Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir sollten die heutige Parlamentsdebatte über
den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung dazu
nutzen, eine Standortbestimmung der deutschen
Menschenrechtspolitik vorzunehmen, und zwar sowohl
im Hinblick auf die Situation in anderen Staaten als auch
im Hinblick auf die Menschenrechtssituation hier bei
uns in Deutschland. Im Hinblick auf die anderen Staaten
wird es nicht immer streitig sein, ob die Menschen-
rechtssituation in dem jeweiligen Land für uns befriedi-
gend ist. Das sehen wir oft ähnlich. Viel eher erwarte ich
Diskussionen mit der neuen Bundesregierung darüber,
ob die Bundesregierung dem Thema Menschenrechte in
Konkurrenz zu anderen wichtigen außen- oder wirt-
schaftspolitischen Interessen oder Zielen ein angemesse-
nes Gewicht beimisst.
Ich habe eine angemessene Gewichtung der Men-
schenrechte beim Auftreten anderen Ländern gegenüber
in der Vergangenheit nicht selten vermisst. Ganz gleich,
ob es um die massiven Menschenrechtsverletzungen in
China oder um den schrittweisen Abbau des Rechtsstaa-
tes in Russland ging – in beiden Fragen hat der ehema-
lige Bundeskanzler die allen bekannten sehr eigenen Ak-
zente gesetzt. Der ehemalige Bundesaußenminister hat
sich ganz entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in
Menschenrechtsfragen schrittweise zu einem Leisetreter
entwickelt. Leider.
Auf die Kritik an einer oft allzu kumpeligen, Schat-
tenseiten ausblendenden Russland- oder Chinapolitik
wurde oft entgegnet, denjenigen, die das vortrügen, gehe
es in Wahrheit doch nur darum, die Partnerschaft zu die-
sen Ländern zu diskreditieren. Das wurde zum Teil auch
gestern wieder angedeutet. Dazu kann ich nur eines sa-
gen: Es ist doch das russische Volk, das darunter leidet,
dass Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt, dass
Demokratie und Rechtsstaat beschnitten werden. Von
Tschetschenien reden wir gar nicht erst.
Wir akzeptieren auch nicht, dass in China Dissidenten
unterdrückt werden, dass in Gefängnissen gefoltert wird,
dass Minderheiten ihre kulturelle Identität preisgeben
sollen oder dass gegenüber Taiwan mit dem Säbel geras-
selt wird. All das ist es doch, was die Menschen bewegt
und worunter die Menschen in diesen Ländern am meis-
ten leiden. Wir verstehen Freundschaft zu diesen Län-
dern auch und gerade als Freundschaft zu den Menschen
und nicht zu einer bestimmten Staatsführung.
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ch denke, dass es unzweifelhaft ist, dass der Zwang,
ber mehrere Stunden oder vielleicht sogar Tage stehen
u bleiben, oder gar die Praxis, diese Menschen durch
ie Simulation von Ertrinken in Todesangst zu verset-
en,
enschenunwürdig ist und von uns nicht akzeptiert wer-
en kann.
eshalb muss man den USA mit aller Klarheit sagen:
er im Kampf für die Freiheit und die offene Gesell-
chaft Menschenrechte selbst massiv verletzt, der sägt an
em Ast, auf dem er selber sitzt. Das müssen die Ameri-
aner begreifen.
Letztendlich geht es bei aller Repression gegen die
erroristen, die schreckliche Verbrecher sind, um eine
ndere Frage. Der Terrorismus ist wesentlich durch die
useinandersetzung in vielen islamischen Staaten ge-
rägt. Es geht um die Frage, ob wir einen Gottesstaat
der eine islamische offene Gesellschaft, eine demokra-
ische Gesellschaft wollen. Wenn wir unser eigenes Ge-
ellschaftsmodell diskreditieren, indem wir unsere eige-
en Werte selbst nicht vorleben, dann schwächen wir
och die Menschen in den islamischen Ländern, die wir
igentlich als Unterstützer brauchen, damit sich auch in
iesen Ländern Menschenrechte und Demokratie durch-
etzen können.
as ist der Grund, warum Menschenrechtsverletzungen
m Kampf gegen den Terror nicht allein illegitim, son-
ern auch schlicht und ergreifend dumm sind.
Wenn sich bewahrheiten sollte, dass deutsche BKA-
eamte an Verhören in Syrien oder anderswo teilge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005 607
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Florian Toncar
nommen haben, und zwar in Gefängnissen, in denen be-
kanntermaßen regelmäßig gefoltert worden ist,
dann stellen sich auch an das Innenministerium weitere
drängende Fragen. Die werden Ihnen nicht erspart blei-
ben.
Auch die überzogenen Sicherheitsgesetze, die in
Deutschland in den letzten Jahren verabschiedet wurden
– der neue Bundesinnenminister will Berichten zufolge
auf diesem Gebiet fleißig weitermachen –, werden wir
kritisch bewerten. Wo Bürger unter Generalverdacht ge-
stellt werden – das geschieht auch hier in Deutschland –,
wo die Beweislast plötzlich beim Bürger liegt, da wird
das Menschenbild unserer Verfassung ins Gegenteil ver-
kehrt. Die FDP hält diese Tendenz für ausgesprochen ge-
fährlich.
Wir wünschen uns auch in Deutschland wirksame
Präventionsinstrumente gegen Menschenrechtsverlet-
zungen. Ein Antrag, der Ihnen vorliegt, enthält den Vor-
schlag, zu UN-mandatierten Militäreinsätzen Menschen-
rechtsbeobachter zu schicken. Darüber hinaus sprechen
wir uns auch dafür aus, dass Deutschland das Zusatzpro-
tokoll zur Folterkonvention zügig unterzeichnet. Dieses
Protokoll enthält wichtige Präventionsinstrumente zur
Verhinderung von unmenschlichen Behandlungen.
Der Prototyp eines fundamentalistischen Gottesstaa-
tes hat im Übrigen jüngst mehrfach sein wahres Gesicht
gezeigt; ich meine den Iran. Was dort abläuft, sind nicht
verquere Fehltritte eines unerfahrenen Provinzpolitikers,
sondern mehrfach vorgetragene, gezielte, wiederholte,
unerträgliche und geradezu widerliche Attacken, die wir
strikt zurückweisen.
Wer so redet, der stellt sich selbst weit fernab der Grund-
sätze der Vereinten Nationen und der friedlichen Völker-
gemeinschaft. Ich freue mich, dass wir als Bundestag
heute eine entsprechende Resolution verabschieden kön-
nen.
Die FDP wünscht sich eine Bundesregierung, die die
deutsche Menschenrechtspolitik aufwertet, die begreift,
dass der Einsatz für Menschenrechte mehr ist als nur
eine Notwendigkeit. Der Einsatz für Menschenrechte ist
gerade nach den deutschen Erfahrungen vom letzten
Jahrhundert schlicht und ergreifend unsere Pflicht.