Rede von
Dr.
Max
Stadler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Spätestens seit der berühmten „Spiegel“-Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts ist der hohe Wert
der Pressefreiheit für unsere Demokratie eigentlich ge-
klärt.
Wer hätte gedacht, dass wir uns heute, im Jahr 2005,
noch einmal mit Gefährdungen der Pressefreiheit aus-
einander setzen müssen, die teils schon länger zurücklie-
gen, teils durchaus aktuell sind und eben in den letzten
Wochen bekannt geworden sind?
Es ging in allen Fällen um ein Grundproblem: Staatli-
che Stellen haben geltend gemacht, sie hätten das Be-
dürfnis, undichte Stellen im eigenen Apparat herauszu-
finden. Um dies zu erreichen, sind Journalisten unter
Beobachtung genommen worden, sind Redaktionsräume
durchsucht worden und ist selbst recherchiertes Material
beschlagnahmt worden. Dem muss das deutsche Parla-
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Ich bin wirklich der Meinung, dass die Vorgänge, die
m Verhältnis des Bundesnachrichtendienstes zu dem
ournalisten Schmidt-Eenboom und anderen bekannt ge-
orden sind, dem Ansehen des BND ungeheuer gescha-
et haben. Da kann man nur durch rückhaltlose Aufklä-
ung Abhilfe schaffen.
Das wird jetzt durch einen Sonderermittler, einen
hemaligen Richter des Bundesgerichtshofs, versucht.
ch bin der Überzeugung, dass das Parlamentarische
ontrollgremium dann, wenn der Bericht vorliegt – hof-
entlich möglichst bald –, geeignete Wege finden wird,
m das, was nicht geheimdienstrelevant und nicht ge-
eimhaltungsbedürftig ist, der Öffentlichkeit zugänglich
u machen.
Wir warten auch darauf, dass uns der Sonderermittler
inweise zu der Frage gibt, ob es erforderlich ist, das
ND-Gesetz zu ändern. Es fällt auf, dass hier eine
chwachstelle in rechtsstaatlicher Hinsicht besteht. Dem
undesnachrichtendienst ist es erlaubt, zur Eigensiche-
ung im Inland tätig zu werden. In den Fällen, über die
ir sprechen, in denen Journalisten und Publizisten ob-
erviert worden sind, war aber immer schon der Ver-
acht des Geheimnisverrates durch Mitarbeiter des BND
egeben. Also hätte rechtmäßigerweise zu einem be-
timmten Zeitpunkt die Staatsanwaltschaft eingeschaltet
erden müssen. Das ist wichtig; denn dann sind wir in
inem geordneten Verfahren nach der Strafprozessord-
ung und dann werden solche Maßnahmen richterlich
ngeordnet und überprüft.
as ist im Normalfall eine Garantie dafür, dass nicht so
ber das Ziel hinausgeschossen wird, wie das durch den
ND selbst geschehen ist.
Wir haben am Fall „Cicero“ und an vielen anderen
ällen, die der Deutsche Journalisten-Verband dokumen-
iert hat, gesehen, dass in der Rechtspraxis die bisher be-
tehenden Vorschriften des Strafrechts und des Strafpro-
essrechts leider keinen hinreichenden Schutz davor
ieten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
issachtet wird. Das geschieht leider. Daher hat die
DP-Fraktion eine Initiative ergriffen und eine frak-
ionsinterne Sachverständigenanhörung durchgeführt.
abei ist deutlich geworden, dass wir wahrscheinlich
ehr radikal – im Sinne von: an der Wurzel des Problems –
nsetzen müssen.
Niemand versteht, warum sich ein Journalist, der eine
hm mitgeteilte Information verwendet und veröffent-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005 623
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Dr. Max Stadler
licht, der Beihilfe zum Geheimnisverrat schuldig
macht, wenn doch der Geheimnisverrat bei den Mit-
arbeitern von Behörden liegt, die solche Informationen
unzulässigerweise herausgeben. Trotzdem existiert eine
solche Rechtsprechung. Wir werden gemeinsam überle-
gen müssen, ob wir als Gesetzgeber klarstellen, dass
diese Strafbarkeit des Verhaltens der Journalisten auszu-
schließen ist. Strafbar ist das Verhalten der Mitarbeiter
von Behörden, die gegen ihre Vorschriften handeln und
solche Informationen herausgeben. In diese Richtung
müssen wir gehen.
Wir werden darüber hinaus erörtern müssen, ob man
nicht auch in der Strafprozessordnung das Redaktions-
geheimnis klarer als bisher schützt, indem recherchier-
tes Material schlechthin beschlagnahmefrei gestellt
wird. Damit entfallen auch Durchsuchungen in Redak-
tionsräumen sowie in Arbeits- und Wohnräumen der ein-
zelnen Journalisten, wie sie, wie gesagt, nicht nur im
Fall „Cicero“, sondern leider in einer Vielzahl von Fäl-
len vorgekommen sind.
Wir sollten daher all diese Fälle zum Anlass nehmen,
nach der Weihnachtspause als Gesetzgeber initiativ zu
werden. Die FDP jedenfalls wird in Auswertung der von
uns durchgeführten Anhörung hier bald Vorschläge un-
terbreiten. Ich lade Sie ein, diesen Vorschlägen zu fol-
gen; denn sie haben das gemeinsame Ziel, einen besse-
ren Schutz des Redaktionsgeheimnisses sicherzustellen.
Vielen Dank.