Rede von
Katherina
Reiche
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Umweltkatastrophen wie der Chemieunfall in
China führen uns immer wieder auf erschreckende Art
und Weise vor, dass weltweit noch ein erheblicher Nach-
holbedarf im Umweltschutz besteht; schließlich handelt
es sich dabei um keinen Einzelfall. Die Europäische
Umweltagentur hat in dieser Woche einen Bericht vorge-
legt, in dem sie darauf hinweist, dass Europa der
schlimmste Klimawandel seit 5 000 Jahren droht, sollte
sich die derzeitige Erderwärmung fortsetzen. Diese
Agentur schreibt, dass bis zum Jahr 2050 bei unverän-
derten Bedingungen drei Viertel der Schweizer Glet-
scher weggeschmolzen sind. Das ist wahrlich keine gute
Aussicht. Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrund-
lagen gehört in Deutschland inzwischen zum gesell-
schaftlichen Selbstverständnis. Wir haben seit vielen
Jahren ein sehr hohes Umweltschutzniveau und arbeiten
ständig auch an einem Umweltbewusstsein.
Die eben genannten Beispiele machen jedoch auch
deutlich, dass wir im Umweltschutz weltweit noch sehr
viel zu leisten haben. Es müssen neue Konzepte entwi-
ckelt werden, um wirtschaftliches Wachstum und den
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen in Einklang zu
bringen. Das ist eine große Aufgabe. Wir werden nur er-
folgreich sein, wenn uns der Ausgleich zwischen ökono-
mischen und ökologischen Interessen gelingt.
Es ist deshalb richtig, dass sich CDU, CSU und SPD in
ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet haben, dass
Deutschland seine führende Rolle im Klimaschutz auch
weiterhin wahrnimmt, dass Deutschland im Umwelt-
schutz auch weiterhin Vorbild ist.
Gerade beim Klimaschutz stehen wir vor großen He-
rausforderungen. So haben die Vereinten Nationen erst
in diesem Jahr einen Bericht vorgelegt, nach dem allein
die Industriestaaten im Jahr 2010 knapp 11 Prozent mehr
Treibhausgase ausstoßen werden als noch 1990. In den
Entwicklungs- und Schwellenländern wird dieser An-
stieg noch höher sein.
Es müssen weitere, neue Wege gefunden werden, den
Treibhausgasausstoß weiter zu reduzieren. Deshalb set-
zen wir uns dafür ein, dass bis zum Jahr 2009 ein inter-
nationales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach
2012 geschaffen wird, dass auf dem Kioto-Protokoll auf-
baut. Dabei müssen auch andere Industriestaaten wie die
USA und die Entwicklungs- und Schwellenländer einge-
bunden werden. Insbesondere mit den USA muss es wie-
der zu einem konstruktiven Dialog kommen. Wir wollen
den Klimaschutz in einem partnerschaftlichen Verhältnis
mit den USA besprechen und aufbauen. Da wurde in den
vergangenen Jahren sicherlich einiges versäumt. Die
derzeitige Klimakonferenz in Montreal ist ein wichtiger
Schritt, um den Dialog wieder aufzunehmen.
Auch international wollen wir unserer Verantwortung
im Klimaschutz gerecht werden. Hierzu gehört bei-
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Einen Schwerpunkt bildet für uns die energetische
anierung von Altbauten. Hier wollen wir das große
otenzial zur Einsparung von Energie und CO2 angehen.
in beträchtliches Fördervolumen soll dafür aktiviert
erden. Das ist angesichts der schwierigen Haushalts-
age sicherlich ein Kraftakt. Dass ungefähr zwei Drittel
er Gebäude in Deutschland wärmetechnisch sanie-
ungsbedürftig sind, zeigt, dass wir hier auf dem richti-
en Weg sind.
Die Bundeskanzlerin hat gestern in ihrer Regierungs-
rklärung auf die großen Potenziale in der energetischen
ebäudesanierung Bezug genommen. Dieses Pro-
ramm ist nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, son-
ern auch zur Förderung von Arbeitsplätzen im Mittel-
tand.
Die Energie- und Rohstoffpreise sind in den vergan-
enen Monaten deutlich gestiegen. Diese Entwicklung
at unmittelbar Auswirkungen auf die Wettbewerbsfä-
igkeit unserer deutschen Unternehmen. Wir müssen uns
on dieser Entwicklung unabhängiger machen und die
nergieversorgung in Deutschland auf eine breite Basis
tellen. Wir brauchen einen breiten Energiemix, der
eine Energieform ausschließt. Wir müssen noch stärker
uf erneuerbare Energien setzen, insbesondere auf nach-
achsende Rohstoffe und Biomasse; wenn Sie so wol-
en: weg vom Öl.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang ein paar
ätze zur Weißen Biotechnologie, also Ersatz endlicher
ossiler Brennstoffe durch nachwachsende Rohstoffe
zw. Einsatz von biologischen Systemen wie Zellen oder
nzymen als Katalysatoren in industriellen Prozessen.
erade die technologischen Durchbrüche auf den For-
chungsgebieten der Enzymentwicklung, der Biokata-
yse und der genetischen Modifizierung von Mikroorga-
ismen stoßen in der chemischen Industrie auf ein
reites Interesse und auf eine große Nachfrage.
In der Weißen Biotechnologie sind wir zudem in einer
ituation, die wir leider nicht mehr in allen innovativen
orschungsbereichen haben; denn wir haben hier eine
osition, die der der USA mindestens gleichwertig,
enn nicht vorteilhafter ist. Diesen Vorteil dürfen wir
icht verspielen, sondern müssen ihn ausbauen.
Die erneuerbaren Energien haben sich in den ver-
angenen Jahren zu einer wichtigen Säule der Strom-
ersorgung entwickelt. Im Jahr 2004 betrug der Ge-
amtumsatz im Bereich der erneuerbaren Energien
1,5 Milliarden Euro, insgesamt wurden in diesem Be-
eich 6,5 Milliarden Euro investiert. Diese Branche hat
ittlerweile 100 000 Arbeitsplätze.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Dezember 2005 199
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Katherina Reiche
Die erneuerbaren Energien entwickeln sich damit zu
einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. Allerdings müssen
wir bei ihrer Förderung auch immer die damit verbunde-
nen Kosten berücksichtigen. Die Förderung der erneuer-
baren Energien erfolgt nämlich vornehmlich durch eine
Umlage über die Strompreise. Nach Angaben des Ver-
bandes der Elektrizitätswirtschaft betrug die Gesamtbe-
lastung der Stromverbraucher im Jahr 2004 rund
2,3 Milliarden Euro. Wir müssen darauf achten, dass die
Förderung in einem ausgewogenen Verhältnis erfolgt.
Die Überprüfung der wirtschaftlichen Effizienz der För-
derung im Jahr 2007 ist hierfür eine wichtige Festlegung
im Koalitionsvertrag.
Für die energieintensiven Unternehmen brauchen
wir zudem bessere Rahmenbedingungen. Stilllegungen
wie die des Aluminiumwerks in Hamburg soll es nicht
mehr geben. Die Härtefallregelung im EEG werden wir
novellieren.
Bisher sind die erneuerbaren Energien noch nicht
wettbewerbsfähig. Hier bedarf es vermehrter Anstren-
gungen in Forschung und Entwicklung, nicht nur im
öffentlichen, sondern auch im unternehmerischen Be-
reich. Die Innovationsinitiative „Energie für Deutsch-
land“, die Union und SPD gemeinsam auf den Weg brin-
gen wollen, ist hierfür ein zentraler Baustein. Wir wollen
die Ausgaben für Energieforschung schrittweise erhö-
hen, damit die erneuerbaren Energien und die Biomasse
sowie ein nationales Investitionsprogramm für die Was-
serstofftechnologie gefördert werden können. Gleichzei-
tig wollen wir mit der Wirtschaft vereinbaren, dass sie
ebenfalls zusätzliche Mittel für Forschung und für Markt-
einführung von Energietechnologien investiert.
In den vergangenen Jahren wurde Umweltpolitik in
Deutschland oftmals als Wachstums- und Innovations-
hemmnis wahrgenommen. Wir müssen uns ernsthaft die
Frage stellen, welche Entwicklungen in der Umweltpoli-
tik falsch gelaufen sind. Wenn der Feldhamster das Sym-
bol für Investitionshemmnisse geworden ist und Um-
weltschutz als Wachstumsbremse erscheint, dann läuft
etwas falsch.
Leider waren die Vorwürfe nicht immer unbegründet;
das muss ich sagen, wenn ich an die EU-Chemikalienpo-
litik oder an die Energieforschung denke. Für viele Bür-
ger und Unternehmen ist die Umweltpolitik sehr kompli-
ziert; sie erscheint bürokratisch und ist auch teuer.
Deshalb muss die Umweltpolitik selbst einem Moder-
nisierungsprozess unterzogen werden. Umweltpolitik
selbst muss effektiver und bürgerfreundlicher werden.
Die Bewahrung der Schöpfung und qualitatives Wachs-
tum sind nicht zu trennen.
Deutschland verfügt über ein großes Wissen in der
Umwelttechnik, beispielsweise in der Wasserreinigung,
in der Abfallentsorgung, beim effizienten Einsatz von
Energie, bei Klimaschutz und auch bei erneuerbaren
Energien. Deutsche Unternehmen und Wissenschaftler
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