Die Euro-
päische Union der 25, bald 27 oder 28, ist heute in sich
institutionell noch gar nicht gefestigt und von daher noch
nicht handlungsfähig. Deshalb ist es wichtig, dass wir
nicht einfach – nach der Humboldt-Rede des Bundesau-
ßenministers, in der er fast noch einen Bundesstaat sui
generis gefordert hat – Europa in dieser Form erweitern,
ohne uns Gedanken zu machen, ob das Integrationswerk
von 50 Jahren dabei Schaden nehmen könnte. Auch das
ist ein Beitrag der Kopenhagener Kriterien. Wir wollen
nicht mehr und nicht weniger, als darüber reden. Unsere
Option an dieser Stelle ist klar. Ich finde, sie ist vernünf-
tig und bewahrt uns vor einer neuen Lebenslüge, Herr
Bundeskanzler.
Angesichts der gesamten Aufgabenpalette – der He-
rausforderungen im Inneren und Deutschlands Rolle,
die, wie ich finde, eine Rolle von Maß und Mitte sein
sollte, wie es uns durch unsere kontinentale Lage vorge-
geben ist, wobei wir uns im Übrigen nicht immer nur um
Spanien, Großbritannien und Frankreich kümmern soll-
ten, sondern auch einmal um die kleineren Mitgliedslän-
der der Europäischen Union;
das ist eine ganz wichtige Sache, die von Helmut Kohl
immer beherzigt wurde – könnten wir zu etwas zurück-
kehren, was Sie im August 2002, zur Zeit der Flut, ge-
sagt haben:
Der Gemeinsinn, der hier deutlich geworden ist, ist
ein Schatz, den wir zu hüten und zu mehren haben.
Dieser Schatz an Gemeinsinn ist unbezahlbar. Denn
er macht das Land gerade in Krisen stark und er
macht damit uns und die Menschen im Land fähig,
nicht nur Krisen und Katastrophen zu bewältigen,
sondern auch die anderen Probleme zu lösen.
Nun, lieber Herr Bundeskanzler, frage ich Sie: Was
wollen Sie hüten, wenn Sie sich mit dem Gedanken tra-
gen, den Tag der Deutschen Einheit abzuschaffen? Herr
Bundeskanzler, welchen Schatz wollen Sie mehren,
wenn Sie so viel Schulden machen wie noch nie in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland?
Herr Eichel, hören Sie auf zwischen 2,0 und
2,2 Prozent zu unterscheiden. Da lachen doch die Hüh-
ner!
Damals war es die Zeit kurz nach der deutschen Einheit.
Auf diese Weise können Sie doch nicht in die Geschichte
eingehen! Ich sage Ihnen: Der Schatz wird versilbert; er
wird sozusagen verfressen und verkloppt. Das ist die
Wahrheit.
Welchen Gemeinsinn wollen Sie fördern, wenn Sie
heute den Arbeitslosen in diesem Land kein einziges
neues, konkretes Angebot machen konnten und wenn
viele Menschen, die heute Angst und Sorge haben, weil
sie nicht wissen, wie es weitergeht, nicht mehr das Ge-
fühl haben, dass es jeder in diesem Land schaffen kann?
Wir wollen, dass sie wieder dieses Gefühl bekommen.
Wir wollen keinen beiseite schieben. Wir wollen die Vo-
raussetzungen dafür schaffen, dass wir diejenigen, die
leistungsstark sind, wieder in Freiheit leistungsstark sein
lassen können, wie es der Impetus der sozialen Markt-
wirtschaft war, damit wir denen, die schwach sind, eine
Chance geben und ihnen helfen können. Das ist unser
Ziel.
Herr Bundeskanzler, ich sage Ihnen voraus: Dafür
werden wir uns die Mehrheiten erarbeiten. Dafür haben
wir die Konzepte vorgelegt.
Zwei Jahre weiter sitzen Sie da, wo Sie bei der
Westerwelle-Rede gesessen haben, nämlich hinten im
Plenum, also genau da, wo diese Bundesregierung hin-
gehört.
Herzlichen Dank.