeworfen, warum das so
ist. Wie passen diese Fakten zu der von Ihnen erwähnten
massiven Entwicklung bei der Integration?


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Marcus Weinberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Darauf will ich gerne eingehen. Das Zitat, das ich an-

    geführt habe, bezog sich auf die Gesamtbetrachtung der
    Integration. Für uns ist von elementarer Bedeutung, Ent-
    wicklungen zu bewerten. Völlig richtig ist – darauf
    wollte ich gerade hinaus –, dass insbesondere bei der
    Entwicklung im schulischen Bereich, auch was die Ab-
    schlüsse angeht, nach wie vor große Defizite bestehen.
    Zum Beispiel ist der Anteil der Jugendlichen mit Migra-
    tionshintergrund, der keinen Abschluss hat, doppelt so
    hoch wie der entsprechende Anteil der deutschen Ju-
    gendlichen. Der Anteil der Eltern mit Migrationshinter-
    grund, der seine Kinder in eine Krippe gibt, ist nur halb
    so hoch wie der entsprechende Anteil der deutschen El-
    tern. Hier gibt es, wie gesagt, noch große Defizite.


    (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Sie haben aber gerade das Gegenteil gesagt!)


    Ein Problem ist die Anerkennung von im Ausland er-
    worbenen Abschlüssen; deshalb will ich jetzt auf diesen
    Punkt zu sprechen kommen. An der Debatte heute Mor-
    gen hat mich in diesem Zusammenhang etwas geärgert.
    Man kann natürlich immer wieder den Vorwurf erheben:
    Das kommt alles zu spät; ihr redet doch nur.


    (Daniela Kolbe [Leipzig] [SPD]: Ist ja auch so!)


    Ich möchte daran erinnern: Eine Integrationsbeauftragte,
    einen Integrationsplan und eine Islam-Konferenz hat es
    1992 und 1998 noch nicht gegeben. Hinzu kommt unser
    Gesetz, das im Dezember dieses Jahres hoffentlich vor-
    liegen wird.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Man kann, wie es der Kollege von der SPD heute Mor-
    gen getan hat, monieren, dass erst spät gehandelt wird.
    Aber jetzt handeln wir. Richtig, das hätte man schon vor
    zehn Jahren tun können. Damals haben wir diese Mög-
    lichkeit aber leider nicht gehabt.

    Ein zentraler Punkt ist, wie gesagt, die Anerkennung
    von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Ein Problem
    dabei ist das mangelnde Bewertungs- und Anerken-
    nungsverfahren. Hier sind zwei Ebenen der Betrachtung
    voneinander zu unterscheiden.

    Zunächst zur gesamtgesellschaftlichen Betrachtung,
    die auch eine volkswirtschaftliche ist. Auf einige der ne-
    gativen Daten, von denen in diesem Zusammenhang im-
    mer wieder die Rede ist, möchte ich kurz eingehen. Die
    Erwerbsquote von Zugewanderten beträgt 68 Prozent
    und liegt damit deutlich unter der Erwerbsquote von Per-
    sonen ohne Migrationshintergrund, die 75 Prozent be-
    trägt. Die Arbeitslosenquote von Akademikern mit Mi-
    grationshintergrund ist dreimal so hoch wie die der
    Deutschen, die einen akademischen Abschluss haben.
    Hier geht Potenzial verloren. Das sind volkswirtschaftli-
    che Ressourcen, die wir dringend heben müssen.

    Die andere Ebene der Betrachtung bezieht sich auf
    die Einzelschicksale der betroffenen Personen. Wir alle
    kennen entsprechende Fälle, möglicherweise sogar aus
    dem Wahlkreis. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen.

    Erstes Beispiel. Denken Sie an die Frau, die aus Russ-
    land kommt und dort Medizin studiert hat, momentan
    aber „nur“ eine Anstellung als Arzthelferin hat. Stellen
    Sie sich einmal vor – die meisten von uns haben ja einen
    Abschluss –, dass Sie ins Ausland gehen, Ihr Abschluss
    dort aber nicht anerkannt wird, und stellen Sie sich die
    Frage, welche Folgen es für Sie, Ihre Biografie und Ihre
    Psyche hätte, nicht in dem Bereich arbeiten zu können,





    Marcus Weinberg (Hamburg)



    (A) (C)



    (D)(B)

    in dem Sie ausgebildet wurden. Es ist ein Paradoxon,
    dass uns 8 600 Mediziner fehlen, gleichzeitig aber junge
    ausgebildete Menschen aus Russland oder anderen Län-
    dern nicht im Medizinbereich arbeiten können.

    Zweites Beispiel. Vergegenwärtigen Sie sich, welche
    Entwicklungen im Pflegebereich auf uns zukommen. Im
    Jahre 2020 werden uns 200 000 bis 300 000 Pflegefach-
    kräfte fehlen. In Deutschland arbeiten viele Menschen
    aus dem Ausland, die in dem Beruf, den sie erlernt ha-
    ben, nicht arbeiten können. Wir haben also eine volks-
    wirtschaftliche Verantwortung. Unter Integrationsge-
    sichtspunkten haben wir aber auch eine Verantwortung
    für die Menschen und ihre weitere Entwicklung.

    Mit Blick auf die bisherige Rechtslage und aufgrund
    der Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft ha-
    ben wir entschieden, möglichst zügig ein Anerkennungs-
    gesetz auf den Weg zu bringen; im Dezember dieses Jah-
    res wollen wir einen entsprechenden Gesetzentwurf
    vorlegen. 300 000 Akademikerinnen und Akademiker
    sollen derzeit nicht in ihrem eigentlichen Beruf arbeiten.
    Der Grund ist oft, dass kein allgemeiner Rechtsanspruch
    auf ein Verfahren existiert. Richtig ist, dass ein Anerken-
    nungsverfahren in reglementierten Berufen bisher zu-
    mindest für Spätaussiedler und EU-Bürger garantiert
    wurde. Alle anderen Personen können zum Beispiel ein
    im Ausland erworbenes Examenszeugnis nicht verwen-
    den. Sie sind entweder arbeitslos oder arbeiten in Beru-
    fen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen.

    Welche Konsequenzen müssen wir ziehen? Mit einer
    gesetzlichen Regelung müssen wir drei Ziele verfolgen:

    Erstens brauchen wir die Verbindlichkeit, dass im
    Ausland erworbene Abschlüsse und Qualifikationen zü-
    gig, nämlich innerhalb von sechs Monaten, bewertet
    werden. Außerdem muss transparent gemacht werden,
    welche Kriterien dabei zugrunde gelegt wurden. Es ist
    wichtig, diese Bewertung innerhalb von sechs Monaten
    vorzunehmen; denn nur so kann Verbindlichkeit ge-
    schaffen werden.

    Zweitens sollten entsprechende Bescheide über den
    Abschluss bzw. über die Qualifikation vorliegen bzw.
    ausgestellt werden.

    Drittens ist das alles nur sinnvoll, wenn man jedem
    Bewerber die Chance gibt, durch Qualifizierung, wo De-
    fizite bestehen, nachzuschulen. Das heißt, entsprechende
    Angebote müssen vorliegen.

    Was sind die Anforderungen an eine gesetzliche Re-
    gelung? Wichtigster Regelungsgegenstand eines entspre-
    chenden Gesetzes muss die Festlegung eines Rechtsan-
    spruchs auf ein Anerkennungsverfahren mit einer
    tatsächlichen Besserstellung sein. Im Zusammenhang
    damit – ich glaube, dass das sinnvoll und auch notwen-
    dig ist – muss die statistische Datenlage für Anerken-
    nungsuchende und die zuständigen Stellen verbessert
    werden, nicht wegen der Statistik, sondern weil wir se-
    hen wollen, wo die Defizite liegen und wo nachgearbei-
    tet werden muss, damit die verschiedenen Akteure
    – Bund, Länder und andere – wissen, wo Defizite so
    schnell wie möglich ausgeräumt werden müssen.
    Nur mit einem solchen Gesetz schaffen wir politische
    Ernsthaftigkeit. Es wird schon beobachtet werden, ob
    wir die mittlerweile achte oder neunte Rede zu diesem
    Thema halten.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Tat!)


    Wer das tut, wird sagen, „Verbindlichkeit“ bedeute, dass
    es auch irgendwann ein Gesetz gebe; denn nur mit einem
    Gesetz erreichen wir, dass sich Zugewanderte aufge-
    nommen fühlen.


    (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen, machen, machen!)


    Nur so erreichen wir, dass deren Potenziale unsere Ge-
    sellschaft bereichern, und nur so erreichen wir, dass de-
    ren intellektuelle Ressourcen unserer Wirtschaft nicht
    verloren gehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Zum Schluss möchte ich noch einige Bemerkungen
    zur Qualitätssicherung machen; das war uns auch in der
    Diskussion wichtig.


    (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist es!)


    Man kann natürlich die Quote erhöhen, indem man die
    Qualität senkt. Das machen wir nicht, sondern wir legen
    Wert darauf, dass es den Erhalt der Qualität des deut-
    schen Ausbildungssystems weiterhin gibt, gerade weil
    wir festgestellt haben, dass diejenigen, die in Deutsch-
    land eine Ausbildung gemacht haben, im Ausland er-
    folgreich sind, weil die Ausbildungsgänge anerkannt
    werden. Deshalb gehen wir den Weg, die Qualifizierung
    aufzuwerten und die Standards nicht abzusenken. Dann
    haben wir beides erfüllt: Wir haben die Qualitätsstan-
    dards gehalten und denjenigen, die nach Deutschland ge-
    kommen sind, eine Chance gegeben, in ihrem jeweiligen
    Beruf zu arbeiten.

    Herzlichen Dank.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)