Rede von
Dr.
Wolfgang
Götzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Es ist schon angesprochen worden, dass uns die beiden
heute vorliegenden Gesetzentwürfe der FDP-Fraktion
nicht gänzlich unbekannt sind. Sie wurden bereits in der
letzten und in der vorletzten Wahlperiode eingebracht
und diskutiert. Sehr viel Neues kann man deshalb dazu
wahrlich nicht sagen. Es geht um die Rechtsstellung der
Mitglieder des Deutschen Bundestages und dabei letzt-
lich um die Frage, wie die Mitglieder des Bundestages
ausgestattet sein müssen, um ihren Aufgaben als Gesetz-
gebungsorgan und Kontrollorgan der Bundesregierung
sachgerecht nachkommen zu können. Dabei dürfen wir
uns von der Polemik, mit der dieses Thema regelmäßig
von einem nicht geringen Teil der öffentlichen und der
veröffentlichten Meinung begleitet wird, nicht irre-
machen lassen. Es ist nun einmal so und es bleibt so,
dass nur ein guter Bundestag gute Arbeit leisten kann.
Gute und engagierte Arbeit verdient auch eine sachge-
mäße Ausstattung und eine finanzielle Absicherung der
Abgeordneten. Nicht zuletzt geht es auch um die Aus-
führung eines Verfassungsgebotes, nämlich des Art. 48
Abs. 3 des Grundgesetzes, wonach die Abgeordneten
„eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Ent-
schädigung“ haben müssen.
Kommen wir nun konkret zu den vorliegenden Ge-
setzentwürfen der FDP. Wesentlicher Teil der Gesetzent-
würfe ist die Übertragung der Entscheidung über eine
angemessene Abgeordnetenentschädigung auf eine vom
Bundespräsidenten zu berufende unabhängige Kom-
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Ich verhehle nicht ein gewisses Verständnis für die
rundintention, verehrte Kolleginnen und Kollegen von
er FDP, die hinter den Anträgen steht, weil Sie damit
er öffentlichen Kritik und dem Vorwurf der Selbst-
edienung, der heute schon wiederholt angesprochen
orden ist, begegnen wollen. Wir alle wissen, dass die-
er Vorwurf nicht nur polemisch und unsachlich, son-
ern schlicht falsch ist.
Vielen Dank für den Applaus. Wir müssen das immer
ieder sagen, Herr Kollege Stünker. Deshalb bin ich Ih-
en dafür dankbar.
In der Öffentlichkeit wird mit diesem falschen Vor-
urf immer wieder operiert. Vor allem die selbst ernann-
en Experten, die ihn immer wieder erheben, müssten ei-
entlich wissen – ich glaube, sie wissen es auch –, dass
ieser Vorwurf nicht zutreffend ist. Aber er ist so schön
riffig, er setzt sich in den Köpfen fest und niemand re-
et davon – deswegen müssen wir es immer wieder
un –, dass wir die Entscheidung nicht an uns gezogen
aben, sondern dass wir durch die Diätenentscheidung
es Bundesverfassungsgerichts dazu verpflichtet worden
ind, über die Höhe der Entschädigung selbst zu ent-
cheiden. Folgerichtig sehen die Gesetzentwürfe der
DP die Änderung des Grundgesetzes vor.
Wie ich schon gesagt habe, habe ich durchaus eine
ewisse Sympathie für die Position der FDP. Man be-
enke, dass die Öffentlichkeit Selbstbeschränkungen,
ie wir seit Jahren beschließen, kaum wahrnimmt. Wie
ar denn das Echo in der Öffentlichkeit, als wir in der
etzten Wahlperiode die Rückführung unserer Altersver-
orgung beschlossen haben? Wie war das öffentliche
cho auf zehn Nullrunden, die schon angesprochen wor-
en sind? Dazu gab es vielleicht eine Randnotiz, mehr
icht. Ich behaupte sogar, dass fast niemand in unserem
and davon Kenntnis genommen hat. Das erleben wir
einahe täglich in Diskussionen und in unseren Veran-
taltungen.
Ich möchte aber nicht verhehlen, dass ich gegenüber
en Gesetzentwürfen der FDP-Kollegen verfassungs-
echtliche und vor allem verfassungspolitische Beden-
en habe. Eine unabhängige Kommission beim Bundes-
räsidenten mit eigener Entscheidungsbefugnis ist
erfassungsrechtlich bedenklich.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze, die das Bun-
esverfassungsgericht 1975 in dem schon zitierten Diä-
enurteil dargelegt hat, wird vielfach ein umfassender
arlamentsvorbehalt angenommen. Ob die Übertra-
ung bei Änderung von Art. 48 Abs. 3 Grundgesetz
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005 591
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Dr. Wolfgang Götzer
– wie die FDP es vorschlägt – möglich ist, wird in Fach-
kreisen sehr unterschiedlich beurteilt. Als Maßstab wird
hier von vielen die Unantastbarkeitsgarantie aus Art. 79
Abs. 3 Grundgesetz wegen Berührung des Rechtsstaats-
und Demokratieprinzips nach Art. 20 Abs. 2 Grundge-
setz herangezogen.
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist,
mit dieser Kommission möglicherweise ein weiteres
Verfassungsorgan zu schaffen, dessen einzige Aufgabe
es ist, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung festzu-
setzen.
Unabhängig von diesen verfassungsrechtlichen und
verfassungspolitischen Fragen bleibt weiterer wichtiger
Erörterungsbedarf. Ist denn wirklich sicher, dass die von
der FDP angestrebte Übertragung der Entscheidungsbe-
fugnis ihr Ziel erreicht, nämlich eine politische Entlas-
tung der Abgeordneten? Wird eine solche Kommission
auch in der Öffentlichkeit die erforderliche Anerken-
nung finden?
Dies wird von der FDP zwar als Konsequenz angenom-
men, bleibt für mich aber zweifelhaft.
Ich sehe auch bei einer Neuregelung, wie sie die FDP
vorsieht, gleichwohl politischen Druck auf das Parla-
ment zukommen, eine von der Kommission etwa getrof-
fene Entscheidung für eine Diätenerhöhung durch Parla-
mentsbeschluss aufzuheben und auf diese Erhöhung
letztlich doch zu verzichten. Deshalb bin ich nach wie
vor der Meinung, dass wir uns dem Thema Diäten auch
künftig selbst stellen müssen – mit Verantwortungsbe-
wusstsein, aber auch mit Selbstbewusstsein. Hier im Par-
lament gibt es keine Selbstbedienung. Hier gibt es nur
die Erfüllung eines Verfassungsauftrages mit Augenmaß
und politischem Einfühlungsvermögen.
Nun möchte ich noch zum zweiten Teil des FDP-Ge-
setzentwurfs kommen, zum Prüfauftrag zur Änderung
der Altersversorgung. Dabei geht es um die grundsätz-
liche Umstellung des Systems hin zu einer stärkeren
Eigenverantwortung. Darüber kann man diskutieren. Ich
halte aber nichts von einer voreiligen Festlegung darauf;
vielmehr bin ich für eine ergebnisoffene Prüfung. Das
gilt insbesondere für das jetzt immer wieder zitierte
Nordrhein-Westfalen-Modell, das die Schaffung eines
eigenen Versorgungswerkes vorsieht. Dies bedarf einer
eingehenden kritischen Prüfung, auch unter Einbezie-
hung der dortigen Erfahrungen.
Jedenfalls sehe ich erhebliche Probleme auf uns zu-
kommen, wenn als Konsequenz einer solchen Umstel-
lung eine massive Diätenerhöhung für erforderlich ge-
halten würde, was ja viele Experten tun. Dies wäre
politisch kaum vermittelbar, obwohl es zur Gewährleis-
tung einer angemessenen Altersvorsorge nach Meinung
vieler Sachverständiger unumgänglich wäre.
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Völlig inakzeptabel wäre aber, wenn dann schließlich
ur die Abschaffung des bisherigen Systems der Alters-
ersorgung beschlossen würde, nicht aber der dazugehö-
ende zweite Teil, nämlich eine entsprechende angemes-
ene Erhöhung der Diäten. Deswegen plädiere ich für
ine ruhige und sachliche Diskussion, die mit den Ge-
prächen zu Beginn des neuen Jahres ohnehin stattfinden
ird. In diese Diskussion werden die heute vorliegenden
DP-Gesetzentwürfe natürlich wiederum einbezogen.