Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Leider hat die Ministerin nichts zu den Protes-
en der Klinikärzte gesagt. Ich darf an dieser Stelle sa-
en, dass wir volles Verständnis haben, wenn Menschen
agegen protestieren, dass sie so lange Arbeitszeiten ha-
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Heinz Lanfermann
ben, dass sie zu einer Gefahr für ihre Patienten werden
können. Ich möchte auch daran erinnern, dass es sich
hier immerhin um ein rechtskräftiges Urteil handelt,
das wir umsetzen müssen. Man hat zwei Jahre Über-
gangszeit eingeräumt. Das ist bei einem rechtskräftigen
Urteil sehr viel.
Dann wird gesagt: Wir verlängern die Übergangsfrist
noch um ein weiteres Jahr, danach nicht noch einmal. –
Die Situation ist schwierig.
Ich möchte ferner darauf hinweisen: Es gibt zum Bei-
spiel in Brandenburg Proteste von Ärzten, die wirt-
schaftlich gar nicht mehr in der Lage sind, ihre Praxen
offen zu halten. Sie schaffen das nur noch durch die Ho-
norare der Privatpatienten. Aber das soll ja, wie wir er-
fahren haben, demnächst unterbunden werden. Auch
dazu hätte ich gern etwas von der Ministerin gehört.
Verehrte Kollegin Ferner, dass Sie sagen, die Vergü-
tung der Ärzte muss sich an der Leistung orientieren,
finde ich hervorragend. Sie sind aber eine derjenigen, die
kräftig daran mitgearbeitet haben, dass wir ein Vergü-
tungssystem haben, das niemand mehr versteht. Versu-
chen Sie einmal, jemanden zu finden, der dieses Punkte-
system versteht, bei dem man am Ende des Jahres
weniger als das erhält, von dem man am Anfang des Jah-
res ausgehen konnte.
Wir haben in diesem Lande eine private Versiche-
rung, die funktioniert. Sie geben sich alle Mühe, sie klei-
ner zu machen und abzuschaffen; wir haben für
90 Prozent der Bevölkerung eine Versicherung, die nicht
funktioniert.
Sie versuchen dauernd, durch Verträge zulasten Dritter,
durch Beiträge, die Sie zusätzlich einnehmen wollen,
dieses schwache System aufrechtzuerhalten.
Jetzt möchte ich etwas zur Pflegeversicherung sa-
gen. Das ist der zweite große schwierige Bereich, bei
dem Sie sich nicht geeinigt haben. Es gibt im Koalitions-
vertrag einige Formelkompromisse, die aber nichts tau-
gen. Man hat sich vor gut zehn Jahren für das falsche
System entschieden. Man wollte das kapitalgedeckte
System nicht und Union und SPD haben einvernehmlich
das Umlagesystem durchgesetzt. Heute stehen Sie vor
den Scherben der eigenen Politik und dürfen als Regie-
rungsfraktionen immerhin versuchen, sie gemeinsam zu-
sammenzukehren.
Die Pflegeversicherung ist in dieser Form Ihr Werk,
icht unseres.
823 Millionen Euro Defizit im letzten Jahr sprechen
ür sich. Die Rücklagen sind demnächst aufgebraucht.
ie Auswirkungen des demographischen Wandels wer-
en immer höhere Defizite erzeugen. Der Koalitionsver-
rag bietet erst einmal nichts Konkretes. Sie versprechen
eichlich zusätzliche Leistungen. Darüber kann man dis-
utieren. Sie sagen aber faktisch nichts Konkretes dazu,
ie das finanziert werden soll.
ie sagen wohl – das ist in der Tat interessant –, Sie wol-
en die Ergänzung des „Umlageverfahrens durch kapital-
edeckte Elemente als Demographiereserve“ einführen.
erständliche Sprache und klare Aussagen sind etwas
nderes.
Erstens. Sie wollen auf Dauer am Umlageverfahren
esthalten. Das ist falsch. Das führt in die Irre.
Zweitens. Was heißt schon kapitalgedeckte Ele-
ente? Das hätten wir gern genauer erläutert.
Drittens. Sie wissen, dass der Ansatz zu schwach ist,
enn Sie nicht auf die Kapitaldeckung umsteigen. Der
achverständigenrat sagt Ihnen übrigens dasselbe. Aber
ieses Gutachten nehmen Sie geflissentlich nicht zur
enntnis.
Man kann das System nicht mit einem Ruck wech-
eln. Die FDP tritt schon seit Jahren dafür ein, dass wir
etzt den Umstieg in einen Systemwechsel schaffen, um
ann einen gleitenden Übergang in ein kapitalgedecktes
inanzierungssystem zu erreichen.
as nimmt erstens Druck von den Arbeitskosten, weil
ir die Finanzierung von den Arbeitskosten abkoppeln
ollen. Zweitens macht es die Versicherung konjunktur-
nabhängig. Das war der Fehler, der in den letzten Jah-
en zu diesen Defiziten geführt hat.
Im Koalitionsvertrag ist von einem Finanzausgleich
wischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung
ie Rede. In Wirklichkeit ist die Einbeziehung der priva-
en Versicherung eine Belastung der privat Versicherten.
ie von der Union haben in den Verhandlungen den Zu-
riff auf den Kapitalstock verhindert – das wäre nackte
nteignung gewesen –, aber den Finanzausgleich haben
ie nicht verhindert.
ie wollen die Rücklagen, die in dem einen System ge-
ildet werden sollen, auf das andere System übertragen.
as heißt natürlich nicht: Mehr Freiheit wagen. Viel-
ehr bedeutet das mehr Unfreiheit. Im Grunde genom-
en ist das der Weg in die Bürgerversicherung.
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Heinz Lanfermann
Da haben Sie von der Union bei den Koalitionsver-
handlungen leider nicht richtig aufgepasst. Ich denke,
Sie werden genug Arbeit damit haben, das wieder zu re-
vidieren.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.