Rede von
Hermann
Gröhe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heu-
ige erste Lesung der beiden Gesetzentwürfe der FDP,
nderungen des Grundgesetzes und des Abgeordneten-
esetzes betreffend, finden einen Monat vor jenem Ge-
präch im Januar statt, zu dem der Bundestagspräsident
ie Bundestagsfraktionen eingeladen hat und bei dem es
m die Fragen der Abgeordnetenentschädigung und der
bgeordnetenversorgung gehen soll.
Geht es um die Prüfung dieser Vergütung und Versor-
ung, etwaigen Reformbedarf und konkrete Reformvor-
chläge, darf ich Ihnen für die CDU/CSU-Bundestags-
raktion zusagen, dass wir alle Vorschläge in diesem
ereich sachlich und unvoreingenommen prüfen wer-
en. Dabei lassen wir uns bei allen Fragen, die den Ab-
eordnetenstatus betreffen, auch von dem Bemühen lei-
en, nach Möglichkeit zu einer gemeinsamen Auffassung
ier im Haus zu gelangen; denn angesichts der verständ-
ichen Fragen in diesem Bereich, aber auch mancher
ereinfachung und zum Teil auch inakzeptabler Verächt-
ichmachung des Parlaments wäre ein Konsens hier im
arlament ein erstrebenswertes Ziel.
In diesem Sinne werden wir die heute in erster Le-
ung zu beratenden Vorschläge der FDP intensiv prüfen,
uch wenn diese Vorschläge bereits in der 14. und
5. Wahlperiode eingebracht wurden und seinerzeit
eine Mehrheit fanden.
Im Kern zielt der FDP-Vorschlag darauf, die Festle-
ung der Höhe der Abgeordnetenentschädigung einer
nabhängigen, vom Bundespräsidenten zu berufenden
ommission zu übertragen. Zugleich soll diese Kom-
ission damit beauftragt werden, Vorschläge für eine
eränderung der Altersversorgung zu erarbeiten. Damit,
o die FDP-Bundestagsfraktion, soll dem in der Öffent-
ichkeit immer wieder erhobenen Vorwurf der Selbstbe-
ienung entgegengewirkt werden.
Das ist sicherlich ein überaus sympathisches Anlie-
en. Auch Ihr Lösungsvorschlag wirkt zunächst sehr
lausibel; er hat bestimmt einiges für sich.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9. Sitzung. Berlin, Freitag, den 16. Dezember 2005 583
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Hermann Gröhe
– Ich habe von einem sympathischen Anliegen gespro-
chen. Sympathische Kolleginnen und Kollegen gibt es
doch in allen Bundestagsfraktionen.
Bevor ich nun einige Ausführungen zum konkreten
Vorschlag der FDP und damit zu den Themen der vor
uns liegenden Ausschussberatungen mache, möchte ich
etwas zum in der Tat sehr häufig erhobenen Vorwurf
der Selbstbedienung sagen. Wir diskutieren die Frage
der Abgeordnetenentschädigung – das gehört sich so für
ein Parlament – in öffentlicher Debatte. Also ist Klartext
gefragt. Deshalb weise ich für die CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion den Vorwurf, im Deutschen Bundestag herr-
sche eine Selbstbedienungsmentalität, mit Entschieden-
heit zurück.
Die Zurückweisung dieses Vorwurfs ist auch dann gebo-
ten, wenn ihn keine Fraktion hier im Hause erhebt; denn
er spielt in der öffentlichen Debatte in der Tat eine große
Rolle.
Nun zu den Fakten: Die Abgeordnetenentschädi-
gung wurde zuletzt am 1. Januar 2003 erhöht. Bereits im
Januar 2003 stellte der damalige Bundestagspräsident,
Wolfgang Thierse, fest, dass die Abgeordnetenentschä-
digung seit In-Kraft-Treten des Abgeordnetengesetzes
im Jahr 1977 jährlich um durchschnittlich 2,5 Prozent
stieg, während die Beamtenbezüge um 2,95 Prozent pro
Jahr stiegen, die Tarifverdienste im öffentlichen Dienst
um 3,12 Prozent, die Einkommen in der Gesamtwirt-
schaft um 3,1 Prozent und die Renten um 3,31 Prozent.
Zu dieser vergleichsweise geringeren Steigerungsrate
der Diäten haben zehn Nullrunden maßgeblich beigetra-
gen. Vom Ziel, das seinerzeit eine unabhängige Exper-
tenkommission vorgeschlagen hatte und das in § 11
Abs. 1 des Abgeordnetengesetzes ausdrücklich genannt
wird – der Angleichung der Abgeordnetenbezüge an das
Gehalt eines Richters an einem obersten Bundesgericht
oder an das Gehalt eines hauptamtlichen Bürgermeisters
einer Stadt mit mehr als 100 000 Einwohnern –, entfern-
ten wir uns mehr und mehr. Ich will ausdrücklich beto-
nen, dass wir an diesem Vergleichsmaßstab – man
könnte auch das Gehalt eines Abteilungsleiters in einem
Ministerium heranziehen – festhalten und ihn für grund-
sätzlich angemessen halten.
Faktisch nahm die Entwicklung der Abgeordnetenbe-
züge aber einen anderen Weg. Von einer inakzeptablen,
überzogenen Großzügigkeit in eigener Sache kann also
keine Rede sein. Wir haben daher allen Anlass – ja, das
ist sogar ein Gebot der Selbstachtung –, den billigen
Vorwurf, im Bundestag herrsche eine Selbstbedienungs-
mentalität, gemeinsam und entschieden zurückzuweisen.
Ich habe sogar die umgekehrte Vermutung: Gerade
weil wir Abgeordnete über die Höhe unserer Entschädi-
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olitikerinnen und Politiker müssen unabhängig vom
erfahren in der Öffentlichkeit für die Höhe ihrer Vergü-
ung geradestehen.
as zeigen auch da und dort zu erlebende Debatten über
ie Gehaltshöhe von Bürgermeistern und Landräten, die
ekanntlich nicht über die Höhe ihres Gehaltes selbst
ntscheiden müssen. Ein solcher Rechtfertigungszwang
st auch gar nichts Falsches – wenn er nicht oft mit billi-
en Verzerrungen verbunden wäre.
Glauben Sie, die Entscheidung einer unabhängigen
achverständigenkommission, die Diäten zu erhöhen,
leibe lange ohne die öffentlich und öffentlichkeitswirk-
am erhobene Aufforderung an uns, gleichwohl auf eine
rhöhung zu verzichten? Bisherige Empfehlungen unab-
ängiger Kommissionen – die es in der Vergangenheit
iederholt gab – hatten kaum Auswirkungen auf das
usmaß und die Form öffentlicher Kritik; darauf
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Hermann Gröhe
verweist die FDP-Fraktion selbst in der Begründung ih-
res Gesetzentwurfs. Warum sollte es der Entscheidung
einer Kommission anders gehen? Welchem Druck wären
die Mitglieder dieser Kommission ausgesetzt, wenn erst
in großen Lettern über die Gehaltshöhe jener spekuliert
würde, die die Diäten festlegen! All diese Fragen werden
wir gemeinsam zu erwägen haben.
Mir liegt aber noch etwas anderes am Herzen: Öffent-
liche Akzeptanz für die Höhe unserer Aufwandsentschä-
digung und die Transparenz unseres Handelns hängen
eng zusammen. Die Bevölkerung wird ein Parlament,
dem sie die Lösung der sie bedrängenden Probleme nicht
zutraut, immer für überbezahlt halten. Was immer wir
also tun können, um das argumentative Ringen um men-
schengerechte Lösungen für anstehende Probleme trans-
parenter werden zu lassen – übrigens auch die mit der
Abgeordnetentätigkeit verbundene Belastung –, sollten
wir tun. Als kleines Beispiel sei in diesem Zusammen-
hang nur die Wanderausstellung des Deutschen Bundes-
tages genannt. Letztlich werden wir alle aber nicht an
den Freuden und Belastungen unserer Arbeit gemessen,
sondern an deren Ergebnissen. Überzeugende Arbeit ist
die beste Antwort auf billigen Populismus.
Das leider nicht unerheblich erschütterte Vertrauen in
unsere parlamentarische Demokratie und die in ihr Han-
delnden – damit auch in uns als Abgeordnete – wird in
dem Maße wiederhergestellt werden können, in dem es
uns gelingt, die Probleme unseres Landes zu lösen.
Ich danke Ihnen.