Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Unser Land steht am Beginn einer Reformexpedi-
tion. Doch die Menschen werden nur mit uns gehen,
wenn sie unserem Kurs vertrauen und wir ihrem Ver-
trauen auch gerecht werden.
Vertrauen wächst nur dort, wo ein ehrlicher Umgang
miteinander herrscht. Das gilt im Übrigen nicht nur für
das Verhältnis zwischen Bundesregierung und Bevölke-
rung, sondern auch für das Verhältnis zwischen den Re-
gierungsfraktionen untereinander.
Liebe Frau Ministerin, wir sitzen jetzt im selben Boot.
Wir werden mit diesem Boot nur vorankommen, wenn
wir gemeinsam miteinander und nicht gegeneinander ru-
dern.
In der Gesundheitspolitik gehört zur Ehrlichkeit erst ein-
mal eine nüchterne Analyse der Lage. Überfüllte Warte-
zimmer, Wartezeiten, Praxisschließungen, struktur-
schwache Regionen, in denen sich kein Arzt mehr
niederlassen will, Ärztestreiks und vieles andere mehr
weisen ja auf die Probleme hin, die wir gemeinsam zu
lösen haben.
Es sei mir eine kleine Replik auf Frau Bender gestat-
tet, die von einer Verelendungsstrategie gesprochen hat.
Ich kann nur sagen: Im Jahr 2003 hatte die gesetzliche
Krankenkasse 8,3 Milliarden Euro Schulden, 1998, als
Rot-Grün die Regierung übernommen hat, hatte sie aber
noch Überschüsse. Deshalb würde ich mich an Ihrer
Stelle einmal mit meiner eigenen Vergangenheit aus-
einander setzen, bevor ich denjenigen, die die Probleme
aus dem Weg räumen, schon zu Beginn Vorwürfe ma-
che.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es wäre ebenso
falsch – das werde ich auch nicht tun –, die Lage im Ge-
sundheitswesen schlechter zu reden, als sie tatsächlich ist.
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Wir werden sehen, ob das holländische Modell oder
inzelne seiner Elemente Anregungen für Deutschland
arstellen. In jedem Fall werden die Deutschen ein neues
inanzierungssystem daran messen, ob es in der Lage
st, eine hochwertige und wohnortnahe Versorgung zu
ewährleisten, Beitragsbelastungen zwischen starken
nd schwachen Schultern gerecht zu verteilen und nie-
anden finanziell zu überfordern oder gar ohne Versi-
herungsschutz dastehen zu lassen.
Für die Politik muss es darüber hinaus aber noch um
ehr gehen. Die Politik ist verantwortlich dafür, dass
ieses Versicherungssystem nachhaltig, demographiefest
nd somit zukunftsfest gestaltet wird. Zurzeit klafft die
chere zwischen Einnahmen und Ausgaben doch aus-
inander: Trotz der Finanzierungsüberschüsse im ersten
albjahr dieses Jahres lag die Einnahmenentwicklung
m 1,5 Milliarden Euro unterhalb der Ausgabenentwick-
ung. Ursächlich dafür ist ja zum einen die hohe Arbeits-
osigkeit, zum anderen aber auch – insbesondere mit
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 267
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Annette Widmann-Mauz
Blick auf die Zukunft – die zunehmende Alterung unse-
rer Gesellschaft. Wenn wir uns weiterhin medizinisch-
technischen Fortschritt für alle leisten wollen, ist es da-
her notwendig, die Finanzierungsseite nachhaltig zu ge-
stalten. Gesundheit ist ein hohes Gut, das seinen Preis
hat. Und der wird nicht auf dem Niveau von gestern ein-
gefroren werden können: Die Gesamtausgaben werden
steigen, wenn wir das individuelle Gesundheitsniveau
behalten und mit dem Fortschritt mitkommen wollen;
das gehört zur Wahrheit dazu. Es wird nicht gelingen,
die Dynamik dieses Sektors allein durch die Ausschöp-
fung von Wirtschaftlichkeitsreserven aufzufangen.
Nun weiß auch ich, dass unser neuer Kollege, der
Professor aus Köln, großen Wert auf die Qualitätssiche-
rung legt und dezidiert der Meinung ist, dass Über-, Un-
ter- und Fehlversorgung abgebaut werden können, wenn
die Qualitätssicherung verbessert wird. Ich persönlich
gehe davon aus, dass es im solidarischen System einen
zielgenaueren Mitteleinsatz nicht ohne einen stärkeren
Einsatz von Kosten-Nutzen-Bewertungen geben wird.
Qualitätssicherung darf aber nicht ständig einherge-
hen mit einer Bürokratie, die die Ärzte auf die Straße
treibt und den Pflegekräften die Zeit für die persönliche
Zuwendung und die Versorgung der Patienten raubt. Die
Arbeit am Patienten darf nicht zugunsten der Arbeit in
der Verwaltung immer weiter eingeschränkt werden. Die
Koalition will Bürger, Wirtschaft und Behörden von ei-
nem Übermaß an Vorschriften entlasten und diese auf
das unbedingt notwendige Maß beschränken.
Neben der Bürokratisierung der Medizin geht es aber
auch um überlange Arbeitszeiten und eine unzurei-
chende Honorierung. Nun kann man hoffen, dass die Ta-
rifvertragsparteien zumindest einen Teil dieser Probleme
lösen werden. Aber es wäre fatal, es dabei zu belassen.
Denn der Protest und die Unzufriedenheit haben ja wei-
tere Ursachen: Budgetierte Honorare und Medikamen-
tenbudgets führen dazu, dass bei planbaren Behandlun-
gen – nicht bei schweren Erkrankungen wie zum
Beispiel bei Krebs – Wartezeiten entstehen. Es ist des-
halb die Aufgabe der Koalition, vom Patienten her zu
denken. Wer krank ist, muss so schnell wie möglich be-
handelt werden können.
Wir müssen die Probleme dort lösen, wo sie entstan-
den sind – und das ist nun einmal nicht in der privaten
Krankenversicherung, sondern in der gesetzlichen. Der
Kassenpatientin, die gynäkologisch untersucht werden
muss, ist nicht geholfen, wenn die Privatpatientin in Zu-
kunft genau so lange auf einen Termin warten muss wie
sie. Nein, Gleichbehandlung, wie sie die Kassenpatientin
will, wird es nur dann geben, wenn die Budgetierung in
der gesetzlichen Krankenversicherung beendet und eine
leistungsgerechte Vergütung eingeführt wird.
Wir jedenfalls wollen, dass Ärzte eine angemessene Ver-
gütung für ihre Leistungen erhalten. Denn nur dann er-
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ir wollen eine Neuordnung der Honorare für Vertrags-
rzte im Sinne einer pauschalierten Vergütung, ähnlich
ie wir es aus dem stationären Sektor kennen, nicht zu-
etzt wegen der angestrebten besseren Verzahnung beider
ektoren über die Integrationsversorgung. Wir wollen
in neues gesetzliches Vergütungssystem, das Schluss
acht mit Punktwerten, die durch Budgetierung ständig
allen. Wir wollen feste, leistungsgerechte Preise für ver-
inbarte Mengen und Qualitäten.
Schließlich wollen wir, dass die Ärzte weiterhin auch
rivat behandeln und privat abrechnen können. Aber da-
ei muss ausgeschlossen werden, dass Menschen, die ei-
en Standardtarif in der privaten Krankenversicherung
aben oder die beihilfeberechtigt sind, obwohl sie jahre-
ang oder jahrzehntelang in das System eingezahlt ha-
en, nicht mehr ärztlich versorgt werden.
s muss doch auch Ihnen ein inneres Bedürfnis sein, die-
es Problem anzugehen. Denn viele Menschen sind aus
irtschaftlicher Not gezwungen, in den Standardtarif zu
echseln.
eshalb müssen wir für diese Gruppe eine Lösung fin-
en. Das steht im Koalitionsvertrag; das haben wir ent-
egen allen anders lautenden Meldungen vereinbart –
icht mehr, aber auch nicht weniger.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass
lte Menschen, sozial Schwache und Kranke sich auch
n Zukunft auf die sozialen Sicherungssysteme verlassen
önnen. Gerade als Christlich-Demokratische und als
hristlich-Soziale Union sehen wir uns in der Pflicht, al-
es zu tun, damit sich unsere solidarische Gesellschaft zu
iner Verantwortungsgesellschaft weiterentwickeln
ann, in der Eigenverantwortung und Verantwortung für
ndere wieder zusammenkommen.
Herzlichen Dank.