Rede von
Sabine
Bätzing
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Der eher unspektakuläre Titel des heutigen
Gesetzentwurfs der Regierung verdeckt die tatsächliche
Tragweite des Artikelgesetzes. Bereits zum zweiten Mal
in dieser Legislaturperiode zeigt diese Regierungskolli-
sion ich benutze Kollision ganz bewusst , wie sie
mit der fundierten Meinung von Sachverständigen
aus Anhörungen und mit Änderungsvorschlägen aus
dem Bundesrat umgeht. Sie ignoriert sie.
Sicherlich ist unstreitig, dass nach der Liberalisierung
des deutschen Postmarktes gesetzgeberischer Hand-
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as ist absolut unstreitig. Was den Bereich der AGB zu
onderkonditionen angeht, ignorieren Sie aber hartnä-
kig die Äußerungen der Sachverständigen.
err Kollege Dautzenberg hat im Finanzausschuss und
uch gerade eben gesagt, dass es nicht auf die Anzahl
er Sachverständigen ankomme, die eine Meinung ver-
äten, sondern auf deren Qualität.
ollegen von der Union, schließe ich daraus richtig, dass
ie CDU/CSU die Qualität und die Kompetenz sowohl
er Monopolkommission als auch die von Herrn Profes-
or Scholz bezweifelt?
aben Sie ihm das schon einmal persönlich gesagt? Ich
laube, der steht Ihnen ziemlich nahe.
Worum geht es in der Sache? Die EU hat ein Ziel. Sie
ill erreichen, dass in den Mitgliedsländern ein Univer-
aldienst im Postdienst gewährleistet ist, und dabei will
ie nicht lediglich die Privatpost der einzelnen Personen
rdern. Jeder, der einmal in Art. 12 der Postrichtlinie hi-
eingeschaut hat, wird das sofort feststellen. Die EU
ifft mit dieser Regelung in der Postrichtlinie zielgenau
eutsche AGB zu Sonderkonditionen; denn unter ver-
leichbaren Bedingungen eingelieferte Sendungen wer-
en gleich behandelt, und diese Bedingungen sind allen
ugänglich. Das ist gerade der wesentliche Unterschied
u individuellen Vereinbarungen.
Die EU will auch ganz bewusst Massensendungen
rdern. Sie hat verstanden, dass Universalpostdienst für
en Einzelnen nicht nur heißt, seinen Brief überall und
u jeder Zeit abschicken zu können, sondern auch, über-
ll und zu jeder Zeit Post, auch informatorische Post,
um Beispiel von der Gemeinde, vom Kegelverein, ob
inladungen, Zeitungen oder Spendenquittungen, erhal-
n zu können. Das ist die rechtliche Argumentation.
enn Sie diese nicht überzeugt, dann sollte es vielleicht
ie politische tun. Wir werden in die Wahlkreise gehen.
ir werden den Kirchen, den Schützenvereinen und den
utomobilklubs sagen, dass ihr Porto teurer wird,
eil die Kolleginnen und Kollegen von der Regie-
ngskollision das so wollen, obwohl EU-Recht dem
ntgegensteht.
2550 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 28. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. März 2010
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Sabine Bätzing
Wir werden ihnen sagen, dass ihre Vereinsmitglieder die
Zeche werden zahlen müssen; denn 300 Millionen Euro
Mehrkosten zahlen karitative Einrichtungen nicht ein-
fach aus der Portokasse, sondern sie müssen diese auf
ihre Mitglieder umlegen, wenn sie ihr Bestehen nicht ge-
fährden wollen. Herr Kolbe, Sie haben im Finanzaus-
schuss gesagt, es gehe Ihnen um Gerechtigkeit.
Sie haben gefragt, ob es gerecht sei, wenn ein Brief von
der Deutschen Bank an die Commerzbank umsatzsteuer-
frei ist.
Es geht mir dabei nicht um den Brief der einen Bank
an die andere. Es geht mir aber sehr wohl um den Brief
der Bank an den Kunden. Wenn dessen Porto nicht um-
satzsteuerfrei ist: Wer wird die Mehrkosten zahlen? Die
Deutsche Bank? Wohl kaum! Die Bank wird ihre Ge-
bühren für das Übersenden von Kontoauszügen anhe-
ben. Was wird passieren das war Ihr Beispiel , wenn
die Deutsche Bank für ihre Briefe an die Commerzbank
Umsatzsteuer zahlen muss? Wird sie weniger Gewinn
machen? Nein, sie wird auch diese Mehrkosten auf den
Kunden umlegen. Das ist die Wahrheit.
Sie sagen, das würde nicht passieren, weil durch den
Wettbewerb die Preise so gesenkt würden, dass es am
Ende für alle billiger würde. Ich warne vor dieser An-
nahme. Wer nämlich als Marktteilnehmer in diesen
Wettbewerb ohne Umsatzsteuerbefreiung eintritt, der
leistet keinen Universaldienst mehr. Der bringt nicht je-
den Brief zu jeder Zeit an jeden Ort und holt ihn auch
dort ab. Nein, der pickt sich die Rosinen heraus. Das war
es dann mit dem Universaldienst.
Wer das wie Sie unterstützt, der hängt die Menschen
in den ländlichen Gebieten ab, der sorgt dafür, dass es
dort noch teurer wird. Für die Post der Deutschen Bank
an alle Kunden in Berlin mag Ihre Idee funktionieren.
Wenn aber die Caritas in Rheinland-Pfalz an alle Mit-
glieder Briefe in den Westerwald verschickt, funktioniert
genau das nicht. Deshalb sind wir mit unserem Ände-
rungsantrag näher am Volk und folgen auch logischer-
weise dem geltenden EU-Recht.
Logisch ist es jedenfalls nicht, wenn Leasing-Unter-
nehmen und Firmen, die Teile ihres Betriebes ins Aus-
land verlagern, nun Steuervorteile erhalten sollen.
Die SPD hat die Regelungen, die Sie jetzt abschaffen
wollen, in der Großen Koalition durchgesetzt.
Dazu stehen wir; denn sie sind richtig. Sie sind ein Aus-
gleich für die Verbesserungen gewesen, die die Unter-
nehmen durch die Unternehmensteuerreform erhalten
haben.
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och nun sollen sie wieder einseitig zulasten der Allge-
einheit zurückgenommen werden, um einige wenige
teuerlich zu begünstigen.
Mir ist nicht klar, wie nur eine einzige Oberbürger-
eisterin oder ein einziger Oberbürgermeister von
nion oder FDP diese Regierung noch verteidigen kann;
enn ihre eigenen Bundespolitiker vergrößern perma-
ent die finanziellen Defizite in den Kommunen.
urch die Maßnahmen dieses Gesetzes werden den
ommunen schon wieder das beruht auf Berechnun-
en der kommunalen Spitzenverbände; ich weiß, dass
ie denen anscheinend nicht mehr glauben 650 Millio-
en Euro weggenommen.
enn Sie die Kommunen kaputtmachen wollen, dann
agen Sie das offen. Unsere Unterstützung haben Sie da-
ei nicht.
Sie ignorieren weiter andere Meinungen beim Thema
itarbeiterkapitalbeteiligung, egal was Gewerkschaften
der die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sa-
en. Sie ignorieren auch den Bundesrat.
er Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, im Inte-
sse der Betrugsbekämpfung im Bereich der Umsatz-
teuer auch den Handel mit Schrott und Altmetallen so-
ie die Gebäudereinigung von Subunternehmen in das
everse-Charge-Verfahren aufzunehmen.
r begründet dies damit, Herr Kollege Volk, dass es sich
m betrugsanfällige Bereiche mit hohem Ausfallrisiko
andele. Das heißt doch nichts anderes, als dass der Bun-
esrepublik Deutschland in diesem Bereich laufend Geld
ntgeht. Die Bundesregierung stimmt dieser Feststellung
ogar in ihrer Gegenäußerung zu. Sie werde dieses Pro-
lem in einem der nächsten Steuergesetze angehen.
Was hindert Sie daran, es jetzt zu tun, und zwar in
iesem Gesetz?
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 28. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. März 2010 2551
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Sabine Bätzing
Dass die Bundesregierung Gesetze umgehend einbrin-
gen kann, hat sie doch bei dem Thema CO2-Emmission
bewiesen. Da hat sie schnell reagiert. Es liegt also nicht
am Können. Also fragt man sich: Liegt es am Wollen?
Ich stelle mir die Frage, wieso die Bundesregierung die
Erarbeitung eines Gesetzes verschieben will, sodass mit
jedem Tag, an dem es nicht ergangen ist, hohe Steuer-
ausfälle verursacht werden. Warum nehmen Sie diese
Schäden in Kauf? Braucht Deutschland das Geld nicht,
oder wollen Sie es vielleicht gar nicht?
Ich komme zum Schluss. Warum ignorieren Sie bei
dem heute vorliegenden Gesetzentwurf schon wieder
durchgehend die fundierten Auffassungen der Sachver-
ständigen? Seriöse und ernstgemeinte Gesetzgebung
sieht anders aus. Deshalb hören Sie mit dieser Klientel-
politik auf!
Danke.