Rede von
Dr. h.c.
Wolfgang
Thierse
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/85 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Vereinbarte Debatte
Entwicklung des Friedensprozesses in Bosnien
und Herzegowina
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundes-
inister Franz Josef Jung das Wort.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-
ung:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Fast auf den Tag genau vor zehn Jahren, am
4. Dezember 1995, wurde das Dayton-Abkommen un-
erzeichnet. Seit diesem Zeitpunkt wird die Umsetzung
es Friedensabkommens von einer multinationalen Frie-
enstruppe abgesichert.
Wenn man diese zehn Jahre Revue passieren lässt, ist
ier, wie ich meine, eine vom Grundsatz her mehr als
ositive Entwicklung eingeleitet worden. Ich sage Ihnen
anz offen, dass ich mir in der Zeit, als der Eiserne Vor-
ang fiel, nicht vorstellen konnte, dass wir mitten in
uropa wieder Massenvergewaltigungen und Massen-
ertreibungen bis hin zu bürgerkriegsähnlichen Aus-
inandersetzungen haben würden. Man kann also froh
arüber sein, dass diese Entwicklung zu einer Stabilisie-
ung der Situation im Balkan geführt hat.
626 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005
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Bundesminister Dr. Franz Josef Jung
Die multinationale Friedenstruppe gewährleistet den
Rahmen für den Prozess der politischen Normalisierung
und den gesellschaftlichen Wiederaufbau des Landes.
Nach der erfolgreichen Beendigung der unter NATO-
Führung stehenden Operation SFOR hat die Europäische
Union vor einem Jahr die Verantwortung für den frie-
denssichernden Einsatz in Bosnien-Herzegowina über-
nommen. Derzeit sind rund 6 200 Soldaten aus mehr als
30 Nationen, auch aus Nicht-EU-Staaten, bei EUFOR
eingesetzt. Dazu gehören etwas mehr als 1 000 Solda-
tinnen und Soldaten der Bundeswehr.
Die Operation Althea ist die bislang größte militäri-
sche Operation im Rahmen der Europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik. Sie ist eine sinnvolle Er-
gänzung des zivilen Engagements der EU. Es bedarf
einer militärischen Komponente. Die Europäische Union
hat hier gezeigt, dass sie auch im Hinblick auf die Frie-
denssicherung im militärischen Bereich umfassend
handlungsfähig ist. Das ist im Zusammenhang mit dieser
Debatte positiv festzuhalten.
Ich glaube, die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Auch der Übergang der Verantwortung von der NATO
zur EU hat nicht zu einem Sicherheitsvakuum geführt.
Althea vermittelt der Bevölkerung in Bosnien-Herzego-
wina das gleiche Gefühl von Sicherheit wie die vorheri-
gen Operationen IFOR und SFOR unter NATO-Füh-
rung. Diese Erfahrung zeigt, dass sich der zivil-
militärische Ansatz der EU im Bereich des Krisenma-
nagements bewährt hat.
Es ist festzustellen, dass in Bosnien-Herzegowina bis
heute große Fortschritte erzielt worden sind. Das Land
ist auf seinem Weg zu einem stabilen und lebensfähigen
multiethnischen Staat weit vorangekommen. Die Emp-
fehlung der EU-Kommission für den Beginn von Ver-
handlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungs-
abkommen ist der jüngste Beweis dafür.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke,
Sie stimmen mir zu, wenn ich sage, dass mit der Ent-
scheidung für den neuen Repräsentanten in Person un-
seres ehemaligen Kollegen Dr. Christian Schwarz-
Schilling eine gute Entscheidung getroffen worden ist,
die diesen Prozess positiv unterstützt.
Meine Damen und Herren, auch die Einigung der bos-
nischen Teilrepubliken und des Zentralparlamentes auf
gesamtbosnische Verteidigungsstrukturen ist ein Meilen-
stein auf dem Weg des Landes in die euroatlantischen
Strukturen. Dort rechnet man mit einer baldigen Einla-
dung zum Partnership-for-Peace-Programm der NATO.
Ich habe meinem bosnischen Amtskollegen bei sei-
nem Besuch vor zwei Wochen in Berlin deutlich ge-
macht, dass Bosnien-Herzegowina den Prozess seiner
Westintegration ein Stück weit selbst bestimmt. Denn
vom Erfolg der Fortschritte bei der Stabilisierung und
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Es kommt darauf an, die eingeleiteten Reformen posi-
iv weiterzuentwickeln. Die bisherige positive Entwick-
ung wäre aber ohne die Unterstützung durch die interna-
ionale Gemeinschaft und die militärische Absicherung
es Friedensprozesses nicht möglich gewesen. Deshalb
öchte ich bei dieser Gelegenheit all unseren Soldatin-
en und Soldaten, die dort im Einsatz waren und noch
ind, herzlich für ihren Einsatz für die Friedenssicherung
nd die Stabilisierung dieses Landes danken. Sie leisten
inen großartigen Beitrag, der Anerkennung findet. Des-
alb möchte ich ihnen von hier aus meinen Dank aus-
prechen.
Zur Fortsetzung des begonnenen Prozesses bleibt die
nterstützung durch die internationale Staatengemein-
chaft und die Fortführung der militärischen Sicherheits-
räsenz weiterhin notwendig; denn trotz der erzielten Er-
olge gibt es derzeit noch keine dauerhafte, sich selbst
ragende Stabilität in Bosnien-Herzegowina. Auch aus
iesem Grund müssen wir dort weiterhin unseren Bei-
rag leisten.
Wir können aber zuversichtlich sein, dass sich bei ei-
er weiterhin positiven Entwicklung des Landes mittel-
ristig Perspektiven für die Reduzierung der internatio-
alen Streitkräftepräsenz ergeben. Derzeit ist es aber
och notwendig – so wurde es auch gemeinsam verein-
art –, dass wir dort unseren Beitrag leisten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Deutsch-
and handelt in Solidarität mit seinen Verbündeten und
artnern auf der Grundlage der Beschlüsse des Sicher-
eitsrates der Vereinten Nationen. Deshalb ist unser En-
agement in Bosnien-Herzegowina weiterhin notwen-
ig. Es dient der Sicherheit und dem Wohl der Menschen
ort, aber es dient letztlich auch der Sicherheit unseres
igenen Landes und entspricht unserer Verantwortung in
en Vereinten Nationen. Deshalb halte ich es weiterhin
ür notwendig, dass wir dort unseren Beitrag leisten. Ich
itte daher um die weitere Unterstützung des Parlamen-
es für die friedenssichernden Maßnahmen.
Besten Dank.