Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin!
iebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Erstes
ie Gelegenheit nutzen, Frau Ministerin Schavan im Na-
en der FDP-Bundestagsfraktion zu ihrem neuen Amt
u gratulieren. Wir wünschen Ihnen Glück und auch Er-
olg im Interesse des Wohles unseres Landes. Frau Mi-
isterin, wir wissen natürlich, dass Sie an der Spitze ei-
es Ministeriums stehen, das für die Zukunftsfähigkeit
eutschlands eine Schlüsselstellung hat.
Uns ist natürlich auch bewusst, dass gerade Ihr Minis-
erium die richtigen und mutigen Weichenstellungen für
ie Zukunft vornehmen muss. Das heißt, Sie müssen
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Cornelia Pieper
zukünftig mehr auf Freiheit für die Forschung, Autono-
mie der Hochschulen und auch mehr Wettbewerb der
Bildungseinrichtungen insgesamt setzen. Dann können
wir wieder an die Spitze in Europa kommen. Dafür ste-
hen auch wir als Liberale. Dafür haben wir bei der Föde-
ralismusreform mit Ihnen gestritten.
Wir können Ihnen auch zustimmen, wenn es um mehr
Investitionen in Bildung und Forschung geht. Wir alle
wissen, dass im OECD-Vergleich gerade diejenigen In-
dustrienationen ein höheres Wirtschaftswachstum haben,
die mehr in Bildung und Forschung investieren. Daraus
müssen wir lernen. Es ist gut, dass die Bundesregierung
jetzt sagt, sie wolle jährlich eine halbe Milliarde Euro in
Forschung und Entwicklung investieren. Es ist gut, dass
sie sagt: Die Mittel der großen Forschungsgesellschaften
sollen bis 2010 ebenso jährlich um 3 Prozent steigen.
Nur, den Worten müssen auch Taten folgen, Herr
Tauss, und darauf bin ich gespannt. Wir brauchen die
haushaltspolitische Untersetzung.
Ich vernehme, dass der Finanzminister und die Bil-
dungsministerin in dieser Frage zum Teil mit gespaltener
Zunge reden.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen, dass die in
der Regierungserklärung in Aussicht gestellten Steige-
rungsraten nicht ausreichen werden, um schrittweise das
3-Prozent-Ziel zu erreichen. Sie müssen ein Finanzpaket
von rund 8,3 Milliarden Euro schnüren, um von heute
rund 9 auf 12 Milliarden Euro in 2010 zu kommen. Das
ist eine Kraftanstrengung ohnegleichen. Wir sind aber
bereit, das zu unterstützen. Dazu bedarf es mehr Subven-
tionsabbau. Dazu bedarf es mehr Ausgabenkürzungen,
als Sie sie nach dem geplanten Haushalt vornehmen wol-
len.
Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung
gestern zu Recht von Leuchtturmprojekten geredet. Wir
brauchen Leuchtturmprojekte. Da war auch von der
Transrapid-Referenzstrecke die Rede. Diesen Leucht-
turm gibt es bereits, meine Damen und Herren, allerdings
an der chinesischen Küste. Dort fährt der Transrapid seit
zwei Jahren störungsfrei mit einer 93-prozentigen Ver-
fügbarkeit. Es geht um die Umsetzung, um die Anwen-
dung von Forschungsergebnissen, von neuen Technolo-
gien und nicht nur um Referenz.
Was wir brauchen, ist eine in sich geschlossene Stra-
tegie für Forschung und Innovationen. Anstatt die
Forschung dadurch zu stärken, dass die Aktivitäten ge-
bündelt werden, schreitet der Ausverkauf des For-
schungsministeriums nach dem Koalitionsvertrag weiter
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Wir werden den wachsenden Bedarf an Energie nicht
ecken können, Herr Tauss, ohne einen ganzheitlichen
nergieforschungsansatz mit einer ambitionierten
rundlagenforschung – ich nenne nur das Stichwort:
usionsforschung –, mit einer Spitzenforschung für mo-
erne Kraftwerkstechnik und mit einer kerntechnischen
icherheitsforschung.
Wir wollen Nanokompetenznetzwerke stärken und in-
ernational ausrichten.
Die Informationstechnologie ist eine Querschnitts-
echnologie, die als Forschungs- und Wettbewerbsbe-
chleuniger wirkt.
Ich denke auch an die Forschung im Dienstleistungs-
ektor, der immerhin zu 70 Prozent der Bruttowert-
chöpfung beiträgt.
Die Frau Ministerin hat zu Recht gefordert, dass es
ehr Freiheit für Forschung in Deutschland geben muss.
rau Ministerin, wenn Sie das ernst meinen, dann ver-
indern Sie, dass deutsche Stammzellforscher, die im
usland arbeiten, in Deutschland durch deutsches Straf-
echt kriminalisiert werden! Schaffen Sie endlich Frei-
eit für die Forschung, auch bei der embryonalen
tammzellforschung,
inem der wichtigsten Forschungsbereiche der Zukunft,
eil schwerstkranke Menschen große Hoffnungen auf
ie medizinische Forschung und eben insbesondere auf
ie embryonale Stammzellforschung setzen!
Wir werden dazu unsere Gesetzentwürfe zum Stamm-
ellenimport, aber auch zur Novellierung des Embryo-
enschutzgesetzes wieder einbringen.
Meine Damen und Herren, es geht längst nicht mehr
llein um Deutschland. Es geht darum, den europäischen
ildungs- und Forschungsraum zu stärken. Globalisie-
ung bedeutet Wettbewerb um die besten Köpfe welt-
eit. Viel zu viele kluge Köpfe verlassen Deutschland.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 245
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Cornelia Pieper
Deswegen müssen wir handeln. Wir brauchen mehr Au-
tonomie der Hochschulen und eine modernere Wissen-
schaftslandschaft, Frau Ministerin. Wir haben zu Recht
mehrmals darauf hingewiesen, dass wir Bürokratie ab-
bauen müssen. Aber wir wollen bei der Diskussion über
die Föderalismusreform vor allen Dingen mit der Auto-
nomie der Hochschulen weiterkommen. Wir wollen,
dass die Autonomie der Hochschulen im Grundgesetz
verankert wird. Das ist die beste Voraussetzung für inter-
nationale Wettbewerbsfähigkeit. Helfen Sie mit, dass das
gelingt!
Ich sage Ihnen aber auch: Wir sind als Bildungs- und
Forschungspolitiker der FDP-Fraktion nicht ganz zufrie-
den mit den Ergebnissen der Föderalismuskommission.
Ich sage das ganz bewusst mit Blick auf eine Tatsache,
die Sie zu Recht angesprochen haben: Wir wollen mehr
Studierende in unserem Land haben. Bis 2011, hat die
KMK ausgerechnet, wird die Zahl der Studierenden um
22 Prozent steigen. Das begrüßen wir. Wir brauchen
exzellente Studienbedingungen und exzellente Bedin-
gungen für die Lehre. Das setzt natürlich voraus, dass
sozialverträgliche Studienentgelte zugelassen werden.
Dazu bekennen wir uns. Das sollen die Hochschulen au-
tonom entscheiden können. Aber wir müssen die Bedin-
gungen in dem föderalistischen System in Deutschland
so gestalten, dass den jungen Menschen, die studieren
wollen, keine Hürden in den Weg gestellt werden. Wenn
der junge Mensch, der aus Baden-Württemberg kommt,
an einer Hochschule in Berlin nicht zugelassen wird,
weil die Hochschulzulassungen in den 16 Bundeslän-
dern unterschiedlich sind, dann wird das einem europäi-
schen Bildungsraum nicht mehr gerecht. Hier müssen
wir handeln.
Exzellente Bedingungen für die Hochschulen und
Anreize für die Spitzenwissenschaftler werden wir nur
bekommen, wenn das öffentliche Dienst- und Beamten-
recht an den Hochschulen fällt und durch einen Wissen-
schaftstarifvertrag ersetzt wird. Dazu haben wir in der
Vergangenheit mehrmals Anträge eingebracht. Dabei
werden wir Sie unterstützen.
Kluge Köpfe sind in der Tat die wichtigste Ressource
unseres Landes. Aber welche Verschwendung an
menschlichen Ressourcen, an Lebensarbeitszeit junger
Menschen haben wir in Deutschland! 80 000 Schüler
jährlich ohne Schulabschluss, 1,3 Millionen junge Men-
schen zwischen 20 und 30 Jahren ohne Berufsabschluss;
das sind die sozialen Härtefälle von morgen. Das ist ein
Thema, dem wir uns als Liberale ganz besonders stellen
wollen. Chancengleichheit ist ein wichtiges Credo unse-
rer Bildungspolitik. Deswegen begrüßen wir die Novelle
zum Berufsbildungsgesetz. Wir sind für eine gestufte
Ausbildung. Wir konnten uns schon immer vorstellen,
auch im Interesse von eher praktisch orientierten jungen
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as hat Benjamin Franklin gesagt. Daran werden wir ar-
eiten.
Vielen Dank.