Rede von
Birgit
Homburger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister Jung, zunächst einmal Glückwunsch zur
Übernahme der Befehls- und Kommandogewalt über die
Bundeswehr! Sie haben ein äußerst verantwortungsvol-
les Amt übernommen. Bei keinem anderen Minister ha-
ben Entscheidungen, wie dies bei Ihnen der Fall ist, ei-
nen so direkten Einfluss auf das Wohl und auf Leib und
Leben der Menschen, für die Sie Verantwortung tragen.
Deshalb wünsche ich Ihnen im Namen der FDP-Fraktion
für die Ausübung Ihres Amtes stets eine glückliche
Hand.
Die deutschen Streitkräfte leisten Herausragendes,
nicht nur in Afghanistan oder auf dem Balkan. Die Sol-
datinnen und Soldaten leisten Herausragendes im Rah-
men aller Einsätze im Ausland, aber auch bei ihrem
Dienst in der Heimat, an ihren Standorten in Deutsch-
land. Herr Minister Jung, Sie können sich auf eine vor-
bildlich funktionierende Truppe verlassen. Dafür ge-
bührt den Soldatinnen und Soldaten, aber auch den
zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundes-
wehr Dank und Anerkennung.
Es ist erfreulich, dass dieser Dank und diese Anerken-
nung von einer so großen Mehrheit dieses Hauses geteilt
werden. Unverständlich ist allerdings für uns, wie SPD
und Union beschließen konnten, den Wehrpflichtigen
das Weihnachts- und Entlassungsgeld zu streichen,
das Weihnachtsgeld der Zeit- und Berufssoldaten zu hal-
bieren oder die bislang steuerfreien Übergangsbeihilfen
der Zeitsoldaten zukünftig zu besteuern. Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren von CDU/CSU und SPD, da-
von sind jährlich 65 000 Wehrpflichtige, 130 000 Zeit-
und 60 000 Berufssoldaten, also die gesamten Streit-
kräfte, betroffen.
Ich frage Sie: Ist das Ausdruck von Dank und Anerken-
nung?
Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages
warnte vor wenigen Tagen eindringlich vor weiteren
Einkommenskürzungen. Er hat festgestellt, dass Wehr-
pflichtige einen geringeren Tagessold bekommen als
Putzfrauen an Stundenlohn, und der ist wahrlich nicht
hoch. Ist das in den Augen der Regierung Ausdruck von
Dank und Anerkennung?
Herr Minister Jung, Sie haben sich ausdrücklich ge-
gen die Kürzungen gewandt. Dabei haben Sie unsere
volle Unterstützung. Setzen Sie die Rücknahme der Be-
schlüsse im Sinne der Soldatinnen und Soldaten durch!
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enn heute nicht einmal mehr jeder fünfte pflichtdienst-
augliche junge Mann zum Dienst in der Bundeswehr he-
angezogen wird, hat das mit Gerechtigkeit nichts mehr
u tun.
In Ihrem Koalitionsvertrag steht:
Die Bundesregierung bekennt sich zur Allgemeinen
Wehrpflicht. Diese Dienstpflicht ist nach wie vor
die beste Wehrform.
er nach einer Begründung sucht, findet sie nicht. Sie
leiben sie schuldig. Ich frage mich daher: Ist dies viel-
eicht deshalb die beste Wehrform, weil Wehrpflichtige
o preiswert zu haben sind oder weil sich die Dienst-
flichtigen nicht wehren können, wenn der Sold jahre-
ang nicht erhöht wird oder plötzlich über die Streichung
es Weihnachtsgelds gesprochen wird? Oder kann man
us dem Kreis der Wehrpflichtigen leichter den notwen-
igen Nachwuchs an Zeitsoldaten rekrutieren? Meine
amen und Herren der Koalition, das ist keine taugliche
rgumentation. Die allgemeine Wehrpflicht war zu Zei-
en des Kalten Krieges, als es ausschließlich um die Ver-
eidigung des Landes ging, die einzig richtige Wehrform.
ir wissen aber alle, dass diese Zeiten vorbei sind. Die
undeswehr ist eine Armee im Einsatz.
eswegen ist diese Argumentation nicht mehr akzepta-
el.
Herr Minister Jung, ich möchte mich noch einmal di-
ekt an Sie wenden. Sie haben in der „Welt“ gesagt:
... die Wehrpflicht ist die Grundlage für unsere de-
mokratische Armee.
iese Behauptung ist ebenso falsch wie die erste.
ie sollen denn die 40 000 jungen Männer, die die Ar-
ee in ihrem neunmonatigen Pflichtdienst nur flüchtig
ennen lernen, die Entwicklung und das Selbstverständ-
is der Bundeswehr bestimmen? Was ist eigentlich mit
342 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Freitag, den 2. Dezember 2005
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Birgit Homburger
den 60 000 Berufs- und den 130 000 Zeitsoldaten? Wel-
chen Einfluss auf die Entwicklung und das Selbstver-
ständnis der Bundeswehr haben nach Ihrer Auffassung
eigentlich die knapp 40 000 Offiziere und 130 000 Un-
teroffiziere? Wirken sie nicht viel mehr bestimmend als
die Wehrpflichtigen? Unsere Zeit- und Berufssoldaten
sind Staatsbürger in Uniform. Sie leisten allein schon
aufgrund ihrer Anzahl einen deutlich höheren Beitrag
bei der Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft.
Herr Minister, Sie haben ein neues Weißbuch ange-
kündigt. Das ist in der Tat überfällig; das letzte stammt
aus dem Jahr 1994, auf den Weg gebracht von den Mi-
nistern Volker Rühe und Dr. Klaus Kinkel. In den sieben
Jahren der rot-grünen Bundesregierung gab es nur ent-
sprechende Ankündigungen. Das ist eine unverantwort-
liche Nachlässigkeit. In den letzten zehn Jahren, in den
Jahren des größten Umbruchs in der deutschen Sicher-
heitspolitik, gab es keinerlei wegweisende Festlegung
der Aufgaben und der Zusammenarbeit der für die Si-
cherheit verantwortlichen Institutionen im Rahmen einer
umfassenden nationalen Sicherheitsvorsorge. Wir hof-
fen, dass sich dieser Zustand rasch ändert, und sagen un-
sere konstruktive Begleitung bei der Erarbeitung des
Weißbuchs zu.
Darüber hinaus geht die FDP-Fraktion fest davon aus,
dass die Bundesregierung in dem Weißbuch auch die
Kriterien für die Beteiligung der Bundeswehr an interna-
tionalen Auslandseinsätzen definiert. Das ist eine Auf-
gabe, der wir uns stellen müssen. Wir können nicht jedes
Mal aus dem Bauch heraus entscheiden. Es muss klare
Kriterien geben. Diese müssen sich in dem Weißbuch
wiederfinden.
In gleicher Weise werden wir die Statusfrage des
Kosovo bei allen Zeitplanungen für den Transforma-
tionsprozess hin zu einer gefestigten innenpolitischen
Struktur verfolgen. Nachdem der UN-Sicherheitsrat jetzt
grünes Licht für den Statusprozess gegeben hat, ist es
absolut unerlässlich, dass die Bundesregierung den Sta-
tusunterhändler der UN, Expräsident Martti Ahtisaari, in
jeder Weise unterstützt. Sobald es das Umfeld des Ein-
satzes zulässt, muss die militärische Präsenz reduziert
und die zivile Hilfe erhöht werden. Das Ziel dieser Maß-
nahme ist, dass wir beim Übergang in demokratische
Strukturen mithelfen.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass das Parlamentsbetei-
ligungsgesetz die Verfahrensgrundlage der konstitutiven
Entscheidung des Deutschen Bundestages über Aus-
landseinsätze der Bundeswehr bleiben soll. Wir, die
FDP-Bundestagsfraktion, sind ohne Wenn und Aber für
die Beibehaltung der Parlamentsarmee. Parlamentsar-
mee ist kein Selbstzweck. Wenn man sich die Diskussio-
nen im Deutschen Bundestag über Einsätze der Bundes-
wehr ansieht, kann man sagen, dass noch jede Beratung
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