Anlage 17
Anlage 18
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24937
(A) )
(B) )
Claudia DIE GRÜNEN
fehlt eine allgemeine Einnahmenregelung.
Bündigkeit gerühmt. Daher hielten wir es für sinnvoller,
wenn wir im Grundgesetz eine wirksame allgemeine
Schuldenbegrenzung festlegen und die detaillierte Aus-
führung durch ein Bundesgesetz vornehmen. Außerdem
Raab, Daniela CDU/CSU 29.05.2009
Roth (Augsburg), BÜNDNIS 90/ 29.05.2009
Anlage 1
Liste der entschuldigt
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Ahrendt, Christian FDP 29.05.2009
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
Dr. Bisky, Lothar DIE LINKE 29.05.2009
Bollen, Clemens SPD 29.05.2009
Brüderle, Rainer FDP 29.05.2009
Eichhorn, Maria CDU/CSU 29.05.2009
Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 29.05.2009
Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 29.05.2009
Grindel, Reinhard CDU/CSU 29.05.2009
Gruß, Miriam FDP 29.05.2009
Hintze, Peter CDU/CSU 29.05.2009
Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
Irber, Brunhilde SPD 29.05.2009
Klose, Hans-Ulrich SPD 29.05.2009
Künast, Renate BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
Link (Heilbronn),
Michael
FDP 29.05.2009*
Möller, Kornelia DIE LINKE 29.05.2009
Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver-
sammlung der OSZE
nlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach und
Dr. Hermann Scheer (beide SPD) zu der na-
mentlichen Abstimmung über den Entwurf ei-
nes … Gesetzes zur Änderung des Grundgeset-
zes (Artikel 91 c, 91 d, 104 b, 109, 109a, 115,
143d) (Tagesordnungspunkt 36 a)
Eine weiterreichende Begrenzung der Schuldenauf-
ahme durch die öffentlichen Haushalte erachten wir für
innvoll. Daher stimmen wir der Grundgesetzänderung
nd dem Begleitgesetz zur zweiten Föderalismusreform
u. Dennoch haben wir schwere Bedenken, ob das
rundgesetz der richtige Ort für eine detaillierte Rege-
ung zur Schuldenbegrenzung ist. Vor Kurzem erst ha-
en wir den sechzigsten Geburtstag unseres Grundgeset-
es gefeiert und es dabei für seine Knappheit und
r. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 29.05.2009
chily, Otto SPD 29.05.2009
chmidbauer, Bernd CDU/CSU 29.05.2009
chmidt (Fürth),
Christian
CDU/CSU 29.05.2009
chuster, Marina FDP 29.05.2009
r. Solms, Hermann
Otto
FDP 29.05.2009
rittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
29.05.2009
r. Volk, Daniel FDP 29.05.2009
icklein, Andrea SPD 29.05.2009
inkelmeier, Gert fraktionslos 29.05.2009
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
24938 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
Darüber hinaus halten wir das weiterhin bestehende
Kooperationsverbot für Bund und Länder bei der Bil-
dung für falsch, weil es die Qualität unseres Bildungs-
systems weiter gefährdet.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Elke Ferner und Astrid Klug
(beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung
über den Entwurf eines … Gesetzes zur Ände-
rung des Grundgesetzes (Artikel 91 c, 91 d,
104 b, 109, 109 a, 115, 143 d) (Tagesordnungs-
punkt 36 a)
Wir stimmen den Zielen, die mit der sogenannten
Schuldenbremse verbunden sind, uneingeschränkt zu.
Eine Schuldenbegrenzung ist im Interesse eines hand-
lungsfähigen Staates und im Interesse künftiger Genera-
tionen notwendig und richtig. Ein überschuldeter Staat
ist weder sozial noch gerecht, weil hohe Zinslasten den
Handlungsspielraum für wichtige Investitionen in so-
ziale Sicherung, Bildung und Infrastruktur rauben. Fi-
nanzielle Nachhaltigkeit ist deshalb schon heute ein
Grundprinzip sozialdemokratischer Politik.
Wir sind allerdings der Auffassung, dass die Auf-
nahme der Details einer Schuldenbegrenzung ins Grund-
gesetz nicht angebracht ist und gerade in der aktuellen
Situation die Auswirkungen der Finanz- und Wirt-
schaftskrise auf die öffentlichen Haushalte weder abseh-
bar noch heute abschließend zu regeln sind.
Die vorliegende Grundgesetzänderung sieht für den
Bund die Möglichkeit vor, auch in Zukunft eine Netto-
kreditaufnahme bis zu 0,35 Prozent des BIP einzugehen.
In Verbindung mit der eingebauten Konjunkturkompo-
nente und dem Wirken der automatischen Stabilisatoren
scheint das angestrebte Ziel der Rückführung der Neu-
verschuldung und des Abbaus der Altschulden verant-
wortlich und erreichbar zu sein, wenn gleichzeitig die
Einnahmen des Bundes so stabilisiert und verbessert
werden, dass es zu keinen Einschnitten bei wichtigen
Zukunftsinvestitionen oder bei der Finanzierung der
staatlichen Transferleistungen an die Sozialversiche-
rungskassen und für andere Leistungsgesetze kommen
muss.
Die Regelung allerdings, die auf Wunsch der Landes-
regierungen den Ländern mit Ausnahme von konjunktu-
rellen Notwendigkeiten ab 2020 eine Nettokreditauf-
nahme komplett verbietet, ist aus unserer Sicht aus
mehreren Gründen nicht akzeptabel. Erstens. Diese Re-
gelung schränkt die Landesparlamente in ihrem Budget-
recht ein. Dies wird von einigen Landtagsfraktionen vor
dem Bundesverfassungsgericht beklagt werden und
höchstrichterlich zu entscheiden sein. Zweitens. Die
Länder haben im Gegensatz zum Bund keine Möglich-
keit, Haushaltsdefizite mit einer Verbesserung der Ein-
nahmen auszugleichen. Drittens. Das Erreichen eines
ausgeglichenen Haushaltes ist für die Länder somit nur
über entsprechende Einsparungen möglich. Diese Ein-
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parungen können vielfach nur über drastische Ein-
chnitte beim Personal und bei den Bildungsausgaben
rzielt werden.
Unsere inhaltliche Kritik deckt sich damit uneinge-
chränkt mit der ablehnenden Haltung der saarländi-
chen SPD zu einer in dieser Form im Grundgesetz ver-
nkerten Schuldenbremse.
Aus saarländischer Sicht kritisieren wir außerdem,
ass die saarländische Landesregierung ihre Zustim-
ung zu einer Grundgesetzänderung unter Wert verkauft
at. Die Zinshilfen von 260 Millionen Euro pro Jahr bis
um Jahr 2019 lösen die strukturellen Probleme des saar-
ändischen Landeshaushaltes noch nicht einmal annä-
ernd; denn sie liegen um 200 Millionen Euro unter den
erzeitigen jährlichen Zinslasten. Der Spielraum,
00 Millionen Euro im Landeshaushalt einzusparen und
leichzeitig das strukturelle Defizit abzubauen, ohne
ass dies zulasten der Finanzkraft der Kommunen oder
ulasten der Bildungsausgaben geht, ist nicht vorhanden.
s ist und bleibt deshalb Aufgabe der saarländischen
andesregierung, weitere finanzielle Unterstützung des
undes und der finanzstärkeren Länder einzufordern,
m die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu si-
hern.
Die nun zur Abstimmung stehende Regelung ist ein in
inem mehrjährigen Prozess zwischen den Koalitions-
raktionen und den Ländern verhandelter Kompromiss.
ie SPD-Bundestagsfraktion hat der Grundgesetzände-
ung – aus den beschriebenen Gründen ohne unsere
timmen – mit einer sehr breiten Mehrheit zugestimmt.
rotz unserer inhaltlichen Kritik tragen wir dieses Mehr-
eitsvotum bei der Abstimmung im Bundestag mit. Die
ntscheidung über die Ausgestaltung der Schuldenbe-
renzung ist keine Gewissensentscheidung. Als stell-
ertretende Fraktionsvorsitzende und als Mitglied der
undesregierung stehen wir auch in einer Gesamtverant-
ortung für die Umsetzung der Mehrheitsbeschlüsse un-
erer Fraktion.
Als saarländische Abgeordnete werden wir die jährli-
hen Zinshilfen in Höhe von 260 Millionen Euro für das
aarland nicht gefährden, sehen aber im weiteren Ge-
etzgebungsverfahren noch deutlichen Nachbesserungs-
edarf. Die saarländische Landesregierung kann und
uss deshalb ihrer Verantwortung für den Fortbestand
es Saarlandes als eigenständiges Bundesland und für
ine politisch handlungsfähige saarländische Landespo-
itik gerecht werden und im Bundesrat die von der SPD-
undestagsfraktion vorgeschlagene Möglichkeit der
ettokreditaufnahme von 0,15 Prozent des BIP für die
änder unterstützen. Sie hat es in der Hand, mit anderen
ändern im Bundesrat dafür zu sorgen, dass auch die
änder noch einen eigenen flexiblen Handlungsspiel-
aum bewahren.
nlage 4
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Stephan Eisel und
Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24939
(A) )
(B) )
(beide CDU/CSU) zu der namentlichen Abstim-
mung über den Entwurf eines … Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91 c,
91 d, 104 b, 109, 109 a, 115, 143 d) (Tagesord-
nungspunkt 36 a)
Die in den letzten 40 Jahren ununterbrochen anstei-
gende Staatsverschuldung in Deutschland engt die
Handlungsspielräume der öffentlichen Haushalte zuse-
hends ein und bürdet kommenden Generationen finan-
zielle Lasten auf. Mit einem entsprechenden Regelwerk
die Begrenzung der Staatsverschuldung von Bund und
Ländern sicherzustellen, ist demnach ein Gebot der
Stunde. Die zur Abstimmung anstehenden Gesetzent-
würfe sind geeignet, dieses Ziel zu erreichen.
In der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses
zur Föderalismusreform II am 4. Mai 2009 hat aber un-
ter anderem der Sachverständige Professor Dr. Lange zu
Recht kritisiert, dass die vorgesehenen Änderungen des
Grundgesetzes eine Reihe von Detailregelungen enthal-
ten, die die Frage aufwerfen, ob sie wirklich in eine Ver-
fassung gehören oder nicht vielmehr in einem einfachen
Gesetz getroffen werden sollten. Konkret wurde unter
anderem die Einfügung des Art. 109 Abs. 3 n. F., des
Art. 109 a n. F. und des Art. 143 d n. F. für unnötig ange-
sehen. Die Urfassung des Grundgesetzes 1949 enthielt
zur Finanzverfassung zum Beispiel den knappen
Art. 109, der aus einem einzigen Satz bestand. Schon in
der jetzt geltenden Fassung erstreckt sich Art. 109 GG
über fünf Absätze.
In Art. 115 Abs. 2 n. F. ließe sich der letzte Satz er-
satzlos streichen, zumal der Begriff „angemessener Zeit-
raum“ ohnehin zu unbestimmt erscheint. Vieles, dem der
Gesetzentwurf Verfassungsrang beimisst, ließe sich in
niederrangigem Recht regeln. Das mit Zweidrittelmehr-
heit des Deutschen Bundestages zu verabschiedende Re-
gelwerk bewirkt Festlegungen, die den künftigen Gestal-
tungsspielraum des Gesetzgebers nahezu unverrückbar
einschränken, und dies ohne Notwendigkeit.
Bedauerlicherweise war es auch in den Ausschusssit-
zungen des Rechtsausschusses nicht möglich, ein Gesamt-
paket zu formulieren, das der von Professor Dr. Lange an-
gemahnten Funktion der Verfassung als Sammlung
„möglichst klarer und verständlicher Normen von höchs-
ter grundsätzlicher Bedeutung“ Rechnung trägt. Das al-
les gäbe Anlass, gegen das Gesetzeswerk zu stimmen.
Vor dem Hintergrund der derzeitigen politischen Kon-
stellation sehen wir uns allerdings vor die Wahl gestellt,
die von uns kritisierte Änderung des Grundgesetzes mit-
zutragen oder zu riskieren, dass es auf absehbare Zeit
keine wirksame Begrenzung der Staatsverschuldung ge-
ben wird. Das Ziel, die Staatsverschuldung zu beschrän-
ken, ist für uns von derart großer Bedeutung, dass wir
uns entschlossen haben, unseren mit dem Bundestags-
präsidenten Professor Dr. Norbert Lammert geteilten Be-
denken gegen die Gesetzesänderung hinter dieses über-
geordnete Ziel zu stellen. Dennoch dürfen wir bei
künftigen Verlockungen einer Grundgesetzänderung die
Gedanken einer puristischeren Ausgestaltung nicht aus
den Augen lassen.
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Wir stimmen mit den vorgebrachten Bedenken der
rundgesetzänderung dennoch zu.
nlage 5
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Iris Hoffmann (Wismar) und
Dirk Manzewski (beide SPD) zu der namentli-
chen Abstimmung über den Entwurf eines
… Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 91 c, 91 d, 104 b, 109, 109 a, 115, 143 d)
(Tagesordnungspunkt 36 a)
Grundsätzlich halten wir die Einführung einer soge-
annten Schuldenbremse ins Grundgesetz für sinnvoll
nd notwendig. Aus Verantwortung gegenüber den kom-
enden Generationen sollte die Staatsverschuldung be-
renzt werden. Die Konsolidierung des Bundeshaushal-
es muss ebenso wie die der Länderhaushalte mittel- und
angfristig im Vordergrund stehen.
Mecklenburg-Vorpommern ist mit gutem Beispiel vo-
angegangen. Seit 2006 kann unser Bundesland einen
usgeglichenen Haushalt vorweisen. Im Jahr 2007 konn-
en sogar erstmals 240 Millionen Euro Schulden getilgt
erden. Das Land plant bis 2011 weiter 630 Millionen
er insgesamt 10,65 Milliarden Euro Schulden abzu-
auen.
Leider werden die mit diesem umsichtigen Haushalten
erbundenen Anstrengungen Mecklenburg-Vorpommerns
icht belohnt. Die Föderalismusreform II sieht Konsoli-
ierungshilfen für die fünf am höchsten verschuldeten
undesländer Bremen, Saarland, Berlin, Sachsen-Anhalt
nd Schleswig Holstein vor, deren Finanzierung von
und und Ländern jeweils zur Hälfte getragen wird.
Mecklenburg-Vorpommern gehört strukturell immer
och zu den wirtschafts- und finanzschwächsten Län-
ern. Da die Regelung der Konsolidierungshilfen aber
llein auf den Schuldenstand abstellt, wird auch Meck-
enburg-Vorpommern zu einem der Geberländer, was ei-
er Bestrafung für erfolgreiche Sparmaßnahmen gleich-
ommt. Dieses Vorgehen ist aus meiner Sicht weder
olidarisch noch gerecht.
Dennoch haben wir uns dazu entschieden, den Grund-
esetzänderungen heute zuzustimmen, um einer dauer-
aften Konsolidierung unserer öffentlichen Haushalte
icht im Wege zu stehen.
nlage 6
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Ortwin Runde und
Dr. Wolfgang Wodarg (beide SPD) zu der na-
mentlichen Abstimmung über den Entwurf ei-
nes … Gesetzes zur Änderung des Grundgeset-
zes (Artikel 91 c, 91 d, 104 b, 109, 109 a, 115,
143 d) (Tagesordnungspunkt 36 a)
Die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern sollen
it den vorgelegten Gesetzentwürfen modernisiert wer-
en. Diesem Anspruch werden sie nicht gerecht. Viel-
24940 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
mehr ist zu befürchten, dass die gesamtstaatliche finanz-
und wirtschaftspolitische Handlungsfähigkeit durch das
geplante Gesetzeswerk erheblich eingeschränkt und der
deutsche Föderalismus zukünftig kraft Verfassung Scha-
den nehmen wird.
Erstens. Das Grundgesetz heißt so, weil es Grundsatz-
charakter hat. Dies soll und muss auch für die Finanzbe-
ziehungen zwischen Bund und Ländern – und auch
Kommunen – sowie ihre Finanzierungsspielräume gel-
ten. Aber schon seit zehn Jahren gibt es durch Verfas-
sungsänderungen den Trend, zunehmend Details im
Grundgesetz zu verankern. Dies gilt auch für die von
der Föderalismusreformkommission II gemachten Vor-
schläge. Dies zu kritisieren ist dabei keine rein verfas-
sungsästhetische Frage. Ausschweifende Verfassungsre-
gelungen können dazu führen, dass sie zunehmend die
demokratische Substanz, die das Grundgesetz neben den
Grundrechten ganz elementar schützen soll, aushöhlen.
Das Grundgesetz ist schließlich keine Verwaltungsver-
einbarung und auch kein Notarvertrag. Eine solche Ent-
wicklung würde auch die Legitimation unserer Verfas-
sung und die demokratische Kultur beschädigen. Hierauf
hat bereits der ehemalige Verfassungsrichter Dieter
Grimm hingewiesen: Wer in das Grundgesetz Dinge
schreibt, die eigentlich in einfache Gesetze oder nur in
ihre Durchführungsverordnungen gehören, der macht
neuen politischen Mehrheiten das Leben schwer. Diese
müssten nämlich dann, wenn sie politisch etwas ändern
wollten, die Verfassung ändern. Je mehr also durch die
Verfassung im Detail festgeschrieben wird, umso schma-
ler ist der Raum für neue Mehrheitsentscheidungen. Die
Verfassung, grundsätzlich zum Schutz des demokrati-
schen Diskurses berufen, könnte in solchen Konstellatio-
nen zu dessen Falle werden. Demokratische Machtver-
schiebungen dürfen aber nicht folgenlos werden.
Ansonsten würde das Verantwortungsbewusstsein der
Bürgerinnen und Bürger für die Demokratie durch den
reinen Glauben an eine Verfassung, die es schon richten
werde, demontiert. In einer Zeitenwende kommt es aber
besonders auf verantwortliche Richtungsentscheidun-
gen der Wählerinnen und Wähler an.
Zweitens. Die Befürworter der in das Grundgesetz
aufzunehmenden Schuldenbremse argumentieren, mit
der neuen Konstruktion verbinde sich eine nötige Be-
kräftigung des staatlichen Konsolidierungswillens. An-
derenfalls sei es um die Glaubwürdigkeit des Staates und
damit auch seine finanzielle Bonität schnell geschehen.
Die Vergangenheit lehre, wohin ein nicht eng genug ge-
schnürtes Korsett für die staatlichen Finanzen führe. Das
Argument von der nötigen Handlungsfähigkeit des Staa-
tes ist von beachtlichem Gewicht. Die SPD hat in der zu-
rückliegenden Legislaturperiode der Großen Koalition
immer auf diesen Grundsatz gepocht und etwa auf die
Gegenfinanzierung bei Steuersenkungen geachtet. Wer
jedoch mit Blick auf die Staatsverschuldungspraxis zu-
rückblickt, wird feststellen müssen, dass diese vor allem
zwei Ursachen hatte: Zum einen wurden die Defizite aus
schlechten Zeiten in guten Zeiten nicht ausgeglichen.
Zum anderen wurde eine Konsolidierung oft durch Steu-
ersenkungen konterkariert, die nötige Einnahmesiche-
rung missachtet. Ohne Einnahmesicherung in Zeiten
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onjunkturellen Aufschwungs können dauerhaft keine
oliden Staatsfinanzen erreicht werden. Steuerstaat und
olide Demokratie sind eng miteinander verbunden.
icht ohne Grund ist von mehreren Sachverständigen in
er Anhörung zur Umsetzung der neuen Staatsschulden-
erfassung erklärt worden, ein Erfolg auch der neuen
egeln, also das Erreichen solider Staatsfinanzen in der
ukunft, hänge letzten Endes von der politischen Praxis
b.
Drittens. Die neue Schuldenregelung wurde und wird
on ihren Befürwortern als Reaktion auf die Globalisie-
ung begriffen. Gemeint war damit die veränderte Rolle
er Staaten in einer durch die Finanzmärkte gesteuerten
elt. Staaten kamen darin bestenfalls wie Unternehmen
or, nicht als Gestalter nach demokratischen Spielregeln.
m Bewusstsein lag dabei zumeist nur jene Seite der
lobalisierung, die durch Entgrenzung der Märkte Zu-
ächse bringt. Das tut sie – aber eben nicht nur.
In Finanzfragen ist gewiss: Eine Münze hat immer
wei Seiten. Und die Globalisierung hat in der aktuellen
inanz- und Wirtschaftskrise ihre andere Seite gezeigt.
nsofern ist der Hinweis von Sachverständigen beacht-
ich, mit dem Schuldenbremsenkonzept würden ledig-
ich Schlachten der 80er- und 90er-Jahre geschlagen. In
ukunft werde man sich sehr viel mehr Gedanken über
lobale Krisen angesichts einer globalisierten Wirtschaft
achen müssen und erst recht, wie man im international
erwobenen Kontext mit solchen Krisen umzugehen ge-
enke. Dies setzt eine größere Flexibilität voraus.
Dementsprechend erscheinen auch die Maastrichter
egeln in einem neuen Licht. Die darin für die Eurostaa-
en vorgesehenen Verschuldungsgrenzen haben das Vor-
ild für die neue grundgesetzliche Schuldenregel gege-
en, genauer: in einer verschärften Form. Aber gehört
ine Regelung in das Grundgesetz, die enger gefasst ist
ls das Maastrichter Regelungswerk? Ist dieses Kon-
trukt angesichts der unbekannten weiteren Entwicklung
och tragfähig, wenn wir jetzt schon wissen, dass 2009
3 von 16 Eurostaaten einschließlich Deutschlands die
aastrichter Kriterien verfehlen werden und auf Jahre
as Erreichen des Dreiprozentkriteriums ungewiss sein
ann? Welchen Wert besitzen grundgesetzliche Regelun-
en, die offensichtlich nicht eingehalten werden können?
as gebietet insofern der Respekt vor dem neuen Deut-
chen Bundestag, der am 27. September gewählt werden
ird? Meine Antwort lautet darauf: Jedenfalls nicht die
ur Entscheidung vorgelegte vermeintliche Schulden-
remse.
Viertens. In der Verfassung soll viel Neues, gemessen
m Bruttoinlandsprodukt, festgelegt werden. Kein Satz
indet sich jedoch dazu, dass eine bestimmte, am Brutto-
nlandsprodukt, BIP, festlegbare Steuerquote nötig ist,
m einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen zu können.
ls unter der Großen Koalition 2007 und 2008 der Haus-
altsausgleich über alle Gebietskörperschaften nach lan-
er Zeit annähernd erreicht worden ist, gab es in der
undesrepublik eine Steuerquote von etwa 23 Prozent
es BIP. Sie genügte nur für den Haushaltsausgleich in
008, noch nicht zum nachhaltigen Abbau bestehender
taatsschulden. Wird ohne ihre verfassungsrechtliche
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24941
(A) )
(B) )
oder zumindest verfassungsnahe Verankerung – die
Union hat sich in der Föderalismusreformkommission II
gegen eine solche Festlegung gestemmt – eine Schulden-
bremse und für die Länder sogar ein Schuldenverbot
festgelegt, so muss die Sorge bestehen, dass die Haus-
haltskonsolidierung künftig vorrangig über Ausgaben-
kürzungen erreicht werden wird. Dies wird besonders
Zukunftsinvestitionen wie Bildung und Wissenschaft
und den Sozialetat treffen. Zudem können gerade viele
Kommunen als letztes Glied der Kette – aber am nächs-
ten an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger –
ihre Handlungsfähigkeit verlieren, wenn die Landes-
haushalte sich zu ihren Lasten konsolidieren.
Dem wird entgegengehalten, die neue Schulden-
bremse wirke in ihrer Ausgestaltung doch faktisch wie
ein Steuersenkungsverbot. Dementsprechend hat sich in
der Sachverständigenanhörung jedoch nur der Wirt-
schaftswissenschaftler Clemens Fuest geäußert, aber
kein Jurist. Er hat auch ausdrücklich nur von einer fakti-
schen Wirkung gesprochen. Einen rechtlichen, ge-
schweige denn einen verfassungsrechtlichen Konnex
gibt es insoweit nicht. Eine Schuldenbremse, die das BIP
zum Maßstab wählt, kann also immer nur auf jener
Ebene verankert werden wie die zur Sicherung der Ein-
nahmen verbundenen Regelungswerke. Dies sind gegen-
wärtig die Steuergesetze. Sie sind, aus guten Gründen,
durch Demokratie offen gestaltbares, einfaches Geset-
zesrecht.
Damit bleibt es bei der Befürchtung: In oder nach ei-
ner Krise würden bei diesem engen Haushaltskonsolidie-
rungsgebot in der Verfassung vor allem die nur einfach-
gesetzlich gesicherten Staatsausgaben für Soziales und
damit zugleich wichtige volkswirtschaftliche Stabilisato-
ren zur Disposition gestellt werden. Dies gilt erst recht,
wenn die Steuergesetze zusätzlich unter den Druck eines
regionalen Steuerdumpings zwischen den Bundeslän-
dern geraten sollten. Eine Haushaltskonsolidierung kann
auch im Urteil der Bevölkerung aber nur dann dauerhaft
erfolgreich sein, wenn sie sozial verträglich und mit
volkswirtschaftlicher Vernunft stattfindet.
Fünftens. Besonders deutlich wird die mit der neuen
Schuldenregel verbundene Herausforderung für den
nächsten Deutschen Bundestag, wenn man sich den der-
zeit für die Übergangszeit angelegten Korridor anschaut.
Dabei handelt es sich um eine starre mechanistische Re-
gel allein für den Bund, die unabhängig von der weiteren
konjunkturellen Entwicklung dazu zwingen wird, das
strukturelle Defizit zwischen 2011 und 2016 in mehrstel-
liger Milliardenhöhe abzubauen, um dann verfassungs-
gemäß ein strukturelles Defizit von 0,35 Prozent des BIP
zu erreichen (Art. 143 d Abs. 1 Satz 5 und 6 GG-neu;
Art. 2 § 9 Abs. 2 Begleitgesetz zur zweiten Föderalis-
musreform).
Was bedeutet diese Regelung konkret? Als die Kom-
mission über diesen Übergangspfad diskutierte, hatte das
Bundesfinanzministerium, BMF, ein strukturelles Defi-
zit für 2009 in Höhe von 1,5 Prozent des BIP angenom-
men, also etwa von 37 Milliarden Euro. Das BMF hatte
ferner ins Auge gefasst, dies in Schritten von jeweils
0,25 Prozent des BIP bis 2016 schließlich auf 0,35 Pro-
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ent, also auf rund 8 Milliarden Euro, zu reduzieren.
ährlich hätte dieser Korridor von 29 Milliarden Euro je-
eils eine Absenkung – sprich: zusätzlich nötige Einspa-
ungen von gut 6 bis 7 Milliarden Euro – bedeutet. In der
wischenzeit hat sich die Situation noch einmal extrem
erschärft. Einerseits bedingt durch teilweise verfas-
ungsrechtlich veranlasste Steuerrechtsänderungen wie
ur Pendlerpauschale, zur steuerlichen Absetzbarkeit
on Krankenversicherungsbeiträgen und durch die steu-
rlichen Verabredungen zum Konjunkturpaket II; ande-
erseits durch die dramatischen Einbrüche bei der wirt-
chaftlichen Entwicklung von minus 6 Prozent des BIP
amt der damit ausgelösten Folgen für staatliche Einnah-
en und Ausgaben. Damit dürfte das strukturelle Defizit
es Bundes gegenwärtig bei circa 3 Prozent liegen.
Prozent des BIP machen 75 Milliarden Euro aus. Ver-
assungsrechtlich festgeschrieben wären damit nötige
insparungen über einen Korridor von 66 Milliarden
uro, also deutlich über 20 Prozent des gegenwärtigen
undeshaushalts. Wie dies mit Garantien für die sozia-
en Sicherungssysteme von der Renten- bis zur Arbeits-
osenversicherung oder Steuersenkungsvorstellungen
on Union und FDP in der absehbaren wirtschaftlichen
ituation umgesetzt werden soll, ist unergründlich.
Neben diese konkret bevorstehende Anstrengung für
en nächsten Deutschen Bundestag tritt die Perspektive
ür den Bund, ab 2019 voraussichtlich mehr Verantwor-
ung für die Länder übernehmen zu müssen. Für die
änder ist, verpflichtend ab 2020, eine strukturelle Net-
oneuverschuldung von null in der Föderalismusreform-
ommission II verabredet worden. Dieses scheinbar
roßherzige Angebot der Ministerpräsidenten der fi-
anzstarken Länder, auch die finanzschwachen Länder
uf eine strukturelle Nullneuverschuldung zu verpflich-
en, dürfte sich für den Bund noch als Danaergeschenk
rweisen. Zum einen kann die Verdrängung der Länder
us der strukturellen Kreditaufnahmemöglichkeit dazu
ühren, dass sie zu vermehrt konjunkturell begründeter
erschuldung übergehen, kurz: die diesbezüglichen Kri-
erien weicher für sich definieren werden. Zum anderen
bernimmt der Bund eine verfassungspolitisch höchst
risante Verantwortung mit Blick auf die Finanzausstat-
ung finanzschwacher Länder, wenn die Regelungen
um Länderfinanzausgleich 2019 auslaufen. Die „struk-
urelle Null“ könnte dann argumentativ gegen den Bund
n der Weise gewendet werden, dass der Bund – ihre
icht auszuschließende Nichteinhaltung durch be-
timmte Länder zu diesem Zeitpunkt angenommen – für
ehlende laufende Einkünfte der Länder durch Ausgleich
us „seinem“ Steueraufkommen geradezustehen hätte.
eide Befürchtungen sind in der Sachverständigenanhö-
ung am 4. Mai 2009 zur Föderalismusreform II geäu-
ert worden. Sollte der Bund erfreulicherweise die An-
trengung bestanden haben, 2016 seine strukturelle
erschuldung auf 0,35 Prozent des BIP zu begrenzen, so
arten im Vorfeld der Neuregelung des Länderfinanz-
usgleichs weitere Forderungen auf ihn.
Sechstens. Hochproblematisch ist, dass die Hand-
ungsfähigkeit des Staates mit Blick auf Zukunftsfelder
icht nachhaltig verbessert werden konnte. Dies gilt ins-
esondere für das Aufgabenfeld Bildung und Forschung.
24942 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
In der öffentlichen Debatte ist es Konsens, dass wesent-
lich mehr in Bildung und Forschung zu investieren ist,
auch aus öffentlichen Haushalten. In der Praxis führt
dies zu Friktionen und Umgehungslösungen. Die Bun-
desfinanzierung zum Ausbau der Kinderbetreuung durch
ein Gesetz der Großen Koalition wurde über eine Stif-
tung geführt. Weitere Belege zu den bestehenden Proble-
men ergeben sich mit Blick auf das Konjunkturpaket II
und den Bildungsgipfel. Die Kanzlerin stand in den eige-
nen Reihen aufgrund ihrer Forderungen auf dem Bil-
dungsgipfel in der Kritik, weil die Erhöhung des Bun-
desanteils an Bildungsausgaben vom gegenwärtigen
Art. 104 b Grundgesetz, GG, verschlossen wird. Bisher
führt dies im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket II
zum Beispiel etwa für die Kommunen zu der nahezu ab-
surden Situation, Schulsanierungen nur dann angehen zu
können, wenn sie sich sicher sind, dass sich diese zu
mindestens 51 Prozent auf energetische Gebäudesanie-
rung beziehen. Dieser Nachweis kann in der Regel je-
doch erst nach Abschluss einer Baumaßnahme geführt
werden.
Mit der vorgeschlagenen Neufassung des Art. 104 b
GG sollen diese Widersprüchlichkeiten jetzt vorgeblich
geheilt werden. Aber in welcher Form? Bildung kann
danach nur dann vom Bund gefördert werden, wenn es
sich um Maßnahmen im Zusammenhang „von Naturka-
tastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die
sich der Kontrolle des Staates entziehen oder die staatli-
che Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, handelt. Bil-
dungskooperation findet demnach dann statt, wenn in
der Nordsee ein Tsunami ausbricht oder die Deutsche
Bank einen Crash erleidet, aber zur Abwehr einer Stö-
rung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zum
Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundes-
gebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachs-
tums ausdrücklich nicht. Das verstehe, wer will. Es hat
jedenfalls mit Rationalität nichts mehr zu tun. Diese Pa-
radoxien werfen verfassungspolitisch deutlich die Frage
auf, wer davon mehr Schaden an seinem Ansehen
nimmt: die Realität oder das Grundgesetz?
Wir stimmen den Gesetzesvorlagen daher nicht zu.
Anlage 7
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Klaus Barthel, Renate
Gradistanac, Wolfgang Gunkel, Helga Lopez,
Hilde Mattheis, Mechthild Rawert, René Röspel,
Andreas Steppuhn, Rüdiger Veit und Waltraud
Wolff (Wolmirstedt) (alle SPD) zu der namentli-
chen Abstimmung über den Entwurf eines
… Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 91 c, 91 d, 104 b, 109, 109 a, 115, 143 d)
(Tagesordnungspunkt 36 a)
Ohne die von den Finanzmärkten ausgegangene Welt-
wirtschaftskrise hätten wir derzeit ausgeglichene öffent-
liche Haushalte. Es war das Ergebnis wirtschaftlichen
Wachstums der Jahre 2005 bis 2008, dass wir aus der
Krise herauswachsen konnten, anstatt die Krise der vo-
rangegangenen Jahre durch Sparen zu verschärfen.
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iese Entwicklung war vor allem von sozialdemokrati-
cher Wirtschafts- und Finanzpolitik geprägt. Dieser
usgleich der öffentlichen Kassen erforderte keine ver-
assungsrechtliche Regelung.
Es bedarf daher keines Beweises der Bereitschaft der
ozialdemokratie, Schulden zu begrenzen und abzu-
auen. Auch unser Entwurf des Regierungsprogramms
ur Bundestagswahl 2009 ist der einzige Wahlprogramm-
ntwurf, der überhaupt die Frage der künftigen Staats-
inanzen konstruktiv aufgreift und Vorschläge zur Finan-
ierung künftiger Staatsausgaben macht (zum Beispiel
örsenumsatzsteuer, Solidarbeitrag für Bildung). CDU,
SU und FDP überbieten sich gegenseitig mit Ankündi-
ungen zu Steuersenkungen. Sie beschwören einerseits
ie grundgesetzliche „Schuldenbremse“, lassen anderer-
eits aber jeden Ansatz vermissen, wie sie die Schulden
bbauen wollen. Ihre Vorschläge führen allesamt in hö-
ere Verschuldung. Dies gilt gerade auch für die Aus-
age der Kanzlerin, bei Wachstum die Steuern zu sen-
en. Dieses Geld würde für den Schuldenabbau fehlen.
DU und CSU haben faktisch den Konsens der Großen
oalition verlassen und den Anspruch verloren, in dieser
rage die Einhaltung von Koalitionsabsprachen einzu-
ordern. Dies gilt umso mehr, als die Union derzeit jeden
ersuch unternimmt, mit teuren Geschenken an die ei-
ene Klientel Wählerstimmen zu fangen. Wie der Fall
ypo Real Estate, HRE, gezeigt hat, bekämpft sie jeden
nsatz, die Lasten der Finanzkrise für den Staat durch
ie Umwandlung von öffentlichen Hilfen in Eigentums-
itel zu begrenzen. Nur so könnte man aber den Steuer-
ahler nicht zum reinen Bürgen degradieren, sondern
uch an künftigen Erträgen beteiligen.
Die Weltwirtschaftskrise hat die Rahmenbedingungen
ür öffentliche Haushalte dramatisch verändert. Niemand
ann heute die künftige ökonomische Entwicklung, die
er Finanzmärkte, die der vom Staat im Zuge der Ret-
ungsmaßnahmen eingegangenen Kredit- und Bürg-
chaftsrisiken, die der Steuereinnahmen und der Ausga-
en für Krisenfolgen seriös voraussagen. Eine starre
rundgesetzliche Regelung kann diesen Risiken keines-
alls gerecht werden, geschweige denn den notwendigen
olitischen Gestaltungsspielraum sichern. So hebt die
chuldenregel bei der Frage des finanziellen Spielraums
on Bund und Ländern allein auf wirtschaftliches
achstum oder Naturkatastrophen ab. Dringend benö-
igte Investitionen in Bildung, Schulen und Universitä-
en würden nur möglich sein bei einem Tsunami in der
ordsee oder einem Erdbeben. Ländern und Kommunen
ird ein finanzpolitisches Korsett angelegt, das sie in
nverantwortlicher Weise lähmt oder/und zu Kostgän-
ern des Bundes degradiert.
Aus der Vergangenheit wissen wir aber, dass gerade in
achstumsphasen nach Krisen hohe Defizite in Sozial-
assen und öffentlichen Haushalten entstehen, weil die
ntwicklung der Steuer- und Beitragseinnahmen sowie
es Arbeitsmarktes dem Wachstum mit zeitlicher Verzö-
erung folgt. In der Wirtschaftsgeschichte fehlt es nicht
n Beispielen für staatliche Konsolidierungspolitik, die
m Aufschwung Krisen verlängert oder verschärft hat.
eriöse Modellrechnungen haben aufgezeigt, welche ka-
astrophalen Folgen für Wirtschaft und Arbeitsmarkt es
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24943
(A) )
(B) )
gehabt hätte, wenn eine Bundesregierung in diesem
Jahrzehnt eine „Schuldenbremse“ nach dem jetzt vorlie-
genden Modell einzuhalten gehabt hätte. Selbst ohne
Einbeziehung von Ländern und Kommunen und der
ökonomischen Langfristwirkungen wäre die Wirtschaft
um circa 1,5 Prozent weniger gewachsen und hätte die
Arbeitslosigkeit in der Spitze um 500 000 Menschen hö-
her gelegen.
Die Kommunen werden die ersten Opfer der geplan-
ten Neuregelung sein. Sie tragen zwei Drittel aller öf-
fentlichen Investitionen und sollen Garanten der Da-
seinsvorsorge von Kinderbetreuung über soziale Dienste
bis zur Ver- und Entsorgung sein. Gleichzeitig leiden sie
besonders unter den Krisenfolgen, sowohl was die So-
zialausgaben als auch was die Einnahmen, unter ande-
rem aus der Gewerbesteuer, betrifft. Ihnen fehlt es völlig
an Möglichkeiten, unter dem Diktat der geplanten neuen
Finanzordnung eigene Gestaltungsspielräume zu erhal-
ten. De facto steht somit auch die kommunale Selbstver-
waltung auf dem Spiel.
Wir können einer Verfassungsänderung nicht zustim-
men, die den politisch Verantwortlichen ab 2011 nur vor
folgende Alternativen stellt: erstens massive Steuererhö-
hungen, selbst bei rückläufigen Ausgaben; zweitens mas-
sive Ausgabenkürzungen im höheren zweistelligen Mil-
liardenbereich – dies würde nicht nur die Investitionen
weitestgehend zum Erliegen bringen, sondern massive
Einschnitte in soziale Leistungen bedeuten –; drittens
Bruch der Verfassung; viertens Änderung der Verfas-
sung; fünftens eine Kombination einzelner diese Alterna-
tiven.
Da keine dieser fünf Möglichkeiten heute den Wähle-
rinnen und Wählern offengelegt wird und keine dieser
Möglichkeiten politisch wünschenswert ist, ist die grund-
gesetzliche Schuldenbremse aus unserer Sicht nicht ver-
tretbar. Es ist der sechzigjährigen Geschichte, dem Cha-
rakter und der Aufgabe unserer Verfassung völlig
unangemessen, sie mit der vorgesehenen detaillistischen
und realitätsfremden Regelung zu befrachten.
Eine klare generelle Aussage zur Begrenzung staatli-
cher Kreditaufnahme und dem Gebot eines mittelfristi-
gen Ausgleichs eventueller Defizite unter Verweis auf
eine einfachgesetzliche Regelung würde dem gewünsch-
ten Ziel näherkommen und zur Rechtssystematik des
Grundgesetzes passen. Da wir die Staatsschulden wirk-
sam abbauen wollen, sehen wir dies als tragfähige Alter-
native zum vorliegenden Entwurf.
Die Sozialdemokratie will den Staat handlungsfähig
halten. Wir wollen auch verhindern, dass die Masse der
Steuerzahler und die sozial Schwachen die Folgen der
Krise tragen. Deshalb kann es eine Regelung der Staats-
schulden ohne eine gerechte Regelung der Einnahmen-
seite nicht geben. Andernfalls entsteht der Verdacht, dass
der Staat mit seinen Krisenlasten zugunsten des Finanz-
und Unternehmenssektors zur ohnmächtigen Geisel der
Welt- und Finanzmärkte gemacht werden soll.
In Zeiten massiver Steuereinnahmeausfälle, von Ret-
tungsschirmen für Banken und Unternehmen, von Bad
Banks, von steigender Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und
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ozialer Lasten stellt sich die Frage nach der Lösung des
roblems der Staatsverschuldung in dramatischer Weise.
ir werden es mit praktischer Politik lösen.
Die vorgeschlagene Verfassungsänderung wird dem
ngegebenen Zweck nicht gerecht, sondern gefährdet die
laubwürdigkeit politischer Entscheidungsträger und
eschädigt unser Grundgesetz in unverantwortlicher
eise.
nlage 8
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Dr. Hans-Peter Bartels, Dr. Michael Bürsch,
Bettina Hagedorn, Gabriele Hiller-Ohm, Sönke
Rix, Jörn Thießen und Franz Thönnes (alle
SPD) zu der namentlichen Abstimmung über
den Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes (Artikel 91 c, 91 d, 104 b, 109,
109 a, 115, 143 d) (Tagesordnungspunkt 36 a)
Für die SPD-Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-
olstein haben bei der Föderalismusreform II – unge-
chtet der persönlichen Abwägung zum Entscheidungs-
rozess und zum Gesamtergebnis – folgende Aspekte
esondere Bedeutung:
Erstens. Wir setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass
ie Souveränität der Länder zur Gestaltung ihrer Landes-
aushalte gewahrt bleibt und hier nicht unangemessene
estlegungen und Eingriffe stattfinden können. Wir wür-
en es politisch sehr unterstützen, wenn das Land
chleswig-Holstein diese offene Streitfrage zu einer ver-
assungsgerichtlichen Klärung führt.
Zweitens. Die unterschiedliche Höhe der verfassungs-
äßigen Defizite zwischen Bund und Ländern wird von
ns als sehr problematisch beurteilt. Eine strukturelle
erschuldungsmöglichkeit der Länder in Höhe von
,0 Prozent bewerten wir als verfassungsrechtlich hoch-
roblematisch, als diskriminierend im Verhältnis von
und und Ländern und als ökonomisch bedenklich. Wir
rwarten, dass eine entsprechende Initiative der Bundes-
änder hinsichtlich einer Öffnung dieser Restriktion un-
edingt positiv aufgenommen und umgesetzt wird.
Drittens. Auch und insbesondere das Land Schleswig-
olstein hat in der Vergangenheit von den Möglichkei-
en der Bund-Länder-Kooperation zur Finanzierung von
ildungsinvestitionen nachhaltig profitiert. Dieses hat
ich nicht nur in der jüngsten Zeit durch die gemeinsame
inanzierung nach Art. 91 GG für den Bereich der Wis-
enschaft – und damit der Hochschulen – manifestiert,
ondern auch im aktuellen Konjunkturprogramm II gibt
s eine überaus sinnvolle gemeinsame Finanzierung von
nvestitionen in Bildung und Forschung im Sinne eines
rweiterten Art. 104 GG. Wir appellieren nachdrücklich,
ass sich die Länder und der Bund auf eine grundgesetz-
ich abgesicherte bessere Kooperation bei der Finanzie-
ung von Bildung einigen. Kooperationsverbote, wie sie
eider noch einmal im Grundgesetz festgelegt werden
ollen, haben keine Berechtigung und müssen für die
ukunft korrigiert und überwunden werden.
24944 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
Einige Abgeordnete der SPD-Landesgruppe Schles-
wig-Holstein entscheiden sich bei der Gesamtbewertung
des Verhandlungsprozesses und seiner Ergebnisse für
eine Zustimmung bzw. schließen sich vor dem Hinter-
grund und im Respekt vor der Mehrheitsentscheidung
der Fraktion dieser an. Andere Abgeordnete erachten
ihre grundsätzlichen Bedenken – zumal es sich um eine
Grundgesetzänderung handelt – für so schwerwiegend,
dass sie ihre Zustimmung nicht geben können. In der Be-
wertung des Sachverhalts, den besonderen Konsequen-
zen in Bezug auf die Interessen des Landes Schleswig-
Holstein und den Erwartungen an notwendige Verände-
rungen und Verbesserungen im Bundesratsverfahren ha-
ben wir hingegen keinerlei Unterschiede und vertreten
nachdrücklich die in den Punkten eins bis drei erhobenen
Forderungen.
Anlage 9
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Florian Pronold, Klaus Uwe
Benneter, Dr. Axel Berg, Dr. h. c. Gernot Erler,
Peter Friedrich, Angelika Graf (Rosenheim),
Frank Hofmann (Volkach), Christel Humme,
Brunhilde Irber, Christian Kleiminger, Dr.
Bärbel Kofler, Anette Kramme, Helga Kühn-
Mengel, Andrea Nahles, Ewald Schurer,
Christoph Strässer und Dr. Marlies Volkmer
(alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung
über den Entwurf eines … Gesetzes zur Ände-
rung des Grundgesetzes (Artikel 91 c, 91 d,
104 b, 109, 109 a, 115, 143 d) (Tagesordnungs-
punkt 36 a)
Erstens. Wir haben die Grundüberzeugung, dass es ei-
nen handlungsfähigen Staat in Deutschland braucht, der
in der Lage ist, Zukunftsinvestitionen zu tätigen und so-
zialen Ausgleich zu schaffen. Dafür sind solide Staatsfi-
nanzen notwendig, denn eine überbordende Staatsver-
schuldung schränkt auf Dauer den erforderlichen
Handlungsspielraum ein. Deswegen wollen wir Staats-
verschuldung abbauen. Wir tun dies aber in dem Wissen,
dass es zum Beispiel bei konjunkturellen Krisen sinnvoll
sein kann, in eine höhere Verschuldung zu gehen, um die
Konjunktur anzukurbeln und die negativen Auswirkun-
gen für die Gesellschaft und die Staatsfinanzen zu mini-
mieren.
Zweitens. Gerade die gute sozialdemokratische Fi-
nanzpolitik von Peer Steinbrück hat bewiesen, dass das
Ziel des Schuldenabbaus auch ohne eine im Grundgesetz
verankerte Schuldenbremse erreichbar ist. Denn ohne
die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hätten
wir im Jahre 2011 einen ausgeglichenen Haushalt er-
reicht und wären in den folgenden Jahren in der Lage ge-
wesen, auch die staatliche Verschuldung zurückzufüh-
ren. Aber allein durch Sparen kommt kein Staat aus
seiner Verschuldung heraus. Qualifiziertes Wachstum ist
der Schlüssel, um Staatsverschuldung abzubauen, weil
nur über ausreichendes Wachstum Mehreinnahmen er-
zielt werden können. Deshalb ist es auch für den Staat
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ichtig, bei Wirtschaftskrisen in Vorleistung zu gehen,
m Wachstum zu fördern.
Drittens. Wir sind überzeugt, dass es zur Bekämpfung
on Staatsverschuldung keiner grundgesetzlichen Rege-
ung bedarf wie dieser, über die wir heute abstimmen. Es
st falsch, so detaillierte Regelungen in unser Grundge-
etz zu schreiben. Wir sind der Überzeugung, dass die
rundgedanken in die Verfassung gehören und die Aus-
ührungen dazu in ein einfaches Gesetz. Wir sind über-
eugt, dass es notwendig wäre, nicht nur Ausgabenpfade
n die Verfassung aufzunehmen, sondern auch im selben
aße die Einnahmesituation des Staates in den Blick zu
ehmen.
Gerade die aktuelle Debatte über Steuersenkungen
nsbesondere bei der FDP und der CDU/CSU zeigt: Das
ind die falschen Antworten für eine Konsolidierung der
aushalte.
Nach der Überwindung der Wirtschaftskrise sind
teuersenkungen erst recht nicht zu finanzieren, weil die
chulden, die der Staat machen musste, um Beschäfti-
ung zu sichern, auch zurückgezahlt werden müssen.
ir hätten uns eine Festlegung auf ein Einnahmeziel des
esamtstaates gewünscht. Dies würde nicht nur die Ver-
prechungen von Schwarz-Gelb nach massiven Steuer-
enkungen der Lüge überführen, sondern auch verhin-
ern, dass sich der Druck der Haushaltskonsolidierung
inseitig auf Ausgabenkürzungen zum Beispiel für For-
chung, Bildung oder Soziales aufbauen würde.
Viertens. Wir erkennen an, dass es der sozialdemokra-
ischen Verhandlungsführung gelungen ist, das Koopera-
ionsverbot des Art. 104 b GG zu lockern. Dennoch mei-
en wir, dass das Kooperationsverbot noch weiter
elockert werden muss. In Zeiten der Globalisierung
önnen wir uns Kleinstaaterei in der Bildungspolitik
icht mehr leisten.
Fünftens. Weiterhin erkennen wir an, dass es auch ge-
ungen ist, weite Teile der Schuldenbremse konjunktur-
erecht auszugestalten. Insbesondere für konjunkturelle
egensteuerungsmaßnahmen und Notsituationen ist ent-
prechender Spielraum geschaffen worden, damit der
taat auch in Zukunft aktiv eingreifen kann, um Arbeits-
lätze zu sichern und Wachstum schneller zu initiieren.
rotzdem konnte unsere Sorge bezüglich des konjunktur-
nabhängigen Abbaupfads der Jahre 2011 ff., der in der
ktuellen Verfassungsänderung normiert wird, nicht aus-
eräumt werden. Es macht keinen Sinn, eine im Jahr
011 unter Umständen wieder anziehende Konjunktur
urch massive Steuererhöhungen oder durch überpropor-
onal hohe Kürzungen in investiven Bereichen gleich
ieder abzuwürgen. Auch in diesem Bereich der Schul-
enbremse braucht es flexible und den aktuellen Situa-
ionen anpassbare Regelungen, so wie es der Sozialde-
okratie gelungen ist, sie in anderen Bereichen der
chuldenbremse zu schaffen.
Des Weiteren sind wir der Auffassung, dass es hohe
erfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die
ouveränität der Länder gibt, und begrüßen daher die
estrebungen, über den Bundesrat auch vernünftige und
lexible Handhabungen durch Bundesländer zu ermögli-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24945
(A) )
(B) )
chen, wie sie vonseiten der SPD-geführten Bundesländer
angestrebt werden.
Sechstens. Entgegen dieser oben angeführten Argu-
mente, eine solch detaillierte, unflexible Regelung nicht
in das Grundgesetz aufzunehmen, sehen wir uns in der
Gesamtverantwortung gegenüber unserer Fraktion und
unserer Partei und stimmen diesem Gesetz zu.
Wir werden aber unser Bemühen verstärken, Haus-
haltskonsolidierung über Wachstumsimpulse und über
eine vernünftige Einnahmebasis des Staates zu stärken,
die auch die hohen Vermögen und die besonders hohen
Einkommen stärker in die Verantwortung nimmt als bis-
her. Dabei gehen wir von der Unterstützung derjenigen
aus, die ohne jeden Zweifel diesem Gesetz zustimmen
können.
Anlage 10
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Renate Schmidt (Nürnberg),
Dr. h. c. Gerd Andres, Ute Kumpf, Jella
Teuchner, Lothar Mark, Dr. Lale Akgün,
Wolfgang Spanier, Gert Weisskirchen (Wies-
loch), Dr. h. c. Wolfgang Thierse, Gabriele
Groneberg, Elvira Drobinski-Weiß, Klaus
Hagemann, Petra Heß, Caren Marks,
Dr. Barbara Hendricks, Katja Mast, Rita
Schwarzelühr-Sutter, Ute Berg, Dr. Margrit
Spielmann, Lothar Binding (Heidelberg), Petra
Hinz (Essen), Klaus Brandner und Heinz
Schmitt (Landau) (alle SPD) zu der namentli-
chen Abstimmung über den Entwurf eines
… Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
(Artikel 91 c, 91 d, 104 b, 109, 109 a, 115, 143 d)
(Tagesordnungspunkt 36 a)
Wir haben den Verfassungsänderungen zur zweiten Fö-
deralismusreform zugestimmt, weil wir eine Schuldenbe-
grenzung von Bund, Ländern und Kommunen im Interesse
künftiger Generationen für richtig und notwendig halten
und weil es gelungen ist, das Kooperationsverbot des
Art. 104 b Grundgesetz, wenn auch nur geringfügig zu
lockern.
Wir bedauern, dass die Schuldenbegrenzung in unseren
Augen zu detaillistisch in der Verfassung verankert wurde,
statt sich auf den Grundsatz der Schuldenbegrenzung zu
beschränken und deren Ausgestaltung einfachgesetzlich zu
regeln. Wir bedauern, dass das Kooperationsverbot nach
wie vor zu strikt ist. In Zeiten der Globalisierung können
wir uns die bundesdeutsche, bildungspolitische Kleinstaa-
terei nicht länger leisten.
Wir sind daher der Meinung, dass Art. 104 a mindes-
tens in den Status vor der Föderalismusreform I zurück-
versetzt werden muss. Mittel- und langfristig ist eine ver-
fassungsmäßig abgesicherte gemeinsame Zuständigkeit
für alle Bereiche der Bildungspolitik von Bund, Ländern
und Kommunen anzustreben.
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Dennoch ist vor dem Hintergrund des in einem Kom-
romiss Erreichbaren die Zustimmung gerechtfertigt.
iese Zustimmung verbinden wir mit der Hoffnung,
ass in künftigen Legislaturperioden die notwendigen
orrekturen vorgenommen werden.
nlage 11
Erklärung nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über den
Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes (Artikel 91 c, 91 d, 104 b, 109,
109 a, 115, 143 d) (Tagesordnungspunkt 36 a)
Klaus Uwe Benneter (SPD): In meiner Gesamtver-
ntwortung gegenüber meiner Fraktion und meiner Partei
olge ich dem mehrheitlichen Votum der Fraktion und
timme trotz meiner massiven Bedenken zu.
Meine Kolleginnen und Kollegen, Florian Pronold
nd andere haben die wesentlichen Kritikpunkte in ihrer
rklärung bereits zusammengefasst. Dieser Erklärung
chließe ich mich an und ergänze noch Folgendes.
Erstens. Es sind die schlichte Diktion, die klaren Worte
nd knappen Sätze, die dem Grundgesetz als allseits ak-
eptiertes Leitbild unserer Verfassungsgrundlagen die
reite und uneingeschränkte Zustimmung in Deutschland
ringen. Die jetzt beabsichtigten Änderungen erfüllen
icht die Anforderungen an diesen Verfassungstext. Das ist
eine Frage einer nachrangigen Verfassungsästhetik oder
nwichtigen Verfassungskultur, das ist gelebte Demokra-
e. Politische Kompromisstexte haben nichts in einer
erfassung zu suchen, erst recht nicht, wenn solche de-
aillierten Regelungen in der noch weit entfernt liegen-
en Zukunft wirksam werden sollen. Wir erlauben uns
eute nicht nur, viele Schulden zu machen, jetzt knebeln
ir die künftig politisch Verantwortlichen auch noch und
ngen ihren künftigen Gestaltungsspielraum zu sehr ein.
Zweitens. Als verfassungsrechtlich bedenklichen Ver-
toß gegen die Eigenstaatlichkeit der Länder und damit
egen die bundesstaatliche Ordnung werte ich die zwin-
ende Vorgabe im neuen Art. 109 Abs. 3 GG an die Länder
nd deren Parlamente, ab 2020 nicht mehr selbst über
hre Schuldenbewältigung entscheiden zu dürfen.
Drittens. Wir haben alle längst erkannt und weisen in
llen unseren Programmen und Reden immer wieder
arauf hin, dass Bildung die zentrale Gemeinschaftsauf-
abe von Bund, Ländern und Gemeinden jetzt und künf-
ig ist. In Art. 104 b GG untersagen wir aber gerade auch
ür diesen Bereich den Bundesorganen weitgehend, sich
irekt an allen Bildungsanstrengungen vor Ort wenigs-
ens finanziell beteiligen zu dürfen. Jetzt wäre eine gute
elegenheit gewesen, dieses weitgehende Kooperations-
erbot, das sich nicht bewährt hat, nicht nur für den Fall
on Naturkatastrophen und für außergewöhnliche Not-
älle zu korrigieren und im Interesse der Zukunft unserer
inder zu einer wirklichen Gemeinschaftsaufgabe für
en Normalfall auszubauen.
24946 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
Edelgard Bulmahn (SPD): Eine Verfassung hat die
Aufgabe, die Grundordnung des Staates in ihren wesent-
lichen Inhalten festzulegen. Sie soll einprägsam sein,
Bestand haben und nicht ständig sich verändernden Ver-
hältnissen angepasst werden müssen. Nur so kann sie
eine hohe Bindekraft und Integrationswirkung entfalten.
Aufgabe der Verfassung ist es nicht, politische Gestal-
tungsmöglichkeiten bis ins Detail zu regeln, sondern
Grundsätze und Regeln für die politische Gestaltung
festzulegen. Dies soll und muss auch für die Finanzbe-
ziehungen zwischen Bund und Ländern gelten. Ich halte
es daher für richtig, eine Schuldenbegrenzung von Bund
und Ländern als Grundsatz im Grundgesetz zu veran-
kern.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesem An-
spruch jedoch nicht gerecht. Ausschweifende Verfas-
sungsregelungen können die demokratische Substanz,
die das Grundgesetz neben den Grundrechten schützen
soll, aushöhlen. Das Grundgesetz ist keine Verwaltungs-
vereinbarung und auch kein Notarvertrag. Detaillierte
Regelungen, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen
sind, schnüren den politischen Gestaltungsspielraum
künftiger Parlamente und Politikergenerationen in einer
Art und Weise ein, die gegen grundlegende demokrati-
sche Spielregeln verstößt.
Die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung steht mei-
ner Überzeugung nach im Konflikt mit der Verfassungs-
autonomie der Länder, die als Staaten autonom über die
Regeln für die Kreditaufnahme entscheiden. Ihr Gestal-
tungsspielraum findet seine Grenze nur in den für
Deutschland verbindlichen Vorgaben des Europäischen
Stabilitäts- und Wachstumspaktes und gegebenenfalls in
den auf Grundzüge der Kreditaufnahme beschränkten
Regelungen des der Zustimmung des Bundesrates be-
dürftigen Kreditaufnahmegrundsätzegesetzes.
Eine nachhaltige Finanzpolitik muss die aktive und
die passive Zukunftsvorsorge gleichermaßen im Auge
haben. Der Staat muss aktiv in seine und die Zukunft der
Bürgerinnen und Bürger investieren können. Zukunftssi-
cherung erfordert insbesondere Investitionen in Bildung,
Wissenschaft, Infrastruktur und Umweltschutz. Hierfür
kann die Aufnahme von Krediten sinnvoll, ja notwendig
sein. Die hier zur Abstimmung stehenden rigiden Rege-
lungen sind deshalb kontraproduktiv und volkswirt-
schaftlich fragwürdig. Dies bedeutet nicht, dass der Staat
nicht verantwortlich mit seinen Finanzen umgehen
muss.
Daher plädiere ich für die Aufnahme einer Schulden-
bremse als Grundsatz in das Grundgesetz. Art. 109
Abs. 3 könnte lauten: „Die Haushalte von Bund und
Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Kredi-
ten auszugleichen. Durch Bundesgesetz, das der Zustim-
mung des Bundesrates bedarf, können für Bund und
Länder gemeinsam geltende Grundsätze für die Kredit-
aufnahme aufgestellt werden.“ Für Art. 115 Abs. 2 halte
ich folgende Formulierung für angebracht: „Einnahmen
und Ausgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus
Krediten auszugleichen. Das Nähere wird durch ein
Bundesgesetz geregelt.“
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Derartige Regelungen würden den Charakter der Ver-
assung als Rahmenordnung achten und den notwendigen
aum für den demokratisch legitimierten Prozess politi-
cher Willensbildung lassen. Grundsätze der Kreditauf-
ahme würden einem zustimmungsbedürftigen Gesetz
es Bundes vorbehalten bleiben, dass mit der üblichen
arlamentarischen Mehrheit den wechselnden, gegen-
ärtig nicht vorhersehbaren finanz- und wirtschaftspoli-
ischen Anforderungen angepasst werden könnte.
Ich erkenne die Bemühungen meiner Fraktionsfüh-
ung an, das Kooperationsverbot von Bund und Ländern
m Bereich der Bildung aufzuheben. Jedoch wird auch in
er Neufassung des Art. 104 b das Kooperationsverbot
m Kern beibehalten. Gerade hier sind verstärkte öffent-
iche Finanzanstrengungen und Reformen unabdingbar,
enn wir unsere Zukunft nicht verspielen wollen. Die
orgesehene Neufassung, die bei Naturkatastrophen oder
ußergewöhnlichen Notsituationen Investitionen des
undes zulassen will, ist absurd. Sie entspricht weder
en Anforderungen eines modernen Verständnisses eines
ooperativen Föderalismus noch wird sie dem Bedeu-
ungszuwachs von Bildung und Wissenschaft gerecht.
ie Bildungschancen der Menschen dürfen nicht von der
inanzkraft des jeweiligen Landes abhängig sein.
Die Bürger unseres Landes haben einen Anspruch auf
lare, nachvollziehbare Regelungen. Etwas grundsätz-
ich auszuschließen und dann über Winkelzüge begrenzt
ieder zu ermöglichen, trägt zur Politik- und Staatsver-
rossenheit bei.
Da bei der vorgesehenen Verfassungsänderung keine
rundrechte verändert werden, sehe ich mich in der Ge-
amtverantwortung gegenüber meiner Fraktion und der
PD, diesem Gesetz zuzustimmen – entgegen den oben
ufgeführten Argumenten, solch detaillierte, unflexible
egelungen nicht in das Grundgesetz aufzunehmen. Ich
erde aber mein Bemühen verstärken, Haushaltskonso-
idierung über Wachstumsimpulse und über eine ver-
ünftige Einnahmebasis des Staates zu stärken, die auch
ie hohen Vermögen und die besonders hohen Einkom-
en stärker in die Verantwortung nimmt als bisher. Da-
ei gehe ich von der Unterstützung derjenigen aus, die
hne Zweifel diesem Gesetz zustimmen können. Das
ooperationsverbot von Bund und Ländern im Bil-
ungsbereich abzuschaffen, wird weiterhin ein Ziel mei-
er politischen Arbeit bleiben.
Ulla Burchardt (SPD): Ich habe den Verfassungsän-
erungen zur zweiten Föderalismusreform zugestimmt,
eil ich eine Schuldenbegrenzung von Bund, Ländern
nd Kommunen im Interesse künftiger Generationen für
otwendig halte und weil es gelungen ist, das Koopera-
ionsverbot des Art. 104 b Grundgesetz, GG, wenn auch
ur geringfügig, zu lockern und somit Kommunen und
ildung vom Konjunkturpaket II profitieren können.
Ich bedauere, dass die Schuldenbremse zu detaillis-
isch in der Verfassung verankert wurde, statt sich auf
en Grundsatz der Schuldenbegrenzung zu beschränken
nd deren Ausgestaltung einfachgesetzlich zu regeln.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24947
(A) )
(B) )
Vor allem bedauere ich, dass das Kooperationsverbot
nach wie vor zu strikt ist. Im Interesse der Sicherung von
Wachstums- und Innovationschancen und im Interesse
der Herstellung von Chancengleichheit kann sich
Deutschland bildungspolitische Verzagtheit und Klein-
staaterei nicht länger leisten.
Es gibt eine hinreichend wissenschaftlich fundierte
Wissensbasis, die begründet, dass das Kooperationsver-
bot des Art. 104 b GG beseitigt werden muss und die ge-
samtstaatliche Verantwortung für mehr und bessere Bil-
dung nur durch ein Verfassungsgebot zur Kooperation
realisiert werden wird.
Es wird Zeit für eine dritte Föderalismusreform, es
wird Zeit, dass wir eine zeitgemäße Bildungsverfassung
bekommen.
Martin Dörmann (SPD): Ich habe den Verfassungs-
änderungen zur zweiten Föderalismusreform zuge-
stimmt, weil ich eine Schuldenbegrenzung öffentlicher
Haushalte im Interesse künftiger Generationen und zur
langfristigen Sicherung politischer Handlungsmöglichkei-
ten grundsätzlich für richtig und notwendig halte und weil
es gelungen ist, das Kooperationsverbot des Art. 104 b
Grundgesetz zu lockern, wenn auch nur geringfügig.
Ich bedaure, dass die Schuldenbegrenzung in meinen
Augen zu weitgehend und zu detailliert in der Verfassung
verankert wurde, statt sich auf den Grundsatz der Schul-
denbegrenzung zu beschränken und deren Ausgestaltung
einfachgesetzlich zu regeln, und dass das Kooperationsver-
bot nach wie vor zu strikt ist. In Zeiten der Globalisierung
können wir uns die bundesdeutsche, bildungspolitische
Kleinstaaterei nicht länger leisten.
Es ist problematisch, dass die Vertreter der Länder
und der Union bessere Vorschläge seitens der SPD nicht
aufgegriffen haben.
Vor dem Hintergrund, dass am Ende nur die Alternative
der Zustimmung oder der Ablehnung eines Kompromisses
besteht, halte ich eine Zustimmung trotz der Bedenken
für gerechtfertigt, weil finanzielle Handlungsspielräume
für Bund und Länder verbleiben, insbesondere in Notsi-
tuationen und bei konjunkturellen Schieflagen, und weil
vor der vollen Wirksamkeit der strikten strukturellen
Schuldenbegrenzung bei den Ländern ab 2020 neue Ver-
handlungen anstehen, die Änderungen im Lichte der
weiteren Entwicklung möglich machen.
Diese Zustimmung verbinde ich mit der Hoffnung,
dass in den nächsten Jahren die notwendigen Korrektu-
ren vorgenommen werden.
Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Schuldenregeln
sind wesentliche Bestandteile des Haushaltsrechts der
Länder. Sie schränken das Budgetrecht, das „Königs-
recht“ der Landesparlamente, zentral ein. Schuldenre-
geln in den Ländern sind daher, sowohl was die grund-
sätzlichen Regelungen wie auch ihre nähere
Ausgestaltung angeht, den Landesverfassungen und da-
mit den Landesparlamenten vorbehalten. Neue Schul-
denregeln dürfen den Ländern nicht durch eine Ände-
rung des Grundgesetzes übergestülpt werden.
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Die Selbstständigkeit und die Unabhängigkeit der
aushaltswirtschaften von Bund und Ländern (Art. 109
bs. 1 GG) konkretisiert das Bundesstaatsprinzip
Art. 20 Abs. 1 GG) für den Bereich der Finanzverfas-
ung. Die Eigenverantwortung der Länder für ihre Haus-
alte in verfahrensrechtlicher wie auch in inhaltlicher
insicht umfasst auch die Kreditautonomie mit dem Er-
alt einer substantiellen Entscheidungsbefugnis über
öchstbeträge, Bedingungen und Laufzeiten der Kredit-
ufnahme. Die materielle Haushaltsautonomie gehört zu
en Wesensmerkmalen der Bundesrepublik Deutsch-
and und zum Kernbereich der Staatlichkeit der Länder,
er vom verfassungsfesten Gewährleistungsbereich des
rt. 79 Abs. 3 GG umfasst wird.
Deshalb stimme ich mit Nein.
Rolf Kramer (SPD): Ich habe den Verfassungsänderun-
en zur zweiten Föderalismusreform zugestimmt, weil
ch eine Schuldenbegrenzung von Bund, Ländern und
ommunen im Interesse künftiger Generationen für
ichtig und notwendig halte und weil es gelungen ist, das
ooperationsverbot des Art. 104 b Grundgesetz, wenn
uch nur geringfügig, zu lockern.
Ich bedaure, dass die Schuldenbegrenzung in meinen
ugen zu detailliert in der Verfassung verankert wurde,
tatt sich auf den Grundsatz der Schuldenbegrenzung zu
eschränken und deren Ausgestaltung einfachgesetzlich
u regeln, und dass das Kooperationsverbot nach wie vor
u strikt ist. In Zeiten der Globalisierung können wir uns
ie bundesdeutsche, bildungspolitische Kleinstaaterei
icht länger leisten.
Ich bin daher der Meinung, dass Art. 104 a mindestens
den Status vor der Föderalismusreform I zurückversetzt
erden muss. Mittel- und langfristig ist eine verfassungs-
äßig abgesicherte gemeinsame Zuständigkeit für alle
ereiche der Bildungspolitik von Bund, Ländern und
ommunen anzustreben.
Dennoch ist vor dem Hintergrund des in einem Kompro-
iss Erreichbaren die Zustimmung gerechtfertigt. Diese
ustimmung verbinde ich mit der Hoffnung, dass in künf-
gen Legislaturperioden die notwendigen Korrekturen
orgenommen werden.
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Für die von der
öderalismusreformkommission vorgeschlagene Neure-
elung der verfassungsrechtlich zulässigen Neuverschul-
ung gibt es auch nach meiner Überzeugung beachtliche
rgumente. Die daraus hergeleiteten neuen Verfassungs-
estimmungen sind allerdings auch bei Würdigung der
ereinbarten Ziele mit ihren konkreten Eurobeträgen,
erechnungsverfahren und Jahreszahlen weder notwendig
och in ihrem Umfang und ihren detaillierten Ausführungs-
estimmungen einer Verfassung angemessen. Das Miss-
auen, das künftigen demokratisch legitimierten Mehr-
eiten im Bundestag und Bundesrat und ihren möglichen
estaltungsabsichten mit diesem Regelungsehrgeiz ent-
egengebracht wird, halte ich für verfassungspolitisch
erfehlt und für historisch unbegründet im Lichte der
rfahrungen einer jetzt 60-jährigen stabilen parlamenta-
ischen Demokratie.
24948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
Deshalb lehne ich diese Verfassungsänderungen ab,
die eine Fehlentwicklung im Umgang mit dem Rang und
der Funktion des Grundgesetzes fortsetzen, die der Ver-
fassungsgesetzgeber unbedingt vermeiden sollte.
Jürgen Kucharczyk (SPD): Ich bin der Grundüber-
zeugung, dass Deutschland einen handlungsfähigen
Staat braucht, der in der Lage ist, Zukunftsinvestitionen
zu tätigen und sozialen Ausgleich zu schaffen. Dazu sind
solide Staatsfinanzen die Voraussetzung. Eine erdrü-
ckende Staatsverschuldung schränkt notwendige Hand-
lungsspielräume ein. Ziel muss es daher sein, die Staats-
verschuldung, die sich über Jahrzehnte hinweg aufgebaut
hat, im Sinne künftiger Generationen zurückzuführen, in
dem Wissen, dass es zum Beispiel wie jetzt bei Finanz-
oder Wirtschaftskrisen sinnvoll sein kann, eine höhere
Verschuldung in Kauf zu nehmen, um die Konjunktur
anzukurbeln und die negativen Auswirkungen für die
Gesellschaft und die Staatsfinanzen zu minimieren.
Die gute sozialdemokratische Finanzpolitik der letz-
ten Jahre, insbesondere von Finanzminister Peer
Steinbrück, hat bewiesen, dass das Ziel des Schuldenab-
baus auch ohne eine im Grundgesetz verankerte Schul-
denbremse erreichbar ist. Ohne die internationale Fi-
nanz- und Wirtschaftskrise wäre im Jahre 2011 ein
ausgeglichener Haushalt erreicht und somit in den Fol-
gejahren die staatliche Verschuldung zurückgeführt wor-
den. Richtig ist die Feststellung jedoch auch, dass kein
Staat allein durch Sparen aus der Verschuldung heraus-
kommt. Qualifiziertes Wachstum ist der Schlüssel, um
die Staatsverschuldung abzubauen. Nur über ein ausrei-
chendes Wachstum können Mehreinnahmen erzielt wer-
den. Deshalb ist richtig, dass der Staat bei Wirtschafts-
krisen, insbesondere bei einer wie dieser, in Vorleistung
geht, um Wachstum zu fördern und zu sichern.
Meine Überzeugung ist, dass es zur Bekämpfung von
Staatsverschuldung keiner grundgesetzlichen Regelung
bedarf wie dieser, über die wir heute abstimmen. Es ist
nicht der richtige Zeitpunkt, so detaillierte Regelungen
in unser Grundgesetz zu schreiben. Ich vertrete die Mei-
nung, dass Grundgedanken in die Verfassung gehören
und die entsprechenden Ausführungen zu den einzelnen
Artikeln in einfachen Ausführungsgesetzen zu regeln
sind. Meine Überzeugung ist, dass es notwendig wäre,
nicht nur Ausgabenpfade in die Verfassung aufzuneh-
men, sondern auch im selben Maße die Einnahmesitua-
tion des Staates in den Fokus zu nehmen.
Just die aktuelle Debatte, insbesondere bei der FDP
und der CDU/CSU, über Steuerentlastungen in einer
Größenordnung, die auch ohne Wirtschaftskrise nicht zu
finanzieren wäre, ist finanzpolitisch deplatziert. Der
Haushaltsausgleich von 2007 und 2008 zeigt, dass über
alle Gebietskörperschaften in Deutschland hinweg eine
Steuerquote von circa 23 Prozent des BIP für die Bun-
desrepublik nicht langfristig ausreichte. Für den Haus-
haltsausgleich in 2008 war sie tragend, aber nicht zum
nachhaltigen Schuldenabbau. In der Abfolge und der
Überwindung der Wirtschaftskrise sind Steuersenkungen
grundsätzlich nicht finanzierbar, es sei denn, sie gehen
zulasten von Beschäftigung. Schulden, die der Staat in
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risen wie dieser zusätzlich machen muss, um Beschäf-
igung zu sichern, müssen auch zurückgezahlt werden.
eshalb ist es im jetzigen Gesetzgebungsverfahren ein
angel, auf eine gesamtstaatliche Mindeststeuerquote,
ie in der Verfassung festgeschrieben wird, zu verzich-
en. Dies überführt nicht nur die Versprechungen von
chwarz-Gelb nach massiven Steuersenkungen der
üge. Eine festgeschriebene Mindeststeuerquote würde
erhindern, dass sich der Druck der Haushaltskonsoli-
ierung einseitig auf Ausgabenkürzungen zum Beispiel
ür Forschung, Bildung oder Soziales aufbauen würde.
Ich erkenne an, dass es der sozialdemokratischen Ver-
andlungsführung gelungen ist, nicht nur das Kompen-
ationsverbot des Art. 104 b GG zu lockern, sondern
uch weite Teile der Schuldenbremse konjunkturgerecht
uszugestalten. Insbesondere für konjunkturelle Gegen-
teuerungsmaßnahmen und Notsituationen ist entspre-
hender Spielraum geschaffen worden. Somit ist auch
er Staat in der Zukunft in der Lage, aktiv einzugreifen,
m Arbeitsplätze zu sichern und Wachstum schneller zu
nitiieren.
Meine Sorge bezüglich des konjunkturunabhängigen
bbaupfads der Jahre 2011 ff., der in der aktuellen Ver-
assungsänderung normiert wird, wurde leider nicht aus-
eräumt. Es macht keinen Sinn, eine im Jahr 2011 unter
mständen wieder anziehende Konjunktur durch mas-
ive Steuererhöhungen oder durch überproportional
ohe Kürzungen in investiven Bereichen gleich wieder
bzuwürgen. Auch in diesem Bereich der Schulden-
remse braucht es flexible und den aktuellen Situationen
npassbare Regelungen, so wie es der Sozialdemokratie
elungen ist, sie in anderen Bereichen der Schulden-
remse zu schaffen. Des Weiteren sehe ich, dass es hohe
erfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die
ouveränität der Länder gibt. Ich begrüße daher die Be-
trebungen, über den Bundesrat auch vernünftige und
lexible Handhabungen durch Bundesländer zu ermögli-
hen, wie sie vonseiten der SPD geführten Bundesländer
ngestrebt werden.
Entgegen meiner gefestigten Überzeugung, solche de-
aillierten, unflexiblen Regelungen nicht in das Grund-
esetz aufzunehmen, stimme ich entsprechend der
ehrheitsentscheidung meiner Fraktion diesem Gesetz
u. Zukünftig muss verstärkt die Haushaltskonsolidie-
ung über Wachstumsimpulse sowie über eine vernünf-
ige Einnahmebasis des Staates gestärkt werden. Dabei
ind auch die Einkommensgruppen, die über hohe Ein-
ommen und Vermögen verfügen, stärker in die Verant-
ortung zu nehmen.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
ch stimme der Änderung des Grundgesetzes zur Veran-
erung einer sogenannten Schuldenbremse nicht zu.
ine Ausgestaltung der Schuldenbremse in dieser Form
m Grundgesetz ist weder notwendig noch entspricht die
ormulierung den Anforderungen an einen Verfassungs-
ext. Der beabsichtigte und richtige Weg zu einer wirksa-
en Verschuldungseindämmung der öffentlichen Haus-
alte ist zu einem Formulierungsungeheuer verkommen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24949
(A) )
(B) )
Die weiteren in diesem Gesetz vorgesehenen Grund-
gesetzänderungen begegnen besonders hinsichtlich
Art. 91 c des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Grundgesetzes erheblichen Bedenken.
Unter Berücksichtigung des Abstimmungsverhaltens
der FDP-Bundestagsfraktion stimme ich mit Enthaltung.
Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Eine Verfassung
hat die Aufgabe, die Grundordnung des Staates in ihren
wesentlichen Inhalten festzulegen. Sie soll einprägsam
sein, Bestand haben und nicht ständig sich verändernden
Verhältnissen angepasst werden müssen. Nur so kann sie
eine hohe Bindekraft und Integrationswirkung entfalten.
Aufgabe der Verfassung ist es nicht, politische Gestal-
tungsmöglichkeiten bis ins Detail zu regeln, sondern
Grundsätze und Regeln für die politische Gestaltung
festzulegen. Dies soll und muss auch für die Finanzbe-
ziehungen zwischen Bund und Ländern gelten. Ich halte
es daher für richtig, eine Schuldenbegrenzung von Bund
und Ländern als Grundsatz im Grundgesetz zu veran-
kern. Der vorliegende Gesetzentwurf wird diesem An-
spruch jedoch nicht gerecht. Ausschweifende Verfas-
sungsregelungen können die demokratische Substanz,
die das Grundgesetz neben den Grundrechten schützen
soll, aushöhlen. Das Grundgesetz ist keine Verwaltungs-
vereinbarung und auch kein Notarvertrag. Detaillierte
Regelungen, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen
sind, schnüren den politischen Gestaltungsspielraum
künftiger Parlamente und Politikergenerationen in einer
Art und Weise ein, die gegen grundlegende demokrati-
sche Spielregeln verstößt.
Die im Gesetzentwurf enthaltene Regelung verletzt
meiner Überzeugung nach die Verfassungsautonomie
der Länder, die als Staaten autonom über die Regeln für
die Kreditaufnahme entscheiden. Ihr Gestaltungsspiel-
raum findet seine Grenze nur in den für Deutschland ver-
bindlichen Vorgaben des Europäischen Stabilitäts- und
Wachstumspaktes und gegebenenfalls in den auf Grund-
züge der Kreditaufnahme beschränkten Regelungen des
der Zustimmung des Bundesrates bedürftigen Kreditauf-
nahmegrundsätzegesetzes.
Eine nachhaltige Finanzpolitik muss die aktive und
die passive Zukunftsvorsorge gleichermaßen im Auge
haben. Der Staat muss aktiv in seine und die Zukunft der
Bürgerinnen und Bürger investieren können. Zukunftssi-
cherung erfordert insbesondere Investitionen in Bildung,
Wissenschaft, Infrastruktur und Umweltschutz. Hierfür
kann die Aufnahme von Krediten sinnvoll, ja notwendig
sein. Die hier zur Abstimmung stehenden rigiden Rege-
lungen sind deshalb kontraproduktiv und volkswirt-
schaftlich fragwürdig. Dies bedeutet nicht, dass der Staat
nicht verantwortlich mit seinen Finanzen umgehen
muss.
Daher plädiere ich für die Aufnahme einer Schulden-
bremse als Grundsatz in das Grundgesetz. Art. 109 Abs. 3
könnte lauten: „Die Haushalte von Bund und Ländern
sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszu-
gleichen. Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des
Bundesrates bedarf, können für Bund und Länder ge-
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einsam geltende Grundsätze für die Kreditaufnahme
ufgestellt werden.“ Für Art. 115 Abs. 2 halte ich fol-
ende Formulierung für angebracht: „Einnahmen und
usgaben sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Kre-
iten auszugleichen. Das Nähere wird durch ein Bundes-
esetz geregelt.“ Derartige Regelungen würden den
harakter der Verfassung als Rahmenordnung achten
nd den notwendigen Raum für den demokratisch legiti-
ierten Prozess politischer Willensbildung lassen.
rundsätze der Kreditaufnahme würden einem zustim-
ungsbedürftigen Gesetz des Bundes vorbehalten blei-
en, das mit der üblichen parlamentarischen Mehrheit
en wechselnden, gegenwärtig nicht vorhersehbaren
inanz- und wirtschaftspolitischen Anforderungen ange-
asst werden könnte.
Ich erkenne die Bemühungen meiner Fraktionsfüh-
ung an, das Kooperationsverbot von Bund und Ländern
m Bereich der Bildung aufzuheben. Jedoch wird auch in
er Neufassung des Art. 104 b das Kooperationsverbot
m Kern beibehalten. Gerade hier sind verstärkte öffent-
iche Finanzanstrengungen und Reformen unabdingbar,
enn wir unsere Zukunft nicht verspielen wollen. Die
orgesehene Neufassung, die bei Naturkatastrophen oder
ußergewöhnlichen Notsituationen Investitionen des
undes zulassen will, ist absurd. Sie entspricht weder
en Anforderungen eines modernen Verständnisses eines
ooperativen Föderalismus noch wird sie dem Bedeu-
ungszuwachs von Bildung und Wissenschaft gerecht.
ie Bildungschancen der Menschen dürfen nicht von der
inanzkraft des jeweiligen Landes abhängig sein. Die
ürger unseres Landes haben einen Anspruch auf klare,
achvollziehbare Regelungen. Etwas grundsätzlich aus-
uschließen und dann über Winkelzüge begrenzt wieder
u ermöglichen, trägt zur Politik- und Staatsverdrossen-
eit bei.
Entgegen diesen oben angeführten Argumenten, solch
etaillierte, unflexible Regelungen nicht in das Grundge-
etz aufzunehmen, sehe ich mich in der Gesamtverant-
ortung gegenüber meiner Fraktion und der SPD, die-
em Gesetz zuzustimmen. Ich werde aber mein Bemühen
erstärken, Haushaltskonsolidierung über Wachstums-
mpulse und über eine vernünftige Einnahmebasis des
taates zu stärken, die auch die hohen Vermögen und die
esonders hohen Einkommen stärker in die Verantwor-
ung nimmt als bisher. Dabei gehe ich von der Unterstüt-
ung derjenigen aus, die ohne Zweifel diesem Gesetz zu-
timmen können. Das Kooperationsverbot von Bund und
ändern im Bildungsbereich abzuschaffen, wird weiter-
in ein Ziel meiner politischen Arbeit bleiben.
Patrick Meinhardt (SPD): Eine Neuordnung der Fi-
anzbeziehungen von Bund und Ländern ist dringend
eboten. Wir benötigen klare Kompetenzstrukturen. Nur
enn politisches Handel unmissverständlich einem ver-
ntwortlichen Akteur zuzuordnen ist, ist politisches
andeln auch für den Bürger hinreichend transparent.
Die in der Kommission von Bundestag und Bundesrat
ur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehun-
en ausgehandelten Änderungen unseres Grundgesetzes
ielen vielfach in die richtige Richtung. Jedoch ist das
24950 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
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von der FDP geforderte Neuverschuldungsverbot als
zentrale Maßnahme durch die Kommission fast bis zur
Unkenntlichkeit aufgeweicht worden.
Die Verknüpfung der Abstimmung über die Födera-
lismusreform II mit der Änderung des Art. 104 b Grund-
gesetz ist aus meiner Sicht politisch unzulässig und
bringt zum Ausdruck, wie brüchig die Koalition bei
wichtigen politischen Weichenstellungen ist. Als starker
Befürworter einer klaren Zuständigkeit der Länder in der
Schulpolitik kann ich der erneuten Vermengung von
Kompetenzen nicht zustimmen. Der Wettbewerbsfödera-
lismus bringt Deutschland in der Bildung voran.
Die erneute Einführung eines kooperativen Föderalis-
mus in der Bildung durch die Hintertür widerspricht
auch dem ursprünglichen Ansinnen der Kommission,
eine Vereinfachung der Finanzbeziehungen zwischen
Bund und Ländern mit klaren Zuständigkeiten und einer
hohen Transparenz zu schaffen. Die Neufassung des
Art. 104 b Grundgesetz lehne ich ab. Die Neufassung ist
nicht etwa Ausdruck einer grundlegenden Überzeugung
der Bundesregierung und der Landesregierungen, dass
eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes in der Schul-
politik notwendig ist, sondern sie soll nur dazu dienen,
nachträglich die bisher unzureichende Legitimierung des
Konjunkturpaketes II sicherzustellen.
In einem von mir in Auftrag gegebenen Gutachten
des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages
(WD4 – 3000 – 034/09) wurde bestätigt, dass eine un-
mittelbare Förderung von Baumaßnahmen im Schulbe-
reich, wie sie das Konjunkturpaket II vorsieht, im Rah-
men des Art. 104 b Grundgesetz nicht zulässig ist. So
vertrat auch der Berliner Verfassungsrechtler Professor
Dr. Dr. Battis in der Anhörung im Bildungsausschuss
zum Konjunkturpaket II am 13. Mai 2009 die Auffas-
sung, dass sich das Konjunkturpaket II „am Rande der
Legalität bewege und sogar als verfassungswidrig zu
kennzeichnende Elemente enthalte“.
Diese Bundesregierung hat keinen erkennbaren Ge-
staltungswillen. Viel schlimmer: Künftig will sich der
Bund im Falle von Naturkatastrophen und außergewöhn-
lichen Notsituationen für die Bildung zuständig erklären.
Ein politisch fataleres Signal ist schwer denkbar.
Aus tiefster innerer Überzeugung trete ich nach wie
vor für eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz
der Länder in der Schulpolitik ein. Wir benötigen nicht
mehr bundeseinheitliche Kultusbürokratie, sondern
mehr Entscheidungsfreiheit vor Ort, Eigenverantwort-
lichkeit und den Wettbewerb um die beste Bildung.
Die von den Koalitionsfraktionen festgesetzte Blockab-
stimmung aller Grundgesetzänderungen macht es mir je-
doch unmöglich, dieser Überzeugung auch mit meiner
Stimme Ausdruck zu verleihen.
Absolut unglaublich ist jedoch das Verhalten der So-
zialdemokraten, die im Vorfeld bereits angekündigt ha-
ben, erst im Bundestag zuzustimmen, um dann im Bun-
desrat über ihre Länder eine erneute Beratung im
Vermittlungsausschuss zu erzwingen. Dieses Vorgehen
entbehrt jeder Grundlage.
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Dr. Matthias Miersch (SPD): Die Reform unseres
öderalen Systems ist angesichts der Herausforderungen
n Europa und vor dem Hintergrund der enormen
ukunftsaufgaben zum Beispiel im Bildungsbereich
nverzichtbar. Die Berücksichtigung der Prinzipien der
achhaltigkeit und der Generationengerechtigkeit in den
ffentlichen Haushalten ist ebenso notwendig. Zukunfts-
ähigkeit bedeutet aber nicht müden Blick auf fiskalische
spekte. Die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung
nd der Generationengerechtigkeit müssen deshalb auch
ei Investitionen in Bildung, Forschung und Umwelt-
chutz gelten.
Bei einer beabsichtigten Reform des föderalen Systems
st zu prüfen, ob diese den Herausforderungen gerecht
ird. Nach meiner Überzeugung wird der vorliegende
ntwurf diesem Erfordernis nicht gerecht. Er zementiert
ielmehr das unhaltbare Kooperationsverbot zwischen
und und Ländern im Bildungsbereich und stellt nicht
ie dringend notwendige Frage nach der Effizienz des
öderalen Systems in seiner derzeitigen Struktur ein-
chließlich der Überlebensfähigkeit einzelner Bundes-
nder. Die Aufnahme einer Schuldenregel in einer Zeit
er notwendigen Rekordverschuldung mag ein politisches
ignal sein, wenngleich die Haushaltsanstrengungen in
en Jahren 2007 und 2008 belegen, dass auch ohne eine
ntsprechende Regel der politische Wille entscheidend
st, eine Neuverschuldung zu vermeiden.
Die Art der Aufnahme der Regelungen in die Verfassung
irft nunmehr nicht nur ästhetische Fragen auf. Es wird
icht ausschließlich ein Grundsatz mit Verfassungsrang
ersehen, sondern ein nicht erprobtes Konzept. Verfas-
ungsrechtlich dürfte die Beschränkung des Haushalts-
echts der Länder nur dann zulässig sein, wenn der Bund
ür eine angemessene Finanzausstattung sorgt. Die Frage
er Angemessenheit sollte aber nicht rechtlichen Ausei-
andersetzungen überlassen bleiben. Hier hätte der poli-
ische Diskurs grundsätzlich ansetzen müssen. Das gilt
uch für die Frage des Zusammenspiels von Schulden-
tandsquote, Staatsquote und Steuer- bzw. Sozialabga-
enquote.
Die Verfassung ist Grundlage unseres Zusammenlebens.
ie Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit für eine
erfassungsänderung zeigt, dass die Mütter und Väter
es Grundgesetzes hohe Anforderungen an eine entspre-
hende Änderung stellen. Die Änderungen sind auch
tets auf Dauer angelegt. Deshalb sind für mich derartige
bstimmungen Gewissensentscheidungen im Sinne des
rt. 38 Abs. 1 GG. Einer Änderung, die die zentralen
ragen unberücksichtigt lässt und überkommene Struktu-
en verfestigt, kann ich nicht zustimmen. Dabei ist mir
ehr wohl bewusst, dass gerade die SPD-Bundestagsfrak-
on in den Verhandlungen immer für bessere Regelungen
ingetreten ist. Die Zeit ist jedoch reif, die grundsätzlichen
ragen im föderalen System zu klären und nicht die
leinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Eine „kleine
ösung“, die überholte Strukturen nicht behebt, verstellt
en Blick auf das Notwendige. Wie bereits anlässlich der
ebatte um die Föderalismusreform I dargelegt, sehe ich
ie einzige Chance einer wirklichen Reform über den Weg
es Art. 146 GG und verweise auf den von Professor
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24951
(A) )
(B) )
Hans Meyer, dem Kollegen Steffen Reiche und mir ver-
fassten Aufsatz aus dem Jahr 2006.
Steffen Reiche (Cottbus) (SPD): Nachdem Parla-
ment und Republik das 60-jährige Jubiläum des Grund-
gesetzes dankbar und begeistert gefeiert haben, wird
unmittelbar danach an zwei aufeinanderfolgenden Tagen
dasselbe Grundgesetz zweimal geändert; insgesamt die
vierte bzw. fünfte Grundgesetzänderung in dieser Wahl-
periode. Fraglos sind die Änderungen nötig gewesen.
Aber sie haben nicht den Mut und den großen Geist des
damaligen Grundkonsenses aufnehmen und fortschreiben
können. Es sind notwendige Korrekturen von Korrekturen.
Zum 60. Jahrestag der Verfassung wäre es angemessen
gewesen, die Staatszielbestimmungen in einer zeitgemäßen
Form zu erweitern. Dem Jubiläum angemessen wäre es,
Staatszielbestimmungen in das Grundgesetz aufzunehmen,
wonach sich der Staat gegenüber der Kultur, dem Sport
und den Rechten von Kindern verpflichtet fühlt.
Noch wichtiger wäre es jedoch gewesen, im 20. Jahr
der friedlichen Revolution in der DDR, die die Wieder-
vereinigung möglich machte, die Grundlage dafür zu
schaffen, dass das deutsche Volk das Grundgesetz zu seiner
Verfassung macht. Durch den Lissabonner Vertrag wird
die Möglichkeit zum Volksentscheid auf europäischer
Ebene eingeführt – neben den Möglichkeiten, die auf
kommunaler oder Landesebene schon existieren. Leider
hat das nationale Parlament nicht Weisheit und Mut, das,
was auf allen anderen Ebenen möglich ist, auch der Na-
tion zu ermöglichen.
Rund ein Drittel der circa 2 000 Milliarden Euro
Schulden der öffentlichen Hand ist in zwei Dritteln des
Bestehens der Republik von 1949 bis 1989 entstanden.
Im letzten Drittel dieser 60 Jahre seit der Wiedervereini-
gung 1989 hingegen sind zwei Drittel der Schulden ver-
ursacht worden. Es hat die bittere Logik, dass wir denen,
denen wir diese gigantischen Schulden hinterlassen, den
von uns trotz großen Wohlstands gewählten Weg der
Problemlösung abschneiden, und dies mit derselben
Mehrheit, die angesichts der von uns mitverursachten
Krise die größte Neuverschuldung der neueren Geschichte
beschließen wird. Dies, obwohl wir in den letzten Jahren
die höchsten Steuereinnahmen der deutschen Geschichte
hatten.
Ich bin beschämt, weil ich mit meiner heutigen Ab-
stimmung vermutlich dazu beitrage, dass die notwendige
Länderneugliederung in der Bundesrepublik nicht mehr
stattfindet. Letztlich nicht dauerhaft „lebensfähige“ Län-
der wie Bremen und das Saarland werden entschuldet,
und die schwierigen, aber erfolgreichen Anstrengungen
zur Haushaltskonsolidierung in Ländern wie Mecklenburg-
Vorpommern und Brandenburg werden nicht honoriert,
sondern bestraft.
Es ist bedauerlich, dass die 1969 ins Grundgesetz ein-
gefügte Verschuldensregel so wenig funktioniert hat, dass
wir sie jetzt ändern müssen. Völlig unangemessen jedoch
ist, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Republik
dieselbe Mehrheit ihre eigene Korrektur korrigiert. Der
schwere Fehler des Kooperationsverbotes in Bildungs-
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ragen, der auf Druck der CDU/CSU und der Länder mit
er ersten großen Grundgesetzreform der 16. Wahlperiode
ns Grundgesetz kam, muss nun gemildert werden, da
chon jetzt viele Kommunen, die Länder und der Bund
ezwungen sind, verfassungswidrig zu handeln. Wenn
er Bund den Ländern bei Naturkatastrophen helfen darf,
arum dann nicht angesichts der Bildungskatastrophe?
ie Verweigerung der CDU/CSU-Fraktion und einer
ändermehrheit, eine moderne Kooperationsregel in Bil-
ungsfragen ins Grundgesetz aufzunehmen, ist unver-
ntwortlich.
Die jetzige Finanzkrise war vorhersehbar und ist von
ielen bis heute nachlesbar vorhergesagt worden. Wir
aben die Katastrophe nicht sehen wollen, genauso wenig
ie wir jetzt den Zusammenbruch des Weltwährungssys-
ms und die Ablösung des Dollars als Weltleitwährung
ahrhaben wollen. Zu oft reagieren wir nicht, wenn noch
esteuert werden kann, sondern erst, wenn angesichts der
ffenbaren Problematik auch die Konservativsten zum
andeln gezwungen werden.
Die große Gefahr besteht darin, dass wir damit Stück
m Stück die Grundlagen der Demokratie gefährden.
ie notwendige Zustimmung zur Demokratie bleibt nur
rhalten, wenn Parlament und Regierung zum rechten
eitpunkt das Notwendige tun.
Mit den heutigen Änderungen allerdings machen wir
inmal mehr nur das Unabdingbare, nicht aber das Not-
endige. Insoweit ist meine heutige Zustimmung zu den
rundgesetzänderungen einzig aus dem Pflichtgefühl
eraus begründbar, etwas zu einem viel zu kleinen
chritt beizutragen, weil die notwendigen großen
chritte derzeit unmöglich erscheinen. Zu wenig zu tun
st angesichts der Situation besser, als nichts zu tun.
Gerold Reichenbach (SPD): Ich halte es grundsätz-
ch für wichtig und geboten, die Staatsschulden wirksam
bzubauen, um künftigen Generationen keine Lasten zu
bertragen, die sie überfordern und ihre Handlungsspiel-
äume einschnüren. Darum haben Sozialdemokraten die
aushaltskonsolidierung auch konsequent vorangetrieben.
oraussetzung für die Handlungsfähigkeit des Staates ist
ber auch, dass Zukunftsinvestitionen etwa in Bildung,
orschung und Infrastruktur getätigt werden können sowie
n Krisenzeiten wie der jetzigen durch erhöhte Staatsaus-
aben gegengesteuert werden kann.
Voraussetzung eines handlungsfähigen Sozialstaates,
ie er in unserem Grundgesetz verankert wird, ist aber
icht nur, dass seine Handlungsfähigkeit nicht durch anstei-
ende strukturelle Verschuldung eingeengt wird, sondern
uch, dass er Konsolidierungsbemühungen nicht durch
teuersenkungen konterkariert. Die zur Abstimmung
tehende „Schuldenbremse“ verankert im Grundgesetz
ber nur umfängliche Mechanismen des Verschuldungs-
erbotes. Ihr wird verfassungsrechtlich gleichrangig
ein Mechanismus entgegenstellt, der bei strukturell
nausgeglichenem Haushalt auch eine Absenkung der
teuerquote verhindert. Ein solcher Mechanismus hätte
uch im Sinne demokratischer Transparenz zur Folge,
ass bei Steuersenkungen die staatlichen Leistungen be-
annt werden müssten, die zur Gegenfinanzierung dieser
24952 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
Steuersenkungen zu kürzen sind. Eine solche Regelung
war jedoch mit der CDU/CSU in der Föderalismuskom-
mission nicht zu vereinbaren.
Ohne eine solche Korrelation besteht die Gefahr, dass
mit ihr ein Mechanismus begünstigt wird, der den Konso-
lidierungszwang vorrangig einfachgesetzlich verankerter
Sozialleistungen und zulasten der Städte und Gemeinden
umsetzt. Die gegenwärtige Steuersenkungsdebatte, die trotz
der als Folge der Finanzkrise ansteigenden Verschuldung
von Union und FDP geführt wird, belegt dies.
Ich erwarte, dass jetzt eine offene und ehrliche Debatte
über die Finanzierungsgrundlagen des Sozialstaates und
von Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und
nachhaltiges Wirtschaften geführt wird.
Michael Roth (Heringen) (SPD): Ich stimme den
Änderungen des Grundgesetzes zur zweiten Föderalis-
musreform zu.
Dessen ungeachtet halte ich insbesondere die Ver-
schuldungsregelungen für die Länder für falsch. Die
Länder der Bundesrepublik Deutschland tragen maßgeb-
lich Verantwortung für Bildung, Wissenschaft und in-
nere Sicherheit. Das spiegelt sich auch in den Länder-
haushalten wider, die auf der Ausgabenseite zu rund
50 Prozent durch Personalkosten geprägt werden. Mit ih-
rer Verantwortung für Schlüsselkompetenzen garantieren
unsere Länder in besonderer Weise die Zukunftsfähigkeit
Deutschlands. Länder vermögen jedoch nur begrenzt
Einfluss auf die Einnahmesituation zu nehmen. Ein fak-
tisches Schuldenverbot für die Länder ist für mich daher
verantwortungslos, weil es unverhältnismäßig in die
Haushaltsrechte und Gestaltungsspielräume der Länder-
parlamente eingreift.
Ich nehme jedoch zur Kenntnis, dass dem mehrheit-
lich weder die Landesregierungen noch die Landtage wi-
dersprochen haben und sie offensichtlich bereit sind,
diesen drohenden Kompetenzverlust zu verantworten.
Gleichzeitig anerkenne ich die Bemühungen der so-
zialdemokratischen Verhandlungsführer in der Födera-
lismusreformkommission II, die finanziellen Handlungs-
spielräume der Länder flexibler zu gestalten. Leider
konnte hier der Widerstand maßgeblich von CDU/CSU
nicht gebrochen werden.
Frank Schäffler (FDP): Ich stimme der vorgeschla-
genen Grundgesetzänderung nicht zu, weil mir die ge-
plante „Schuldenbremse“ nicht weit genug geht.
Eine Regel im Grundgesetz muss nicht nur klar und
leicht verständlich sein. Eine Regel im Grundgesetz
muss vor allem durchsetzbar sein. Ist eine Regel des
Grundgesetzes nicht durchsetzbar, verlieren die Bürger
nicht nur das Vertrauen in diese Regel. Die Bürger ver-
lieren Schritt für Schritt das Vertrauen in das Grundge-
setz.
Die derzeitige Regel im Grundgesetz, die Höhe der
öffentlichen Investitionen als Obergrenze für die Neu-
verschuldung zu verwenden, ist das Papier nicht wert,
auf dem sie gedruckt ist. Aber auch eine neue, potenziell
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erbesserte Regel ist nur dann mehr wert und besser,
enn sie unabhängig von ihrem Inhalt vor allem durch-
etzbar ist.
Der Grundsatz, dass die öffentlichen Haushalte der
änder und des Bundes ausgeglichen sein müssen, findet
eine volle Unterstützung. Der vorgelegte Gesetzent-
urf zur Änderung des Grundgesetzes enthält jedoch
eine Regelungen und Sanktionen, die die Durchsetzung
ieses Grundsatzes garantieren. Ohne derartige Sanktio-
en und Durchsetzungsgarantien befürchte ich, dass die
eue, scheinbar bessere Regel in der Realität nicht bes-
er, sondern aufgrund der vergrößerten Differenz von
ein und Sollen sogar schlechter wirkt. Und sind zu-
ünftig vermehrte Urteile von obersten Gerichten, die
erletzungen der neuen Regel feststellen, wirklich hilf-
eich? Wer setzt diese Urteile durch? Ohne konkrete
anktionen und Durchsetzungsgarantien machen wir den
ürgern etwas vor, was wir anschließend nicht halten
önnen.
Beim ersten Mal, da tut’s noch weh. Aber dann sind
lle Dämme offen. In dieser Woche hat die Bundesregie-
ung einen erneuten Nachtragshaushalt mit einer Netto-
euverschuldung von 47,6 Milliarden Euro vorgelegt.
ies ist, selbst ohne Schattenhaushalte, die höchste Neu-
erschuldung der Bundesrepublik Deutschland über-
aupt. Es ist daher absehbar, dass die gesamtstaatliche
erschuldung schon in naher Zukunft ein Niveau von
000 Milliarden Euro umfassen wird. Es ist daher nicht
laubwürdig, wenn der Deutsche Bundestag eine Ver-
chuldungsbremse beschließt, die letztlich erst im Jahr
020 greift. Für die heutigen Schulden ist die heutige po-
itische Generation verantwortlich. Sie ist nur dann
laubwürdig, wenn sie heutige Probleme heute löst und
icht auf übermorgen verschiebt.
Deshalb setze ich mich für ein klares, verständliches
nd durchsetzbares Neuverschuldungsverbot im Grund-
esetz ein.
Swen Schulz (Spandau) (SPD): Ich kann dem Ge-
etzentwurf nicht zustimmen. An der Diskussion über
ie Föderalismusreform habe ich mich seit Jahren inten-
iv beteiligt. Die wichtigsten Gründe für meine Ableh-
ung in dieser facettenreichen Thematik lege ich hiermit
n aller Kürze dar.
Das Ziel der Begrenzung der weiteren Verschuldung
on Bund und Ländern teile ich. Doch der gewählte Weg
st aus meiner Sicht falsch. Durch die vorgeschlagene
chuldenregel sollen Bund und Länder in einem so star-
em Maße an der Möglichkeit der Kreditaufnahme ge-
indert werden, dass die Handlungsfähigkeit des Staates
assiv reduziert wird. Das wird etwa nötige Zukunfts-
nvestitionen in Bildung und Forschung – für die eine
reditaufnahme vertretbar ist – verhindern.
In dieser Situation müsste wenigstens das Koopera-
ionsverbot von Bund und Ländern in der Bildung aufge-
oben werden. Stattdessen sieht die vorgeschlagene Än-
erung des Grundgesetzes lediglich Finanzhilfen des
undes im Falle von Naturkatastrophen und außeror-
entlichen Krisen vor. Doch ein gutes Bildungssystem
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24953
(A) )
(B) )
ist eine Daueraufgabe und nicht nur in solchen Situatio-
nen nötig.
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Schuldenbe-
grenzung auch ohne eine solche rigide Regelung im
Grundgesetz möglich ist, wenn der politische Wille dazu
vorhanden ist. Der richtige Weg ist, eine allgemeine Re-
gelung im Grundgesetz zu verankern, gleichzeitig Ko-
operationsmöglichkeiten von Bund, Ländern und Kom-
munen zu öffnen und das Nähere einfachgesetzlich zu
regeln. Das würde dem Gesetzgeber in Zukunft ermögli-
chen, einfacher und schneller auf neue Entwicklungen
zu reagieren.
Darum kann ich dem Gesetz bei allem Respekt gegen-
über der Mehrheitsentscheidung meiner Fraktion nicht zu-
stimmen.
Anlage 12
Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Stephan Eisel (CDU/CSU)
zu der Abstimmung über die Beschlussempfeh-
lung zu dem Antrag: Inoffizielle Stasi-Mitarbei-
ter in Bundesministerien, Bundesbehörden und
Bundestag enttarnen – Aufarbeitung des Stasi-
Unrechts stärken (Tagesordnungspunkt 40)
Ich unterstütze das Anliegen der FDP, die Aufklärung
über die Tätigkeit von inoffiziellen und offiziellen Mitar-
beitern der Stasi in öffentlich-rechtlichen Beschäftigungs-
verhältnissen voranzutreiben. Es trifft zu, dass diese Auf-
klärung bisher nicht im erforderlichen Maße erfolgt ist.
Wir sind gefordert, diesen Mangel zu beseitigen. Aus
Respekt vor der Wahrheit, der jüngsten deutschen Ge-
schichte, den Opfern der SED und der für die Ausübung
hoheitlicher Befugnisse notwendigen Glaubwürdigkeit ist
die Aufklärung unverzichtbar. Dabei haben die Abgeord-
neten des Deutschen Bundestages eine Vorbildfunktion,
auch soweit es um sich selbst geht.
Neben den Forderungen, die ich befürworte, verlangen
die Antragsteller allerdings auch eine Novelle des Stasi-
Unterlagen-Gesetzes. Dieses Gesetz wurde erst in dieser
Legislaturperiode geändert. Im diesbezüglichen Gesetz-
gebungsverfahren haben die Antragsteller darauf ver-
zichtet, den in ihrem Antrag ausgesprochen Wunsch nach
einer „Flexibilisierung“ der Regeln für die Überprüfung
von Beamten und Angestellten der Bundesministerien
und -behörden zu äußern, und dies aus gutem Grund; an-
derenfalls hätte nämlich erläutert werden müssen, was
mit einer solchen „Flexibilisierung“ konkret gemeint ist.
Aktuell bleiben die Antragsteller diese Erläuterung in
ihrem Antrag schuldig; offenbar deshalb, weil sie unter
den Rahmenbedingungen des Grundgesetzes der Bundes-
republik Deutschland auch nicht zu erbringen ist.
Wer, dies wissend, nun das Stasi-Unterlagen-Gesetz
aufschnüren will, um es einem absehbar ergebnislosen
Streit zu überantworten, der sich um die Flexibilisierung
von Regeln dreht, für die nur noch fragmentarische poli-
tische Gestaltungsspielräume bestehen, der schadet dem
erklärten Ziel des Antrages, anstatt ihm zu nützen. Wer
sich mit diesem politischen Ziel tatsächlich identifiziert,
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ann also nicht anders, als den vorgeschlagenen Weg, es
u erreichen, abzulehnen.
Ich unterstütze nachdrücklich, alle sinnvollen Bemühun-
en, die zu mehr Transparenz über die Tätigkeit der Stasi
n der Zeit bis 1990 in der DDR und der Bundesrepublik
eutschland sowie ihre Nachwirkungen auf das vereinigte
eutschland führen. Mit gleicher Konsequenz werde ich
ich stets Bestrebungen entgegenstellen, die entweder
ewollt oder ungewollt von diesem Ziel ablenken.
Deshalb lehne ich den Antrag der FDP ab.
nlage 13
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Rainer Fornahl, Gunter
Weißgerber und Dr. h. c. Gerd Andres (alle
SPD) sowie Manfred Kolbe (CDU/CSU) zu der
Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu
dem Antrag: Inoffizielle Stasi-Mitarbeiter in
Bundesministerien, Bundesbehörden und Bun-
destag enttarnen – Aufarbeitung des Stasi-Un-
rechts stärken (Tagesordnungspunkt 40)
Eine umfassende Aufklärung über die Tätigkeit von
noffiziellen und offiziellen Mitarbeitern des Ministerium
ür Staatssicherheit (MfS)/Amt für Nationale Sicherheit
AfNS) der DDR in öffentlich-rechtlichen Beschäfti-
ungsverhältnissen der Bundesrepublik Deutschland so-
ie im Deutschen Bundestag bis zum Jahre 1990 ist aus
espekt vor der historischen Wahrheit, der jüngsten deut-
chen Geschichte, den Opfern des DDR-Regimes und der
ür die Ausübung hoheitlicher Befugnisse notwendigen
utorität und Integrität unverzichtbar.
Diese Aufklärung ist bisher nicht in dem erforder-
ichen Ausmaß geschehen. Es besteht umfassender
andlungsbedarf. Deshalb ist das Grundanliegen des
ntragsstellers uneingeschränkt zu begrüßen, ja, zu un-
erstützen.
Die fehlende umfassende Aufklärung und Überprü-
ung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes West-
eutschlands führt zur Bagatellisierung des Bespitze-
ungs- und Unterdrückungsapparates MfS/AfNS und
pielt damit den Apologeten der DDR in die Hände.
Aktuelle Erkenntnisse eines Aktenfundes im Bereich
er Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssi-
herheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) machen
eutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht.
Mit dem vorliegenden Antrag der FDP wird in diesem
inne ein wichtiges politisches Signal gesetzt.
Inwieweit die Vorschläge zur Realisierung („Flexibi-
isierung der Arbeit des BStU“) in diesem Kontext un-
ingeschränkt umsetzbar sind, ist dabei nicht entschei-
end. Es wird zumindest ein Vorschlag gemacht, der die
nakzeptable Unterscheidung der Menschen in Ost und
est hinsichtlich der MfS-Problematik aufzubrechen
ilft.
Die Begründung der Ablehnung des Antrages durch
ie Koalition orientiert sich an formaljuristischen Be-
24954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
denken und kapituliert vor den Schwierigkeiten der Pro-
blemlösung.
Eine Alternative wird nicht angeboten. Das ist auch
ein politisches Signal. Aus unserer Sicht aber genau das
falsche. Wir unterstützen bei durchaus vorliegenden Be-
denken bezüglich einiger Einzelaspekte des Antrages die
richtige politische Willensbekundung und werden des-
halb die Beschlussempfehlung des Ausschusses Kultur
und Medien ablehnen und damit dem FDP-Antrag zu-
stimmen.
Anlage 14
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Günter Baumann, Dr. Peter
Jahr und Katharina Landgraf (alle CDU/CSU)
zu der Abstimmung über die Beschlussempfeh-
lung zu dem Antrag: Inoffizielle Stasi-Mitarbei-
ter in Bundesministerien, Bundesbehörden und
Bundestag enttarnen – Aufarbeitung des Stasi-
Unrechts stärken (Tagesordnungspunkt 40)
Die ständige Aufklärung über die Tätigkeit von inof-
fiziellen und offiziellen Mitarbeitern in öffentlich-recht-
lichen Beschäftigungsverhältnissen aus Respekt vor der
Wahrheit, der jüngsten deutschen Geschichte, den Op-
fern der SED, der für die Ausübung hoheitlicher Befug-
nisse notwendigen Autorität ist unverzichtbar. Es trifft
zu, dass diese Aufklärung bisher nicht im erforderlichen
Maße erfolgt ist. Wir sind gefordert, diesen Mangel zu
beseitigen. Das Anliegen der Antragsteller ist daher un-
eingeschränkt zu begrüßen.
Die historische Beurteilung der Ausgangssituation im
Herbst 1989 weist jedoch mehrere Fehleinschätzungen
auf, die keinesfalls mitgetragen werden können; so zum
Beispiel die Behauptung, dass mit dem Fall der Mauer
„zugleich“ die Aufarbeitung des SED-Unrechts begon-
nen hätte. Ebenso wird die Besetzung von Dienststellen
des Ministeriums für Staatssicherheit in vielen Orten der
DDR ungerechtfertigt mit der Erstürmung der Stasizen-
trale in der Berliner Normannenstraße Mitte Januar 1990
gleichgesetzt.
Neben einigen Forderungen, die auch ich befürworte,
verlangen die Antragsteller die Novellierung des Stasi-
Unterlagengesetzes. In diesem Zusammenhang weise
ich darauf hin, dass das Gesetz erst in der 16. Legisla-
turperiode geändert worden ist. Im diesbezüglichen Ge-
setzgebungsverfahren hatten die Antragsteller darauf
verzichtet, den in ihrem Antrag ausgesprochen Wunsch
nach einer „Flexibilisierung“ der Regeln für die Über-
prüfung von Beamten und Angestellten der Bundesmi-
nisterien und -behörden zu äußern. Im vorliegenden An-
trag werden die Flexibilisierungsforderung und die
damit zusammenhängenden Folgen nicht näher erläutert.
Neben den offenkundigen Defiziten des Antrages
sollten bei der derzeitigen und kommenden Behandlung
der Gesamtproblematik die neuesten Erkenntnisse aus
der Arbeit der Birthler-Behörde insbesondere im Blick
auf die Stasibelastung von Menschen aus den alten Bun-
desländern vom Gesetzgeber beachtet werden. Die Er-
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enntnisse über das Wirken des Staatssicherheitsdienstes
m Bereich der Bundesrepublik Deutschland von 1949
is 1990 bestätigen die tatsächliche gesamtdeutsche Be-
roffenheit. Deshalb sind entsprechende gesetzgeberi-
che Konsequenzen nötig, die die Aufarbeitung der Pro-
lematik optimieren und somit das Wirken der Birthler-
ehörde nachhaltig unterstützen. Der vorliegende An-
rag kann aufgrund seiner Begrenzung und der genann-
en Defizite dazu nicht beitragen. Wir brauchen deshalb
eitergehende Regelungen, die seitens der Unionspar-
eien vorgeschlagen werden sollten.
Wir sind entschlossen, heute und in Zukunft alle sinn-
ollen Bemühungen zu unterstützen, die zu mehr Trans-
arenz über die Tätigkeit der Stasi in der Zeit bis 1990
nd ihre Nachwirkungen auf das vereinigte Deutschland
ühren. Mit gleicher Konsequenz werden wir uns stets
estrebungen entgegenstellen, die entweder gewollt
der ungewollt von diesem Ziel ablenken.
Deshalb lehnen wir den Antrag der FDP ab.
nlage 15
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Antje Blumenthal, Veronika
Bellmann, Dr. Christoph Bergner, Klaus Brähmig,
Monika Grütters, Manfred Grund, Jens Koeppen,
Michael Kretschmer, Andreas G. Lämmel,
Dr. Michael Luther, Ulrich Petzold, Eckhardt
Rehberg, Katherina Reiche (Potsdam), Ingo
Schmitt (Berlin), Michael Stübgen, Arnold Vaatz,
Volkmar Uwe Vogel und Kai Wegner (alle CDU/
CSU) zu der Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung zu dem Antrag: Inoffizielle Stasi-
Mitarbeiter in Bundesministerien, Bundesbe-
hörden und Bundestag enttarnen – Aufarbei-
tung des Stasi-Unrechts stärken (Tagesord-
nungspunkt 40)
Aufklärung über die Tätigkeit von inoffiziellen und
ffiziellen Mitarbeitern in öffentlich-rechtlichen Be-
chäftigungsverhältnissen aus Respekt vor der Wahrheit,
er jüngsten deutschen Geschichte, den Opfern der SED
nd der für die Ausübung hoheitlicher Befugnisse not-
endigen Autorität ist unverzichtbar.
Es trifft zu, dass diese Aufklärung bisher nicht im er-
orderlichen Maße erfolgt ist. Wir sind gefordert, diesen
angel zu beseitigen. Das Anliegen des Antragstellers
st daher uneingeschränkt zu begrüßen.
Neben einigen Forderungen, die auch ich befürworte,
erlangen die Antragsteller zu diesem Zweck eine No-
elle des Stasi-Unterlagengesetzes.
Das Stasi-Unterlagengesetz wurde erst in dieser Le-
islaturperiode geändert. Im diesbezüglichen Gesetzge-
ungsverfahren hatten die Antragsteller darauf verzich-
et, den in ihrem Antrag ausgesprochen Wunsch nach
iner „Flexibilisierung“ der Regeln für die Überprüfung
on Beamten und Angestellten der Bundesministerien
nd -behörden zu äußern, und dies aus gutem Grund; an-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24955
(A) )
(B) )
dernfalls hätte nämlich erläutert werden müssen, was mit
einer solchen „Flexibilisierung“ konkret gemeint ist.
Aktuell bleiben die Antragsteller diese Erläuterung in
ihrem Antrag schuldig; offenbar deshalb, weil sie unter
den Rahmenbedingungen des Grundgesetzes der Bun-
desrepublik Deutschland auch nicht zu erbringen ist.
Wer – dieses wissend – nun das Stasi-Unterlagenge-
setz aufschnüren will, um es einem absehbar ergebnislo-
sen Streit zu überantworten, der sich um die Flexibilisie-
rung von Regeln dreht, für die nur noch fragmentarische
politische Gestaltungsspielräume bestehen, der schadet
dem erklärten Ziel des Antrages, anstatt ihm zu nützen.
Wer sich mit diesem politischen Ziel tatsächlich identifi-
ziert, kann also nicht anders, als den vorgeschlagenen
Weg, es zu erreichen, abzulehnen.
Ich bin entschlossen, heute und in Zukunft alle sinn-
vollen Bemühungen zu unterstützen, die zu mehr Trans-
parenz über die Tätigkeit der Stasi in der Zeit bis 1990
und ihre Nachwirkungen auf das vereinigte Deutschland
führen. Mit gleicher Konsequenz werde ich mich stets
Bestrebungen entgegenstellen, die entweder gewollt
oder ungewollt von diesem Ziel ablenken.
Deshalb lehne ich den Antrag der FDP ab.
Anlage 16
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Berichts: Entwurf eines Zwei-
ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Auf-
hebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in
der Strafrechtspflege (2. NS-AufhGÄndG) (Ta-
gesordnungspunkt 42)
Jörg van Essen (FDP): Der Deutsche Bundestag
hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder mit
der Aufarbeitung des Unrechts aus der Zeit des National-
sozialismus befasst. Ich erinnere daran, dass vor knapp
elf Jahren die christlich-liberale Koalition das erste Ge-
setz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechts-
urteile in der Strafrechtspflege auf den Weg gebracht hat.
Der Deutsche Bundestag hat mit diesem Gesetz das ge-
samte NS-Unrecht pauschal und unmissverständlich auf-
gehoben. Wir haben uns damals leiten lassen von dem
Ziel, mehr als 50 Jahre nach dem Ende der nationalso-
zialistischen Herrschaft den bloßen Anschein irgendei-
ner Fortgeltung nationalsozialistischen Unrechts zu til-
gen. In der 14. Wahlperiode ist der Gesetzgeber hier
erneut tätig geworden und hat den Katalog der Strafta-
ten, die zu einer pauschalen Aufhebung der gerichtlichen
Entscheidungen führen, erweitert. Ziel der Bemühungen
des Gesetzgebers war, über den Einzelfall hinausgehend
den vielen Menschen, denen Unrecht widerfahren ist,
zusätzlich Genugtuung zu verschaffen. Der Deutsche
Bundestag ist damit seiner Verantwortung zur Aufarbei-
tung eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte ge-
recht geworden.
Der Gesetzgeber hat sich seinerzeit bewusst dafür
entschieden, Verurteilungen wegen Kriegsverrats nicht
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n die Regelung einzubeziehen. Die Aufhebung einer
olchen gerichtlichen Entscheidung ist jedoch auch bei
riegsverrat möglich, nach einer Einzelfallprüfung.
iese Entscheidung des Gesetzgebers war getragen von
er Vorstellung, dass bei diesen Delikten auch der Um-
tand, dass sie während eines völkerrechtswidrigen An-
riffskriegs begangen wurden, keinen Anlass zur Reha-
ilitierung begründen. Der Deutsche Bundestag ist
avon ausgegangen, dass auch bei einer Verurteilung
egen Kriegsverrats der Tat ein Unrechtsgehalt zu-
runde liegen kann, der auch aus heutiger Sicht als Un-
echt qualifiziert werden könnte. Die FDP-Bundestags-
raktion hat in den zurückliegenden Beratungen diese
echtsauffassung der Bundesregierung stets unterstützt.
n meiner Rede 2007 zur ersten Lesung des Gesetzent-
urfs der Fraktion Die Linke habe ich daher ausgeführt,
ass ich für ein weiteres Tätigwerden des Gesetzgebers
einerlei nachvollziehbare Gründe erkennen kann.
Ausgehend von unseren Beratungen hierzu ist in
üngster Zeit die Debatte über die rechtliche Bewertung
er Urteile aus der Zeit des Nationalsozialismus wegen
riegsverrats neu aufgeflammt. Obwohl die Argumente
n dieser Debatte weitgehend ausgetauscht sind, ist es
uch gelungen, neue Gesichtspunkte in die Diskussion
inzubringen. Ich habe hier insbesondere die Ausführun-
en des ehemaligen Richters am Bundesverfassungsge-
icht, Professor Dr. Hans Hugo Klein, zur Kenntnis ge-
ommen. In seiner Studie zu diesem Thema hat er
usgeführt, dass der Paragraf zum Kriegsverrat im Mili-
ärstrafgesetzbuch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen un-
ereinbar gewesen ist. Er führt aus, dass die Praxis der
erratsverfahren allen Rechtsgrundsätzen widersprach.
iel des Gesetzes sei – ich zitiere – „die Tötung des Ver-
äters gewesen als Mittel zur Grunderhaltung der Volks-
emeinschaft“. Der Paragraf, so Klein in seinem Gutach-
en, habe die Grundlage für eine Vielzahl von „in die
ußere Form von Gerichtsurteilen gekleideten Tötungs-
erbrechen“ geliefert. Professor Klein erkennt daher ei-
en fundamentalen Verstoß gegen das rechtsstaatliche
estimmtheitsprinzip. Mit besonderer Aufmerksamkeit
abe ich zur Kenntnis genommen, dass Bundesverteidi-
ungsminister Jung in Bezug auf die Studie von Profes-
or Klein gegenüber dem Bundesjustizministerium aus-
eführt hat, dass aufgrund der rechtlichen Erwägung
iner fehlenden Bestimmtheit der damaligen Gesetzes-
orm zum Kriegsverrat die bislang vorgebrachten Sa-
hargumente einer entsprechenden Gesetzesänderung
icht mehr entgegenstehen. Auch ein Gutachten des
issenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages
ommt zu dem Ergebnis, dass häufig politisch missliebi-
es Verhalten wie zum Beispiel politischer Widerstand,
olidarität mit verfolgten Juden, Hilfe für Kriegsgefan-
ene oder Schwarzmarktdelikte willkürlich als Kriegs-
errat verurteilt wurde. Diese neuen Gesichtspunkte
timmen in der Tat nachdenklich.
Es ist aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ein gro-
eskes Schauspiel, das wir Woche für Woche im Rechts-
usschuss erleben. In jeder Sitzung des Rechtsausschus-
es wird der Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur
eratung aufgerufen. Regelmäßig wird mit den Stimmen
er Mehrheit im Rechtsausschuss im Anschluss die Ver-
24956 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
tagung der Beratung beschlossen. Hier würde ich mir ein
selbstbewussteres Vorgehen mit der Initiative wünschen.
Entweder der Gesetzentwurf wird sachlich beraten, oder
er wird abgelehnt. Der Gesetzgeber sollte sich jedoch
nicht vor einer Entscheidung drücken. Vor diesem Hin-
tergrund hätte ich es sehr begrüßt, wenn in den Koali-
tionsfraktionen eine Einigung auf ein gemeinsames Vor-
gehen hätte erzielt werden können. Ich hätte mir
zumindest eine ernsthafte sachliche Auseinandersetzung
mit den von mir vorhin vorgetragenen neuen Gesichts-
punkten gewünscht. Da ein gemeinsamer Weg in der Ko-
alition wohl nicht mehr zu erwarten ist, hat sich eine
weitere Debatte über die NS-Urteile wegen Kriegsver-
rats damit für diese Wahlperiode erledigt.
Ich möchte im Übrigen daran erinnern, dass die in
dem NS-Aufhebungsgesetz vorgesehene Einzelfallprü-
fung bislang zu keinerlei Schwierigkeiten in der Praxis
geführt hat. In der Sachverständigenanhörung des
Rechtsausschusses hat ein Vertreter der größten deut-
schen Generalstaatsanwaltschaft, der Generalstaatsan-
waltschaft Hamm, überzeugend ausgeführt, dass sich das
Feststellungsverfahren bewährt hat und den Anträgen
auf Aufhebung von nationalsozialistischen Unrechts-
urteilen in allen Fällen entsprochen wird. Wenn in dem
Gesetzentwurf ausgeführt wird, dass den wegen Kriegs-
verrats Verurteilten die Rehabilitierung nicht verweigert
werden dürfe, so werden hier bewusst die Tatsachen ver-
dreht. Genau dieses Ziel verfolgen eben die bereits be-
stehenden NS-Aufhebungsgesetze mit der Pauschalauf-
hebung und der Einzelfallprüfung, wenn dies gewünscht
wird. Damit wird eben gerade keinem der Verurteilten
das Recht auf Rehabilitierung verweigert. Gerade diese
entlarvende Feststellung, die der Gesetzentwurf enthält,
legt den Verdacht nahe, dass es der Fraktion Die Linke
wieder einmal nicht um die Sache geht. Die FDP wird
einem solchen Vorgehen ihre Zustimmung daher mit Si-
cherheit nicht erteilen.
Anlage 17
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Antrag: Ostseestrategie voranbringen und
unterstützen
– Unterrichtung: 17. Jahrestagung der Ostsee-
parlamentarierkonferenz vom 31. August
bis 2. September 2008 in Visby, Schweden
(Tagesordnungspunkt 41 a und b)
Ingbert Liebing (CDU/CSU): Es ist jetzt gerade
zwei Jahre her, dass wir zum letzten Mal hier im Plenum
des Deutschen Bundestages eine Debatte über die Zu-
kunft der Ostseeregion geführt haben. Heute debattieren
wir das Thema im Vorfeld der Tagung des Ostseerates,
die in der kommenden Woche in Dänemark stattfindet,
und der Ostseeparlamentarierkonferenz im August.
Beide Konferenzen haben dabei ein Thema im Fokus:
die Erstellung einer Ostseestrategie im Rahmen der
schwedischen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten
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ahreshälfte. Damit rückt die Ostseeregion in das Zen-
rum europäischer Politik. Nach der Diskussion über die
ittelmeerunion im vergangenen Jahr ist dies nur gut für
ie Ostseeregion.
Es liegt aber auch im deutschen Interesse, wenn die
stseeregion ihre Wachstumschancen nutzt. Dabei steht
ie Ostseeregion vor gewaltigen Herausforderungen:
ar die Ostsee nach dem Zweiten Weltkrieg über
0 Jahre lang ein geteiltes Meer, so ist sie nach dem Fall
es Eisernen Vorhangs ein Meer vielfältiger Verbindun-
en geworden. Sie ist fast ein EU-Binnenmeer. Mit
ussland, dem einzigen Ostseeanrainer, der noch nicht
itglied der Europäischen Union ist, kommt der Zusam-
enarbeit mit Drittstaaten eine neue Bedeutung zu. Dies
ilt genauso für Weißrussland und die Ukraine, die die
stsee durch die Schadstoffeinträge über ihre Flüsse
benfalls belasten.
In mancher Hinsicht ist die Ostseeregion ein Meer der
nterschiede geblieben, zum Beispiel zwischen einigen
er reichsten und einigen der deutlich ärmeren EU-Mit-
liedsländer rund um die Ostsee.
Ökologisch betrachtet, ist die Ostsee eines der am
tärksten belasteten Meere. Alle Jahre wieder erleben
ir im Sommer die Schlagzeilen über Algenblüte und
elastenden Nährstoffreichtum.
Der Wirtschaftsaufschwung in der Ostseeregion hat
u steigendem Schiffsverkehrsaufkommen geführt. Dies
at Wohlstand geschaffen, stellt den Schiffsverkehr un-
er dem Gesichtspunkt der Sicherheit auf See aber vor
eue Herausforderungen. Mehr Schiffsverkehr bedeutet
auch wenn das Schiff bezogen auf die transportierte
adung das ökologischste Verkehrsmittel ist – auch
ehr Emissionen. Dabei wissen wir um die Belastungen,
ie gerade vom Bunkeröl des Schiffsverkehrs ausgehen.
Bei diesen und einer ganzen Reihe anderer Herausfor-
erungen sind wir in der Ostseeregion in den vergange-
en Jahren ein gutes Stück vorangekommen. Die Bun-
esregierung hat gute Arbeit geleistet, um unsere
orderungen, die der Deutsche Bundestag auf Antrag
er Koalitionsfraktionen vor zwei Jahren beschlossen
atte, umzusetzen. In unserem Antrag nennen wir allein
6 Bereiche, in denen wir deutliche Fortschritte erzielt
aben, zum Beispiel beim Umweltschutz für die Ostsee
it dem HELCOM-Ostseeaktionsplan, bei der Einfüh-
ung von Verkehrstrennungsgebieten zur Verbesserung
er Sicherheit auf See, bei den Beschlüssen der IMO zur
eduzierung von Schadstoffemissionen im Rahmen der
evision der Anlage 6 des MARPOL-Übereinkommens,
ei der Ausweisung von SECA-Gebieten, bei Maßnah-
en zum Schutz der bedrohten Fischbestände, Visumser-
ichterungen der EU für Russland oder der Einrichtung
ines Regionalbüros der Europäischen Investitionsbank
ür den Ostseeraum in Helsinki.
Deutschland hat bei allen diesen Entwicklungen in
er Ostseekooperation eine starke Rolle wahrgenom-
en, und dies soll auch in Zukunft so bleiben. Warum
edarf es nun dennoch einer neuen EU-Ostseestrategie?
as soll anders werden, was ist neu? Die EU-Ostseestra-
egie stellt vier Ziele in den Mittelpunkt:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24957
(A) )
(B) )
Erstens die Verbesserung der Umweltstandards, denn
nur ein sicheres und sauberes Meer wird Europa auch
künftig mit Energie und anderen natürlichen Ressourcen
wie Fisch versorgen und den Tourismus weiterhin er-
möglichen.
Zweitens die Steigerung von Wohlstand im Ostsee-
raum.
Drittens die Steigerung der Attraktivität der Region
für ihre Bewohner, ihre Arbeitskräfte und den Touris-
mus, zum Beispiel durch den Ausbau von Verkehrsan-
bindungen, der Stromnetze und der Infrastruktur insge-
samt.
Viertens die Verbesserung der Sicherheit auf See, des
Katastrophenschutzes und der inneren Sicherheit durch
verstärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten.
In diesen Bereichen soll die Ostseestrategie die Platt-
form für eine besser koordinierte und auf Schwerpunkte
konzentrierte gemeinsame Politik für die und in der Ost-
seeregion sein.
Folgende Erwartungshaltungen, die in den Koali-
tionsantrag, den wir heute beschließen wollen, eingeflos-
sen sind, möchte ich für die Unionsfraktion ausdrück-
lich hervorheben. Wir erwarten, dass nicht neue
Kooperationsstrukturen, neue Doppelstrukturen aufge-
baut werden. Die Ostseeregion verfügt schon heute über
eine gewaltige Vielfalt von Initiativen, Kooperationen
und Netzwerken politischer, wirtschaftlicher, kultureller
oder wissenschaftlicher Natur. Um nur einige zu nennen:
Ostseerat, Ostseeparlamentarierkonferenz, Baltic Deve-
lopment Forum, Helsinki-Kommission (HELCOM), Ko-
operation der Subregionen der Ostsee, Kooperation der
Städte (UBC), Kooperation der Metropolen (BaltMer),
Netzwerk Baltic 21, Kooperation der Wirtschaft, der Ge-
werkschaften und der Sozialpartner gemeinsam, und
diese Liste ist sicherlich noch nicht vollständig.
Diese vorhandenen Kooperationsstrukturen wollen
wir nutzen, nicht ersetzen. Aber wir halten es für not-
wendig, diese Kooperationen im Rahmen der EU-Ost-
seestrategie stärker zu bündeln.
Ich nenne eine weitere Erwartungshaltung: Wir brau-
chen keinen neuen Warenhauskatalog aller möglichen
Wünsche, sondern es gilt, Schwerpunkte zu setzen.
Schwerpunkte und Prioritäten. Wir brauchen nicht im-
mer neue Ziele, sondern die EU-Ostseestrategie muss
sich darum bemühen, Strategien zu setzen, um die ver-
einbarten Ziele in die Praxis umzusetzen. Schließlich ha-
ben wir gerade in der Ostseeregion kein Erkenntnispro-
blem, sondern ein Umsetzungsproblem. Es gibt genü-
gend Beschlüsse, um bedrohte Fischbestände zu schüt-
zen. Dennoch ist die illegale Fischerei weiterhin ein
Kernproblem.
Mit dem HELCOM-Ostseeaktionsplan liegen wich-
tige Zielsetzungen zur Verbesserung des Meeresumwelt-
schutzes für die Ostsee vor. Jetzt muss gehandelt wer-
den. Dafür haben wir mit unserem Antrag eine Reihe
sehr konkreter Vorschläge aufgelistet, von denen ich
wiederum nur einige wenige herausgreifen möchte, die
mir besonders am Herzen liegen.
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Wir wollen, dass dem Thema Sicherheit auf See eine
ohe Priorität eingeräumt wird und konkrete Maßnah-
en vereinbart werden, zum Beispiel die Verstärkung
er Lotsenannahme in engen und schwierigen Fahrge-
ieten internationaler Gewässer, zum Beispiel der Ka-
etrinne.
Wir wollen, dass die mit der vorbildhaften Auswei-
ung der Ostsee als Schiffsemissionsüberwachungsge-
iet (SECA) verbundene Gefahr von Wettbewerbsnach-
eilen für die Ostsee dadurch gebannt wird, dass auch
ndere EU-Meere wie die Irische See, das Schwarze
eer oder das Mittelmeer als entsprechende SECAs aus-
ewiesen werden.
Wir wollen die umweltfreundliche Energieversorgung
on Schiffen in Häfen unterstützen. Landstromversor-
ung ist dabei ein ganz wichtiges Thema, bei dem die
ansestadt Lübeck vorbildhaft vorangegangen ist; sie
at bereits einen ersten Anschluss in ihrem Hafen instal-
iert. Aber wir brauchen endlich die Genehmigung der
U-Kommission für die Befreiung des Landstroms von
er Stromsteuer, denn heute ist der umweltschädlichste
chiffsbetriebsstoff, das Bunkeröl, steuerbefreit, wäh-
end ökologisch viel sinnvollere Möglichkeiten wie
andstrom oder die Option von Gasversorgung für
chiffe hoch besteuert werden. Wir wollen, dass die
mpfehlungen der jüngsten Maritimen Konferenz in
ostock in dieser Hinsicht in die Ostseestrategie einge-
unden werden.
Wir wollen, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Ost-
eeraums durch bessere Verkehrsanbindungen für alle
erkehrsträger gefördert wird. Dies gilt insbesondere für
en Ausbau der Hafenhinterlandanbindungen, um den
achsenden Seeverkehr ins Binnenland umschlagen zu
önnen. Gerade hier müssen wir jetzt Vorsorge treffen,
uch in einer Krisenzeit, in der das Schiffsverkehrsauf-
ommen deutlich gesunken ist; denn wir setzen auf die
ewältigung der Wirtschaftskrise, auf neue Chancen in
inem neuen Wirtschaftsaufschwung, der auch wieder
achsenden Seeverkehr in der Ostsee mit sich bringen
ird.
Wir wollen, dass die EU-Ostseestrategie einen Bei-
rag zur vollen Umsetzung des EU-Binnenmarktes leis-
et, und wir wollen auch, dass dabei die Drittstaaten in
er Region so weit wie möglich einbezogen werden.
Wir wollen auch, dass der Tourismus als Handlungs-
eld in die Ostseestrategie aufgenommen wird; denn
und um die Ostsee gibt es auch heute noch vielfältige
ouristisch interessante Zeugnisse gemeinsamer Ge-
chichte, zum Beispiel die Route der Backsteingotik.
Wir wollen auch mit dem Jugendaustausch in der Ost-
eeregion endlich weiter vorankommen. Seit zwei Jah-
en prüft die Bundesregierung eine finanzielle Unterstüt-
ung der Ostseejugendstiftung in Kiel. Wir wollen, dass
iese Prüfung nunmehr positiv zum Abschluss gebracht
ird.
Wir wollen auch das Projekt eines Ostseegeschichts-
uches aufgreifen, wie es unter Federführung der Acade-
ia Baltica in Lübeck entwickelt wurde – ein hochinte-
24958 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
ressanter Beitrag zur Identitätsbildung der Region im
Rahmen der Pilotprojekte der EU-Ostseestrategie.
Alle diese Themen sollen und können in die EU-Ost-
seestrategie, die bis zum Jahresende abgeschlossen wer-
den soll, einbezogen werden. Dabei setzen wir auch auf
die Beteiligung der Bundesländer, die sich schon heute
mit hohem Engagement in der Ostseeregion einbringen.
Die Ostsee ist eine Region gewaltiger Herausforde-
rungen, aber auch gewaltiger Chancen. Die Perspektive
der Ostseestrategie rückt die Chancen in den Fokus der
europäischen Politik. Das ist gut. Die Union begrüßt
diese Entwicklung. Wir unterstützen sie aktiv, auch mit
unserer heutigen parlamentarischen Initiative. Nutzen
wir die Chancen der Ostseeregion, auch im deutschen
Interesse!
Kurt Bodewig (SPD): In der vergangenen Woche,
am 19. Mai, haben wir hier in Berlin im Rahmen einer
Podiumsdiskussion den Europäischen Tag der Meere in
der Landesvertretung Hamburg gewürdigt. Der estnische
Botschafter S. E. Herr William Mart Laanemäe wies da-
rauf hin, dass man in Estland die Ostsee eher als „West-
see“ bezeichnet. Eine gute Gelegenheit in der Ostseepo-
litik auch einmal die Sicht der anderen Anrainer wahrzu-
nehmen. Heute geht es uns aber um die gemeinsame
Sicht auf die Baltic Sea.
Ich bin ehrenamtlicher Chairman des internationalen
Baltic Sea Forum, BSF, das Mitglieder und Vorstände
aus allen Ostseeanrainern in seinen Reihen hat. Ich kann
Ihnen versichern, dass wir mit Genugtuung die Bemü-
hungen der EU sehen, den Ostseeraum weiter zu entwi-
ckeln und dabei vor allem folgende Ziele umzusetzen:
optimale Nachhaltigkeit bei der wirtschaftlichen Nut-
zung der Meeresressourcen, Aufbau einer Wissens- und
Innovationsgrundlage, verbesserte Lebensqualität in den
Küstenregionen, Ausbau der Position Europas im inter-
nationalen maritimen Bereich und größere Aufmerksam-
keit für ein maritimes Europa in der Öffentlichkeit.
Die Ostseeregion gilt in diesem Zusammenhang als
eine weit vorangeschrittene Region. Mit ihren wirt-
schaftlichen Potenzialen und politischen Ansätzen gilt
sie als Modellregion für andere Meeresregionen in und
außerhalb der EU. Die Entwicklung des Ostseeraumes
seit 1989 ist eine Erfolgsgeschichte europäischer Inte-
gration, die unter Umständen exportfähig ist. Von da-
mals sieben Anrainerstaaten waren lediglich Dänemark
und Westdeutschland Mitglieder der Union. Zwei Jahr-
zehnte später hat sich die geopolitische Situation grund-
legend gewandelt – acht von neun Ostseeländern sind
heute EU-Mitglieder. Die Ostsee ist fast ein Binnenmeer
der EU geworden.
Die Mission der Ostseekooperation ist mit dem Ende
der aktiven Begleitung der östlichen Anrainerstaaten im
doppelten Übergang von der Diktatur zur Demokratie
und von der Plan- zur Marktwirtschaft erfüllt. Mit der
Ostseestrategie bekommt die regionale Zusammenarbeit
nun eine neue Vision, deren Ziel es ist, die dringlichsten
Probleme der Ostseeregion zu lösen.
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Es ist das erste Mal in ihrer Geschichte, dass die Eu-
opäische Union eine Strategie auf makroregionaler
bene anstrebt. Schwerpunkte sind Umwelt, Wirtschaft,
nfrastruktur und – zivile – Sicherheit. Konkret bedeutet
as: Bei der Umwelt ist ein wichtiger Schwerpunkt der
rhalt des Ökosystems und der Biodiversität. Im Bereich
er Wirtschaft ist ein Kernpunkt die Förderung der Inno-
ationsfähigkeit und der Wirtschaft. Bei der Infrastruk-
ur ist die Überwindung der Energieisolation der balti-
chen Staaten und die Schaffung eines gemeinsamen
nergienetzes ein Kerngedanke. Bei der Sicherheit geht
s zum Beispiel um die Schiffssicherheit und Verkehrs-
berwachung sowie um die Schaffung ausreichender
risenreaktionskapazitäten. Der Umsetzungszeitraum
st auf das Jahr 2020 angelegt. Im Gegensatz zu den
0er-Jahren setzt man im Augenblick nicht auf den Auf-
au neuer Organisationen, sondern auf die Nutzung und
oordination der vorhandenen institutionellen Struktu-
en.
Ich halte das für einen ganz wichtigen Punkt. Deshalb
st er auch gleich die erste Forderung des vorliegenden
ntrages. Es gibt bereits eine Fülle transnationaler Netz-
erke, Organisationen und Institutionen, die selbst für
xperten nicht leicht zu überschauen ist. Ohne Frage
acht diese Vielfalt auch eine Stärke der Region aus und
ringt ihr letzten Endes ihre Reputation als Modell und
orbild transnationaler Kooperation ein. Mit der EU-
stseestrategie kehren Ziel und Mission in die regionale
usammenarbeit zurück. Die existierenden Institutionen
er Ostseezusammenarbeit werden nicht infrage gestellt.
ennoch bietet sich jetzt eine Gelegenheit, das Profil
erschiedener Institutionen zu schärfen, Ziele und Auf-
aben klarer zu definieren und eventuell bestimmte Ak-
ivitäten einzustellen. Als Mitglied der Ostseeparlamen-
arierkonferenz stehe ich zu deren Position, dass nicht
lle alles machen müssen. Vernünftige und abgestimmte
ooperationen sind das Gebot der Stunde.
Zu den dringlichsten Problemen der Ostseeregion ge-
ören auch die Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Infra-
truktur. Sie alle stehen in unmittelbarem Zusammen-
ang. Dass die Ostsee zu einem der am meisten belasteten
ewässer der Welt gehört, weil hier bis zu 2 000 Schiffe
ur gleichen Zeit unterwegs sind, ungeklärte Einleitungen
n die Ostsee stattfinden und gleichzeitig der Ostseetou-
ismus einer der zukunftsträchtigsten Wirtschaftszweige
st, zeigt einen dieser Widersprüche auf. Es ist also wich-
ig, dass im Rahmen der EU-Ostseestrategie regionalpo-
itisch stärker kooperiert wird, um den CO2-Ausstoß zu
eduzieren, die Energieversorgung zu diversifizieren, die
nergieversorgungssicherheit zu stärken und die Import-
bhängigkeit zu verringern.
Gerade in der letzten Woche waren die Mitglieder der
rbeitsgruppe „Energie und Klimawandel“ der Ostsee-
arlamentarierkonferenz unsere Gäste hier in Berlin. Wir
aben über unseren Beitrag für die 18. Resolution der
stseeparlamentarierkonferenz beraten und der Ent-
icklung einer gemeinsamen Energieeffizienzstrategie
m Ostseeraum oberste Priorität eingeräumt. Auch in
em Bewusstsein, dass die Ostseeregion allgemein als
orläufer gilt, wenn es darum geht, neue Wege zu gehen,
ird sich unsere Arbeitsgruppe dafür starkmachen, dass
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24959
(A) )
(B) )
die Ostseeregion verstärkt Offshore-Windparks baut,
dass die Länder des Ostseeraumes noch besser durch
Leitungen und Netze miteinander verbunden werden, die
auch in der Lage sind, den „Windstrom“ sicher und ohne
Energieverluste in die Netze der Ostseeanrainerstaaten
einzuspeisen. Der Arbeitsgruppe ist es wichtig, dass
Energieversorgungssicherheit, die Nutzung erneuerba-
rer Energien und Energieeffizienz in unmittelbarem Zu-
sammenhang gesehen werden.
Auch auf gemeinsame Strategien zur Anpassung an
den Klimawandel muss ein besonderer Fokus gerichtet
werden. Die umweltfreundliche Energieversorgung von
Schiffen in Häfen, die Unterstützung des Projekts
„Clean Baltic Shipping“ und die Umsetzung des Ostsee-
aktionsplanes der Helsinki-Kommission sind hier sehr
wichtig.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Ostseeregion er-
folgreich. Dennoch zielt die EU-Ostseestrategie darauf
ab, die Ostseeregion zu einem „prosperous place“ zu
machen. Ohne Frage hängt der wirtschaftliche Erfolg der
Region mit ihren Verkehrswegen, Verkehrsanbindungen
und Hafenhinterlandanbindungen zusammen. Es muss
ein Ziel sein, dem wachsenden Seeverkehr ins Binnen-
land Herr zu werden und das Konzept der „Meeresauto-
bahnen“ umzusetzen.
Die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise sollte
als eine Chance gesehen werden, das Wachstum in der
Region zu fördern. Der Kampf gegen den von uns Men-
schen verursachten Klimawandel durch die Nutzung er-
neuerbarer Energien und Maßnahmen zur Steigerung der
Energieeffizienz kann, zusammen mit einem flexibleren
Energiemarkt, zum Schlüssel eines erfolgreichen Ma-
nagements der Krise werden. Werden Konjunkturpakete,
Investitionspläne, Fördermittel und internationale finan-
zielle Ressourcen in die Produktion erneuerbarer Ener-
gie, in Energieeffizienz und Netzverbindungen geleitet,
ist dieser Gedanke durchaus realistisch.
Damit die Ostseeregion auch weiterhin ihren Mo-
dellcharakter behalten kann, werden wir die EU-Ostsee-
strategie unterstützen.
Franz Thönnes (SPD): Drei wichtige Ereignisse für
den Ostseeraum stehen in zeitnaher Verbindung zu unserer
Debatte. In der kommenden Woche tagt vom 3. bis 4. Juni
2009 in Helsingör in Dänemark der Ostseerat. Am 1. Juli
2009 beginnt die schwedische EU-Ratspräsidentschaft.
Während ihrer Amtszeit wird eine Beschlussfassung zu
einer EU-Strategie für den Ostseeraum auf der Tagesord-
nung stehen. Nach der Entwicklung einer Politik der
nordischen Dimension ist es gut, dass nun in der erwei-
terten EU der Blick stärker konzentriert auf die Ostseere-
gion gerichtet wird. Im Europa der 27 ist das für uns in
Deutschland die Chance, dies für uns und die Interessen
der Region auch gemeinsam zu nutzen. Eine gute
Schwerpunktsetzung. Und schließlich folgt Ende August
2009 in Nyborg in Dänemark die 18. Ostseeparlamenta-
rierkonferenz. Wiederum wird der Deutsche Bundestag
mit einer fünfköpfigen Delegation vertreten sein.
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Dies alles ist Grund genug, dass sich das wichtige
hema der Ostseepolitik und der Ostseestrategie wieder
m Deutschen Bundestag auf der Tagesordnung befindet.
ir wollen mit dem zur Debatte stehenden Antrag Markie-
ungen durch das Parlament setzen; Markierungen für die
undesregierung, wenn sie im Ostseerat und in Brüssel die
nteressen Deutschlands einbringt, Markierungen für die
eutsche Delegation zur Ostseeparlamentarierkonferenz
nd Markierungen für Europa.
Ostsee sagen die einen. Westsee sagt man dort, wo
as Meer eher geografisch westlich liegt wie in Estland.
altic Sea ist der gemeinsame englische Begriff, der uns
lle verbindet. Und in der Tat, die Ostsee verbindet. Aus
em Meer der Trennung wurde ein Meer der Brücken,
er Verbindungen, ein Meer der guten Nachbarschaft.
ine Erfolgsgeschichte der europäischen Integration.
ie Ostsee ist das „Europäische Binnenmeer“ geworden.
Knapp 95 Prozent der Küstenlinie gehören heute zu
itgliedsländern der Europäischen Union. Vor 20 Jahren
aren es gerade mal 5 Prozent dänischer und schleswig-
olsteinischer Meeresküste. Die 20 Jahre haben uns allen
ezeigt: Wir leben in einer der lebenswertesten Regionen
uropas. Wir leben hier mit circa 70 Millionen Menschen
uf einem relativ hohen Wohlstandsniveau, ohne die
nterschiede zwischen den einzelnen Ostseeanrainern
u verschweigen. Unsere Forschungs- und Wissen-
chaftspotenziale sind hervorragend und unsere Wachs-
umspotenziale enorm. Die Chancen, uns zu einer der
ettbewerbsfähigsten Regionen in der Welt zu entwi-
keln, sind da. Wir müssen sie nur nutzen. Die Ostsee-
trategie kann dabei helfen.
Chancen und Risiken liegen wie immer jedoch eng
eieinander. Gerade die Ostsee selbst, das Meer, das uns
erbindet, gehört zu den schmutzigsten Gewässern der
elt. Hinzu kommt ebenso eine der stärksten Konzen-
rationen des Schiffsverkehrs mit den entsprechenden
efahrenpotenzialen. Aufgabe genug, sich hiermit aus-
inanderzusetzen. Das tun wir mit unserem Antrag.
hancen und Perspektiven, auf den Weg Gebrachtes,
rwartungen und Forderungen werden dargelegt.
Dabei ist der vorliegende Antrag der Koalitionsfrak-
ionen geprägt vom Geist der Kooperation in der Ostsee-
egion. Ein guter roter Faden. Denn allen ist klar: Ohne
ntensive Zusammenarbeit können wir die Herausforde-
ungen nicht im Sinne der Menschen, der Umwelt und
er Natur beantworten.
Dies gilt ganz besonders für die Zusammenarbeit mit
ussland, mit dem uns als Europäische Union in Europa
ls einzige Region eine 1 000 Kilometer lange Grenze
erbindet. Gerade deshalb plädieren wir ausdrücklich
afür, die Strategien zur Ostseepolitik immer so zu ent-
ickeln, dass Kooperationen mit anderen möglich sind.
ie Einbeziehung Russlands, seine Beteiligung ist dabei
ür uns eine wichtige Priorität und auch Erwartung an
ussland selbst. Es geht um eine gemeinsame gute Zu-
unft.
Ohne andere Themen wie den Umweltschutz, die ma-
itime Politik, Energie oder Verkehr zu vernachlässigen,
onzentriere ich mich nicht zuletzt wegen der Debatten-
24960 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
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(B) )
zeit auf die folgenden Punkte: Die Ostsee verbindet. Sie
verbindet die Länder, die Regionen, die Menschen, die
Wirtschaft, die Arbeitsmärkte. Die vielen Netzwerke, In-
stitutionen und Organisationen beweisen dies. Und der
Export Deutschlands in die Ostseeregion ist inzwischen
fast so hoch wie der Export in die USA und Japan zu-
sammen.
Grenzüberschreitende Arbeitsmärkte entstehen mehr
und mehr, insbesondere durch die Entwicklung der EU.
Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ermögli-
chen es uns, die wirtschaftlichen Potenziale der Regionen
mehr und mehr zum Wohle der Menschen auszubauen.
Anschauliche Beispiele sind die Regionen am Öresund
zwischen Kopenhagen und Malmö, zwischen Helsinki
und Tallinn, bald auch zwischen dem dänischen Seeland
und Schleswig-Holstein mit der geplanten Fehmarnbelt-
Querung. Mehr und mehr führen Arbeitsangebote, Arbeits-
kräftebedarfe und die wachsenden Mobilitätspotenziale zu
vitalen, grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten, die die
Wirtschaftkraft der Region stärken, den Wohlstand mehren,
Einkommen sichern und Kulturen zusammenbringen.
Wir wollen, dass bei der vollen Umsetzung des EU-
Binnenmarktes die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer nicht unter die Räder kommen. Wir wollen Sicherheit
und faire Arbeitsbedingungen. Wir fordern daher die
Bundesregierung auf, sich angesichts der Zunahme
grenzüberschreitender Arbeitsmärkte und damit steigender
Zahlen von Grenzpendlern in der EU und im Ostseerat
dafür einzusetzen, dass an stark frequentierten Grenzüber-
gängen die bestehenden Informationszentren gesichert
bzw. neue eingerichtet werden. Hier sollen die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit haben,
sich umfassend über die sozial-, arbeits- und steuerrecht-
lichen Fragestellungen der Arbeitsaufnahme im Nachbar-
land zu informieren. Sozial gesicherte Arbeit zu fairen
Bedingungen fördert die Mobilität und stärkt die Wachs-
tumsentwicklung in Wirtschaftsregionen beiderseits von
Grenzen.
Einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Dimension in
der Ostseeregion stellt der soziale Dialog dar. Das von der
EU geförderte und von Gewerkschaften sowie Arbeitge-
bern gleichermaßen getragene Baltic Sea Labour Network,
BSLN, ist hierfür ein gutes Beispiel. Den sozialen Dia-
log weiterhin zu fördern und zu unterstützen, ist gerade
angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise
wichtig. Gute Beziehungen der Sozialpartner können
wesentliche Beiträge zur Bewältigung schwieriger Situa-
tionen schaffen.
Um für die Zukunft gut gerüstet zu sein, gilt es, die
ausgezeichneten Potenziale der Forschungseinrichtungen
rund um die Ostsee noch stärker zu vernetzen. Deshalb
lautet auch eine der Forderungen im Rahmen der EU-Ost-
seestrategie, die Region zu einem der führenden europäi-
schen Forschungsstandorte auszubauen.
Auch beim nächsten Thema geht es um Arbeit, aber
ebenso um Erholung und Natur. Die Koalitionsfraktionen
erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich dafür
einsetzt, dass der Tourismus, der für die wirtschaftliche
Entwicklung der Ostseeregion eine zunehmende Bedeu-
tung erfährt, als Handlungsfeld in die Ostseestrategie
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ufgenommen wird, indem Themen gemeinsamer Inte-
essen und gemeinsamer Geschichte zur Profilierung ge-
utzt werden.
Historie und Zukunft liegen eng beieinander. Kraft für
ie Umsetzung guter Perspektiven gewinnt man häufig
us den Erfahrungen der gemeinsamen Vergangenheit.
benso gilt es, Lehren aus der Vergangenheit für die
ukunft zu ziehen. Aus diesem Grund begrüßen wir das
rojekt eines Ostseegeschichtsbuches, wie es unter
ederführung der Academia Baltica, Lübeck, entwickelt
urde. Auch hier erwarten wir, dass dies als Beitrag zur
dentitätsbildung der Region im Rahmen der Pilot-
rojekte der EU-Ostseestrategie unterstützt wird. Wir
rauchen derartige gemeinsame Projekte, die uns mit
en unterschiedlichen Erfahrungen der Geschichte die
or uns liegende Zukunft gemeinsam meistern lassen.
Identität entsteht auch durch gemeinsame Erfahrungen
nd Erlebnisse. Ein wesentliches Element hierbei ist der
ugendaustausch. Die Ostsee-Jugendstiftung in Kiel ist da-
ür ein gutes Instrument. Die Jugend ist für die Entwicklung
iner jeden Gesellschaft die zentrale Basis. Und so benö-
igen die entstandenen Verbindungen auch künftig gute
feiler, die sie tragen. Deshalb ist der lebendige Austausch
nter jungen Menschen in der Ostseeregion so wichtig. Und
eshalb erwarten wir auch jetzt, dass die vom Deutschen
undestag geforderte Prüfung einer finanziellen Unter-
tützung der Ostsee-Jugendstiftung nunmehr positiv zum
bschluss gebracht wird. Damit unterstreichen wir unsere
rwartung, dass sich die Bundesregierung auch an dieser
tiftung finanziell beteiligt. Sie bringt die Jugendlichen
und um die Ostsee nicht nur bilateral, sondern eben
uch multilateral zusammen. Diese jungen Menschen
ind die künftigen Garanten der Stabilität der Demokratie,
er Weltoffenheit, der Toleranz und der Kreativität rund
m die Ostsee.
Diese Beispiele zeigen alleine schon neben den ande-
en wichtigen Punkten des Antrages, dass eine Vielzahl
on Themen gute Grundlagen für eine neue Phase der
oordinierten Zusammenarbeit im Ostseeraum sind und
amit im Rahmen der Ostseestrategie erheblich mit dazu
eitragen können, ihn zu einer europäischen Modellre-
ion zu entwickeln.
Markus Löning (FDP): Die FDP im Deutschen
undestag begrüßt ausdrücklich, dass sich die Regie-
ungsfraktionen auf einen gemeinsamen Text zu diesem
usgesprochen wichtigen Thema einigen konnten. Wenn
an sich das Gezerre um Opel dieser Tage ansieht, ist
as bei dieser Regierung wahrlich keine Selbstverständ-
ichkeit mehr.
Dem Antragstext wird die FDP zustimmen, nicht weil
ir das übertriebene Lob der Regierung teilen würden
im Gegenteil –, sondern weil wir meinen, dass vieles
on dem, was in dem Antrag steht, endlich umgesetzt
erden muss. Im Gegensatz zur Bundesregierung haben
ir schon lange die großen Chancen des Ostseeraumes
ach der Osterweiterung der EU erkannt und bereits im
ai 2007 die Bundesregierung in einem ausführlichen
ntrag zum Handeln aufgefordert.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24961
(A) )
(B) )
Die große Chance für die gemeinsamen Ziele wie die
weitere wirtschaftliche Entwicklung des Ostseeraums,
die Verbesserung von Infrastruktur und Umweltschutz
für dieses Gebiet ist doch, dass seit 2004 alle Ostseean-
rainer außer Russland Mitglieder der Europäischen
Union sind. Diese gemeinsame Verbindung, die enge
Verzahnung der Länder in gemeinsamen europäischen
Gremien, parlamentarischen Ausschüssen oder in zivil-
gesellschaftlichen Netzwerken sind die große Chance,
etwas gemeinsam zu erreichen. Die europäische Ver-
knüpfung stellt aber auch hohe Ansprüche an die Ak-
teure, denn die Bürgerinnen und Bürger wollen Ergeb-
nisse dieser europäischen Einigung sehen. An Projekten,
die das tägliche Leben der Menschen verbessern, kann
Europa zeigen, dass es imstande ist, einen echten Mehr-
wert zu erbringen. Meiner Auffassung nach ist Europa
mit der Ostseestrategie an diesem Punkt auf einem guten
Weg. Die schwedische Präsidentschaft hat angekündigt,
den Prozess weiter aktiv zu unterstützen. Und ich bin
mir sicher, dass unsere schwedischen Partner das auch
sehr energisch tun werden.
Als Europapolitiker liegen mir aber neben der sehr
praktischen Tagesarbeit bei Wirtschaft, Umwelt und In-
frastruktur auch zwei andere Themen sehr am Herzen.
Zum einen möchte ich, dass der Jugendaustausch end-
lich vernünftig unterstützt wird. Wer weiß, was das
Deutsch-Französische Jugendwerk nach dem Krieg für
die Völkerverständigung erreicht hat, wird verstehen,
warum mir das ein besonderes Anliegen ist. Die Ostsee-
anrainer verbinden wie keine andere Region in Europa
die unterschiedlichen Erweiterungsschritte der Union.
Hier trifft das Gründungsmitglied Deutschland, mit ers-
ter – Dänemark 1973 –, vierter – Finnland, Schweden
1995 – und fünfter Erweiterungsrunde – Litauen, Lett-
land, Estland, Polen 2004 – zusammen. Damit verbun-
den sind auch große soziale und gesellschaftliche Unter-
schiede. Vor allem unsere östlichen Partner werden noch
etliche Jahre mit dem Erbe von kommunistischer Dikta-
tur und Misswirtschaft zu kämpfen haben. Gleichzeitig
stehen wir aber am Anfang einer gemeinsamen Zukunft.
Umso größer ist das Bedürfnis nach gegenseitigem Ken-
nenlernen, umso wichtiger ist es, gerade den Jugendaus-
tausch zwischen unseren Ländern zu intensivieren und
zu fördern.
Von langfristig mindestens genau so großer Bedeu-
tung ist das gemeinsame Ostseegeschichtsbuch. Gerade
die deutsch-polnischen Debatten der letzten Jahre zei-
gen, wie groß der Bedarf hier ist. Die Ostseeanrainer ha-
ben eine enge Verbindung durch Hunderte von Jahren
gemeinsamer Geschichte. Unser jeweiliger Blick auf
diese Geschichte ist aber sehr unterschiedlich. Die Ent-
stehung eines gemeinsamen Ostseegeschichtsbuches
bietet eine hervorragende Plattform, um hierüber den
Dialog zu beginnen.
Leider ist im gesamten Antrag keine Rede von der
Ostsee-Pipeline. Wohl kein Projekt der letzten Jahre hat
so viel Unfrieden gestiftet wie dieses. Und leider hat die
derzeitige Bundesregierung ihre Chance bisher nicht ge-
nutzt, die außenpolitischen Scherben, die Schröder und
Fischer hinterlassen haben, zu kitten. Es wäre höchste
Zeit.
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Lutz Heilmann (DIE LINKE): Schwach angefangen
nd stark nachgelassen, so könnte der alternative Titel
es uns vorliegenden Antrages von CDU/CSU und SPD
auten. Im ersten Teil stehen durchaus auch Dinge, die
ch als Linker gut und gerne unterschreiben könnte. Aber
a geht es auch um Fakten, die selbst Sie als Regierungs-
oalition nicht wegdiskutieren können. Es ist nun einmal
akt, dass die Ostsee eines der am stärksten beanspruch-
en Gewässer ist. Es ist leider auch Fakt, dass die Ostsee
ines der dreckigsten Gewässer ist, und es stimmt auch,
ass der Klimawandel sich bei der Ostsee besonders
eutlich zeigt, und zwar nicht nur anhand des steigenden
asserspiegels.
Ganz anders sieht es dann zum überwiegenden Teil
m zweiten Teil aus. Dort ergeht sich die Koalition in Lo-
eshymnen für die Bundesregierung. Sie begrüßen dies,
nd Sie begrüßen das. Aber reicht diese Prosa aus? Be-
euchten wir doch einfach einmal die ganz konkrete Poli-
ik der Bundesregierung in Sachen Ostsee. Ich möchte
as anhand dreier konkreter Punkte darlegen:
Erstens. Eines der großen Probleme der Ostsee ist die
ltmunition nicht nur vor der deutschen Küste.
Zweitens. Die feste Fehmarnbelt-Querung wird in
eutschland heftigst debattiert und verliert offenbar
uch in Dänemark immer mehr an Unterstützung.
Drittens. Die Belastung der Ostsee durch Schiffsemis-
ionen.
Zum ersten Punkt: Die Hinterlassenschaften in der
stsee aus zwei Weltkriegen und aus dem Kalten Krieg
olen uns in regelmäßigen Abständen wieder ein; immer
enn es zu spontanen Explosionen kommt und dabei
chlimmstenfalls Menschen getötet werden. Aber es
ehlt Ihnen doch wirklich der Wille hier endlich zu han-
eln. Sonst hätten Sie schon lange den Wirrwarr an Zu-
tändigkeiten beendet und sich zur Verantwortung des
undes für diese Hinterlassenschaften des Deutschen
eiches, aber auch der DDR und der BRD bekannt und
ie Zuständigkeit übernommen. Wir brauchen ein Bun-
esprogramm, welches natürlich mit den Ostseenach-
arn koordiniert werden muss, um die Altmunition
chnellstmöglich aus der Ostsee herauszuholen. Die ein-
erichtete Bund-Länder-Arbeitsgruppe kann dafür wich-
ige Impulse geben. Sie darf aber nicht damit enden, dass
war drüber geredet wurde, aber am Ende nichts Kon-
retes als Ergebnis feststeht.
Zum zweiten Punkt: Leistet eine feste Fehmarnbelt-
uerung einen Beitrag zur Erreichung der Ziele, die die
U-Komission für eine Ostseestrategie aufgeschrieben
at? Wohl kaum. Tausende Arbeitsplätze in den Bereichen
ourismus und Schifffahrt – sprich: Fähren – sind gefähr-
et. Oder meinen Sie ernsthaft, dass Menschen freiwillig
n einer Brückenanfahrtsrampe mit entsprechender
ärmbelästigung Urlaub machen werden? Die jetzt
chon erhebliche Armut – circa 17 Prozent – in der Re-
ion Ostholstein würde erheblich vergrößert und die
mwelt nicht hinnehmbar dadurch gefährdet, dass zum
eispiel die letzten Lebensräume des Ostseeschweins-
als zerstört, Millionen Zugvögel gefährdet würden und
er für die Ostsee als Brackmeer so wichtige Wasseraus-
24962 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
tausch infrage gestellt würde. Zur Schiffssicherheit: Sie
wissen genauso wie ich, dass eine Autobahn, die von
drei auf eine Spur verengt wird wesentlich gefährlicher
ist als eine mit drei Spuren und eher die Möglichkeit von
Unfällen bietet. Oder wie schaut es mit dem Ziel aus,
Verkehr von der Straße auf das Meer zu verlagern? Nein,
die Brücke würde das Gegenteil beiwirken. Diese steht
entgegengesetzt zu den Zielen für eine Ostseestrategie.
Deshalb meine Aufforderung an die Koalition: Lassen
Sie die Finger von der Brücke. Reden Sie mit unseren
dänischen Nachbarn und gehen Sie andere, bessere
Wege für die länderübergreifende Zusammenarbeit. Las-
sen Sie uns kulturelle Brücken und nicht Brücken aus
Beton bauen.
Zum dritten Punkt, zur Diskussion über das Verrin-
gern der Emissionen von Schiffen nicht nur in den Hä-
fen: Richtig ist, dass wir da einen guten Schritt vorange-
kommen sind, aber gerade hier muss schnell gehandelt
werden. Es hilft den Menschen recht wenig, wenn wir
ihnen sagen, dass in zehn Jahren alles besser wird. Die
landseitige Stromversorgung der Schiffe in den Häfen ist
ein schnellerer Weg. Hier könnten Sie etwas mehr Ein-
satz zeigen. Bei anderen Projekten entfalten Sie auch
mehr Einsatz. Eine spürbare Senkung der Emissionen
würde die Lebenssituation der Menschen nicht nur in
deutschen Ostseehäfen verbessern.
Die Ostsee ist durch das Zusammenwachsen Europas
in das Zentrum Europas gerückt. Was früher trennte, ver-
bindet heute. Jetzt haben wir die Chance, die Ostsee zu
einem Meer des Friedens zu machen. Wir haben die
Chance, bei Wahrung sozialer, ökologischer und ökono-
mischer Interessen, die Ostsee als Lebensraum für heu-
tige und künftige Generationen zu erhalten.
Der uns vorgelegte Antrag wird dem Anspruch nicht
gerecht. Deshalb wird meine Fraktion dem Antrag nicht
zustimmen.
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Die europäischen Meere, allen voran die Ostsee,
waren von enormer Bedeutung für den wirtschaftlichen
Wohlstand der Länder des europäischen Kontinents und
sind dies noch heute. Doch unsere Meere sind mehr: Sie
sind Lebensraum für Tiere und Pflanzen, Klimaregulie-
rer, Nahrungsquelle und Erholungsgebiete. Als Handels-
und Transportwege verbinden sie Menschen über natio-
nalstaatliche Grenzen hinweg.
Von sieben Anrainerstaaten der Ostsee waren bis zum
Mauerfall nur Dänemark und die Bundesrepublik Mit-
glieder der Europäischen Union. Heute, 20 Jahre später,
ist die Ostsee zum Binnenmeer der EU geworden. Acht
der neun Ostseeanrainer sind EU-Mitglieder. Um dieser
geschichtlichen Entwicklung Rechnung zu tragen und
zugleich das zukünftige Wachstum der Ostseeregion si-
cherstellen zu können, ist es nun an der Zeit, die Zusam-
menarbeit innerhalb der Ostseeregion auf neue Füße zu
stellen. Die gemeinsame Strategie für den Ostseeraum
ist das passende Instrument hierfür. Mit ihr haben wir die
Chance, eine neue Phase der Zusammenarbeit in der Re-
gion einzuläuten. Meine Fraktion und ich begrüßen die
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stseestrategie der EU daher ausdrücklich. Sie war
ange überfällig.
Im Dezember 2007 haben die Mitgliedstaaten die EU-
ommission aufgefordert, eine „EU-Strategie für den
stseeraum“ vorzulegen. Der nun eingeleitete Anhö-
ungsprozess wird aller Voraussicht nach im Juni 2009 in
inem Vorschlag der EU-Kommission münden. Die
chwedische Regierung hat angekündigt, dass sie die re-
ionale Kooperation im Ostseeraum während ihrer Rats-
räsidentschaft im zweiten Halbjahr 2009 weiter voran-
ringen will. Hiermit eröffnet sich die Chance, den
stseeraum als Modellregion und Vorbild für weitere re-
ionale Kooperationen, zum Beispiel im Schwarzmeer-
aum und im Kaspischen Raum, zu etablieren.
Eine verstärkte Zusammenarbeit in der Ostseeregion
st von immenser Bedeutung für die gesamte Region.
urch eine exzessive Nutzung unserer Meere laufen wir
eute Gefahr, den erst durch sie ermöglichten Standard
iner hohen Lebensqualität zu gefährden. Daher müssen
ir unsere Anstrengungen zum Erhalt und Schutz unse-
er Meere dringend intensivieren. Dies gilt in besonde-
em Maße für die Ostsee. Ihr sensibles Ökosystem ist
eute durch wachsende Schiffsverkehre, unsichere Öl-
anker, Überfischung und Überdüngung, durch Muni-
ionsaltlasten und vieles mehr gefährdet. Intensivieren
ir unsere Bemühungen zum Schutz und Erhalt der Ost-
ee nicht, laufen wir Gefahr, dass das europäische Bin-
enmeer bald einer Umweltkatastrophe zum Opfer fällt.
ierdurch wäre die Entwicklung des gesamten Ostsee-
aums gefährdet. Dies zu verhindern muss nicht zuletzt
or dem Hintergrund, dass die Ostsee für Deutschland
on enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist, unser Ziel
ein.
Die Chance, dem Schutz und Erhalt der Ostsee eine
entrale Rolle bei der Ausgestaltung der Ostseestrategie
inzuräumen, dürfen wir nicht ungenutzt verstreichen
assen. Hierfür haben wir keine Zeit mehr. Den vor uns
iegenden Herausforderungen müssen wir uns durch die
ormulierung gemeinsamer Antworten zusammen mit
llen Anrainern stellen. Daher begrüßen wir, dass die
stseestrategie explizit Russland einschließen wird.
Dies heißt jedoch nicht, dass nicht jeder Mitgliedstaat
or seiner eigenen Haustür damit anfangen muss, dem
chutz und Erhalt unserer Meere die Bedeutung zukom-
en zu lassen, die den Herausforderungen angemessen
st.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koali-
ion, wenn Sie in Ihrem Antrag richtigerweise auf die
ntschließung der im Jahr 2007 in Berlin stattgefunde-
en Ostseeparlamentarierkonferenz, die Ostsee zum sau-
ersten und sichersten Meer Europas zu machen, ver-
eisen und das Ziel ausgeben, Ökologie und Ökonomie
m Gleichgewicht halten zu wollen, dann müssen Sie da-
it aufhören, lediglich auf die Verantwortung der euro-
äischen und internationalen Ebene für die Ostseeregion
u verweisen. Fangen Sie endlich selbst damit an, ihren
eil zum Erhalt des Ökosystems der Ostsee beizutragen!
erschließen Sie nicht weiter die Augen vor dem drän-
enden Problem der Munitionsaltlasten in unseren Mee-
en, und legen Sie endlich Förderprogramme für alterna-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24963
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tive Schiffsantriebe und eine emissionsarme Schifffahrt
auf! Statten Sie die deutschen Ostseefährhäfen mit Land-
stromversorgung aus, und tragen Sie hierdurch zu einem
besseren Klima in unseren Städten bei! Engagieren Sie
sich auf europäischer Ebene für die Durchsetzung von
Fangquoten, die den Fischbeständen erlauben, sich zu
erholen! Richten Sie neue Meeresschutzgebiete ein, an-
statt vor Jahren eingerichtete Schutzgebiete zu bebauen!
Schaffen Sie endlich eine nationale Küstenwache! Und
tragen Sie nicht auch noch durch einen ökonomisch un-
sinnigen und ökologisch höchst risikoreichen Bau einer
festen Querung über den Fehmarnbelt dazu bei, dass das
Ökosystem der Ostsee durch einen zusätzlich reduzier-
ten Wasseraustausch noch stärker belastet wird!
Anlage 18
Zu Protokoll gegebene Reden
zur vereinbarten Debatte: 25 Jahre Parlamen-
tarisches Patenschafts-Programm (Tagesord-
nungspunkt 43)
Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): „Rei-
sen veredelt den Geist und räumt mit allen unseren Vor-
urteilen auf, meinte Oscar Wilde, ein geborener Opti-
mist. Wenn es um PPPler geht, mag er recht haben.
PPPler sind Jugendbotschafter besonderer Ausrichtung:
offen, aufgeschlossen, lernbereit und auskunftswillig.
Nicht nur wir Abgeordnete wissen aus eigener Anschau-
ung: Reisen bildet und Austausch verbindet. Viele Tau-
send junge Leute aus Deutschland und Amerika können
dies dank des Parlamentarischen Patenschafts-Pro-
gramms des Deutschen Bundestages und des amerikani-
schen Kongresses jedes Jahr aus eigenem Erleben nach-
vollziehen.
Das Parlamentarische Patenschafts-Programm, PPP,
ist das Herzstück des deutsch-amerikanischen Jugend-
austausches. Es wurde 1983 durch den Deutschen Bun-
destag und den Kongress der Vereinigten Staaten von
Amerika auf den Weg gebracht. Der Grundgedanke war
damals, des 300. Jahrestages des Beginns der Einwande-
rung deutscher Bürgerinnen und Bürger in die Vereinig-
ten Staaten zu gedenken und ihm Zukunft zu geben.
Ein weltoffener und weitgereister Mensch hat einmal
gesagt:
Der Gewinn eines langen Aufenthaltes außerhalb
unseres Landes liegt vielleicht weniger in dem, was
wir über fremde Länder erfahren, sondern in dem,
was wir dabei über uns selbst lernen.
Das erfahren zurzeit circa 360 junge Deutsche, die
sich als der 25. Jahrgang Austauschschüler in den USA
aufhalten. Alle amerikanischen Stipendiaten dieses
25. Jubiläumsjahrgangs sind heute hier bei uns im Parla-
ment und konnten während ihrer Zeit in Deutschland
vielleicht bereits ähnliche Eindrücke gewinnen. Viele
von ihnen sind für einige Tage auf Seminaren in Berlin
und erleben hautnah mit, wie in der Hauptstadt 60 Jahren
Grundgesetz, 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland
und 20 Jahren Mauerfall gedacht wird. Diese bedeutsa-
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en Wegmarken der deutschen Geschichte wären ohne
en Einsatz unserer amerikanischen Freunde und Partner
o nicht möglich gewesen. Gemeinsame Geschichte ver-
indet und schafft auch Gemeinsamkeit für Mitverant-
ortung in beiden Demokratien. Es gibt daher aus
einer Sicht keinen besseren Zeitpunkt und keine geeig-
etere Gelegenheit, um sich als Parlament kraftvoll und
raktionsübergreifend zur Zukunft des deutsch-amerika-
ischen Jugendaustausches zu bekennen.
Bereits Alexander von Humboldt befand:
Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die
Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht
angeschaut haben.
Dieser Vorwurf kann den PPPler wahrhaftig nicht ge-
acht werden. Rund 18 500 junge Deutsche und Ameri-
aner konnten dank des Parlamentarischen Patenschafts-
rogramms in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten
hren Traum, ein Jahr im jeweils anderen Land zu leben,
erwirklichen. Dies sind ein überzeugender Zeitraum
nd eine beeindruckende Teilnehmerzahl, die besondere
nerkennung und Würdigung verdienen.
Mit der Vereinbarung dieses beispielgebenden Pro-
ramms für Schülerinnen und Schüler und junge Berufs-
ätige begann 1983 eine Erfolgsgeschichte. Dieses
rogramm hat die vergangenen 25 Jahre unbeschadet
berstanden und ist heute so vital und populär wie zuvor.
as Interesse der Jugendlichen beider Länder übersteigt
it circa 400 Bewerbern bei weitem die Zahl der PPP-
tipendien. Dies ist aus meiner Sicht ein weiterer Grund,
eshalb wir an dem Programm unbedingt festhalten
ollten. Für die Bewerber gilt Fontanes Leitsatz:
Wer reisen will, muss zunächst Liebe zu Land und
Leute mitbringen, zumindest keine Voreingenom-
menheit. Er muss guten Willen haben, das Gute zu
finden, anstatt es durch Vergleiche tot zu machen.
Über 500 Mitglieder des Deutschen Bundestages be-
unden jedes Jahr, dass sie gerne eine Patenschaft für
iese jungen Menschen übernehmen möchten. Auch
iese Bereitschaft zum Engagement ist erwähnenswert.
as gilt auch für die Betreuung deutscher wie amerika-
ischer Stipendiaten. Der Bundestag zeigt Flagge für
en internationalen Jugendaustausch. Ich möchte aus-
rücklich allen Beteiligten danken, die zum Gelingen
es Programms beitragen, und deren Vorgänger. Dazu
ählen die Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert,
r. h. c. Wolfgang Thierse und Professor Rita Süssmuth,
ie das Programm auf einzigartige Weise gesellschaft-
ich, kulturell und politisch unterstützt haben. Das haben
ie immer wieder durch die Übernahme der Schirmherr-
chaft verdeutlicht. Zu den Förderern zählen auch der
hemalige Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl und sein
merikanischer Amtskollege Bill Clinton. Beide haben
em Programm mit einem wohltuenden, hilfreichen und
emeinsamen Empfang der PPP-Teilnehmer zu noch
rößerer Akzeptanz und Gewichtung verholfen. Eine
ntwicklung, die Bundeskanzler Gerhard Schröder wie
nsere Bundeskanzlerin aktiv weitertragen bzw. getra-
en haben. Mit ganz besonderer Freude denke ich hier
n die „Chill-out-Area“ im Kanzlergarten zurück. Emp-
24964 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
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fänge im Kanzlergarten schaffen positive Gefühle und
Eindrücke, die die jungen Menschen mit in ihre Heimat
nehmen. Hier bewahrheitet sich auch das richtige Motto
vieler Stipendiaten: Erwarte das Unerwartete – die Welt
ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.
Ausdrücklich bedanken möchte ich mich als zuständi-
ger Berichterstatter aber auch bei dem zuständigen Refe-
rat der Bundestagsverwaltung. WI 4 hat immer sehr auf-
merksam, mit großer Sorgfalt und viel Engagement nicht
nur die Organisation des PPP übernommen. WI 4 identi-
fiziert sich auch damit. Das gilt auch für die gesamte
Verwaltung bis hin zum Direktor des Deutschen Bundes-
tages. In beiden Ländern sind neben den Parlamentariern
besonders die Gastfamilien – Gasteltern wie Gastge-
schwister – zu erwähnen. Sie leisten unentgeltlich ihren
großartigen persönlichen Beitrag zum Gelingen dieses
einzigartigen Programms. Damit sind etwas über
50 000 Personen als ehrenamtliche Helfer auf diese
Weise im PPP diesseits und jenseits des Atlantiks enga-
giert gewesen. Mein Dank gilt ebenfalls den beteiligten
professionell und verantwortungsbewusst arbeitenden
Austauschorganisationen, mit denen wir bisher sehr er-
folgreich zusammenarbeiten konnten. Dabei begleitet
der Deutsche Bundestag die Arbeit der Austauschorgani-
sationen genau, kritisch und konsequent. Das heißt, wer
fehlt, dem wird der Auftrag entzogen. Der Bundestag
muss und kann dadurch gewährleisten, dass die Organi-
sationen mit dem Vertrauen der jungen Menschen und
ihrer Familien umsichtig umgehen. Auslandsaufenthalte
können auch Risikoaufenthalte sein, und nicht alle
PPPler sind pflegeleicht, sondern können auch schon
ganz kantige und oder anspruchsvolle Persönlichkeiten
sein. Namentlich möchte ich aber AFS, Youth For
Understanding, Experiment, GIVE, Partnership Interna-
tional, InWEnt und Open Door International als unsere
augenblicklichen engagierten Kooperationspartner nen-
nen, die unser Vertrauen rechtfertigen.
Natürlich möchte ich auch ausdrücklich die Arbeit
und das Engagement meiner Kollegen, der Berichterstat-
ter für internationale Austauschprogramme aus allen
Fraktionen des Hauses, erwähnen. Sie bilden ein kolle-
giales Team. Sie sind tatkräftig und voller Ideen, stets
für den Erfolg des PPP unterwegs. Fraktionsübergrei-
fend lässt sich auf 25 Jahre konstruktive parlamentari-
sche Zusammenarbeit zurückblicken. Das PPP eint uns.
Das ist eine wirkliche Vorzeigeleistung im Deutschen
Bundestag.
Die PPP-Stipendiaten leben fast zwölf Monate lang in
einer Gastfamilie des befreundeten Landes. Dabei lernen
sie an der dortigen Schule oder absolvieren in einem ört-
lichen Betrieb ein Praktikum. Bei diesem einzigartigen
Austauschprogramm liegen den Abgeordneten, die in
den Wahlkreisen Stipendien vergeben und Patenschaften
übernehmen, beide Zielgruppen – Schüler und junge Be-
rufstätige – gleichermaßen am Herzen. Denn beide
Gruppen erfüllen ihre Rolle als Botschafter ihres Landes
mit Ernsthaftigkeit und Herzblut. So mancher junger
Amerikaner perfektionierte nicht nur seine deutschen
Sprachkenntnisse, sondern lernte eine weitere Sprache
hinzu: so etwa sächsisch, bayerisch oder plattdeutsch.
Bei vielen Stipendiaten bleibt es nicht beim einmaligen
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uslandsaufenthalt – manche Familienbindungen halten
in Leben lang. Ich freue mich sehr, wenn sich viele ehe-
alige PPP-Stipendiaten dauerhaft für ein gutes und
reundschaftliches Verhältnis zwischen Deutschland und
merika einsetzen, und damit aus der Erfahrung eines
ahres eine dauerhafte Inspiration für eine Brücke über
en Atlantik entwickeln.
Jedes Jahr leisten die jungen Berufstätigen und Schü-
er ihren Beitrag dazu. Sie tragen dazu bei, ein differen-
iertes Bild von Amerika beziehungsweise von Deutsch-
and in ihrer Altersgruppe zu vermitteln. Und wer in
einen Lehr- und Wanderjahren die Chance genutzt hat,
ie Probleme des Heimatlandes aus einem Abstand von
000 Kilometer Luftlinie zu betrachten, ist für Engstir-
igkeit nicht mehr empfänglich. Weltoffene Menschen
rauchen wir, wenn wir in unserer zusammenrückenden
elt die Probleme lösen wollen, die uns gemeinsam be-
reffen. Denn „Reisen ist in der Jugend ein Teil der Er-
iehung, im Alter ein Teil der Erfahrung.“ So formulierte
s Francis Bacon.
Das PPP-Stipendium für ein Austauschjahr ist eine
ertvolle Investition: für die Erweiterung des Horizon-
es eines jungen Menschen, für das Knüpfen langfristi-
er Bindungen und für das Miteinander-Zurechtkommen
n einer globalisierten Welt. Ein Jahr Aufenthalt in einem
nderen Land bedeutet Veränderung. Das bedeutet Ein-
ewöhnung in eine Gastfamilie, in eine Gastschule, Er-
ahrungen sammeln mit der fremden Sprache und dem
ebensalltag im anderen Land. Dies erfordert Neugier
nd Pioniergeist. Um Wilhelm Busch zu zitieren:
Viel zu spät begreifen viele die versäumten Lebens-
ziele:
Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Reisen
und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise!
Höchste Zeit ist’s: Reise, reise!
Die Bereitschaft, sich dabei auf Neues einzulassen,
tellt insgesamt eine persönliche Herausforderung dar, in
en meisten Fällen aber gleichermaßen auch einen gro-
en Gewinn. Neue Kontakte, andere Einsichten in ein
and, das man vorher nur aus Büchern kannte. „It’s not
ood or bad – it’s different!“ – Das ist ein Schlüsselsatz
ür das PPP. Das Programm hat sich aus der Pionierzeit
u einem wirklichen Flaggschiff in den deutsch-ameri-
anischen Kulturbeziehungen gemausert. 25 Jahrgänge
arlamentarisches Patenschafts-Programm sind Grund
ur Freude über das Geleistete. Sie sind aber ebenso eine
ufforderung, diesen guten Weg der deutsch-amerikani-
chen Freundschaft fortzusetzen. Daher wünsche ich
ir, dass wir gemeinsam mit dem amerikanischen Kon-
ress das Programm fortführen und weiter ausbauen.
as Patenschafts-Programm muss auch zukünftig ein
ester Bestandteil der internationalen Arbeit des Deut-
chen Bundestags bleiben. Dies ist ein Wunsch, der bei
en zurzeit in Berlin weilenden Kongressmitgliedern um
en Vorsitzenden der Study Group on Germany, Rob
ishop, sicherlich viel Zuspruch findet.
Dagmar Freitag (SPD): Wenn Abgeordnete des
eutschen Bundestages mit Begeisterung in der Stimme
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24965
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über PPP sprechen, ist klar, was nur gemeint sein kann:
unser Parlamentarisches Patenschafts-Programm, kurz
PPP, das in diesem Jahr seinen 25-jährigen Geburtstag
feiert. An Jahren noch jung, aber auf jeden Fall alt ge-
nug, um heute mit dieser Debatte entsprechend gewür-
digt zu werden.
Wir können aus gutem Grund mit Stolz auf dieses
Programm blicken: Bis heute haben 18 500 junge Men-
schen aus Deutschland und den USA daran teilgenom-
men, haben also die große Chance genutzt, sich mit gro-
ßen Erwartungen einer mindestens ebenso großen
Herausforderung zu stellen. Es ist schließlich nicht ein-
fach, für ein ganzes Jahr Freunde und Familie zurückzu-
lassen und sich auf ein Leben in einer fremden Gastfami-
lie in einem ebenso fremden Land einzulassen.
Wie attraktiv dieser besondere Schüleraustausch zwi-
schen unseren beiden Ländern jedoch ist, zeigt Jahr für
Jahr das ungebrochene Interesse daran. Zum Gelingen
tragen viele bei, allen voran diejenigen Kolleginnen und
Kollegen, die mit der Bereitschaft zur Übernahme einer
Patenschaft ein tragfähiges Fundament für dieses Aus-
tauschprogramm legen. Das ist ein beeindruckendes Vo-
tum und auch ein Symbol für die Fortsetzung der freund-
schaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern.
Tausende von Bewerbungen diesseits und jenseits des
Atlantiks werden zur Zeit wieder von jungen Menschen
geschrieben, verbunden mit der Hoffnung, einen ganz
persönlichen Traum verwirklichen zu können.
Natürlich wissen wir, dass mit Träumen auch Enttäu-
schungen verbunden sein können: Enttäuschung über
das viel zu kleine Örtchen, in dem man ein Jahr verbrin-
gen soll, über die Schule oder – am problematischsten –
die Gastfamilie. Die Tatsache, dass die Zahl der vorzeiti-
gen Rückkehrer sehr klein ist, zeigt, zu welchen Pro-
blemlösungen auch junge Menschen schon in der Lage
sind. Wer Schwierigkeiten überwindet und bereit ist,
sich auf Neues einzulassen, kehrt mit neuem Selbstbe-
wusstsein und unvergesslichen Erfahrungen in sein Hei-
matland zurück.
Lassen Sie mich wenige Worte aus dem Bericht einer
Stipendiatin des Jahrgangs 2007/2008, Alena Reining-
haus aus Iserlohn, zitieren:
Es war ein Jahr mit Höhen und Tiefen, das meinen
Horizont erweitert hat und mich zu einer erwachse-
nen Person gemacht hat. Ein solches Jahr würde ich
immer wiederholen, und ich kann es jedem nur
empfehlen, denn man lernt nicht nur etwas über ein
anderes Land oder eine andere Kultur, sondern vor
allem über sich selbst.
Aus vielen Gesprächen mit unseren Ehemaligen weiß
ich, dass sich aus der Ferne auch die Sichtweise auf das
eigene Land verändert. Wenn man beispielsweise plötz-
lich feststellen muss, dass Mitschüler oder die Gasteltern
im Krankheitsfall keine Versicherung haben, sieht man
funktionierende Sozialsysteme im Heimatland nicht län-
ger als schlichte Selbstverständlichkeit an, sondern man
weiß diese plötzlich zu schätzen. Über solche sehr prak-
tischen Lebenserfahrungen hinaus entstehen im Idealfall
Freundschaften und Netzwerke, die ein Leben lang hal-
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en können. Kann es für junge Menschen etwas Besseres
eben?
Heute Morgen hat der Bundestagspräsident zu Beginn
er Plenarsitzung das Programm im Beisein von
50 jungen amerikanischen Schülern und jungen Berufs-
ätigen ausdrücklich gewürdigt. Das war ein außerge-
öhnlicher Vorgang und ist ein Beleg für große Unter-
tützung durch den gesamten Deutschen Bundestag. Ich
öchte den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen,
nserem Botschafter in Washington D. C., Herrn Dr.
charioth, der Verwaltung des Deutschen Bundestages,
en Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Austauschor-
anisationen und vor allem den Gastfamilien für die Un-
erstützung danken. Gemeinsam haben wir das PPP zu
iner Erfolgsstory gemacht, und es lohnt sich, weiter da-
an und dafür zu arbeiten.
Bernd Scheelen (SPD): 25 Jahre Parlamentarisches
atenschafts-Programm sind auch 325 Jahre deutsch-
merikanische Freundschaft. Am 6. Oktober 1683 landeten
ie ersten deutschen Auswanderer an der amerikanischen
stküste. 13 Familien segelten auf der „Concord“ fast
ier Monate über den Atlantik, um ihr Glück in der Neuen
elt zu suchen. Sie gründeten die Stadt Germantown,
eute ein Vorort von Philadelphia. Sie waren Quäker und
ennoniten und kamen aus einer Stadt am linken Nieder-
hein: Krefeld, meine Heimatstadt. Die gehörte im 17. Jahr-
undert zum Hause Oranien und wurde verwaltet von der
rafschaft Moers. Dort herrschte – und das war das Be-
ondere zur damaligen Zeit – Religionsfreiheit. Krefeld
ntwickelte sich zur Zufluchtsstätte für religiös Ver-
olgte. Das Leben auf engem Raum war auch nicht ohne
robleme, sodass sich im Laufe der Jahre 13 Familien
ntschlossen, den Weg nach Westen anzutreten. Die
00-Jahr-Feier 1983 in Krefeld in Anwesenheit des Bun-
espräsidenten, des Bundeskanzlers und des amerikani-
chen Vizepräsidenten war der äußere Anlass, die
eutsch-amerikanischen Beziehungen mit einem Ju-
endaustauschprogramm zwischen dem Bundestag und
em amerikanischen Kongress weiter zu festigen. Die
orbereitungen dazu wurden schon von der Regierung
elmut Schmidt getroffen. Federführend war die Staats-
inisterin im Auswärtigen Amt, Hildegard Hamm-Brücher.
Seit Beginn des Austausches 1984 haben Jahr für Jahr
00 junge Deutsche und eine gleichgroße Zahl junger
merikanerinnen und Amerikaner ein ganzes Jahr im je-
eils anderen Land verbracht. Das Leben in Familien hat
hnen einen tiefen Einblick in die Kultur des Gastlandes
egeben, hat Verständnis für andere Lebensweisen ge-
eckt, dadurch aber auch den Blick für die Situation im
igenen Land geschärft.
Mittlerweile haben 20 000 junge Leute diese Erfahrun-
en gemacht. 20 000 tiefe Freundschaften zu den Men-
chen im anderen Land sind entstanden, die durch gegen-
eitige Besuche und Internetkontakte gepflegt werden.
as ist das Entscheidende am Jugendaustauschprogramm:
s fördert Verständnis für andere und ist ein aktiver Bei-
ag zur Friedenssicherung in der Welt.
Zum Schluss ist es mir wichtig, einen ganz besonderen
ank zu sagen an die Familien, die einen ihnen zunächst
24966 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
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völlig unbekannten jungen Menschen in ihre Gemein-
schaft aufnehmen. Am Ende des Austauschjahres fällt es
den meisten Programmteilnehmern sehr schwer, die
neuen Familien wieder zu verlassen, und den Familien
fällt es schwer, das neue „Kind“ wieder ziehen zu lassen.
Danke für die Mühe, die sie aufwenden und die Liebe und
Zuneigung, die sie geben. Wir hoffen auch in Zukunft auf
viele Gastfamilien, die zu dieser Leistung bereit sind,
denn wir Sozialdemokraten werden uns dafür einsetzen,
dass das Parlamentarische Patenschaftsprogramm auch
in Zukunft erfolgreich durchgeführt werden kann. Es ist
schön zu wissen, dass diese Auffassung von allen Fraktio-
nen des Hohen Hauses geteilt wird.
Ernst Burgbacher (FDP): Heute ist der Berlin-Tag
des PPP: Seit über einem Vierteljahrhundert besteht das
Parlamentarische Patenschafts-Programm. Man kann
mit Gewissheit sagen: Es ist eine Erfolgsgeschichte.
1983 wurde es vom Kongress der Vereinigten Staaten
und dem Deutschen Bundestag gemeinsam aus Anlass
des 300. Jahrestages der deutschen Einwanderung in die
USA ins Leben gerufen. Es richtet sich an deutsche und
amerikanische Schülerinnen und Schüler sowie an junge
Berufstätige, die die einmalige Chance bekommen, mit
einem Stipendium ein Jahr lang das Leben im Gastland
kennenzulernen. Junge Deutsche leben in Familien in
den USA, gehen dort zur Highschool oder machen ein
Praktikum in einem Betrieb. Umgekehrt kommen jedes
Jahr junge Amerikaner nach Deutschland, um das Leben
hier kennenzulernen.
Ich freue mich ganz besonders, dass die amerikani-
schen Teilnehmer des Programms in diesen Tagen in
Berlin sind, und grüße sie sehr herzlich. Ich hoffe, ihnen
gefällt der Aufenthalt in Deutschland und sie haben
bereits viel Neues erfahren und Schönes erlebt.
Darum geht es ja im Wesentlichen beim Parlamentari-
schen Patenschafts-Programm: Durch persönliche Begeg-
nungen mit den Menschen im Gastland soll der jungen
Generation in beiden Ländern die Bedeutung freundschaft-
licher Zusammenarbeit, die auf gemeinsamen politischen
und kulturellen Wertvorstellungen beruht, vermittelt wer-
den. Neue Eindrücke, andere Sichtweisen, fremde Sitten
und Gebräuche, die Vielfalt des Gastlands – all dies und
sicher noch viel mehr erfahren die jungen Teilnehmer
des Programms aus erster Hand. Freundschaften werden
geschlossen, von denen sicher auch viele das Austausch-
jahr überdauern.
Das Parlamentarische Patenschafts-Programm hat durch
aktuelle Entwicklungen zusätzliche Bedeutung gewonnen.
Vor dem Hintergrund neuer und bislang unbekannter He-
rausforderungen für die transatlantische Gemeinschaft
übernehmen die jungen Menschen eine wichtige Rolle
als Repräsentanten Deutschlands in den USA. Im unmit-
telbaren Kontakt mit ihren Gastfamilien und im Umgang
mit Mitschülern oder Kollegen lernen sie, was unsere
Länder gesellschaftlich, kulturell und politisch verbindet
und unterscheidet. Das fördert das gegenseitige Verständ-
nis und trägt wirkungsvoll dazu bei, die Beziehungen zwi-
schen unseren beiden Ländern dauerhaft zu stärken.
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Umgekehrt ermöglicht das PPP den jungen Amerika-
ern einen „Blick von außen“ auf ihr Land. Sie lernen die
uropäische Sichtweise kennen und – hoffentlich – auch
erstehen. Die Teilnehmer sind zudem Botschafter ihres
andes und repräsentieren die USA in Deutschland bzw.
eutschland in den USA – eine verantwortungsvolle
ufgabe für die jungen Leute, die sehr sorgfältig unter
ahlreichen Bewerbern ausgewählt werden.
Es ist immer wieder ein besonderes Erlebnis, festzu-
tellen, wie rasch sich die amerikanischen Schüler und
uszubildenden in ihren neuen Heimatorten einleben und
uch regionale Eigenheiten übernehmen. Vor allem an der
ussprache ist häufig zu erkennen, ob ein Gastschüler im
chwarzwald oder in Berlin ein neues Zuhause auf Zeit
efunden hat. Ich denke, wenn ein Gastschüler nach kurzer
eit bereits mit schwäbischem oder bayrischem Zungen-
chlag spricht, ist dies ein schönes Beispiel für eine
elungene Eingewöhnung.
Für erwägenswert halte ich eine Art Langzeitevaluation
es PPP und seiner Teilnehmer. Mich interessiert insbeson-
ere, ob und wie lange die Jugendlichen nach Beendigung
es Austauschjahres noch mit ihren Gastfamilien oder
uch mit den betreuenden Abgeordneten in Kontakt blei-
en und inwieweit das Austauschjahr ihre Studien- und
erufswahl beeinflusst haben mag.
Es ist sicher auch gut, wenn wir als Abgeordnete
ersuchen, nach Beendigung des Austauschjahres mit
unseren“ Stipendiaten in Kontakt zu bleiben. Ich selbst
abe beispielsweise schon zum wiederholten Male bei
ir zuhause ein PPP-Treffen organisiert, zu dem ich alle
n den vergangenen Jahren von mir betreuten deutschen
ustauschschüler eingeladen habe, die so die Gelegenheit
atten, ihre Erfahrungen und persönlichen Eindrücke
uszutauschen und zu vergleichen.
Von fast allen Stipendiaten höre ich nach ihrer Rück-
ehr aus dem Gastland, dass dieses Austauschjahr eine
ngeheure persönliche Bereicherung gewesen sei und sie
iese Erfahrung nicht missen wollen. Viele betonen, dass
hr Verständnis für die Politik und Kultur des Gastlands
ertieft wurde, dass Gemeinsamkeiten entdeckt wurden,
o man sie nicht vermutete, aber politische und kultu-
elle Unterschiede, wo man sie nicht erwartet hätte.
Es wird häufig und zu Recht von der Bedeutung der
erständigung zwischen Staaten bzw. Nationen und insbe-
ondere der transatlantischen Partnerschaft gesprochen.
rundlage und Grundvoraussetzung dafür sind persönliche
egegnungen zwischen den Menschen, gerade zwischen
en jungen Menschen.
Hierzu leistet das PPP seit 25 Jahren einen erheblichen
eitrag. Dieser Erfolg ist ein Grund, stolz zu sein. Ich
offe, dass dieses erfolgreiche Programm von Bundestag
nd US-Kongress auch weitere 25 Jahre Bestand hat.
Als für die internationalen Austauschprogramme zu-
tändiges Mitglied der Inneren Kommission weiß ich,
ie viel Arbeit und Sorgfalt hinter dem PPP stecken,
nd danke an dieser Stelle den zuständigen Mitarbeite-
innen und Mitarbeitern in der Bundestagsverwaltung
ehr herzlich für ihren Einsatz und ihr Engagement.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24967
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Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
25 Jahre Parlamentarisches Patenschafts-Programm,
PPP, das ist allein aufgrund des Zeitraums eine echte Er-
folgsstory. Zu jeder dieser Erfolgsgeschichten gehören
Menschen mit Initiative, Engagement und manchmal un-
glaublichem Einsatzwillen. Nicht alle von ihnen stehen
im Rampenlicht und deshalb will ich zuerst den Mitar-
beitern und Mitarbeiterinnen des Referates WI 4, Inter-
nationale Austauschprogramme, danken. Stellvertretend
für alle anderen geht mein Dank an den Kollegen
Börnsen und sein unermüdliches Engagement.
Seit nunmehr einem Vierteljahrhundert schreiben wir
mit diesem Austauschprogramm erfolgreich Geschichte.
Jedes Jahr wird damit Hunderten von Schülerinnen und
Schülern sowie jungen Berufstätigen ermöglicht, als Bot-
schafterinnen und Botschafter unseres Landes die Verei-
nigten Staaten kennenzulernen. Dabei stand von Anfang
an neben dem Leitgedanken der politischen und kulturel-
len Zusammenarbeit auch der kritische Austausch im
Vordergrund.
Ein junger Teilnehmer unseres Landes brachte seine
Erfahrungen in den USA in bemerkenswerter Weise auf
den Punkt:
Ich habe nicht nur die USA gründlich kennenlernen
können. Vieles von dem, was ich bisher über dieses
Land gedacht habe, hat sich für mich relativiert, im
Positiven wie im Negativen. Aber auch meine Ein-
stellung gegenüber meinem eigenen Land hat sich
nachhaltig verändert. Manches von dem, was ich in
Deutschland als negativ angesehen habe, empfinde
ich heute nicht mehr als so schlimm. Auf der ande-
ren Seite bin ich heute auch auf eine Reihe von Din-
gen in Deutschland stolz, dir mir zum Teil vorher
überhaupt nicht wichtig waren.
Die Möglichkeit, im Zeitraum eines Jahres auch die
Perspektive des jeweils anderen einzunehmen, ist eine
der grundlegenden Voraussetzungen für Toleranz und
Akzeptanz. In diesem Sinne erfüllt dieses Paten-
schaftsprogramm für die Fraktion Die Linke im Rahmen
der Völkerverständigung ein wichtiges Anliegen. Hier
wird auf Grundlage eines Jugendaustausches das erleb-
bar gemacht, was wir uns als Partei in der großen Politik
dauerhaft und zukünftig wünschen: den Gedanken des
Friedens und des friedlichen Zusammenlebens aller Völ-
ker in die Welt hinauszutragen und Gehör zu finden.
Dass dies machbar und möglich ist, zeigt uns ein wei-
terer Blick in die Geschichte. Als Saarländer weiß ich
sehr wohl, in welch unversöhnlicher Weise sich Jahrhun-
derte lang Deutsche und Franzosen an ihrer gemeinsa-
men Grenze gegenüberstanden. Die Kriege verwüsteten
nicht nur das Land, sondern fraßen sich auch tief in die
Seele. Erbfeindschaft nannte man das besondere Verhält-
nis zu den Menschen jenseits der Grenze. Erst mit dem
deutsch-französischen Jugendaustausch trat an Stelle
ewiger Feindschaft die Bereitschaft, durch den gegensei-
tigen Besuch Ressentiments und Missverständnisse zu
überwinden. Wer heute die kulturelle und insbesondere
die kulinarische Bereicherung durch unsere französi-
schen Nachbarn entlang einer offenen Grenze erleben
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arf, der kann und muss für solche Formen der Völker-
erständigung dankbar sein.
Diese Entwicklung zeigt uns, dass eine Freundschaft
elbst über lange und tiefe Gräben hinweg möglich ist
nd uns einen Schritt näher auf dem Weg hin zu einer
riedlichen und internationalen Zusammenarbeit bringen
ann.
Auch die Andeutung eines verstärkten Engagements
er Vereinigten Staaten in unserem Patenschaftspro-
ramm offenbart neue Motivationen, die Zusammenar-
eit unserer beiden Länder zu vertiefen. Dieser Umstand
rmutigt mich und meine Fraktion, dieses Austauschpro-
ramm weiterhin tatkräftig zu unterstützen, damit es
uch in Zukunft Jugendlichen beider Länder ermöglicht
erden kann, sich kennenzulernen, und daraus die Basis
eschaffen wird, friedlich und in Freundschaft miteinan-
er zu leben.
Um dieses Fundament zu stärken, sind Programme
ie das Parlamentarische Patenschafts-Programm und
eren Konstanz unerlässlich. Auf diese Weise können
ir den jungen Botschafterinnen und Botschaftern die
öglichkeit geben, ihre Vorstellung von einem globalen
nd friedlichen Miteinander umzusetzen. Oder um es
it dem Worten des französischen Schriftstellers Henri
arbusse zu sagen: „Die Welt wird das sein, was ihr aus
hr machen wollt.“
Anna Lührmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
ch kann mich noch gut an die Gefühle erinnern – im
lugzeug auf dem Weg zu meinem Austauschjahr mit
em Parlamentarischen Patenschafts-Programm nach
yracuse, New York, im August 1999. Da war Vorfreude
auf die vielen interessanten Begegnungen und Einblicke
n eine neue Kultur; Abschiedsschmerz – von meinen
reunden und meiner Familie in Deutschland; Hoffnung –
uf eine nette und herzliche Gastfamilie; und natürlich
uch ein klein wenig Angst vor der Herausforderung, al-
eine ein Jahr in der Fremde zu verbringen. Würde ich
irklich damit zurechtkommen?
Nach einem Jahr bin ich voller positiver Erfahrungen
ach Deutschland zurückgekehrt. Eine amerikanische
amilie hat ihr Haus und Herz für mich geöffnet und
urde zu meinem neuen Zuhause. Natürlich gab es auch
inige Durststrecken, kulturelle Missverständnisse und
rgernisse. Aber im Großen und Ganzen habe ich durch
ieses Austauschjahr ein großes Vertrauen in meine Mit-
enschen gewonnen – egal aus welchem Kulturkreis.
erzlichkeit, Menschlichkeit und Freundschaft gibt es
berall auf der Welt. Der Sprung ins kalte Wasser ist mit
iner Erweiterung meines Horizontes belohnt worden.
ür mich war es eine sehr wertvolle Erfahrung, im eigenen
lltag zu erleben, was es bedeutet, in der Minderheit und
amit „anders“ zu sein. In einem Jahr in einer fremden
ultur konnte ich diese wirklich kennenlernen – ihre Re-
eln, ihre Geschichte und Traditionen. Dadurch konnte
ch viele amerikanische Eigenarten verstehen, die an der
berfläche seltsam erscheinen. Daraus ist nicht nur Tole-
anz erwachsen, sondern vielmehr ein tiefer Respekt für
ndere Kulturen und Religionen.
24968 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
18 500 junge Deutsche und Amerikaner haben ähnliche
Erfahrungen gemacht. Wahrscheinlich würden wir in ei-
ner friedlicheren und respektvolleren Welt leben, wenn
mehr Menschen ein Jahr im Ausland verbringen würden.
Denn wer sich kennt, kann sich nicht aufgrund von Vor-
urteilen hassen.
Das PPP im Speziellen leistet darüber hinaus einen
wertvollen Beitrag zu den transatlantischen Beziehungen.
Als Abgeordnete habe ich mehrfach an offiziellen Dele-
gationsreisen in die USA teilgenommen. Durch mein
Austauschjahr konnte ich bei diesen Gelegenheiten in
besonderer Art und Weise zum transatlantischen Dialog
beitragen. Daher wünsche ich dem PPP mindestens 25 wei-
tere Jahre erfolgreichen Austauschs! Ich appelliere an
alle Beteiligten und Verantwortlichen in Deutschland und
den USA, weiterhin möglichst vielen jungen Menschen
die eine Teilnahme am PPP zu ermöglichen. Besonders
bedanken möchte ich mich bei den Gastfamilien und all
den anderen Freiwilligen, die durch ihr ehrenamtliches
Engagement bei der Betreuung der Austauschschüler das
PPP erst möglich machen. Danke!
Anlage 19
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der
zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgeset-
zes nach der Föderalismusreform (Entwurf
der Fraktionen der CDU/ CSU und der
SPD)
– Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung
der zivilrechtlichen Vorschriften des Heim-
gesetzes nach der Föderalismusreform (Ent-
wurf der Bundesregierung)
– Beschlussempfehlung und Bericht: Betreu-
tes Wohnen für ältere Menschen – Qualitäts-
kriterium Nutzerorientierung
(Tagesordnungspunkt 39 a und b)
Sibylle Laurischk (FDP): Mit dem WBVG wird ein
bundeseinheitliches zivilrechtliches Vertragsrecht ge-
schaffen. Es gilt für Verträge, in denen die Überlassung
von Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen
verknüpft ist. Das vorliegende Gesetz regelt somit die
Bereiche der §§ 5 bis 9 und § 14 des alten Heimgesetzes,
deren Neuregelung gemäß der durch die Föderalismusre-
form veränderten Gesetzgebungszuständigkeiten von
Bund und Ländern erforderlich geworden ist. Der Bund
regelt nun den zivilrechtlichen Teil der Verträge zwi-
schen Einrichtungen und Bewohnern, die Länder dage-
gen sind für den öffentlich-rechtlichen Teil zuständig.
Der Gesetzeswirrwarr über den Anwendungsbereich
und die Weitergeltung des Bundesheimgesetzes wird da-
mit beendet. Ich möchte an dieser Stelle, wie bereits in
meiner ersten Rede, nicht verhehlen, dass die FDP den
Übergang von Teilen des alten Heimrechts auf die Län-
der für einen Fehler hält. Besonders unverständlich
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leibt für mich, dass ja im Jahre 1974 das Heimgesetz
uf Anregung der Bundesländer geschaffen und als ent-
cheidender Schritt begrüßt wurde, die weithin zersplit-
erten landesrechtlichen Zuständigkeiten für Heime
rundsätzlich und bundeseinheitlich zum Schutz der Be-
ohner zu sichern. Nun fallen wir wieder auf die Situa-
ion von vor 1974 zurück. Ich finde diese Entwicklung
ehr bedauerlich. Ich kenne allerdings fraktionsübergrei-
end auch keinen Fachmann, der dies nicht genauso
ieht. Wie weitreichend die Folgen sein werden, ist im-
er noch nicht absehbar werden. Besonders Befürchtun-
en wegen der drohenden Absenkung der Fachkraft-
uote scheinen berechtigt, da einzelne Bundesländer
ies bereits thematisiert haben.
Die Berichterstatter sind sich bei der Zieldefinition
eitgehend einig. Die einzige Frage ist, ob der Gesetzes-
ortlaut hinreichend ist, dieses Ziel auch umzusetzen.
Mich erfüllt es immer noch mit Sorge, die diese Ziel-
etzung nur teilweise erreicht sein könnte, da die ver-
endeten Rechtsbegriffe u. U. zu unbestimmt sind. Zwar
inden sich in der Gesetzesbegründung Erläuterungen
er Begriffe, dies könnte sich aber als nicht ausreichend
erausstellen. Einige Änderungsanregungen aus den
eihen der Sachverständigen wurden sehr ernst genom-
en und umgesetzt. Wir begrüßen daher den vorgeleg-
en Änderungsantrag zum Gesetz und haben diesem
benfalls zugestimmt. Herr Grübel hat ja gestern in den
usschussberatungen nochmals darauf hingewiesen,
ass das Gesetz gegebenenfalls geändert werden müsse,
ollte sich herausstellen, dass das politische Ziel, wel-
hes wir hiermit verfolgen, durch die Formulierung nicht
rreicht wird.
Uns Liberalen ist es ein besonderes Anliegen, dass
erade bei der Definition des Anwendungsbereichs des
euen Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes sicherge-
tellt ist, dass Vorkommnisse, wie die behördliche Ein-
tufung einer Alten-WG als Heim, endgültig der Vergan-
enheit angehören.
Wir hätten uns daher einen Beratungsverlauf ge-
ünscht, der nicht derartig kurzfristig vor dem Ende Le-
islaturperiode beginnt. Insbesondere wenn man die gra-
ierenden Unterschiede zwischen Referentenentwurf
nd Gesetzesentwurf betrachtet, ist das Vorgehen der
undesregierung zumindest als unglücklich zu bezeich-
en.
Aufgrund des demografischen Wandels ist damit zu
echen, dass die Zahl der Wohnraumplätze, für die das
BVG gilt, in den nächsten Jahren kontinuierlich steigt.
mso wichtiger ist es, dass das Gesetz tatsächlich die
ratwanderung zwischen berechtigtem und notwendi-
en Bewohnerschutz und unnützer Bürokratie bewältigt.
Dass Menschen mit einem Unterstützungsbedarf auch
hne Heime zurechtkommen können, zeigt Schweden,
nd wer sich für solche Modelle entscheidet, darf nicht
er staatlichen Gängelung unterliegen. In Schweden gibt
s vielfältige Unterstützungsangebote, die den betroffe-
en Bürgern ein „normales“ Leben im Rahmen ihrer
erhältnisse ermöglichten. Ich will nicht bestreiten, dass
ch auch diesen Weg für schwierig halte, aber die Ten-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24969
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denz entspricht dem, was die FDP will: Vorfahrt für am-
bulante Versorgung!
Zu dem Antrag der Grünen ist gerade vor diesem Hin-
tergrund zu sagen, dass wir ihn ablehnen müssen. Natür-
lich unterstützen wir als FDP neue Wohnformen und Sie
haben auch Recht, dass wir in diesem Bereich neue
Maßstäbe finden müssen. Aber Ihr Ansatz unterscheidet
sich in einigen Fragen sehr von unserer liberalen Auffas-
sung. Sie fordern einen ausgeweiteten und umfassenden
Rechtsanspruch auf Wohn- und Pflegeberatung. Diese
von der FDP abgelehnte Entwicklung wurde mit dem
Pflegeweiterentwicklungsgesetz geschaffen und soll mit
dem vorliegenden Antrag, der sich im Punkt 3 a für eine
Erweiterung dieses Rechtsanspruchs ausspricht, weiter
ausgebaut werden. Dies ist umso erstaunlicher, da es
über die Anzahl rekrutierter und geschulter Pflegeberater
bisher gar keine Angaben gibt. Der GKV-Spitzenver-
band der Pflegekassen muss dem Bundesministerium für
Gesundheit bis zum 30. Juni 2011 einen Bericht über die
Erfahrungen mit der Pflegeberatung vorlegen. Sie wol-
len ein neu geschaffenes Instrument – welches die FDP
sowieso in der jetzigen Form für nicht sinnvoll hält –
schon verschärfen bevor Sie seine Wirkung kennen. Ich
halte dies für nicht nachvollziehbar.
Wie Sie wissen, haben wir als FDP gegen das Pflege-
weiterentwicklungsgesetz heftige Einwände. Das Gesetz
macht den Pflegeberater als Mitarbeiter der Pflegekassen
zu einem Beratungsmonopolisten, der darüber entschei-
det, bei welchem Anbieter der von ihm aufgestellte Ver-
sorgungsplan umgesetzt werden soll. Über die Pflege-
kassen nimmt der Staat somit Einfluss auf die
Marktchancen der vor Ort vorhandenen Leistungsanbie-
ter und schafft damit den Einstieg in die planwirtschaftli-
che Staatspflege.
Diese Tendenz lehnen wir ab. Wir wollen möglichst
viel eigenverantwortliches Handeln gerade auch von Se-
nioren. Dabei sind sie zu unterstützen, auch mit klaren
gesetzlichen Regelungen!
Anlage 20
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 858. Sitzung am 15. Mai
2009 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu-
stimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2
des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Gesetz zur Ergänzung behördlicher Aufgaben
und Kompetenzen im Bereich des wirtschaftli-
chen Verbraucherschutzes
– Gesetz zur Änderung des Direktzahlungen-Ver-
pflichtungengesetzes und des Düngegesetzes
– Drittes Gesetz zur Änderung des Opferentschädi-
gungsgesetzes
– Drittes Gesetz zur Änderung des Zivildienstgeset-
zes und anderer Gesetze (Drittes Zivildienstge-
setzänderungsgesetz)
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Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum be-
günstigten Flächenerwerb nach § 3 des Aus-
gleichsleistungsgesetzes und der Flächenerwerbs-
verordnung (Flächenerwerbsänderungsgesetz –
FlErwÄndG)
Gesetz zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen
Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zah-
lungsdiensteumsetzungsgesetz)
Gesetz zur Aufhebung der Freihäfen Emden und
Kiel
Gesetz zur Anordnung des Zensus 2011 sowie zur
Änderung von Statistikgesetzen
Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung –
Erweiterung des Beschlagnahmeschutzes bei Ab-
geordneten
… Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches –
Anhebung der Höchstgrenze des Tagessatzes bei
Geldstrafen
Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwer-
bung und zur Verbesserung des Verbraucher-
schutzes bei besonderen Vertriebsformen
Gesetz zur Neuregelung des notariellen Diszipli-
narrechts
Gesetz zu dem Haager Übereinkommen vom
19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das an-
zuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstre-
ckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der
elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen
zum Schutz von Kindern
Gesetz zur Änderung des Internationalen Fami-
lienrechtsverfahrensgesetzes
Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Inter-
nationalen Privatrechts an die Verordnung (EG)
Nummer 593/2008
Gesetz zur Anpassung eisenbahnrechtlicher Vor-
schriften an die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007
des Europäischen Parlaments und des Rates vom
23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten
der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr
Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes
Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im pa-
tentanwaltlichen Berufsrecht
Gesetz zur Neuregelung der abfallrechtlichen
Produktverantwortung für Batterien und Akku-
mulatoren
Zweites Gesetz zur Änderung des Gefahrgutbe-
förderungsgesetzes
Gesetz zu dem Zweiten Protokoll vom 26. März
1999 zur Haager Konvention vom 14. Mai 1954
24970 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) )
(B) )
zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Kon-
flikten
– Gesetz zu dem Abkommen vom 8. Oktober 2008
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Indien über Sozialversicherung
– Gesetz zu dem Stabilisierungs- und Assoziie-
rungsabkommen zwischen den Europäischen Ge-
meinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits
und der Republik Montenegro andererseits
– Gesetz zu dem Stabilisierungs- und Assoziie-
rungsabkommen zwischen den Europäischen Ge-
meinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits
und Bosnien und Herzegowina andererseits
– Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Juli 2008 zwi-
schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung von Jersey über den Aus-
kunftsaustausch in Steuersachen
– Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Juli 2008 zwi-
schen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Regierung von Jersey über die
Zusammenarbeit in Steuersachen und die Vermei-
dung der Doppelbesteuerung bei bestimmten Ein-
künften
– Gesetz zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 2008
über Streumunition
– Zweites Gesetz zur Änderung des Tierschutzge-
setzes
Der Bundesrat hat ferner beschlossen, die folgende
Entschließung zu fassen:
Der Bundesrat hatte schon am 7. April 2006 (Bundes-
ratsdrucksache 119/06 – Beschluss –), zuletzt am 9. No-
vember 2007 (Bundesratsdrucksache 660/07 – Beschluss –),
die Bundesregierung gebeten, schnellstmöglich ein obli-
gatorisches Prüf- und Zulassungsverfahren für Legehen-
nenhaltungssysteme zu entwickeln und einzuführen. Die
Erforderlichkeit speziell für diese Tierart folgt aus der
Komplexität von Haltungseinrichtungen für Legehen-
nen: Die Regelung soll eine verhaltensgerechte Unter-
bringung und Versorgung der Tiere in für Legehennen
bestimmten Haltungssystemen gewährleisten, die zu den
vergleichsweise komplexesten technischen Einrichtun-
gen für Nutztiere gehören. Im Übrigen ist es notwendig,
Erfahrungen bei der Umsetzung des Prüf- und Zulas-
sungsverfahrens zu sammeln.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, dass
eine auf Grundlage des Gesetzes basierende Rechtsver-
ordnung zunächst ausschließlich Legehennen erfasst.
– Gesetz über genetische Untersuchungen bei Men-
schen (Gendiagnostikgesetz – GenDG)
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
1. Der Bundesrat stellt fest, dass der umfassende Be-
reich des Umgangs mit genetischen Proben und Daten
zu Forschungszwecken nach § 2 Absatz 2 Nummer 1
von den Regelungen des Gendiagnostikgesetzes ex-
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plizit ausgenommen wird und vertritt die Auffassung,
dass dies in einem eigenen Gesetz (z. B. in einem
„Forschungsrahmengesetz“) zu regeln ist. Die Bun-
desregierung wird daher gebeten, Regelungen zu dem
Bereich „genetisch-medizinische Untersuchungen zu
Forschungszwecken“ in einer gesonderten Rechtsvor-
schrift vorzunehmen.
Begründung:
Es erscheint nicht angemessen, keine speziellen recht-
lichen Regelungen für den Umgang mit genetischen
Proben und Daten zu Forschungszwecken zu treffen,
angesichts der immer noch wachsenden Bedeutung
von genetisch-medizinischer Forschung und der Zu-
nahme der Zahl von Biobanken, die Proben sowie
umfangreiche medizinisch-diagnostische Daten auch
aus genetischen Untersuchungen vorhalten.
. Der Bundesrat bedauert, dass seine Empfehlung zur
Aufnahme von Regelungen im Rahmen der Durch-
führung des Neugeborenenscreenings (vgl. Bundes-
ratsdrucksache 633/08 (Beschluss), Ziffer 11) im vor-
liegenden Gesetzesbeschluss keine Berücksichtigung
gefunden hat. Die Bundesregierung wird daher gebe-
ten, auf Grundlage der Erfahrungen der beteiligten
Stellen bis Ende 2010 einen Bericht vorzulegen, in
dem insbesondere dargelegt wird, welche Folgen die
geänderte Rechtslage auf die Durchführung des Neu-
geborenenscreenings für Hebammen, Kinderärzte und
Fachärzte für Humangenetik in der Praxis hat und ob
sich die Beteiligung von Neugeborenen am Screening
durch die geänderte Rechtslage geändert hat.
Begründung:
Das Neugeborenenscreening dient der Früherkennung
von bestimmten angeborenen Stoffwechselerkrankun-
gen und endokrinen Störungen bei Neugeborenen, die
die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder
in erheblichem Maße beeinträchtigen. Durch das
Screening soll bei Vorliegen eines positiven Befundes
eine unverzügliche Therapieeinleitung mit dem Ziel
ermöglicht werden, körperliche und geistige Fehlent-
wicklung der Kinder zu verhindern oder zu lindern.
Hebammen und Entbindungspfleger sind berechtigt,
u. a. die Gebärenden in eigener Verantwortung zu be-
treuen und die Normalgeburt zu leiten. Ärztinnen und
Ärzte sind somit nicht zwingend bei einer Geburt an-
wesend.
Zu den Tätigkeiten einer Hebamme oder eines Ent-
bindungspflegers zählen auch, Neugeborene im erfor-
derlichen Umfang zu untersuchen und zu überwachen
(§§ 4 und 5 HebG). Landesrechtliche Regelungen
über die Berufspflichten der Hebammen und Entbin-
dungspfleger bestimmen, dass auch Prophylaxemaß-
nahmen und Blutentnahmen für Screeninguntersu-
chungen zu ihren Aufgaben gehören.
Nach den Kinder-Richtlinien liegt die Verantwortung
für die Durchführung des Screenings ebenfalls nicht
ausschließlich bei einem Arzt oder einer Ärztin, son-
dern „bei dem Leistungserbringer, der die Geburt des
Kindes verantwortlich geleitet hat“ (Anlage 2, § 7
Absatz 1 Satz 1); dieser Leistungserbringer bzw. diese
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009 24971
(A) )
(B) )
Person kann also auch eine Hebamme oder ein Ent-
bindungspfleger sein.
Da auch Hebammen und Entbindungspfleger für die
Durchführung des Neugeborenenscreenings mit Aus-
nahme der genetischen Analyse und der genetischen
Beratung verantwortlich sind, werden zur Zeit nahezu
alle Neugeborenen vom Screening erfasst. Durch den
im Gesetzesbeschluss vorgesehenen Arztvorbehalt
würde die hohe Screeningrate ohne Not gesenkt, da
Eltern darauf verzichten werden, bei ihrem Neugebo-
renen am dritten Lebenstag das Neugeborenenscree-
ning durchführen zu lassen, wenn sie hierfür aktiv
eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen müssen. Damit
würde aber das gesundheitspolitische Ziel einer voll-
ständigen und frühzeitigen Erkennung als auch einer
frühzeitigen Therapie aller Neugeborenen nicht er-
reicht.
– Erstes Gesetz zur Änderung des Artikel-10-Gesetzes
Der Bundesrat hat ferner folgende Entschließung ge-
fasst:
Der Bundesrat bittet, das Artikel-10-Gesetz bei der
nächsten Novellierung insoweit zu ergänzen, als in § 2
Absatz 2 Satz 3 eine eigenständige Zustimmungsrege-
lung für die nach § 10 zuständigen obersten Landesbe-
hörden aufgenommen wird.
Begründung:
Da G-10-Maßnahmen auch von den Ländern durch-
geführt werden, ist für diese eine eigenständige Zustim-
mungsregelung erforderlich.
– Erstes Gesetz zur Änderung des Telekommunika-
tionsgesetzes und des Gesetzes über die elektro-
magnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in § 57
TKG eine Regelung aufzunehmen, nach der Rundfunk-
veranstalter im analogen Frequenzbereich einen Netzbe-
treiber frei wählen können.
Nach derzeitiger Rechtslage wählt die Bundesnetz-
agentur den Sendernetzbetreiber aus. Der Rundfunkver-
anstalter ist gezwungen, mit diesem Sendernetzbetreiber
einen Vertrag über die Ausstrahlung seines Programms
zu schließen.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Rundfunk-
veranstalter den für ihn wirtschaftlichsten Sendernetzbe-
treiber selbst auswählen sollte. Denn anders als bei digi-
taler Frequenznutzung mit in der Regel einer Mehrzahl
von Veranstaltern sollte dies bei analoger Frequenznut-
zung möglich sein, da hier dem Netzbetreiber nur ein
Veranstalter gegenübersteht.
Wenn die zuständige Landesbehörde die inhaltliche
Belegung einer analogen Frequenznutzung zur Übertra-
gung von Rundfunk im Zuständigkeitsbereich der Länder
einem Veranstalter zugewiesen hat, sollte derjenige An-
tragsteller die Frequenzzuteilung erhalten, der mit diesem
Veranstalter eine entsprechende vertragliche Vereinba-
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ung zur Abstrahlung abschließt. Die Frequenzzuteilung
ollte auf die Dauer der rundfunkrechtlichen Zuweisung
er zuständigen Landesbehörde befristet werden und bei
ortdauer der Zuweisung verlängert werden können.
Der Bundesrat sieht in dieser Regelung eine deutliche
erfahrensvereinfachung und -beschleunigung, da Rund-
unkveranstalter die ihnen medienrechtlich zugewiese-
en UKW-Frequenzen künftig schneller als bisher nut-
en können.
Die Abgeordneten Katharina Landgraf, Eckhardt
ehberg, Christine Scheel und Marcus Weinberg haben
arum gebeten, bei dem Entwurf eines Gesetzes zur
erankerung der Patientenverfügung im Betreu-
ngsrecht (Patientenverfügungsgesetz – PatVerfG)
uf Drucksache 16/11360 nachträglich in die Liste der
ntragsteller aufgenommen zu werden.
Der Abgeordnete Dr. Konrad Schily hat darum gebe-
en, bei dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände-
ung des Betreuungsrechts auf Drucksache 16/8442
achträglich in die Liste der Antragsteller aufgenommen
u werden.
Die Abgeordnete Christine Scheel hat mitgeteilt, dass
ie ihre Unterschrift auf dem Entwurf eines Dritten Ge-
etzes zur Änderung des Betreuungsrechts auf Druck-
ache 16/8442 zurückzieht.
Der Abgeordnete Dr. Konrad Schily hat mitgeteilt,
ass er seine Unterschrift auf dem Entwurf eines Gesetzes
ur Klarstellung der Verbindlichkeit von Patienten-
erfügungen (Patientenverfügungsverbindlichkeits-
esetz – PVVG) auf Drucksache 16/11493 zurückzieht.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
nsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
eratung abgesehen hat.
Auswärtiger Ausschuss
Drucksache 16/12778 Nr. A.1
Ratsdokument EuB-BReg 21/2009
Drucksache 16/12778 Nr. A.2
Ratsdokument EuB-BReg 22/2009
Drucksache 16/12778 Nr. A.6
Ratsdokument EuB-BReg 26/2009
Drucksache 16/12778 Nr. A.7
Ratsdokument EuB-BReg 27/2009
Drucksache 16/12778 Nr. A.9
Ratsdokument EuB-BReg 29/2009
Innenausschuss
Drucksache 16/901 Nr. 1.8
EuB-EP 1293
Drucksache 16/2555 Nr. 1.41
EuB-EP 1385
Drucksache 16/5199 Nr. 1.2
EuB-EP 1464; P6 TA-PROV(2007)0032
Drucksache 16/10286 Nr. A.7
EuB-EP 1731; P6_TA-PROV(2008)0230
Drucksache 16/10286 Nr. A. 12
Ratsdokument 12213/08
Drucksache 16/11517 Nr. A.l
EuB-EP 1814; P6_TA-PROV(2008)0512
Drucksache 16/11721 Nr. A.3
24972 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
(A) (C)EuB-EP 1826; P6_TA-PROV(2008)0561
Drucksache 16/11721 Nr. A.4
Ratsdokument 16913/08
Drucksache 16/11721 Nr. A.5
Ratsdokument 16929/08
Drucksache 16/11721 Nr. A.6
Ratsdokument 16934/08
Drucksache 16/12369 Nr. A.4
Ratsdokument 5780/09
Drucksache 16/12369 Nr. A.5
Ratsdokument 6700/09
Drucksache 16/12369 Nr. A.6
Ratsdokument 6702/09
Drucksache 16/12778 Nr. A.11
EuB-EP 1873; P6_TA-PROV(2009)0047
Drucksache 16/12778 Nr.A.12
EuB-EP 18S7; P6_TA-PROV(2009)0073
Rechtsausschuss
Drucksache 16/9538 Nr. A.3
Ratsdokument 8957/08
Drucksache 16/11132 Nr. A.2
EuB-EP 1604; P6_TA-PROV(2008)0469
Drucksache 16/11965 Nr. A.5
Ratsdokument 5147/09
Drucksache 16/12188 Nr. A.4
Ratsdokument 5155/09
Drucksache 16/12188 Nr. A.5
Ratsdokument 5208/09
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz
Drucksache 16/11965 Nr. A.l0
Ratsdokument 5401/09
Drucksache 16/12188 Nr. A.15
Ratsdokument 5538/09
Drucksache 16/12188 Nr. A.l8
Ratsdokument 6066/09
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Drucksache 16/12778 Nr. A.l7
Ratsdokument 6475/09
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Drucksache 16/12778 Nr. A.l9
Ratsdokument 7500/09
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Drucksache 16/12778 Nr. A.21
EuB-EP 1872; P6 TA-PROV (2009)0045
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung
Drucksache 16/12511 Nr. A.7
Ratsdokument 6891/09
Drucksache 16/12778 Nr. A.24
Ratsdokument 8695/09
Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union
Drucksache 16/12188 Nr. A.34
Ratsdokument 6010/09
Drucksache 16/12511 Nr. A.9
Ratsdokument 6852/09
(D
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)
91, 1
0, T
225. Sitzung
Berlin, Freitag, den 29. Mai 2009
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10
Anlage 11
Anlage 12
Anlage 13
Anlage 14
Anlage 15
Anlage 16
Anlage 17
Anlage 18
Anlage 19
Anlage 20