Rede von
Winfried
Nachtwei
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch als so genannte Einsatzarmee ist und bleibt die
undeswehr weiterhin eine Parlamentsarmee. In der
oalitionsvereinbarung ist ein Prüfauftrag formuliert
orden: Sollte sich angesichts neuer Erfahrungen ein
Zitat – „Bedarf zur Weiterentwicklung ergeben, so
erden die Koalitionsfraktionen Initiativen einbringen“.
as ist zunächst eine Selbstverständlichkeit.
Zugleich muss ich aber von Vornherein klarstellen:
ie Überprüfung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes
arf nicht zum Einfallstor für die Unionsforderung aus
er letzten Legislaturperiode werden, nämlich die Parla-
entsbeteiligung im Falle der NATO Response Force
u lockern. Würden solche potenziell härtesten und ris-
antesten Einsätze der Bundeswehr vom Parlamentsvor-
ehalt ausgenommen, so wäre die Parlamentsbeteiligung
m Mark getroffen.
ch gehe davon aus und hoffe, dass eine übergroße
ehrheit des Bundestages eine solche Selbstentmach-
ung des Bundestages nicht mitmachen würde.
Zur anderen Seite des Hauses, zur Fraktion Die
inke, sage ich: In Sachen Friedens- und Sicherheitspo-
itik sind wir als grüne Fraktion ausdrücklich an einer
rnsthaften und echten Auseinandersetzung mit Ihnen
nd selbstverständlich auch mit den anderen Fraktionen
nteressiert. Die Herausforderungen auf diesem Feld
ind inzwischen allerdings so groß und dynamisch, dass
ir es uns ersparen sollten, allzu viel aneinander vorbei-
ureden.
estatten Sie deshalb ein paar grundsätzliche Klarstel-
ungen, die ich bereits in der vorherigen Legislatur-
eriode von diesem Platz aus schon häufiger gemacht
abe. Aber zu Beginn einer Legislaturperiode ist eine
iederholung angebracht:
Erstens. In der Tat wird nach unserer Auffassung
eutschland nicht am Hindukusch verteidigt. Dort geht
s gerade um zentrale und kollektive Sicherheitsinte-
essen und auch um zentrale europäische und deutsche
icherheitsinteressen, aber nicht um die Existenz der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2005 347
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Winfried Nachtwei
Bundesrepublik und nicht um die Wahrnehmung eines
nationalen Selbstverteidigungsrechts Deutschlands. Das
ist die erste Klarstellung.
Zweitens. Einsätze bewaffneter Streitkräfte dürfen
ausschließlich auf Grundlage der Verfassung und des
Völkerrechts erfolgen. Laut Grundgesetz und Urteil des
Bundesverfassungsgerichts von 1994 darf die Bundes-
wehr außerhalb der Landesverteidigung nur im Rahmen
von Systemen kollektiver Sicherheit zum Zweck der
Friedenssicherung und der Durchsetzung internationalen
Rechts eingesetzt werden. Mit anderen Worten: nur für
Ziele der Vereinten Nationen und nach den Regeln der
Vereinten Nationen.
Es gilt die Präambel der Vereinten Nationen – es ist
wichtig, sie immer wieder einmal durchzusehen –: Ers-
tens. Krieg ist eine Geißel der Menschheit. Zweitens. Es
gilt das Gebot der internationalen Friedenssicherung und
des internationalen Gewaltverbots. Drittens – auch das
steht in der Präambel –: Waffengewalt ist nur im ge-
meinsamen Interesse zulässig.
Nun zum Koalitionsvertrag und dem, was in Zukunft
nötig ist: Die Bundeskanzlerin will mit der großen
Koalition mehr Freiheit wagen. In Sachen Wehrpflicht
tun Sie genau das Gegenteil.
Mit schwachen Argumenten halten Sie an einer Grund-
rechtseinschränkung fest, die vor allem von den betrof-
fenen jüngeren Menschen in keiner Weise mehr nach-
vollzogen werden kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen vom ehemaligen
Koalitionspartner SPD, mehr Demokratie wagen er-
scheint in diesem Bereich genau entgegengesetzt. Eine
innerparteiliche Willensbildung zu dieser Streitfrage
wurde zunächst vertagt, dann noch einmal vertagt und
anschließend auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verscho-
ben.
Inzwischen haben wir mehr als zehn Jahre Erfahrung
mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr und mit deut-
schem Engagement in Krisenregionen insgesamt. Ange-
sichts wachsender Ernüchterung in den letzten Jahren ist
eine große und umfassende Zwischenbilanz und Aus-
wertung dieses Engagements angesagt. Was wurde er-
reicht, was wurde nicht erreicht? Wo gab und gibt es
gute Ansätze, wo Lücken?
Eine solche Bilanzierung ist die notwendige Voraus-
setzung für eine deutsche Sicherheitsstrategie. Auf der
europäischen Ebene haben wir inzwischen ein solches
strategisches Dokument. Auf der Ebene der Vereinten
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Nein. Sie waren bei den verteidigungspolitischen De-
atten in der letzten Legislaturperiode möglicherweise
icht dabei. Das ist regelrecht ein Mantra von mir. Das
st keine neue Erkenntnis.
Zur Abrüstung: Dabei hat natürlich auch die Frage
er nuklearen Teilhabe einen besonderen Stellenwert. In
er Tat ist die nukleare Teilhabe der Bundesrepublik
ölliger Unsinn und lässt sich nicht mehr begründen.
Eine umfassende, auf Gewaltvorbeugung ausgerich-
ete Sicherheitspolitik braucht Fähigkeiten, die am
edarf orientiert und ausgewogen sind. Bei den Be-
chaffungen der Bundeswehr sind – angefangen bei der
ritten Tranche des Eurofighter – erhebliche Korrektu-
en nötig und möglich.
Sicherheitspolitik, die wirksam und gleichzeitig Frie-
enspolitik sein soll, erfordert vor allem bessere Fähig-
eiten zur zivilen Krisenprävention, Konfliktlösung und
riedenskonsolidierung. Hier sind in den vergangenen
ieben Jahren sehr wichtige Fortschritte erzielt worden.
s war eine ausdrückliche Erleichterung, festzustellen,
ass im neuen Koalitionsvertrag die Umsetzung des
ktionsplans zur Zivilen Krisenprävention angekün-
igt wird.
Vor der Rede des Kollegen Kolbow musste ich fest-
tellen, dass kein anderer Redner der großen Koalition
azu Stellung genommen hat. Es ist eine weitere gewisse
rleichterung, dass wenigstens Sie diesen Punkt betont
aben.
Im Koalitionsvertrag wird die Vorlage eines Weiß-
uchs versprochen. Das ist zu begrüßen. Kanzlerin
erkel verspricht eine umfassende Diskussion. Dies ist
ichtig, aber die Diskussion darf nicht wieder im Nach-
inein stattfinden, wie es in der Vergangenheit immer
ieder der Fall war. Die Diskussion muss stattdessen die
rarbeitung des Weißbuchs begleiten.
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348 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2005
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