Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Sehr geehrter Herr Minister, auch von unserer
raktion herzlichen Glückwunsch zum Amt! Wir wün-
chen Ihnen von Herzen, dass Sie dieses Amt mit
ngagement betreiben und dass Sie es nicht nur auf
urze Zeit repräsentieren, sondern dass Ihre Verweil-
auer länger ist als die durchschnittliche Verweildauer
hrer Vorgänger, dass Sie nicht aus dem Amt flüchten
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 289
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Winfried Hermann
und nicht nur Projekte eröffnen, die andere beschlossen
haben, sondern dass Sie in diesem so wichtigen Ministe-
rium selbst Politik gestalten.
Herr Minister, Sie haben erstaunlich geredet. Wenn
bisher Verkehrsminister hier geredet haben, dann war
man verführt, zu denken: Das ist der neue Wirtschafts-,
Technologie- und Städtebauminister. Wo ist der Ver-
kehr? – Nun ist erfreulich, dass Sie nicht verkehrsbor-
niert gesprochen haben, aber wenn man Minister in ei-
nem Ministerium ist, in dem das zentrale Aufgabenfeld
die Verkehrs- und Mobilitätspolitik ist, dann muss man
auch darüber sprechen.
– Nein. Zentrale Fragen hat er nicht angesprochen, zen-
trale Fragen, die man stellen muss: Wie kann zukünftig
in Deutschland Mobilität sichergestellt werden? Wie
kann zukünftig Mobilität in Deutschland aussehen? Man
muss doch fragen: Wie können wir das in den letzten
Jahren zu beobachtende stetige Wachstum an CO2-Aus-
stoß, also an Treibhausgasen, im Verkehrssektor redu-
zieren? Dazu ist nichts gesagt worden.
Eine andere Frage ist: Wie schaffen wir es angesichts
der hohen Abhängigkeit vom Öl in diesem Sektor und
angesichts des Wissens, dass diese Ressource endlich ist,
vom Öl wegzukommen? Mit welcher Strategie kommen
wir zu anderen Treibstoffen und zu anderen Antriebs-
systemen? Auch dazu ist nichts gesagt worden; es ist
nur allgemein von Technologie gesprochen worden.
Obwohl Sie viel über den Bereich Stadt gesprochen
haben, haben Sie wenig zu den Fragen gesagt: Wie ge-
stalten wir den demographischen Wandel in den Städ-
ten, in der Infrastruktur? Welche können wir uns ange-
sichts einer sich stark verändernden und auch
vermindernden Gesellschaft zukünftig noch leisten? –
Ich hätte erwartet, dass Sie zu einigen dieser zentralen
Fragen etwas sagen. Leider ist dazu wenig gesagt wor-
den.
Im Koalitionsvertrag reden die Koalitionspartner von
einem Konzept für integrierte und nachhaltige Mobili-
tätspolitik. Man ist erfreut; denn schließlich haben wir
seit Jahren darum gekämpft, das in Gang zu setzen. Aber
wenn man den Koalitionsvertrag im Detail abklopft,
stellt man erstaunt fest, wie wenig von diesem Konzept
die Rede ist. Es ist ein altbekanntes klassisches Bekennt-
nis zum Ausbau von Infrastruktur – als könnte man die
Verkehrs- und Wirtschaftsprobleme vor allem durch In-
frastrukturmaßnahmen lösen! Die Geschichte hat doch
längst belegt, gerade im Osten, dass eine breite Straße
und unter Umständen auch eine unterirdische Eisenbahn
nicht weiterhelfen.
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leichzeitig sagen Sie aber: Eigentlich haben wir kein
eld. Wenn man alles gleichzeitig tun will und dabei
uch noch sparen muss, bleibt für alle Bereiche nur
iemlich viel Kleinklein übrig und man kommt nicht
ach vorn. Sie müssen in dieser Situation den Mut ha-
en, Prioritäten zu setzen,
nd auch Stellung nehmen zu den Fragen: Wo gibt es
enachteiligung? Wollen wir nicht auf Zeit einen Ver-
ehrsträger nach vorn schieben? Aber Sie können nicht
leichzeitig für den Flugverkehr und für die schnelle
ahn ausbauen. Dann geben Sie das Geld zweimal aus,
chaffen Konkurrenz und machen letztlich beide Infra-
trukturen unproduktiv.
Damit bin ich bei einem zentralen Feld der Verkehrs-
olitik, nämlich der Schienenpolitik. Auch hier vollmun-
ige Bekenntnisse: Wir wollen im Bereich Infrastruktur
chiene deutlich erhöhen. Darüber freut sich der Grüne
atürlich. Dann liest man nach. Man hat den Mund vom
taunen noch nicht ganz zu, schon kommt die Nachricht:
,1 Milliarden Euro sollen bei den Regionalisierungs-
itteln gespart werden. Das ist doch das Rückgrat des
chienenverkehrs, das Rückgrat des Nahverkehrs. Da
ollen Sie drastisch kürzen und abbauen. Das ist genau
as Gegenteil.
in Ausbau des Schienenverkehrs und der Schienenin-
rastruktur wird Ihnen nicht weiterhelfen, wenn Sie
leichzeitig beim Betrieb einsparen; denn damit machen
ie viel kaputt.
u Recht sagen viele Kenner der Bahn: Wer dort um
0 oder 15 Prozent kürzt, kürzt im Angebot letztlich um
0 bis 25 Prozent. Das ist fatal.
er in diesem Sektor kürzt, braucht sich auf jeden Fall
icht zu wundern, wenn sich der Verkehr wieder verla-
ert. Bei den Regionalisierungsmitteln zu kürzen heißt,
ie Leute wieder zurück ins Auto zu treiben.
Nun wird gesagt, die Regionalisierungsmittel würden
um Teil nicht richtig verwendet. Das ist wahr. Es ärgert
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Winfried Hermann
auch uns, wenn in Bayern ÖPNV-Mittel für den Trans-
rapid eingesetzt werden.
Auch wenn in Baden-Württemberg das Projekt „Stutt-
gart 21“ oder in Berlin der Schülerverkehr aus Regiona-
lisierungsmitteln gefördert wird, ist das nicht richtig.
Aber das ist kein Argument gegen die Regionalisie-
rungsmittel insgesamt. Im Großen und Ganzen geben die
Länder diese Mittel verantwortungsvoll aus. Es ist un-
sere Aufgabe, ein klares Gesetz zu machen, das die Kri-
terien festlegt und für Transparenz sorgt, damit wir si-
cherstellen können, dass die Mittel zukünftig wirklich
angemessen verwendet werden. Das sollte geschehen.
Dafür werden wir uns einsetzen und dafür werden wir
streiten.
Ein Wort zur Bahn. Die letzten Tage haben wieder
einmal gezeigt, dass der Vorstandsvorsitzende der Bahn
der Politik gerne auf der Nase herumtanzt und so tut, als
gehöre das Unternehmen ihm und nicht dem Bund. Ich
bin Ihnen dankbar, Herr Minister, dass Sie rasch zu einer
Entscheidung gefunden haben und deutlich gemacht ha-
ben, dass über den Standort der Konzernzentrale nicht
vom Vorstand, sondern vom Eigentümer entschieden
wird. Das war eine politische Entscheidung, die so ge-
troffen werden musste.
– Das steht sogar im Gesetz.
Aber zusätzlich erwarte ich Folgendes von Ihnen. Bei
dem Geschäft mit der Hamburger Senatsverwaltung
wurde zugleich der Einstieg in den Hamburger Nahver-
kehr und in den Regionalverkehr von Schleswig-Hol-
stein und Brandenburg mitgeplant. Das ist ein unanstän-
diges Koppelgeschäft, weil man dort gewissermaßen den
letzten ernsthaften Konkurrenten der DB weggekauft
hätte. So schafft man keinen Wettbewerb auf der
Schiene, sondern schadet dem Wettbewerb und dem öf-
fentlichen Nahverkehr. Das ist falsch und das müssen
wir beenden.
Meine Damen und Herren, man müsste eigentlich
noch etwas zur Gleichheit der Verkehrsträger unter ord-
nungspolitischen Rahmenbedingungen sagen. Auch
dazu kein Wort. Es wäre doch endlich an der Zeit, die
steuerliche Benachteiligung etwa der Schiene im Ver-
gleich zum Luftverkehr anzugehen. Wir haben da schon
mehrere Anläufe unternommen. Jetzt sind Sie eine große
Koalition und können richtig viel stemmen. Tun Sie das
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