Rede von
Dr.
Lukrezia
Jochimsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
llerdings tun Sie mir ein bisschen Leid, sind Sie doch
m Vergleich zu den bisherigen Staatsministern ziemlich
ntmachtet und heruntergestuft worden.
Wahrhaftig wohlklingende Worte zur Kultur haben
ir gehört: „Kulturstaat Deutschland“ und „europäische
ulturnation Deutschland“, all das klingt sehr gut. Es ist
uch zu begrüßen, dass die große Koalition die Förde-
ung von Kunst und Künstlern in den Mittelpunkt ihrer
ulturpolitik stellt, in der Kulturförderung keine Sub-
ention, sondern eine Investition sieht und die Förde-
ung der Hauptstadtkultur als zentrale Aufgabe ansieht.
Aber wie steht es um diesen Kulturstaat Deutschland
n Wirklichkeit? Wenn die Investitionen des Bundes mit
einem Euro mehr ausstaffiert werden, dann bedeutet
as, dass nur durch Umschichtung neue Projekte mög-
ich werden und sich bei gleichzeitigem Rückgang der
ittel der Kulturhaushalte in den Ländern und Kommu-
en die Möglichkeiten zur Teilhabe an Kultur verringern
nd so wiederum viele Künstlerinnen und Künstler, die
ich schon heute in prekärer sozialer Situation befinden,
eiter verarmen. So viel zum Mittelpunkt der Künstler
nd der Kunst in der Politik.
Es gibt kein Wort zum Staatsziel Kultur als Verfas-
ungsauftrag, kein Wort über die Wiedereinsetzung der
nquete-Kommission „Kultur in Deutschland“,
ie uns den Satz „Der Staat schützt und fördert die Kul-
ur“ als Verfassungsauftrag empfohlen hat.
ie Linke setzt sich dafür ein, dass diese Arbeit so
chnell wie möglich fortgesetzt wird. Wir können den
ulturstaat Deutschland hoch und runter beschwören.
enn es der Staat nicht als seine zentrale Aufgabe an-
ieht, die Kultur vor den globalen Markt- und Medien-
ächten zu schützen, welche die Kultur als Ware und die
ulturschaffenden als Dienstleister ansehen, dann setzt
ich die Erosion unserer Identität fort. Da nutzt dann
uch keine Diskussion über deutsche Leitkultur mehr.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 301
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Dr. Lukrezia Jochimsen
Ohne Kultur gehen wir kaputt. Kultur ist die Nahrung
einer Nation, wie Shakespeare es gesagt und Erich Fried
es uns übersetzt hat.
Wie sieht die Kulturwirklichkeit aus? Der Staats-
minister für Kultur ist entmachtet. Die Kulturvertretung
gegenüber der Europäischen Union ist an die Länder ab-
getreten. Inhaltlich sind die Ein- und Auslassungen zur
Kulturpolitik äußerst mager, sowohl im Koalitionsver-
trag als auch in der Regierungserklärung. Dabei gibt es
allerdings interessante Ausnahmen.
Die Bundeskanzlerin hat intensiv und sehr wider-
sprüchlich für ein Vertriebenenzentrum in Berlin ge-
worben, als Geste der Versöhnung. Das ist eine seltsame
Geste. Wer soll sich da eigentlich mit wem versöhnen?
Bei so etwas machen wir jedenfalls nicht mit.
Des Weiteren wird im Koalitionsvertrag die Gedenk-
stättenförderung des Bundes unter „angemessener Be-
rücksichtigung der beiden Diktaturen in Deutschland“ in
Aussicht gestellt. Wir möchten sehr gerne wissen, was
unter „angemessen“ zu verstehen ist.
Schließlich wird gefordert, die weiteren Entscheidun-
gen für den Wiederaufbau des Stadtschlosses zügig
voranzutreiben.
Diesen Ruf nach dem Abrisskommando halten wir zu ei-
nem Zeitpunkt, zu dem immer deutlicher wird, dass die
wesentlichen Grundlagen für den Beschluss des Deut-
schen Bundestags im Jahr 2002 zum Wiederaufbau des
Berliner Stadtschlosses hinfällig geworden sind,
für unverantwortlich und zynisch. Im Übrigen leugnet er
die gemeinsame Geschichte und Kultur unseres Landes.
Glauben Sie bloß nicht, dass irgendjemand von uns
den alten DDR-Palast der Republik wiederhaben will!
Legen Sie diese Angst ab und denken Sie darüber nach,
warum Sie sie haben! Wir wollen aber ein Forum der
Kultur für die Zukunft und kein Luxushotel mit Mu-
seumsbeständen im Keller hinter einer Barockfassade.
Wir wollen das Humboldt-Forum so, wie es hier zur Dis-
kussion stand und beschlossen wurde.
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ir danken den Grünen übrigens ausdrücklich für ihre
päte Einsicht und politische Unterstützung.
Insgesamt waren wir in Sachen Kulturstaat schon
eiter. In der Koalitionsvereinbarung von 2002 hieß es:
Kultur ist elementare Voraussetzung einer offenen,
gerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft. Sie
wird für das Zusammenleben in einer sozial und
ethnisch divergierenden Gesellschaft immer wichti-
ger. Dazu gehören auch die Förderung der kulturel-
len Bildung von Kindern und Jugendlichen und die
Öffnung für die Kulturen der Migranten und Mi-
grantinnen. Die kulturellen Güter sind öffentliche
Güter und müssen für alle zugänglich sein.
as war ein anderer Zugang zum Kulturstaat Deutsch-
and. Dass so wenig davon von der letzten Regierung
mgesetzt wurde, Kollegen von der SPD und auch von
en Grünen, bedeutet für uns heute mehr Arbeit, mehr
ngagement und mehr Verantwortung.
Ich danke Ihnen.