Rede von
Josip
Juratovic
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Wer Arbeit leistet, verdient Wert-
schätzung und Fairness. Zu Wertschätzung und Fairness
in der Arbeitswelt gehört auch eine anständige Entloh-
nung. Wir haben in unserem Land aber viele Leistungs-
träger, die nicht anständig und fair entlohnt werden. Es
kann nicht sein, dass viele Beschäftigte trotz Vollzeit-
arbeit und Überstunden ihre Familien nicht ernähren
können, ohne vom Steuerzahler Almosen zu erhalten.
Die kalkulierte Almosenverteilung ist weder christlich
noch hat sie etwas mit Freiheit zu tun. Denn zur Freiheit
gehört auch finanzielle Freiheit.
Leistung muss sich wieder lohnen, fordern Sie, meine
Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Wer arbeitet,
müsse mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet.
Ja, da stimme ich Ihnen zu. Leistung lohnt sich aber erst
dann, wenn sie auch fair bezahlt wird.
Leistung lohnt sich, wenn man von der Arbeit, die man
leistet, menschenwürdig leben kann.
Daher wird sich Leistung für viele Leistungsträger in
Deutschland erst dann wieder lohnen, wenn wir einen
allgemeinen und flächendeckenden gesetzlichen Min-
destlohn haben.
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azu fällt mir nur unser guter, alter Platon ein: Der
öchste Grad von Ungerechtigkeit ist geheuchelte Ge-
chtigkeit.
enn Sie es mit Ihrer Forderung nach mehr Gerechtig-
eit ernst meinen, müssen Sie sich in der Bundesregie-
ng für den Mindestlohn als gesetzliche Lohnunter-
renze einsetzen und nicht dagegen.
s ist eine Frage der Moral und wichtig für das Selbst-
ertgefühl, dass geleistete Arbeit auch anständig bezahlt
ird. Für ein gesundes Selbstwertgefühl eines Men-
chen ist es wichtig, dass er von seiner Vollzeitarbeit
eine Familie ernähren kann; das sagen auch die Fami-
enministerin und die Arbeitsministerin in vielen Talk-
hows.
Sicherlich gehören zum politischen Geschäft von Zeit
u Zeit auch Showeffekte. Doch irgendwann muss man
as, was man versprochen hat, auch umsetzen. Sonst
erliert die Politik noch mehr an Glaubwürdigkeit. Diese
laubwürdigkeit hängt übrigens auch direkt mit diesem
aus zusammen, wenn man bedenkt, unter welchen
ohnbedingungen Menschen hier im Deutschen Bundes-
g arbeiten: beim Fahrdienst, bei den Sicherheits- und
einigungskräften.
Werte Kolleginnen und Kollegen, es sprechen nicht
ur moralische Gründe für einen gesetzlichen Mindest-
hn. Lassen Sie mich drei weitere Gründe aufzählen:
rstens. Wenn wir Altersarmut vermeiden wollen, dann
üssen wir dafür sorgen, dass die Rentner von morgen
eute vernünftig einzahlen können;
uch das gehört zur politischen Glaubwürdigkeit. Im
brigen sind auch die heutigen Rentner bei der Erhö-
ung ihrer Renten auf die Lohnzuwächse der Beschäftig-
n angewiesen. Mit einem Mindestlohn schaffen wir
ire Renten, heute und in der Zukunft.
Zweitens. Wenn wir Mindestlöhne einführen, sorgen
ir für mehr Kaufkraft in Deutschland und kurbeln die
innennachfrage an, gerade jetzt in der Krise. Eine
tärkere Binnennachfrage schafft Arbeit. Deswegen wird
er Mindestlohn nicht zu einem Minus, sondern zu ei-
em Plus an Jobs führen.
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 28. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. März 2010 2543
)
Josip Juratovic
Großbritannien hat den Mindestlohn bereits 1999 einge-
führt. Er hat dort weder zu Arbeitsplatzabbau noch zu
Arbeitsplatzverlagerungen geführt.
Drittens. Ein Mindestlohn würde bewirken, dass wir
in Deutschland nicht länger einen Wettbewerb um Un-
terbieten und Dumpinglöhne, sondern einen Wettbe-
werb um Innovation und Fortschritt hätten. Dieser
Meinung sind übrigens auch die meisten Unternehmen
in unserem Land. Sie sind der Auffassung, dass Lohnun-
terbietung nur Subunternehmen nutzt, die den schnellen
und rücksichtslosen Profit suchen, und zwar auf Kosten
der Qualität. Unser Motto muss deswegen lauten: Güns-
tig statt billig. Das ist vor allem im nächsten Jahr wich-
tig, wenn die Arbeitnehmer aus den neuen EU-Staaten
aufgrund der Vollendung der Arbeitnehmerfreizügigkeit
ohne Einschränkung in Deutschland arbeiten dürfen.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten
wollten einen gesetzlichen Mindestlohn bereits in den
vergangenen Jahren einführen. Mit unseren damaligen
Koalitionspartnern, CDU und CSU, ließen sich jedoch
nur Mindestlöhne für bestimmte Branchen einführen.
Doch gerade in der Krise hat sich gezeigt, dass alle Be-
schäftigten in Deutschland einen Mindestlohn brauchen.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ich
appelliere auch an Ihr christliches Menschenverständnis:
Setzen Sie sich dafür ein, dass alle Beschäftigten in
Deutschland das für den Lebensunterhalt ihrer Familien
Notwendige allein aus ihrer Vollzeitarbeit bestreiten
können, und verstecken Sie sich nicht hinter der Tarif-
autonomie, die Sie vorher durch Unterstützung der
vermeintlich christlichen Pseudogewerkschaften ge-
schwächt haben.
Kolleginnen und Kollegen von der Linken, in der
Sache sind wir uns gar nicht so fern.
Uns unterscheidet aber vor allem der Politikstil. Manch-
mal scheint Robin-Hood-Politik gerecht zu sein, und sie
kommt bei vielen Menschen zunächst einmal gut an.
Eine solche Robin-Hood-Politik gefährdet aber den ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn Sie einen Min-
destlohn von 10 Euro fordern, dann bremsen Sie dieses
Projekt eher.
Ich gebe zu: 10 Euro sind nicht besonders viel. Aber
erstens ist es unseriös, wenn Sie einen Mindestlohnrat
einsetzen, seine Ergebnisse aber schon im Voraus be-
schließen wollen, und zweitens ist es unseriös, wenn wir
mit einem Mindestlohn starten, der höher als in jedem
anderen Staat der Welt ist
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