Wir als Bildungs- und Forschungspolitiker sind dann
tark – damit möchte ich aufgreifen, was Frau Dr. Sitte,
ber auch andere Redner gesagt haben –, wenn wir mit
nderen Politikbereichen und durch diese hindurch wir-
en können. Deshalb ist der Hinweis richtig, dass
eutschland in der Innovationspolitik gut ist, wenn
iese nicht nur aus dem Forschungsbereich heraus ver-
tanden wird, sondern auch aus dem Wirtschaftsbereich
nd dem sozialpolitischen Bereich.
Es ist auch richtig, dass wir bei uns nicht nur Wirt-
chaft auf höchstem Niveau haben, sondern auch sozia-
en Frieden möglich machen, wenn wir anerkennen
damit nehme ich die Einwände von Frau Dr. Sitte auf –,
ass mangelnde Bildung und Armut in einem Zusam-
enhang stehen. Das muss man aussprechen können.
as muss man mit im Blick haben.
Wir sind dankbar dafür, dass die Bundeskanzlerin
usdrücklich folgende Leitlinie dargestellt hat – ich
omme damit auf ihre Rede zurück –: Die Herkunft darf
icht über die Zukunft entscheiden. Ich denke, darin ist
ich das ganze Haus einig.
Wir müssen uns vorsichtig daran herantasten, was
iese neue Regierungskonstellation eigentlich in die Ge-
ellschaft hinein vermitteln kann. Diese Botschaft be-
ommt jedenfalls eine Tragfähigkeit durch alle Aufga-
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Dr. Ernst Dieter Rossmann
ben und Felder der Bildungspolitik hindurch. Für uns
heißt das übersetzt: Es gibt für alle ein Recht auf Bil-
dung und optimale Förderung vor der Schule und in
der Schule. Für uns heißt das auch, dass es für alle ein
Recht auf Ausbildung, Studium und Durchlässigkeit in
der Bildung und ein Recht auf Weiterbildung gibt.
Dazu möchte ich einige Anmerkungen machen. Frau
Dr. Schavan, es geht mir zunächst um das Recht auf Bil-
dung vor der Schule und in der Schule. Bei diesem Punkt
haben Sie schon früh darauf hingewiesen, wie wichtig
das ist, was vor der Schule passiert, und zwar nicht nur
unter dem Gesichtspunkt der Betreuung, sondern auch
unter dem Gesichtspunkt der optimalen Förderung. Wir
müssen das in das einbinden, was mit dem Tagesbetreu-
ungsausbaugesetz als zusätzliche gemeinschaftliche
Chance einer frühen Förderung von Kindern gegeben ist.
Eines will ich hier ausdrücklich ansprechen: Viele
Kinder mit einem Migrationshintergrund kommen zu
uns und bringen vieles mit – eben auch Qualität. Sie
müssen aber auch die Chance bekommen, optimal geför-
dert zu werden. Das ist nicht nur ein Migrationsphäno-
men, sondern auch ein Phänomen des sozialen Zusam-
menhalts in anderen Milieus unserer Gesellschaft.
Dies müssen wir mit in den Mittelpunkt stellen; denn wir
halten es für wichtig, dass die Herkunft nicht über die
Zukunft entscheiden soll. Das soll weiterhin die Leitlinie
unserer Politik sein.
Frau Sager, ich will gar nicht anstehen, zu sagen: Die
größte Ehrung für die Grünen, die es jetzt geben kann,
ist, zu sagen, dass Sie eben viele gute Argumente ge-
nannt haben. Es geht nämlich darum, dass es auch eine
Gemeinschaftsverpflichtung ist. Vielleicht gibt es ja
noch mal ein Nachdenken darüber, ob modernes Regie-
ren wirklich heißen muss, dass man das Angebotsprinzip
ausschließt, wenn man die Subsidiarität akzeptieren be-
ziehungsweise das Subsidiaritätsprinzip anerkennen
will. Vielleicht gibt es ja noch die Möglichkeit, zumin-
dest über das Angebotsprinzip nachzudenken, sodass
sich der moderne Staat in Zukunft auch gegenüber ande-
ren Ebenen angebotsfähig halten kann, damit er in der
Lage ist, sie zu unterstützen.
Diese etwas außerhalb des Vertrages liegende, aber
nachdenkenswerte Bemerkung wollte ich mir erlauben.
In Bezug auf das Recht auf Ausbildung und Stu-
dium und die Durchlässigkeit in der Bildung haben
wir ein Bekenntnis zur dualen Ausbildung. Aber große
Koalitionen ermöglichen es ja auch, manches offener zu
sehen. Die duale Ausbildung ist gut, doch faktisch ha-
ben wir schon einen Dualismus in der Ausbildung. Es
gibt die duale Ausbildung und es gibt auch die schuli-
sche Ausbildung.
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Der nächste Punkt bezieht sich auf das lebenslange
ernen. Frau Aigner, dankenswerterweise haben Sie be-
eits die ganz konkreten Punkte positiv angesprochen.
ir haben auch früher schon darum gerungen und mit
em Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz zwischen-
urch bereits manches auf den Weg gebracht.
Das führt mich zu einem letzten Gedanken, nämlich
u der Frage, ob diese große Koalition – man darf es
icht übertreiben, wenn man am Anfang steht – nicht
urchaus eine Raison d’Etre hat, die speziell auch in Be-
ug auf die Weiterbildung eine Bedeutung bekommen
ann. Raison d’Etre kann sein, dass es eben nicht nur um
inen politischen Pakt geht, sondern man muss auch ei-
en gesellschaftlichen Pakt schließen, einen Pakt, durch
en wir Vertrauen gewinnen und in dem man die Interes-
en, die mehr in der Wirtschaft, und die, die in der Ar-
eitnehmerschaft begründet liegen, zusammenbringt.
enn genau dies gelingt, dann kann auch Weiterbildung
ine Vision für die Zukunft sein, die nicht nur den demo-
raphischen Faktor, nicht nur Menschen mit einem Ren-
eneintrittsalter von 67 Jahren – dafür benötigt man zur
eiterbildung qualifizierte Menschen –, einschließt,
ondern die Weiterbildung als ein Grundprinzip, das sich
n einer innovativen Gesellschaft wiederfindet, abbildet.
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Dr. Ernst Dieter Rossmann
Ich habe mich über die heutige Ausgabe der „Zeit“
gefreut, weil auf der ersten Seite eine Polemik von Herrn
Greiner zu finden ist, worin er sich gegen diejenigen
wendet, die sich sehr stark als „blinde Eliten“ in Unter-
nehmen, Wissenschaftseinrichtungen und anderswo er-
weisen. Von ihnen fordert er ein, gesellschaftliche Ver-
antwortung zu übernehmen. Nach dieser Mahnung auf
der ersten Seite findet sich auf der zehnten Seite die In-
formation, dass sich der Zentralverband des Deutschen
Handwerkes und die Gewerkschaften gemeinsam über-
legen, zu einem nationalen Bildungspakt zusammen-
zukommen.
Dieser Unterschied zwischen der ersten und der zehn-
ten Seite beschreibt auch das, was für diese große Koali-
tion eine Chance sein kann, nämlich ein neuer Gesell-
schaftsvertrag, aus dem hervorgeht, dass Bildung eine
Grundessenz ist, die unsere Gesellschaft den Menschen,
egal wo sie stehen und wie sie sich entwickeln, anbieten
können muss.
Danke schön.