Rede von
Dr.
Michael
Meister
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Deutschland hat wieder eine handlungsfähige Bundesre-
gierung unter der Führung von Angela Merkel. Die Zeit
des Stillstands ist vorbei. Wir legen alleine heute im
Rahmen dieser Debatte drei Gesetzentwürfe vor, die in
den nächsten Wochen beraten und beschlossen werden
sollen.
Das zeigt, es geht zügig voran. Es wird nicht nur disku-
tiert, Frau Scheel, sondern es wird in Deutschland wie-
der gehandelt.
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Die jüngste Konjunkturumfrage des Instituts der deut-
chen Wirtschaft Köln oder die schon eben von Herrn
olms zitierte OECD-Prognose verkünden eine positive
ntwicklung. Wir sollten diese positive Perspektive nut-
en, ohne sie zu überschätzen; denn es reicht uns nicht,
enn sich allein die Konjunktur bessert. Wir müssen den
onjunkturellen Aufschwung nutzen, um notwendige
trukturelle Veränderungen in Deutschland voranzu-
ringen und die Lage unseres Landes damit dauerhaft zu
erbessern.
Hier wurde eben angemerkt, dass die Strukturrefor-
en dieser Bundesregierung nicht weit genug gehen. Ich
öchte deshalb aus dem Monatsbericht der Deutschen
undesbank vom November 2005 zitieren, in dem sich
ie Bundesbank mit dem Koalitionsvertrag auseinander
etzt:
In zentralen Bereichen werden im Koalitionsvertrag
für die Legislaturperiode grundlegende finanzpoli-
tische Reformen in Aussicht gestellt. … Hier beste-
hen Chancen, dass die finanzpolitischen Rahmen-
bedingungen deutlich verbessert werden.
s wird an uns allen liegen, in welcher Weise wir die
hancen, die in diesem Koalitionsvertrag stecken, tat-
ächlich nutzen. Ich rate uns dazu, diese Chancen nicht
u zerreden; vielmehr sollten wir gemeinschaftlich ver-
uchen, diese Chancen zu nutzen, um zu Ergebnissen zu
ommen. Vor dieser Aufgabe stehen wir gemeinschaft-
ich.
Die Ausgangslage, die wir vorfinden – Stichworte:
aushaltslage; Arbeitsmarkt; Strukturen, insbesondere
er Sozialsysteme –, ist ungeheuer schwierig. Hier
urde eben gefordert, dass die Staatsfinanzen saniert
erden. Auch wenn manch einer diesen Eindruck er-
eckt, ist es natürlich nicht so, dass die Koalitionsver-
andlungen der vergangenen Wochen zu dem Defizit ge-
ührt haben, das wir jetzt zu beseitigen haben; vielmehr
at diese Koalition dieses Defizit in Höhe von etwa
0 Milliarden Euro vorgefunden. Wir stellen uns der
ufgabe, diesen Haushalt wieder in Ordnung zu bringen.
228 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005
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Dr. Michael Meister
Ich finde es ausgesprochen gut, dass Herr Steinbrück
bei einem gemeinsamen Interview auf einer Pressekon-
ferenz gesagt hat: Diese Koalition startet, indem wir uns
zuerst einmal ehrlich machen und die Problemlage zu
Beginn der Arbeit klar und deutlich benennen. Ich
glaube, der einzig sinnvolle Weg ist, bei den Realitäten
zu beginnen und keine Wunschbilder zu malen.
Herr Kollege Solms hat eben erklärt, er vermisse ein
ökonomisches Leitmotiv. Ich glaube, dass wir in dieser
Koalition angesichts dieser schwierigen Ausgangslage
sehr wohl ein ökonomisches Leitmotiv gefunden haben:
Erstens wollen wir sanieren, Herr Solms. Das ist bei ei-
ner Unterdeckung des Bundeshaushalts in Höhe von
60 Milliarden Euro dringend geboten.
Zweitens wollen wir durch Sanieren nicht abwürgen –
da widerspreche ich Ihrem Kollegen Brüderle –, son-
dern, begleitend zum Sanieren, Investitionen anregen
und damit dazu beitragen, dass Wachstum und Beschäf-
tigung gefördert werden. Beides tun wir gemeinsam.
Drittens wollen wir durch die Reformen, die wir an-
packen – etwa im Unternehmensteuerbereich und im Be-
reich der Sozialsysteme –, Perspektiven langfristiger Art
eröffnen.
Ich glaube, dass dieser Dreiklang wichtig ist. Wenn
wir erfolgreich sein wollen, dann wird es wichtig sein,
diese drei Bereiche – Sanieren, Investieren und Refor-
mieren – gleichermaßen zu berücksichtigen und keine
dieser Aufgaben aufzugeben.
Wir bekennen uns klar und deutlich dazu, dass wir ab
dem Jahre 2007 den Vertrag von Maastricht einhalten
wollen, und zwar sowohl nach dem Wortlaut als auch
nach dem Geist dieses Vertrages. Wir wollen auch die in
Art. 115 des Grundgesetzes festgelegte Regelgrenze ab
2007 wieder einhalten. Damit schlagen wir finanzpoli-
tisch endlich wieder einmal Pflöcke ein, die deutlich ma-
chen, auf welcher Basis unser Land finanzpolitisch ge-
führt wird. Ich glaube, das ist eine riesige Anstrengung
und eine klare Ansage. Es wird sehr viel Kraft erfordern,
diese Ziele zu erreichen und über das Jahr 2007 hinaus
wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.
Wenn bei einer Lücke von 60 Milliarden Euro gesagt
wird: „Wir schaffen es allein über die Ausgabenseite,
diese Lücke zu schließen“, dann will ich betonen: Wir
reden über die Zielerreichung im Jahr 2007! Das bedeu-
tet, dass wir bis 2007 nicht nur jährliche Sparvolumina
in einer Größenordnung von mehr als 30 Milliarden
Euro brauchen, sondern dass wir diese Beträge kassen-
wirksam im Bundeshaushalt brauchen.
Das ist etwas ganz anderes, als wenn jahreswirksame
Veränderungen beschlossen werden, die zum Teil auch
Länder und Kommunen betreffen. Deshalb müssen wir
uns auch bei dieser Debatte ehrlich machen, indem wir
klar und deutlich sagen: Wer es anstrebt, in 14 Monaten
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Herr Steinbrück hat vorhin die Aufteilung genannt.
ir werden sparen. 10 Milliarden Euro in 14 Monaten
edeutet eine gewaltige Herausforderung. Indem wir in
ie steuerliche Bemessungsgrundlage eingreifen, wer-
en wir etwa 6 Milliarden Euro bewegen. Darüber hin-
us stehen wir vor der Notwendigkeit – dazu will ich
ich klar und deutlich bekennen –, in den Bereich der
msatzsteuer und der Versicherungsteuer hineinzuge-
en.
An der Stelle will ich eine Aufforderung aussprechen.
ll dies wird gesetzlich umgesetzt werden müssen. Wir
ind da offen; Herr Poß, das kann ich, glaube ich, auch in
hrem Namen sagen. Wenn der Kollege Solms uns in
en Haushaltsberatungen Einsparvorschläge im Volu-
en von 12 Milliarden Euro vorlegt,
ie belegt sind und im Jahr 2007 kassenwirksam sind,
ann bin ich durchaus bereit, darüber zu reden. Ich ver-
preche Ihnen: Wir schauen uns Ihre Einsparvorschläge
on 12 Milliarden Euro an. Wenn sie deckungsfähig
ind, werden wir offen über die Frage reden, ob wir uns
ort in anderer Weise aufstellen.
ber es muss klar sein, dass das Sparvolumen gehoben
ird. Herr Solms, Sie haben jetzt Zeit – wir beginnen
ur Jahreswende mit den Haushaltsberatungen –, Ihren
orschlag auf den Tisch zu legen – additiv zu dem, was
ie Koalition vorgelegt hat. Dann sind wir gern bereit,
ns mit Ihnen darüber auszutauschen.
Zur Mehrwertsteuer will ich Folgendes sagen: Wir
aben ausdrücklich darauf Wert gelegt, dass eine Sen-
ung der Lohnzusatzkosten zustande kommt.
ir wollen die Lohnzusatzkosten dauerhaft auf ein
iveau von unter 40 Prozent führen. Das ist für die Ar-
eitsplätze am Standort Deutschland und für die Inves-
itionstätigkeit am Standort Deutschland eine ganz zen-
rale Aussage. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir
inen Teil über Veränderungen in den Sozialsystemen
nd einen Teil über Refinanzierung über die Umsatz-
teuer realisieren.
Ich will noch einen weiteren Punkt nennen. Herr
ichel, Sie können das, glaube ich, bestätigen; Sie haben
as mehrfach in Bezug auf die Rentenversicherung und
ie Krankenversicherung angesprochen. Die Dynamik,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 229
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Dr. Michael Meister
die aus den Sozialsystemen kommt, erschlägt sozusagen
den Bundeshaushalt. Diese Koalition hat jetzt den Mut
gefunden, zu sagen: Wir schließen diese Schleuse und
werden dafür sorgen, dass diese Dynamik aus dem Bun-
deshalt herausgenommen wird. Als Strukturentschei-
dung ist das eine ganz zentrale Weichenstellung. Ich
weiß nicht, ob eine Koalition anderer Konstellation
überhaupt den Mut gehabt hätte, diese zentrale Weichen-
stellung vorzunehmen.
Das Impulsprogramm, das Thema Investieren also,
ist von Herrn Steinbrück schon dargestellt worden. Ich
will deshalb das Impulsprogramm nicht näher ausführen,
aber zwei Bemerkungen machen. Den Privathaushalt als
Arbeitgeber zu entdecken halte ich für extrem wichtig.
Von vielen Rednern ist in diesen beiden Tagen schon be-
tont worden, dass wir gerade im Niedriglohnsektor ein
Problem mit Arbeitskräften haben. Jetzt haben wir end-
lich die Offenheit, zu sagen: Dort, wo viel ohne Rech-
nung, unter der Hand, geht, wollen wir im legalen
Bereich, nämlich nur dann, wenn sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigung entsteht, zu einer steuerlichen
Anerkennung kommen. Damit verfolgen wir nicht
Schwarzarbeit, sondern setzen einen Anreiz, sozusagen
Arbeit aus der Schwarzarbeit herauszuholen. Ich glaube,
dass das ein richtiges Prinzip ist. Wir sollten diesen Weg
einschlagen, um mehr legale Arbeit in Deutschland zu
schaffen.
Hier wird die Behauptung aufgestellt, dieses 25-Mil-
liarden-Euro-Investitionsprogramm werde nur ein Stroh-
feuer bewirken. Da hat der eine oder andere die Konzep-
tion noch nicht ganz verstanden. Wir müssen massiv
sanieren. Die Erhöhung des regulären Satzes der Um-
satzsteuer um 3 Prozentpunkte hat natürlich Auswirkun-
gen auf die Binnenwirtschaft. Deshalb muss über den
1. Januar 2007 hinweg eine Brücke gebaut werden, mit
der wir dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiter läuft.
Wenn wir jetzt das Signal setzen „Ihr könnt in den Jah-
ren 2006 und 2007 zu günstigen Rahmenbedingungen
investieren“, dann schaffen wir genau die Brücke, die
wir brauchen.
Wir werden in den Gesetzesberatungen darüber reden
müssen, wie belastbar diese Brücke ist. Sehr viel wird
daran liegen, wie wir das im Einzelnen ausgestalten. Ziel
ist, dass die erwarteten Investitionen tatsächlich zu-
stande kommen. Deshalb muss vom Investitionsanreiz
aus dem ersten Jahr bis zum Jahr 2008, in dem dann die
langfristigen Reformen greifen sollen, ein Weg entste-
hen, der kontinuierlich beschritten werden kann. Dann
haben wir ein ökonomisches Konzept, das auch in der
Zeitschiene ausgereift ist und trägt.
Jetzt zum nächsten Teil, den Reformen. Ich glaube,
dass wir das von Herrn Glos heute Morgen genannte
durchschnittliche reale Wachstum von 1 Prozent nicht
akzeptieren können. Das ist für unser Land viel zu we-
nig, weil so keine Arbeitsplätze entstehen. Wir brauchen
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ieser Zeitpunkt zeigt auch, dass das Ganze nicht auf
en Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben ist.
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Dr. Michael Meister
Wir alle werden uns erheblich anstrengen müssen, die-
sen Termin einzuhalten.
Wir halten das ein, was wir den Unternehmen ver-
sprochen haben: Es wird eine Regelung zur Erbschaft-
steuer, eine Umstellung bei den Buchführungspflichten
sowie durch die verbesserte Istbesteuerung eine Verbes-
serung der Liquiditätssituation von kleinen Unterneh-
men geben. Dies wird relativ zügig noch im kommenden
Jahr angegangen werden.
Abschließend zu den drei vorliegenden Gesetzent-
würfen: Die Abschaffung der Eigenheimzulage haben
wir in Verbindung mit der Frage der Integration der Im-
mobilie in die private Altersvorsorge gesehen. Vor die-
sem Hintergrund sind wir bereit, zu sagen: Wenn die
Immobilie in geeigneter Weise in die private Altersvor-
sorge integriert ist, kann auf das Förderinstrument der
Eigenheimzulage verzichtet werden.
Zu den Steuersparfonds will ich nur sagen: Mir liegt
im Sinne der Vertrauensbildung daran, dass wir an dieser
Stelle versuchen, so weit als möglich auf rückwirkendes
In-Kraft-Treten zu verzichten
und den Menschen zu sagen, was wir in der Zukunft tun
werden. Deshalb werden diese drei Gesetzentwürfe bis
zum Jahresende im Bundestag und im Bundesrat ab-
schließend beraten werden, damit die Menschen zum
Jahreswechsel wissen, was in steuerlicher Hinsicht im
nächsten Jahr auf sie zukommt.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue
mich auf die Debatten. Es ist jetzt viel leichter, hier zu
reden, weil man viel größeren Zuspruch hat.