Rede von
Volker
Beck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
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Ich glaube, wir müssen unseren amerikanischen
Freunden deutlich sagen, dass der Kampf gegen den Ter-
ror nicht gewonnen werden kann, wenn wir beim Kampf
gegen den Terror nicht Rechtsstaatlichkeit und Men-
schenrechtsschutz zu seiner Grundlage machen.
Wir zerstören die Glaubwürdigkeit und wir bestätigen
die Vorurteile in dem kulturellen Raum, aus dem sich die
Terroristen zum großen Teil rekrutieren.
Deshalb appelliere ich an die amerikanische Regie-
rung: Lassen Sie davon ab! Machen Sie Schluss mit
Guantanamo! Stellen Sie bedingungslos ab, dass ameri-
kanische Behörden direkt oder indirekt Folter zu verant-
worten haben! Nur so können wir die Menschen über-
zeugen, dass Terrorismus der falsche Weg ist und
Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie
unser gemeinsames Anliegen sein müssen.
Bei Menschenrechtsverletzungen darf man nicht weg-
schauen. Man muss handeln. Das gilt im Sudan; das gilt
bei CIA-Gefängnissen. Da darf man nicht mit unter-
schiedlichen Maßen messen; damit muss man sich aus-
einander setzen.
Ich will aber eines ganz klar sagen: Bei einer Koope-
ration im Bereich der Sicherheitspolitik zur Vermeidung
von Anschlägen in unserem Land oder anderswo kom-
men wir selbstverständlich auch nicht um eine Koopera-
tion mit Sicherheitsdiensten, Geheimdiensten oder der
Polizei aus Ländern herum, die sich bislang nicht an un-
sere Standards halten. Entscheidend ist natürlich, dass
wir, wenn wir Informationen bekommen, sie zur Vermei-
dung eines Anschlags nutzen müssen. Kein Mensch
würde es verstehen, wenn wir das anders machten.
Aber wir müssen eine klare Linie ziehen. Wir dürfen
nicht durch unser Verhalten den Eindruck erwecken, wir
würden bei Folter und Verschleppung wegschauen und
indirekt von deren Früchten profitieren wollen. Deshalb
ist es falsch, wenn deutsche Polizisten in Gefängnissen
Menschen vernehmen oder anhören, von denen sie wis-
sen, dass in ihnen gefoltert wird. Im Fall Zammar ist
eine rote Linie überschritten worden. Das muss abge-
stellt werden.
Wir müssen im Bundestag noch eine intensive De-
batte darüber führen, wo im Sicherheitsbereich die Gren-
zen der Kooperation mit solch problematischen Staaten
sind. Diese Debatte kann nicht naiv geführt werden. Es
muss aber eine klare ethische Grundorientierung in die-
sem Bereich geben. Ansonsten verlieren wir unsere
Glaubwürdigkeit als menschenrechtsorientiertes Land.
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Zur Glaubwürdigkeit gehört selbstverständlich auch,
ass wir das Zusatzprotokoll zum UN-Antifolterab-
ommen unterzeichnen. Hier kann ich nur an Sie appel-
ieren.
Nein, bislang scheiterte das am Widerstand einiger
nionsgeführter Bundesländer. Ich sage gar nicht, dass
s an der Unionsfraktion liegt. Aber sorgen Sie dafür,
ass diese Landesregierungen ihren Widerstand aufge-
en, damit wir als Bundesrepublik Deutschland in die-
em Bereich glaubwürdig sind; denn glaubwürdige Men-
chenrechtspolitik beginnt, wie bereits gesagt, immer
or der eigenen Haustür.
Meine Damen und Herren, wenn ich mir Ihren Koali-
ionsvertrag zum Thema Menschenrechte anschaue, ma-
he ich mir ein bisschen Sorgen, ob es wirklich eine
ontinuität – von der vergangenen Wahlperiode in die
ukunft – in der Menschenrechtspolitik gibt.
enn mir fällt auf, was benannt wird und was fehlt. In
en lateinamerikanischen Ländern will die Koalition
apfer gegen Menschenrechtsverletzungen kämpfen.
elarus wird immerhin noch angesprochen. China
ommt schon nur noch im Zusammenhang mit dem
echtsstaatsdialog vor.
as will uns diese so in der Koalitionsvereinbarung fest-
elegte Gewichtung sagen? Was bedeutet es, wenn Men-
chenrechte für die Koalition im Zusammenhang mit der
errorismusbekämpfung offenbar kein Thema sind?
ieses Problem taucht überhaupt nicht auf. Dabei sehen
ir in diesen Tagen, welch massives Problem das ist.
arum fehlen zumindest Absichtserklärungen, interna-
ionale Menschenrechtsabkommen wie die ILO-
onvention 169 zu unterzeichnen oder endlich die Vor-
ehalte gegenüber der UN-Kinderrechtskonvention zu-
ückzunehmen? Ich wünsche mir, dass wir hier gemein-
am weiterkommen und diese Leerstellen nicht auf
auer zu Lücken in der Menschenrechtspolitik Deutsch-
ands werden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ei-
en Problemfall ansprechen, der in einem Antrag abge-
andelt wird, und zwar zum Thema Usbekistan. Auch
ier geht es um eine glaubwürdige Menschenrechtspoli-
ik unserer Regierung. Das Massaker von Andischan ist
ns allen noch präsent ebenso wie die Verweigerung ei-
er unabhängigen Untersuchung zu diesen Vorfällen und
ie Schauprozesse gegen die Opfer. Ich denke, dass wir
lle dies verurteilen und uns dies zutiefst bestürzt hat.
612 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005
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Volker Beck
Die EU hat im Zuge dieser Entwicklung Sanktionen
gegen Usbekistan verhängt; das ist richtig. Der deut-
schen Bundesregierung kommt angesichts des deutschen
Bundeswehrstützpunktes in Termes – wir sind die einzi-
gen, die dort einen Stützpunkt unterhalten – eine beson-
dere Verantwortung zu, die Menchenrechtslage in Usbe-
kistan nicht nur kritisch zu beobachten, sondern der
usbekischen Regierung gegenüber diese Probleme auch
mit Nachdruck anzusprechen und sich für eine unabhän-
gige Untersuchung zu den Vorfällen in Andischan einzu-
setzen.