Dieses Konzept sieht – da kann ich so manchen beru-
igen, der sich schon Sorgen machte – keine Abschaf-
ung der privaten Krankenversicherung vor. Es wird
eine Einheitsversicherung geben. Ich darf hier viel-
eicht verraten: Das war auch gar nicht Teil des Konzepts
er Bürgerversicherung der SPD, sondern dieses Kon-
ept beruht darauf, dass wir einen wirklich fairen Wett-
ewerb im Gesundheitswesen organisieren wollen, in
em private und gesetzliche Krankenkassen nebeneinan-
er Bestand haben, dass aber auch den Bürgerinnen und
ürgern eine verlässliche Finanzierung gesichert wird.
Deshalb wäre es gut, wenn wir ab heute auf die De-
atte über dieses Thema verzichten. Darum geht es
icht.
s geht darum: Wie können wir ein hocheffizientes und
ettbewerbsorientiertes Gesamtsystem, das Leistung
nd Wettbewerb mit Gerechtigkeit verbindet, ein Ge-
undheitssystem, das weltweit als eines der besten gilt,
ber reformbedürftig ist, weiterentwickeln, und zwar mit
em Ziel, dass Menschen, die in Deutschland erkranken,
hne Ansehen ihres Einkommens, Alters oder Ge-
chlechts die bestmögliche Versorgung auf der Höhe des
edizinischen Fortschritts erhalten?
256 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005
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Bundesministerin Ulla Schmidt
Das ist unser Ziel und ich bin davon überzeugt, dass wir
es gemeinsam erreichen werden.
Der Koalitionsvertrag bietet viele neue Aufgabenbe-
reiche und Arbeitsgrundlagen. Wir setzen dabei an, die
Strukturen zu verändern, und zwar so, dass langfristig je-
der Euro, der in dieses System fließt, zielgenau an der
Stelle eingesetzt wird, wo es für die Menschen den größ-
ten Nutzen bringt. Dies ist die Grundvoraussetzung da-
für, dass eine Reform der Finanzierung auf Dauer nach-
haltig wirken kann.
Im Koalitionsvertrag ist vieles enthalten, das den
Menschen direkt – im Vorgriff auf die große Reform, die
wir durchführen wollen – und spürbar Nutzen bringt. So
haben wir im Koalitionsvertrag beschlossen – das er-
wähne ich nicht nur deshalb, weil heute Weltaidstag
ist –, die Strategie der Bundesregierung zur Bekämp-
fung von HIV/Aids bundesweit wie auch auf inter-
nationaler Ebene weiter auszubauen. Wir wollen die Ver-
bindung zwischen staatlichen und nichtstaatlichen
Organisationen, die Stärkung der Prävention und die
Forschungsinvestitionen fördern, um Heilungschancen
zu verbessern oder einen Impfstoff zu entwickeln. Das
wollen wir in Kooperation mit unseren europäischen
bzw. internationalen Partnern weiter fortsetzen.
Wir sind uns einig, dass wir auf europäischer Ebene
dafür sorgen wollen, dass das Thema Aids in Europa
– das beziehe ich auch auf Osteuropa – auf die Tagesord-
nung der Regierungschefs kommt, damit die in Afrika
begangenen Fehler nicht in Osteuropa oder Mittelasien
wiederholt werden.
Des Weiteren wollen wir die palliativmedizinische
Versorgung von schwerkranken oder todkranken Men-
schen, die starke Schmerzen erleiden, wohnortnah auf-
bauen. Wir wollen in diesem Bereich Investitionen vor-
nehmen, um mit den so genannten Palliativ-Care-Teams
sicherzustellen, dass an allen Orten, wo Menschen diese
Hilfe brauchen, entsprechende Kräfte zur Verfügung ste-
hen. Wir wollen damit eine humane Antwort auf die
Forderung nach Legalisierung der aktiven Sterbe-
hilfe geben. Wir wollen, dass schwerkranke Menschen
keine Angst haben müssen, nicht in Würde sterben zu
können, und dass alles getan wird, damit sie ihre letzten
Lebenstage so schmerzfrei wie möglich verbringen kön-
nen. Das ist unsere humane Antwort auf die Diskussion
um die aktive Sterbehilfe. Wir werden alles tun, um die-
ses Vorhaben so schnell wie möglich auf den Weg zu
bringen.
Wir wollen die Versorgung chronisch kranker
Menschen verbessern. Wir werden in die Versor-
gungsteams auch die Qualifikation und die Erfahrun-
gen der nichtärztlichen Berufe stärker einbeziehen. In
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eshalb werden wir dafür sorgen, dass dies in Zukunft
icht mehr vorkommt. Wir wollen den Menschen, die ih-
en Versicherungsschutz auf manchmal sehr tragische
eise verloren haben – sicherlich kennen auch Sie einen
olchen Fall –, ein Recht auf Rückkehr in ihre jeweilige
rankenkasse ermöglichen, damit sie wieder versichert
ind.
ir sind der Meinung, dass Krankenkassen zwar Inkas-
overfahren einleiten sollten, dass Menschen aber nicht
hne Versicherungsschutz bleiben dürfen. Auch dieses
roblem werden wir direkt angehen.
Darüber hinaus werden wir den Wettbewerb fördern
nd vieles von dem umsetzen, was wir vor zwei Jahren
och nicht machen konnten. Wir werden auf diesem
eg aber weitergehen. Wir werden die integrierte Ver-
orgung fördern und für mehr Möglichkeiten der
ertragsgestaltung im direkten Verhältnis zwischen
rankenkassen und Ärzten sorgen. Wir wollen kassenar-
enübergreifende Fusionen ermöglichen, ohne dass es zu
onopolstellungen kommt. Wir glauben, dort, wo es
innvoll ist, sollten sich unterschiedliche Krankenkassen
nd ihre Vorstände zusammentun und gemeinsam für die
rganisation einer guten medizinischen Versorgung sor-
en. Wir wollen nicht – das ist auch für die Menschen in
en neuen Bundesländern entscheidend –, dass es Regio-
en in Deutschland gibt, in denen eine ausreichende me-
izinische Versorgung nicht mehr gewährleistet ist.
Es nutzt nichts, wenn Sie schreien, Herr Kollege
eifert. Wir handeln. Das ist der Unterschied.
Wir wollen nicht, dass das so bleibt. Deshalb werden
ir das gesamte Vertragsarztrecht, das heute noch ein
emmschuh ist, liberalisieren. Wir wollen, dass Ärzte,
ie in Krankenhäusern tätig sind, zusätzlich eine Praxis
röffnen können.
ir wollen, dass Ärzte in ihrer Praxis andere Ärzte an-
tellen können. Beispielsweise könnten Ärzte aus Berlin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 257
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Bundesministerin Ulla Schmidt
eine Praxis in Brandenburg eröffnen und dort Kollegen
anstellen. Wir wollen hier für mehr Möglichkeiten sor-
gen, weil wir der Meinung sind, dass wir nur damit den
neuen Herausforderungen gerecht werden. Wir werden
außerdem den Bundesländern das Recht einräumen, von
dem ausgewogenen statistischen Verhältnis in den Zulas-
sungsgebieten abzuweichen, damit sie in medizinisch
gut versorgten Regionen entsprechende Maßnahmen
treffen können. Wir hoffen, dass dies ein Beitrag ist, um
nach vorne zu kommen.
Lassen Sie mich noch einen letzten Satz zu etwas, das
mir wichtig ist, sagen – ich weiß, dass meine Kollegin
bereit ist, mir noch eine Minute zu geben –, bevor meine
Zeit abgelaufen ist.
Wir werden das ärztliche Honorarsystem neu ordnen.
Darüber ist schon viel diskutiert worden. Niemand hat
behauptet, dass die Gebührenordnung der Ärzte auf das
Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung reduziert
werden soll. Aber das heutige Honorarsystem ist in viel-
facher Hinsicht ungerecht; denn ob ein Arzt bei der Ho-
norarverteilung gut oder schlecht dasteht, hängt davon
ab, zu welchem Fachbereich bzw. zu welcher KV er ge-
hört. Des Weiteren muss ein Arzt für die schlechte Ar-
beit seiner Kollegen mithaften, auch wenn er selber wirt-
schaftlich arbeitet und vernünftig agiert. Außerdem ist es
ungerecht, wenn ein Arzt eine Leistung erbringt und
nicht weiß, wie viel er dafür erhält. Damit wollen wir
Schluss machen; denn wir sind der Meinung, dass auch
ein Arzt Anspruch darauf hat, zu wissen, wie viel eine
medizinische Leistung wert ist. Nur so kann er seine Pra-
xis entsprechend organisieren.
Wir wollen mit der Neuordnung des Honorarsystems
ebenfalls verhindern – das ist entscheidend –, dass ein
gesetzlich Versicherter keinen Termin bekommt, weil
das Budget vorzeitig aufgebraucht ist, und im Vergleich
zu anderen Versicherten benachteiligt wird. Wir wollen
hier zu vernünftigen Regelungen kommen. Wir schätzen
es sehr, dass 90 Prozent der Menschen in die gesetzliche
Krankenversicherung einzahlen, und zwar oft hohe Bei-
träge. Wir verstehen daher die Empörung eines gesetz-
lich Krankenversicherten darüber, dass er, der – auch als
Gesunder – ständig hohe Beiträge in das System einge-
zahlt hat, größere Schwierigkeiten hat, einen Termin zu
bekommen, oder andere Untersuchungsmethoden akzep-
tieren muss, wenn er krank ist, als diejenigen, die sich
schon in jungen Jahren privat versichert haben, vielleicht
120 Euro Monatsbeitrag zahlen und bevorzugt behandelt
werden. Wir wollen das nicht. Wir werden gemeinsam
die Kraft haben, entsprechende Änderungen auf den
Weg zu bringen.
Eines ist klar: Wer denn sonst, wenn nicht eine große
Koalition, sollte die Kraft haben, das Gesundheitswesen
effizient und gerecht zu gestalten? Ich bin mir sicher,
dass wir diese Kraft haben.
Vielen Dank.
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