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ID1514102200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/141 Tagesordnungspunkt I.13: Einzelplan 04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt (Drucksachen 15/4304, 15/4323) . . . . . . . . . . Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) . . . . . Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Hans Eichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I.14: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt (Drucksachen 15/4305, 15/4323) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Fälschungen der ukrainischen Präsidentschaftswahlen (Drucksache 15/4265) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU) . . . . . . . . . 13007 B 13007 D 13014 D 13023 A 13024 B 13024 C 13026 C 13029 C 13035 B 13066 D 13067 A Deutscher B Stenografisc 141. Si Berlin, Mittwoch, den I n h a Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005) (Drucksachen 15/3660, 15/3844) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung des Haushaltsaus- schusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bun- des 2004 bis 2008 (Drucksachen 15/3661, 15/3844, 15/4326) 13066 B 13007 A 13007 B Franz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Otto Solms (FDP) . . . . . . . . . . . 13042 D 13044 A 13048 D undestag her Bericht tzung 24. November 2004 l t : Gerhard Rübenkönig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . Bernhard Kaster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Petra-Evelyne Merkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13050 B 13052 C 13054 D 13056 B 13057 C 13059 C 13061 C 13062 B 13064 A 13064 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . 13067 A 13070 B 13071 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hintze (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Mark (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Herbert Frankenhauser (CDU/CSU) . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . Kurt Bodewig (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I.15: Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung (Drucksachen 15/4312, 15/4323) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt I.16: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatin- nen- und Soldatengleichstellungsdurch- setzungsgesetz – SDGleiG) (Drucksachen 15/3918, 15/4255) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Lietz, Christian Schmidt (Fürth), Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurch- setzungsgesetz zügig umsetzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ursula Lietz, Anita Schäfer (Saal- stadt), Christa Reichard (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU: Frauen und Fa- milien in der Bundeswehr stärken und fördern – zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Helga Daub, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bundeswehr stärken – Be- schäftigungsbedingungen für Solda- tinnen und Soldaten verbessern (Drucksachen 15/3717, 15/3049, 15/3960, 15/4255) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13073 C 13075 D 13078 A 13081 D 13082 D 13086 A 13087 B 13088 A 13089 C 13091 B 13091 C 13091 D Dietrich Austermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günther Friedrich Nolting (FDP) . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Georg Wagner, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Georg Schirmbeck (CDU/CSU) . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Merten (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietrich Austermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Merten (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt I.17: Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Drucksachen 15/4318, 15/4323) . . . . . . . . . . Jochen Borchert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Karl Diller (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Schulte (Hameln) (SPD) . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Schulte (Hameln) (SPD) . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Alexander Bonde (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Brigitte Schulte (Hameln) (SPD) . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU) . . . . . . . . 13092 A 13094 B 13097 C 13098 B 13100 A 13101 B 13103 B 13103 C 13104 C 13105 D 13107 D 13109 A 13109 C 13111 A 13113 A 13113 C 13113 D 13115 A 13115 A 13116 B 13116 D 13117 A 13118 D 13120 C 13121 B 13122 A 13122 D 13124 A 13125 B 13125 D 13127 C 13128 C 13130 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 III Karin Kortmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes über die Feststellung des Bundeshaus- haltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haus- haltsgesetz 2005), hier: Einzelplan 04 (Tagesordnungspunkt I.13) . . . . . . . . . . . . . . 13131 A 13132 D 13133 A 13133 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 13007 (A) (C) (B) (D) 141. Si Berlin, Mittwoch, den Beginn: 9
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 141. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 13133 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten wurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005), hier: Einzel- plan 04 (Tagesordnungspunkt I.13) Die Stiftung für das sorbische Volk, die mit Zuwen- dungen durch den Bund, den Freistaat Sachsen und das Land Brandenburg die materiellen Grundlagen für den Erhalt, die Bewahrung und Fortentwicklung der sorbi- schen Sprache und Kultur pflegt, organisiert und in enger Abstimmung mit dem Bund Lausitzer Sorben und der Sprache, dem Brauchtum und der Kultur verpflichteten Vereine durchführt, hat in den zurückliegenden Jahren ei- nen permanenten Umstrukturierungsprozess gestaltet. Die Einsparmöglichkeiten sind so voll ausgeschöpft wor- den. Auch für die Zukunft arbeiten die Gremien an Effi- zienzsteigerungen. Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Ferlemann, Enak CDU/CSU 24.11.2004 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 24.11.2004 Fritz, Erich G. CDU/CSU 24.11.2004 Haupt, Klaus FDP 24.11.2004 Irber, Brunhilde SPD 24.11.2004 Jonas, Klaus Werner SPD 24.11.2004 Dr. Leonhard, Elke SPD 24.11.2004 Lintner, Eduard CDU/CSU 24.11.2004* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Maria Michalk (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ent- Nolte, Claudia CDU/CSU 24.11.2004 Raab, Daniela CDU/CSU 24.11.2004 Scharping, Rudolf SPD 24.11.2004 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 24.11.2004 Dr. Stinner, Rainer FDP 24.11.2004 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 24.11.2004 Wester, Hildegard SPD 24.11.2004 Die von der Bundesregierung im Bundeshaushalts- planentwurf für 2005 vorgesehene Kürzung des Bundes- zuschusses an die Stiftung für das sorbische Volk in Höhe von 775 000 Euro stellt das sorbische Volk jedoch vor die Situation, dass nur durch Reduzierung von Angeboten bzw. Schließung von Kultureinrichtungen die geforderte Einsparsumme erbracht werden kann. Diese Situation haben die Berichterstatter des Haushaltsausschusses aller Fraktionen durch intensiven Kontakt mit den Vertretern in der Lausitz erkannt und sie haben die Aufstockung bei Effizienzsteigerung in Höhe von 500 000 Euro empfoh- len, was der Haushaltsausschuss beschlossen hat. Dafür möchte ich mich als Sorbin ausdrücklich bedanken. Der Antrag der PDS greift noch einmal die bereits ge- führte Diskussion auf. Die intensive Beratung hat deut- lich gemacht, dass die Aufstockung auf 8 Millionen Euro Gesamtzuschuss des Bundes keine Mehrheit im Deut- schen Bundestag findet. Deshalb ist der Antrag populis- tisch. Das ist keine verantwortungsvolle Politik. 141. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 24. November 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Krista Sager


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-

    lege Westerwelle, ich finde es schon merkwürdig, dass
    Sie nach Ihrem Schuhsohlenwahlkampf und Ihren
    Guidomobilauftritten hier vor allem über Mätzchen re-
    den müssen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Schlechter Einstieg! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)


    Ich glaube, dazu sind Sie hier der falsche Kandidat.

    (Joachim Poß [SPD]: Der hat es gerade nötig, der Lackaffe!)

    Warum Sie sich an unserer Regierung stören, ist mir

    klar. Im Gegensatz zur CDU/CSU weiß man bei Ihnen
    wenigstens, was Sie vorhaben: Sie wollen den Kündi-
    gungsschutz und die Tarifautonomie schleifen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Dafür müssten eigentlich auch die Grünen sein!)


    Sie wollen die Mitbestimmung abschaffen. Sie wollen
    flächendeckend Subotnik, kostenlose Mehrarbeit der Ar-
    beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einführen. Dann
    wollen Sie noch die solidarische Absicherung der
    Lebensrisiken abschaffen und stattdessen die Lebensrisi-
    ken privatisieren. Da sage ich Ihnen ganz klar: Das wol-
    len wir nicht. Und weil das auch nicht im Interesse der
    Bürgerinnen und Bürger ist, wird Rot-Grün weiter regie-
    ren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Auch das, was Sie über Ihre Steuerpolitik gesagt ha-
    ben,


    (Joachim Poß [SPD]: Der weiß nicht, worüber er redet!)


    liegt letztendlich auf der gleichen Linie. Wir haben in
    Deutschland mit 20,3 Prozent eine radikal niedrige Steu-
    erquote; das ist europaweit wirklich am unteren Ende.
    Auch das ist ein Verdienst dieser Regierung, die dafür
    gesorgt hat, dass gerade für die Bezieher niedriger Ein-
    kommen die Steuersätze gesenkt worden sind und der
    Grundfreibetrag erhöht worden ist. Wenn Sie jetzt ver-
    langen: „Noch weiter herunter mit den Steuern“, dann
    lässt sich das nicht damit vereinbaren, hier eine vernünf-
    tige, seriöse Haushaltspolitik einzufordern. Beides zu-
    sammen geht nicht.

    Was ferner nicht zusammen passt, ist, auf der einen
    Seite die Ruinierung der Staatsfinanzen durch eine unse-
    riöse Steuerpolitik immer weiter voranzutreiben und auf
    der anderen Seite zu fordern, dass in diesem Land mehr
    für die Bildung getan werden soll. Auch das geht nicht
    zusammen.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Krista Sager


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Was ist denn unser Problem bei der Bildung? Die Ergeb-
    nisse der PISA-Studie haben das bestätigt und die neue
    PISA-Studie wird das erneut bestätigen: Wir haben ein
    Schulsystem, das Menschen aus sozial schwächeren Fa-
    milien im Vergleich zu anderen Industrienationen die
    schlechtesten Bildungschancen gibt. Das ist ein unge-
    heurer Skandal und das kann so nicht bleiben.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Die Ursache liegt darin, dass wir an einem Schulsystem
    festhalten, mit dem wir inzwischen weltweit isoliert
    sind. Deswegen kann unser Schulsystem auch kaum
    noch mit einem anderen Schulsystem auf der Welt ver-
    glichen werden. Unser System einer dreigliedrigen Se-
    lektion, bei dem ein Lehrer darüber entscheidet, ob der
    Daumen für ein zehn Jahre altes Kind gesenkt oder ge-
    hoben wird, ist gescheitert. Dieses Schulsystem hat ver-
    sagt, es taugt nicht für eine Gesellschaft, die vor großen
    Integrationsherausforderungen, aber auch vor einem
    großen demographischen Wandel steht.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Herr Westerwelle, die einzige Antwort, die Sie auf
    diese Frage gegeben haben, bestand in einem Vorschlag
    zur weiteren Privatisierung der Bildungskosten. Das
    kann im Ernst nicht die Antwort auf die Herausforderun-
    gen sein, vor denen wir im Bildungssystem stehen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie wissen doch wie wir, dass das so kommen wird! Sie können doch den Universitäten nicht verbieten, Gebühren zu erheben! Das kommt doch so!)


    Herr Glos, jetzt ein Wort zu Ihnen. Ihre Rede war ja
    nun wirklich ein Beispiel dafür, dass der Werte- und
    Leistungsverfall inzwischen im konservativen Lager an-
    gekommen ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Jawohl, Frau Oberlehrerin!)


    Das war wirklich ein Griff in die Mottenkiste der Res-
    sentiments, der Zerrbilder, der Peinlichkeiten, der per-
    sönlichen Beleidigungen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie bleiben eine Lehrerin!)


    Ich frage mich manchmal, wenn Sie hier Ihre Kalauer
    über strickende Grüne und leistungsunwillige 68er brin-
    gen,


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Was ist denn daran Kalauer?)


    ob Sie gar nicht mehr hören, wie die Bartwickelma-
    schine vor Überforderung schon zu knirschen beginnt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Entschuldigung, ich habe alle erlebt! Ich habe den Herrn Fischer erlebt! Ich habe sie alle erlebt, als Sie noch gar nicht wussten, was der Deutsche Bundestag ist!)


    Aber an der Stelle, wo es eigentlich darum hätte ge-
    hen sollen, eigene Alternativen vorzustellen, haben Sie
    sich ins Wolkige verloren oder geflüchtet. Ich habe er-
    wartet, dass Sie den Versuch machen, uns Ihr Gesund-
    heitsmodell zu erklären.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Aber das können Sie wahrscheinlich gar nicht erklären.
    Davon habe ich in Ihrer Rede nichts gehört.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist zu kompliziert für Herrn Glos! – Joachim Poß [SPD]: Das macht gleich Frau Merkel!)


    Stattdessen hören wir etwas über die Werte unserer Ge-
    sellschaft. Hoch interessant wurde es allerdings, als Sie,
    Herr Glos, sich auf Ihrer Kalauerstrecke zu dem Thema
    erneuerbare Energien vorgearbeitet hatten: Da wurde
    Ihr Kollege Ramsauer blass und blässer.


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Da haben Sie sich getäuscht! Sie sind doch farbenblind!)


    Er hat natürlich Angst gehabt, dass Sie ihm sozusagen
    die Wassermühle abstellen wollen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Grüne sind farbenblind!)


    Herr Glos, ich kann Ihnen eines verraten – das gilt be-
    sonders für den Fall, dass Sie demnächst einmal wieder
    Wahlkampf in Bayern machen müssen –: Zahlreiche
    Bauern, von Schleswig-Holstein bis Bayern, setzen in-
    zwischen auf erneuerbare Energien, und zwar zu Recht,
    weil sie Entwicklungschancen für die ländlichen Räume,
    gerade auch in Ostdeutschland, bieten. Das haben Sie
    verschlafen, das muss man leider sagen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Schlafen Sie weiter!)


    Falls Sie ein bisschen Nachhilfeunterricht brauchen:

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Bitte nicht!)


    Ihr Ministerpräsident, Herr Stoiber, hatte neulich Besuch
    von einer chinesischen Delegation. Was hat Herr Stoiber
    dem chinesischen Ministerpräsidenten mit seiner Dele-
    gation vorgeführt? Bayerische Biogasanlagen, die von
    der Bundesregierung großzügig gefördert wurden. Herr
    Glos, peinlich für Sie, dass Herr Stoiber diese für Fort-
    schritt hält, während es für Sie offenbar eine Wollso-
    ckennummer ist!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Es wäre interessant, einmal die Alternativen der Op-
    position zu hören. Davon haben wir nämlich bisher noch
    nichts gehört. Es wäre aber gerade deshalb interessant,
    weil bei Ihnen in dieser Woche vieles in Bewegung gera-
    ten ist. Die Lage bei den Fraktionsvorsitzenden ist bei






    (A) (C)



    (B) (D)


    Krista Sager

    Ihnen inzwischen unübersichtlicher als bei uns. Sie
    zeichnet sich bei uns durch hohe Kontinuität aus, wäh-
    rend bei Ihnen ein Stafettenlauf stattfindet.

    Diese Woche ist die Woche der Abschiedsreden in der
    Union. Ich sehe schon, dass Herr Schäuble und Herr
    Merz auf der Dissidentenbank ein bisschen zusammen-
    rücken müssen, damit auch Herr Seehofer dort noch
    Platz findet. Ich muss leider zugeben, dass ich im letzten
    Jahr einen Fehler gemacht habe, den ich jetzt korrigieren
    muss. Ich hatte Herrn Seehofer ein freundliches Angebot
    gemacht, weil wir Grüne viele Erfahrungen mit querköp-
    figen Herren haben, und zwar nicht nur mit den älteren,
    sondern auch mit denen im besten Alter. Mein Angebot
    war ein echter Fehler, weil Herr Seehofer seinen wirk-
    lich hohen Unterhaltungswert in der Union im letzten
    Jahr besser zur Geltung bringen konnte, als das bei uns
    möglich gewesen wäre. Ich denke, das wird auch so blei-
    ben; denn er hat versprochen, kein Blatt vor den Mund
    zu nehmen. Wir sind voller Hoffnung, wir betrachten das
    nicht als Drohung, sondern als Versprechen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Joachim Poß [SPD])


    Ihrer Fraktionsvorsitzenden möchte ich sagen: Die
    Lebenserfahrung zeigt, dass es nicht immer ein Unglück
    ist, wenn einem ein Mann davonläuft.


    (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Reichlich Erfahrung?)


    Wenn es allerdings in sehr kurzer Zeit zwei Männer sind,
    sollte einem das vielleicht ein bisschen zu denken geben.
    Da ich nicht nur eine lebenserfahrene Frau bin, sondern
    auch Mitglied eines berühmten Fußballvereins, kann ich
    noch einen weiteren Rat geben: Wenn die Leistungsträ-
    ger einer Mannschaft anfangen, gegen den Trainer zu
    spielen, und nur noch Dienst nach Vorschrift machen,
    dann muss am Ende meist der Trainer gehen, Frau
    Merkel. Das sollten Sie sich vielleicht merken.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Trainerwechsel!)


    Herr Merz und Herr Seehofer wollten meist in völlig
    unterschiedliche Richtungen, das war erkennbar. Man
    hatte den Eindruck, sie würden sich am liebsten gegen-
    seitig ins Steuerrad greifen. Eines konnte man ihnen aber
    nicht absprechen: Sie wussten jeder für sich wenigstens,
    wohin sie wollten. Nachdem sie sich nun zurückgezogen
    haben, fragt man sich natürlich, wohin geht es eigentlich
    mit der Unionsfregatte. Sie dümpelt erkennbar im trüben
    Fahrwasser der Orientierungslosigkeit und des konzepti-
    onellen Niemandslandes.

    Ihre Gesundheitsreform steht geradezu für das, was
    Sie als Union im Moment programmatisch verkörpern.
    Die „Süddeutsche Zeitung“ hat es auf den Begriff „we-
    der Fisch noch Fleisch“ gebracht. Eine Zeit lang hatte
    ich die Befürchtung, Sie würden uns am Ende Ihrer
    Suche zwischen Fisch und Fleisch einen Hering mit Ka-
    ninchenohren servieren.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Ha! Ha! Ha!)

    Das Resultat des Zusammenwirkens von Frau Merkel
    und Herrn Stoiber habe ich in der Tat noch unterschätzt.
    Es ist schon ein ausgewachsener bayerischer Wolpertin-
    ger, den Sie uns präsentiert haben,


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Wie heißt der?)


    in dem sich bekanntlich acht verschiedene Tierarten ver-
    einen.


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Wie heißt der? Das können Sie nicht aussprechen!)


    – Ich sprach von dem berühmten bayerischen Wolpi.
    Den kennen vielleicht auch Sie. In ihm stecken acht ver-
    schiedene Tierarten.

    So verhält es sich auch mit Ihrem Gesundheitsmodell.
    Auf der einen Seite sagen Sie Ja zu Steuererhöhungen,
    zur Pauschale und zu prozentualen Arbeitgeberbeiträ-
    gen. Auf der anderen Seite machen Sie die sozial Schwä-
    cheren zu Bittstellern. Dieses Modell ist unterfinanziert
    und nicht seriös gegengerechnet. Den Solidarausgleich
    für Kinder sollen auch die Privatversicherten bekom-
    men. Es ist vollkommen richtig, wenn Herr Seehofer
    sagt, dass dieses Modell eine Totgeburt ist und dass da-
    raus niemals etwas werden wird.

    Eines ist auch klar: Dass die Bürgerversicherung
    das Modell von Rot-Grün ist,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ja, ja! Wegen des Wettbewerbs!)


    liegt nicht nur daran, dass sie einen besseren Namen hat,
    sondern auch daran, dass sie vom Prinzip her einfach
    und gerecht ist.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist einfach ein Monopol! Gerecht ist sie nicht!)


    Wir können den Bürgerinnen und Bürgern versichern:
    Wir werden die sozialen Sicherungssysteme im Bereich
    der Krankenversicherung, die für 90 Prozent der Bevöl-
    kerung Sicherheit gewährleisten,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Eine Zwangsveranstaltung!)


    nicht zerschlagen, sondern sie auf eine breitere und ge-
    rechtere Grundlage stellen,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Eine reine Zwangsveranstaltung!)


    und zwar dadurch, dass wir alle Bürgerinnen und Bürger
    einbeziehen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Darauf freuen sich die Menschen schon jetzt!)


    Sie wollen das auf keinen Fall tun, obwohl das sogar
    vom Sachverständigenrat empfohlen wurde. Wir werden
    allerdings keine Pauschale einführen; denn wir wollen
    nicht, dass Millionen Menschen in unserem Land zu






    (A) (C)



    (B) (D)


    Krista Sager

    Bittstellern werden. Wir werden die Einkunftsarten ge-
    rechter einbeziehen


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    und nicht nur die Arbeitnehmereinkommen belasten.
    Dieses System ist einfach, klar und gerecht.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie müssen nur aufpassen, dass die SPD am Ende bei der Stange bleibt! Ich habe nämlich den Eindruck, die SPD will das gar nicht!)


    Das ist das Gegenteil von dem, was Sie auf den Weg ge-
    bracht haben. Aus dem, was Sie wollen, wird nichts. Das
    ist ein hoffnungsloses Kuddelmuddel.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, es gibt keinen Grund, die
    derzeitige wirtschaftliche Situation schlecht zu reden.
    Im Moment stehen wir allerdings noch am Anfang der
    konjunkturellen Erholung.


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist ja ein völliges Durcheinander!)


    Der Sachverständigenrat hat gesagt, dass wir mit unse-
    ren Arbeitsmarkt- und Sozialreformen auf dem richtigen
    Weg sind. Wir wissen, dass sich die Wirkungen dieser
    Reformen erst mittel- und langfristig zeigen werden.
    Ebenso wissen wir, dass die Reaktion vieler Menschen
    auf diese Reformen Verunsicherung war. Auch das ist
    ein Grund für die schwache Binnennachfrage. Daher
    darf man die Menschen jetzt nicht weiter verunsichern.

    Ich fand es schäbig, wie Sie von der Opposition die
    Diskussion über den 3. Oktober ausgenutzt haben: In
    dieser Debatte haben Sie so getan, als gehe es mit
    Deutschland so sehr bergab, dass nur noch flächende-
    ckendes Subotnik helfen könne. Dabei übertreffen Sie
    sich ununterbrochen selbst: Herr Stoiber will flächende-
    ckend die 40-Stunden-Woche, Herr Merz die 42-Stun-
    den-Woche einführen. Letztes Jahr ist von Ihrem desi-
    gnierten stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden sogar
    die 48-Stunden-Woche ins Gespräch gebracht worden.
    Das kann nicht der Weg sein, den wir gehen müssen, da-
    mit Deutschland wettbewerbsfähig bleibt bzw. wird. Wir
    müssen auf Qualität, Produktivität, Innovation und Bil-
    dung setzen. Für die Bildung müssen wir den Weg frei-
    machen.

    Nun komme ich zum Haushalt.

    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Endlich!)


    Natürlich ist die Haushaltslage schwierig. Aber der
    Sachverständigenrat hat der Bundesregierung bestätigt,
    dass wir eine restriktive Haushaltspolitik betreiben.
    Gestern ist Ihnen deutlich gemacht worden, dass es sich
    bei Ihren Einsparvorschlägen im Wesentlichen um Luft-
    nummern und falsche Veranschlagungen handelt, die
    nicht seriös sind. An den Stellen, an denen Ihre Vor-
    schläge überhaupt belastbar sind, führen sie zu weiteren
    Einschränkungen: im Verteidigungsbereich in einer Grö-
    ßenordnung von 700 Millionen Euro und bei der inneren
    Sicherheit in Höhe von 260 Millionen Euro. Sie trauen
    sich nicht einmal, öffentlich laut zu sagen, welche Kon-
    sequenzen die Umsetzung Ihrer Sparvorschläge hätte.

    Jetzt müssen wir unsere restriktive Haushaltspolitik
    mit der konjunkturellen Entwicklung abstimmen, um zu
    einer weiteren Belebung der Wirtschaft beizutragen.
    Ebenso müssen wir beim Subventionsabbau vorankom-
    men. Hier haben wir durch Ihre Blockade im Bundesrat
    eine Lücke in der Größenordnung von über 17 Milliar-
    den Euro; das wären über 9 Milliarden Euro für die Län-
    der und über 4 Milliarden Euro für die Kommunen. Dass
    Sie hier im Bundesrat über Ihre Unionsländer blockie-
    ren, ist nicht verantwortlich gegenüber den Bürgerinnen
    und Bürgern. Sie fahren in Ihren Bundesländern harte
    Sparprogramme, gerade auch in der Bildungspolitik und
    in der Hochschulpolitik. Etliche Ihrer Bundesländer sind
    nicht mehr in der Lage, einen verfassungskonformen
    Haushalt aufzustellen – allen voran Hessen, aber auch
    das Saarland und Niedersachsen haben ihre Probleme.

    Gleichzeitig blockieren Sie, dass wir endlich an die
    Eigenheimzulage herangehen. Ich weiß, Sie können
    dieses Wort nicht mehr hören,


    (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jäger 90!)

    aber wir werden es Ihnen immer wieder vorhalten, und
    zwar so lange, bis Sie mit uns allein schon deshalb an die
    Eigenheimzulage herangehen, weil Sie das Wort nicht
    mehr hören können. Wir müssen in diesem Land wirk-
    lich Prioritäten setzen: für die Kinderbetreuung, für die
    Bildung, für die Forschung, für die Entwicklung. Das
    können wir nicht schaffen, wenn wir uns weiter an
    Dinge klammern, die einfach nicht mehr in die Zeit pas-
    sen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wir reden dann auch über die Steinkohle, Frau Kollegin!)


    – Ja, Herr Gerhardt, wir fahren die Steinkohleförderung
    herunter: von einem Fördervolumen von 28 Millionen Ton-
    nen auf 16 Millionen Tonnen; wir Grünen wären da si-
    cher noch ein bisschen ehrgeiziger. Aber eines sollten
    Sie den Leuten ganz offen sagen: Die Vorschläge, die Sie
    in den Haushaltsrunden gemacht haben, würden unmit-
    telbar, jetzt und heute, zu Massenentlassungen im Ruhr-
    gebiet führen. Das verschweigen Sie.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten
    Tagen eine aus meiner Sicht von falschen Tönen ge-
    prägte Debatte über Fragen der Integration und über Fra-
    gen der Haltung gegenüber unseren islamischen Mitbür-
    gern gehabt. Meine Fraktion – ich sage das gerne noch
    einmal ganz deutlich, falls es irgendwelche Zweifel
    gibt – hat ganz klar gemacht, dass wir den Vorschlag, in
    Deutschland einen muslimischen Feiertag einzufüh-
    ren, für falsch halten.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Bravo!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Krista Sager

    Damit ist der falsche Eindruck erweckt worden, hier
    solle eine Mehrheit dazu gebracht werden, sich einer
    Minderheit anzupassen. Darum kann es nicht gehen.

    Ich will aber auch etwas anderes ganz deutlich sagen:
    Ich glaube, dass es richtig ist und dem Zusammenleben
    in diesem Land dient, wenn sich Kinder in der Schule
    zum Beispiel damit auseinander setzen, wie in der einen
    Familie Weihnachten und in der anderen Familie das
    Bairamfest gefeiert wird. Denn die Hintergründe vieler
    Traditionen, die wir selber pflegen, sind vielen Kindern
    sicher nicht bekannt. Ich bin auch dafür, dass Unterneh-
    mer und Arbeitgeber großzügig sind, wenn es darum
    geht, zu solchen Festen Urlaubstage zu genehmigen.

    Ich will den Blick auf die Art und Weise, wie auf
    diese Debatte und die furchtbaren Ereignisse in den Nie-
    derlanden reagiert worden ist, lenken: Das waren ent-
    schieden zu schrille Töne, das war falsch und teilweise
    gefährlich. Da müssen wir, verdammt noch mal, aufpas-
    sen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    In den Niederlanden gab es einen furchtbaren, grau-
    samen Mord an einem Journalisten. Es gab aber auch
    Übergriffe auf Moscheen und Gewalttaten an islami-
    schen Bürgern. Beide Seiten gehören zum ganzen Bild.
    Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Wir tragen eine
    riesengroße gemeinsame Verantwortung. Wenn ich von
    „gemeinsamer Verantwortung“ spreche, dann meine ich
    damit die Muslime, dann meine ich die Christen, dann
    meine ich die Nichtchristen, dann meine ich die
    Deutschstämmigen, dann meine ich die Migranten. Des-
    halb sollten wir miteinander und übereinander so spre-
    chen, dass nicht die gewaltbereiten Ränder – bei den
    Deutschen: Rassisten und Faschisten; auf der anderen
    Seite: religiöse Fundamentalisten – am Ende das Gefühl
    haben, sie würden von gewichtigen Teilen dieser Gesell-
    schaft in irgendeiner Weise mit Sympathie betrachtet
    oder auch nur geduldet. Das heißt nicht, Probleme aus-
    zugrenzen; das heißt nicht, Auseinandersetzungen nicht
    zu führen. So etwas darf wirklich nicht passieren. In den
    letzten Tagen ist das zum Teil sträflich missachtet wor-
    den.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir dürfen uns nicht in eine Weltreligionskriegshys-
    terie hineintreiben lassen. Seit dem 11. September gibt
    es zweifelsohne eine veränderte Sicherheitslage in der
    Welt. Freie und offene Gesellschaften müssen sich dem
    stellen und beweisen, dass sie in der Lage sind, sich die-
    ser neuen asymmetrischen Gefahren zu erwehren – auch
    mit Mitteln der Polizei, des Verfassungsschutzes, der
    Gerichte, der Ermittlungsinstanzen und mit repressiven
    Maßnahmen.

    Die Gefährdung der freien und offenen Gesellschaf-
    ten hat aber auch eine andere Seite. Der Angriff des in-
    ternationalen Terrorismus auf die offenen und freien Ge-
    sellschaften ist eben auch ein Angriff auf unsere
    Freiheitsrechte und auf unsere pluralistischen Gesell-
    schaften. Wenn wir damit anfangen, das Zusammenle-
    ben mit Menschen unterschiedlicher Religion, Herkunft
    und Kultur in unseren pluralistischen Gesellschaften
    infrage zu stellen oder infrage stellen zu lassen, dann hat
    der internationale Terrorismus schon seinen ersten Tri-
    umph. Darüber müssen wir uns im Klaren sein. Das darf
    nicht passieren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Es gibt niemanden, der behauptet, dass das Zusammen-
    leben von Menschen mit verschiedener Religion, Kultur
    und Herkunft ohne Konflikte und Probleme verläuft. Es
    ist anstrengend, Fremdheit und Anderssein zu ertragen
    und sich damit auseinander zu setzen.

    Frau Merkel, ich hätte Verständnis dafür gehabt,
    wenn Sie gesagt hätten: Lassen Sie uns offen über die
    Probleme reden.


    (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sie hat doch noch gar nicht geredet!)


    Sie haben aber etwas anderes gesagt. Sie haben gesagt:
    Diese Form des Zusammenlebens, die multikulturelle
    Gesellschaft, ist gescheitert.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wer behauptet, dass diese Art des Pluralismus in unserer
    Gesellschaft gescheitert ist, der liefert den Gewalttätern
    eine Steilvorlage.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Volker Kauder [CDU/ CSU]: Unsinn! Unsägerlich! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Quatsch!)


    – Herr Kauder, Sie können hier gerne kauderwelschen,
    sogar auf Kosten meines Namens,


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    aber auch Sie müssen erkennen: Die Auseinanderset-
    zung mit dem internationalen Terrorismus und mit den
    Gewalttätern erfordert es, dass wir uns gerade machen
    und für unsere pluralistische Gesellschaft sowie die da-
    mit verbundenen Freiheitsrechte – dazu gehört auch die
    Religionsfreiheit – einsetzen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Deshalb kann es nicht sein, dass man einen Generalver-
    dacht gegen diese Menschen aufkommen lässt, nur weil
    sie den muslimischen Glauben haben. Das ist in diesen
    Tagen nicht beachtet worden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind gescheitert!)


    – Wenn Sie sagen, die multikulturelle Gesellschaft ist
    gescheitert,


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind gescheitert!)


    dann kapitulieren Sie vor der Gestaltungsaufgabe.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Krista Sager

    Integration muss gestaltet werden. Sie kapitulieren vor
    dieser Aufgabe und deswegen ist es gut, dass Sie in der
    Opposition sitzen.

    Lange genug haben Sie vor dieser Gestaltungsauf-
    gabe den Kopf in den Sand gesteckt. Lange genug haben
    wir uns in diesem Land von den konservativen Kräften
    immer wieder die Lebenslüge vorhalten lassen müssen,
    dass wir kein Zuwanderungsland sind. An dieser Le-
    benslüge wollen Sie jetzt offensichtlich wieder anknüp-
    fen. Ich sage Ihnen: Das ist hochgefährlich. Sie können
    diese Gesellschaft mit den Menschen, die eine unter-
    schiedliche Herkunft sowie unterschiedliche Religionen
    und Kulturen haben, nicht ab- und anstellen, wie es Ih-
    nen gerade passt. Wir müssen diese Gesellschaft gestal-
    ten. Sie können hier im Lande die Diskussion nicht so
    führen, als könnte man von dem Mitbürgerstatus wieder
    zu einem Gaststatus zurückkehren. Die Stichworte, die
    Sie hier gegeben haben, sind wirklich verheerend.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Dass viele Probleme gegenwärtig ein solches Ausmaß
    angenommen haben, lag doch nur daran, dass wir den
    Kopf in den Sand gesteckt haben und dass wir die Ge-
    staltung der Einwanderungsgesellschaft nicht aktiv an-
    gegangen sind. Eingewandert sind vor allem jene Tür-
    ken, die der ländlichen Unterschicht angehörten. Das ist
    keine politische Entscheidung von Rot-Grün gewesen.
    Das ist die Entscheidung von deutschen Unternehmen
    gewesen, die billige Arbeitskräfte für billige Jobs haben
    wollten und diese Menschen nur als Arbeitskräfte gese-
    hen haben, die dann natürlich in die billigen Stadtteile
    gezogen sind, wo die Deutschen zum Teil gar nicht mehr
    leben wollten. Vor diesen Problemen stehen wir jetzt.

    Das Problem ist nun, dass diese Jobs, die die erste Ge-
    neration der Einwanderer noch gemacht hat, durch die
    Produktivitätssteigerung in diesem Land zum großen
    Teil verschwunden sind. Die Menschen der zweiten,
    dritten und vierten Generation brauchen wir angesichts
    des demographischen Wandels in unserem Land drin-
    gend. Aber dann müssen wir sie gerade durch Bildung
    integrieren. Das ist die Hauptaufgabe. Das muss bei der
    frühkindlichen Förderung anfangen, sonst wird es nichts
    mit dem „Bitte lernen Sie Deutsch“, wie Herr Beckstein
    zu Recht gefordert hat. Aber dann müssen dafür auch die
    Chancen gegeben werden. Das fängt eben bei der Kin-
    derbetreuung und der frühkindlichen Förderung an.

    Es macht die Sache doch nicht einfacher, Frau
    Merkel, Migrantenkinder in unserem Land zu integrie-
    ren, wenn es insgesamt zu wenig Kinderbetreuungs-
    möglichkeiten gibt. Es gibt auch deswegen viel zu we-
    nig Möglichkeiten der Kinderbetreuung, weil wir zu
    lange einer konservativen Familienpolitik angehangen
    haben, die diese Kinderbetreuung nicht wollte.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich will etwas zu dem Thema Leitkultur sagen. Wir,
    Migranten, Deutschstämmige, Christen und Muslime,
    brauchen eine gemeinsame Grundlage in dieser Gesell-
    schaft. Diese gemeinsame Grundlage sind unsere Grund-
    rechte, unsere Verfassung, unsere Rechtsstaatlichkeit
    und unsere Demokratie.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Diese Grundrechte sind nicht banal. Jeder, der be-
    hauptet, dass sie durch etwas anderes ersetzt werden
    müssten, der irrt sich ganz gewaltig. Die Würde des
    Menschen und der Gleichheitsgrundsatz von Männern
    und Frauen sind eine sehr tragfähige Grundlage. Ich ver-
    traue dieser Grundlage. Viele Muslime in Deutschland,
    die an unserer Zivilgesellschaft in Vereinen, Gewerk-
    schaften und Schulinitiativen aktiv teilnehmen, ver-
    trauen dieser Grundlage viel mehr als irgendeiner Form
    von christlicher Leitkultur.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Ich will hier niemandem seinen christlichen Glauben
    streitig machen.


    (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Vielen Dank!)


    Ich begegne ihm mit großem Respekt. Ich habe vor der
    Religion eines jeden Menschen großen Respekt. Ich bin
    der Ansicht, dass ein überzeugter Glaube einer Gesell-
    schaft etwas Wertvolles geben kann, wenn er auf der Ba-
    sis unserer Grundrechte gelebt wird. Aber wir sollten
    nicht unkritisch sein.

    Das fängt schon bei unserer eigenen Geschichte an.
    Dafür brauchen wir gar nicht bis ins Mittelalter zurück-
    zugehen. Schauen wir uns doch einmal die Toleranz-
    konflikte in unserer deutschen Nachkriegsgeschichte an:
    die Auseinandersetzungen über die Stellung unehelicher
    Kinder, lediger Mütter, unverheirateter Paare, Homose-
    xueller und auch Mischehen in dieser Gesellschaft. Da-
    bei waren Mischehen keine Ehen zwischen Schwarzen
    und Weißen, sondern zwischen Protestanten und Katho-
    liken.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)


    Die Vergewaltigung in der Ehe wurde doch erst Ende der
    90er-Jahre unter Strafe gestellt. Wer hat denn dagegen so
    lange Widerstand geleistet?


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ein anderes Stichwort ist das Ansehen geschiedener
    Frauen. All das sind Toleranzkonflikte gewesen, die wir
    hinter uns gelassen haben.

    Ich bin froh, dass wir heute sagen können: Nein, un-
    sere Grundrechte, insbesondere die Würde des Men-
    schen, gelten für alle: für ledige Mütter, unverheiratete
    Paare, für Homosexuelle, für Christen und Muslime. Ich
    glaube, dass dies eine gute Grundlage für unsere Gesell-
    schaft ist.

    Bei der Diskussion über Beliebigkeit in unserer Ge-
    sellschaft wünsche ich mir mehr Respekt und Anerken-
    nung von denen, die uns diese Diskussion zum Teil auf-
    drängen. In der „Welt“ hat Herr Döpfner uns diese






    (A) (C)



    (B) (D)


    Krista Sager

    Woche einiges über das Ende der Appeasementpolitik
    mitgegeben. Herr Döpfner hat uns einiges über Kreuz-
    züge, die angeblich schon im Gange sind, mitgegeben.
    In derselben Woche musste eine mutige junge Schau-
    spielerin,


    (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Kommen Sie doch mal zum Haushalt!)


    die in dem Film „Gegen die Wand“ die Hauptrolle ge-
    spielt hat, unter Tränen darum bitten und betteln, dass
    die „Bild“-Zeitung endlich damit aufhört, sie mit einer
    dreckigen Hetzkampagne zu überziehen. Man kann nicht
    auf der einen Seite Krokodilstränen über die Situation
    von muslimischen Frauen in traditionellen, rückständi-
    gen muslimischen Familien vergießen, auf der anderen
    Seite aber eine Frau mit einer solchen Hetzkampagne
    überziehen. Das passt nicht zusammen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich will Ihnen einmal sagen, was mich als deutsche
    Frau – zugegeben mit einem sehr gemischten Hinter-
    grund, aber auch als deutsche Frau – wirklich empört
    hat. In derselben Woche, in der wir uns anhören muss-
    ten, die multikulturelle Gesellschaft sei am Ende, der
    Islam sei mit unseren Werten nicht kompatibel und es
    müsse die Auseinandersetzung über die Leitkultur ge-
    führt werden, konnte man in der „Bild“-Zeitung ein Foto
    von einer Frau sehen, die einem Hund die Brust gibt. Ich
    würde mir von den Menschen, die uns hier die Leitkultur
    predigen, wünschen, dass sie deutlich machen, dass auch
    für uns in diesem Lande Würde und Respekt noch etwas
    wert sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort hat nun die Vorsitzende der CDU/CSU-

Fraktion, Dr. Angela Merkel.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angela Merkel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bun-

    deskanzler, die Worte zu Beginn Ihrer Rede mögen amü-
    sant gemeint und nett gewesen sein, sie waren sicherlich
    auch nicht ohne jeden Unterhaltungswert; aber ich frage
    Sie in diesem Saal: Was glauben Sie eigentlich, was die
    Menschen, die uns draußen zuhören – der Arbeiter bei
    Opel, die Verkäuferin bei Karstadt, die Rentnerin, die
    nächstes Jahr real eine niedrigere Rente haben wird, die-
    jenigen, die in einem mittelständischen Betrieb arbeiten
    und von Insolvenz bedroht sind –, von uns hören wol-
    len?


    (Joachim Poß [SPD]: Hören wollen! – Weitere Zurufe von der SPD)


    Was glauben Sie, was diese Menschen ganz speziell von
    Ihnen, Herr Bundeskanzler, hören wollen? Ich bin mir
    ganz sicher: Sie wollen auf gar keinen Fall amüsante,
    nette Geschichtchen von vorgestern hören, sondern sie
    wollen eine Aussage über ihre eigene Lebensperspek-
    tive, über die Zukunft dieses Landes.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Die kommt ja jetzt!)


    Sie haben beschwörend über das, was gemacht
    wurde, gesprochen. Sie haben plumpe Angriffe auf die
    Opposition gemacht. Sie haben den Blick zurückgewor-
    fen – aber Zukunft, Herr Bundeskanzler, Fehlanzeige.
    Irgendeine Idee für die nächsten zwei Jahre? Völlige
    Fehlanzeige.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Deshalb sage ich – ich sage das ganz ruhig, weil dies der
    Ort ist, an dem wir uns auseinander setzen –: Diese Ihre
    Rede war der eines Bundeskanzlers nicht würdig.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Das Allerschlimmste ist: Sie war unter der Würde unse-
    res Landes.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Was für ein Niveau! – Weiterer Zuruf von der SPD: In welcher Welt leben Sie eigentlich?)


    Das Problem ist nicht, dass dieses Land schlechtgeredet
    wird. Im Übrigen, Herr Bundeskanzler, passen Sie auf,
    dass Sie nicht dauernd Menschen, die an Ihnen und Ihrer
    Regierung Kritik üben, gleich noch mit beleidigen. Das
    Problem dieses Landes ist, dass es unter Wert regiert
    wird. Das muss man immer und immer wieder deutlich
    sagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Das wird sich ändern bei Ihnen als Bundeskanzlerin mit Herrn Westerwelle!)


    Das Ganze beginnt mit einer grandiosen Realitätsver-
    weigerung. Herr Eichel, Sie haben am 18. Juni 2002 in
    Ihrem Haushaltsaufstellungsschreiben für 2005 eine
    Verschuldung von 5,5 Milliarden Euro prognostiziert,
    aber stolz hinzugefügt, dass man in der Summe zu einem
    ausgeglichenen Haushalt käme, weil gleichzeitig die
    sozialen Sicherungssysteme Überschüsse aufweisen
    würden.

    Ich bitte Sie, sich vor Augen zu führen, was seitdem
    geschehen ist.


    (Joachim Poß [SPD]: Wir haben drei Jahre lang Stagnation gehabt! Das ist geschehen!)


    Was die sozialen Sicherungssysteme angeht, ist die Ren-
    tenversicherung am Anschlag. Sie werden sogar noch
    Kredite aufnehmen müssen. Die Pflegeversicherung ist
    völlig auf den Hund gekommen. Im Gesundheitssystem
    – ich trage das mit, Herr Bundeskanzler; wir haben den
    Maßnahmen zugestimmt – sind inzwischen in dem Maße
    Überschüsse erwirtschaftet worden, dass wenigstens frü-
    here Schulden zum Teil getilgt werden können. Aber
    insgesamt sind wir von einem ausgeglichenen Haushalt
    so weit entfernt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das hat
    niemand anders zu verantworten als Sie. Das ist Ihr
    Werk.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Angela Merkel


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Petra-Evelyne Merkel [SPD]: Das glaubst du doch selbst nicht!)


    In diesem Hause gibt es eine lange gepflegte und auch
    zu Recht vereinbarte Aufgabenteilung zwischen der Re-
    gierung, die handeln kann, und den sie tragenden Frak-
    tionen einerseits und der Opposition andererseits, der die
    Aufgabe eines Wächters über das, was Sie tun, zu-
    kommt.


    (Karsten Schönfeld [SPD]: Nachtwächter!)

    Deswegen werden wir – ob es Ihnen passt oder nicht –
    Ihren Nachtragshaushalt für dieses Jahr dem Bundes-
    verfassungsgericht vorlegen, weil wir der Meinung
    sind, dass die jetzt eingetretene Erhöhung der Neuver-
    schuldung von 29 Milliarden Euro auf über 44 Milliar-
    den Euro voraussehbar war, und weil Sie wie schon in
    vielen anderen Jahren dieses Parlament und die Men-
    schen in diesem Lande bewusst getäuscht und instru-
    mentalisiert haben. Dem muss ein Ende gemacht wer-
    den.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Bundeskanzler, Sie können davon ausgehen,

    dass kein vernünftiger Mensch irgendein Interesse daran
    hat, etwas schlechter zu reden, als es ist.


    (Zuruf von der SPD: Ach! – Joachim Poß [SPD]: Das tun Sie doch jeden Tag! Sie tun doch nichts anderes! Schwarzrednerin des Jahres! – Weitere Zurufe von der SPD)


    Wir kennen doch sicherlich alle die von der Bertels-
    mann-Stiftung und vom Weltwirtschaftsforum erstellten
    Rankings der Industrienationen. Sie können zwar
    feststellen, dass einiges passiert sei, das in die richtige
    Richtung weise, das Dumme ist aber, dass wir weiterhin
    ganz hinten liegen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ja!)

    Der auch von Ihnen geschätzte Wim Kok, der beauf-

    tragt ist, den Lissabon-Prozess – also den Wachstums-
    prozess der Europäischen Union – zu bewerten, hat den
    Mitgliedstaaten der Europäischen Union deutlich ins
    Stammbuch geschrieben: Vorraussetzung für die Ver-
    wirklichung ist eine starke, entschlossene und überzeu-
    gende politische Führung. Er hat gleich hinzugefügt:
    Sicherlich waren die Ereignisse außerhalb Europas seit
    dem Jahr 2000 nicht förderlich. Doch es liegt eindeutig
    an der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten
    selbst, wenn sich Fortschritte nur langsam einstellen.
    Denn in vielen Bereichen wurde es versäumt, die Refor-
    men mit dem erforderlichen Nachdruck voranzutreiben.

    Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Wen mag Wim
    Kok gemeint haben, wenn wir im Ranking der Industrie-
    nationen an hinterer Stelle liegen?


    (Joachim Poß [SPD]: Was sagt denn der Sachverständigenrat dazu?)


    Ich glaube, dass sich Deutschland angesprochen fühlen
    muss. Es fehlt an einer entschlossenen Führung dieses
    Landes. Das ist das Problem, über das wir sprechen müs-
    sen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Es ist interessant, neben dem Wim-Kok-Bericht für
    die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch einen
    Blick in den Bericht der Bundesregierung zur Bewertung
    des Lissabon-Prozesses zu werfen. Darin heißt es, die
    Strategie von Lissabon, dass Europa der dynamischste
    Kontinent der Welt werden wolle, sei in der Euphorie
    der New Economy geboren. Dann sei es zu einer speku-
    lativen Blase gekommen.


    (Joachim Poß [SPD]: Es ist nicht zu leugnen, dass die Blase im Frühjahr 2001 geplatzt ist!)


    Hinzu seien externe Schocks gekommen: der
    11. September, Bilanzskandale, der Krieg im Irak, der
    Anstieg der Ölpreise und eine dreijährige Stagnation.
    Damit ist aber immer noch nicht die Frage beantwortet,
    warum wir ganz hinten liegen, Herr Bundeskanzler, und
    zwar hinter anderen, die ebenfalls unter diesen Belastun-
    gen gelitten haben. Diese Frage müssen wir beantwor-
    ten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich glaube, dass wir an dieser Stelle wieder auf ein

    von Ihnen bereits bekanntes Strickmuster stoßen: Schuld
    sind immer die anderen – die Welt, die Bundesländer, die
    Kommunen, die Blockade im Bundesrat. Alles kommt
    recht, wenn es erklären kann, dass Ihnen irgendetwas
    nicht gelingt.

    Schon der frühere amerikanische Präsident Eisenhower
    hat gesagt: Die Suche nach Sündenböcken ist von allen
    Jagdarten die einfachste. Aber, lieber Herr Bundeskanz-
    ler, damit können wir uns nicht zufrieden geben.


    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie Jägerin!)

    Wir wollen danach jagen, beim Wachstum vorne mit da-
    bei zu sein und uns nicht mit einem Platz ganz hinten ab-
    speisen zu lassen. Das ist unser Anspruch.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Die Frau guckt doch in den Gewehrlauf, um zu sehen, ob der Schuss auch losgegangen ist!)


    Der Sachverständigenrat hat schon Recht mit seiner
    Aussage, die wir alle begrüßen, dass der Export sich
    prima entwickelt und wir auf dem Gebiet Erfolge haben.
    Das sichert Arbeitsplätze. Auch wenn diese nicht alle in
    Deutschland liegen, freuen wir uns immerhin darüber.
    Aber für die 80 Millionen Menschen im Lande zählt na-
    türlich nicht nur – das werden doch auch Sie wohl nicht
    bestreiten –, ob sich der Export ordentlich entwickelt,


    (Joachim Poß [SPD]: Das wissen wir doch auch!)


    sondern für die Menschen zählt, was zum Schluss bei ih-
    nen in der Tasche ankommt, welche Möglichkeiten und
    Chancen sie haben, Arbeit zu behalten oder zu bekom-
    men. Deshalb hat der Sachverständigenrat das eine ge-
    lobt – darüber haben Sie ausführlich gesprochen – und






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Angela Merkel

    gleichzeitig auf Herausforderungen im Inland hinge-
    wiesen. Über diese Herausforderungen haben Sie in Ih-
    rer Rede geschwiegen.

    Herr Bundeskanzler, der Sachverständigenrat sieht
    darin sogar noch – diese Meinung teile ich im Übrigen –
    etwas Positives. Er sagt nämlich, tatsächlich sei die
    Wachstumsschwäche auf inländische Bestimmungs-
    gründe zurückzuführen und wir könnten ganz beruhigt
    sein. Sie hängt also nicht von außen, von der Welt oder
    von sonstwem ab,


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So ist es! Wir könnten es regeln! Wir hätten es in der Hand!)


    sondern es sind inländische Bestimmungsgründe. Und
    was außer inländischen Bestimmungsgründen können
    wir hier ändern? Das ist doch unsere Aufgabe. Deshalb
    können wir happy sein mit einer solchen Situation, weil
    wir jetzt nur noch die Binnenkonjunktur ankurbeln müs-
    sen, und zwar mit Maßnahmen, über die wir hier mitei-
    nander diskutieren müssen. Das hat der Sachverständi-
    genrat prima gesagt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Jetzt muss man fragen: Was passiert?


    (Joachim Poß [SPD]: Ja, und jetzt?)

    Ich habe heute hier nichts gehört. Ich bin aber überzeugt
    – und das sage ich für unsere Fraktion insgesamt –: Wir
    haben die Kraft und die Möglichkeiten, aus diesem Land
    wieder das zu machen, was in diesem Land steckt.


    (Zuruf von der SPD: Herr Seehofer nicht!)

    Dazu brauchten wir jedoch Ihr Einverständnis und das
    haben wir nicht.

    Wir sind am Anfang von Reformen und nicht am
    Ende.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig! – Joachim Poß [SPD]: Welche Reformen denn? À la Seehofer oder à la Merz? Sie sind wahrlich schon am Ende!)


    Die Umsetzung von beschlossenen Reformen allein ist
    nicht genug, sondern wir müssen darüber sprechen, wie
    wir nach den schon umgesetzten Maßnahmen weiterma-
    chen, damit wir aus dieser Inlandsmisere herauskom-
    men, Herr Bundeskanzler. Das ist die Aufgabe.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Welche Reformen meinen Sie denn jetzt? – Joachim Poß [SPD]: In dieser Woche sind Sie zum Ende gekommen!)


    – Herr Poß, hören Sie auf zu schreien. Es ist wirklich
    lästig.


    (Joachim Poß [SPD]: Die CDU ist am Ende!)

    Dazu sagt der Sachverständigenrat – nicht wir, nicht die
    FDP und nicht Ihre Gegner – ganz klar: Ein schlüssiges
    Konzept für eine wachstumsfördernde Politik ist von der
    Bundesregierung nicht vorgelegt worden. Vielmehr
    bleibt der Eindruck, es handele sich um Einzelmaßnah-
    men, die zum Teil auch nur ergriffen wurden, weil sich
    die Haushaltslage immer weiter zugespitzt hat.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Die haben halt Sachverstand!)


    Herr Bundeskanzler, deshalb müssen wir alle uns fra-
    gen: Was muss jetzt geschehen? Beginnen wir doch mit
    dem Haushalt selbst, der die Zukunftsfähigkeit dieses
    Landes definiert. Dazu hat sich der Präsident des Bun-
    desrechnungshofes doch in wirklich atemberaubender
    Weise – um den Begriff noch einmal aufzunehmen –
    deutlich geäußert: Die Schieflage ist so extrem, dass es
    einem den Atem verschlägt. Eine solche Aussage eines
    Parteifreundes über einen Bundeshaushalt hat es noch
    nie gegeben, Herr Bundeskanzler. Damit müssen Sie
    sich auseinander setzen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Sachverständigenrat sagt in seinem Bericht wei-

    ter: Die ohnehin bescheidenen Schritte zur Konsolidie-
    rung des Staatshaushaltes gehen zulasten der öffentli-
    chen Investitionen und damit genau jenes Teils der
    Staatsausgaben, von dem am ehesten noch positive Wir-
    kungen für das Wachstum ausgehen könnten.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Die reden alle Deutschland schlecht!)


    Herr Bundeskanzler, der nächste Haushalt enthält
    Privatisierungserlöse in einem Umfang von 15 Milliar-
    den Euro. Vor ungefähr einem Jahr hatten wir das Ver-
    gnügen, miteinander im Vermittlungsausschuss zu dis-
    kutieren, und Sie haben aufs Ehrenwort versichert, mehr
    als 3 Milliarden Euro Privatisierungserlöse würden in
    diesen Haushalt nicht eingestellt. Ich glaube, Sie haben
    damals die Wahrheit gesprochen und Sie lügen sich jetzt
    in die Tasche.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie verscherbeln nicht nur alles, was heute vorhanden
    ist, sondern auch alles, was notwendigerweise für die
    Zukunft zurückgelegt wurde. Dabei waren die Rückla-
    gen ohnehin schon knapp. Der Sachverständigenrat
    nennt das Desinvestition. Merken Sie sich dieses Wort!
    Das ist das Gegenteil von dem, was notwendig ist. Das
    tun Sie im festen Wissen darum, dass Sie damit den Kin-
    dern und Enkeln dieses Landes eine Bürde aufhalsen, die
    kaum zu schultern ist. Das ist das Gegenteil von Nach-
    haltigkeit, für die Sie in diesem Lande – Frau Roth, da
    Sie gerade so interessiert schauen, sage ich Ihnen, dass
    Sie mit diesem Anspruch einmal angetreten sind – ei-
    gentlich sorgen wollten. Das muss man den Menschen
    sagen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Bundeskanzler, Sie haben Anfang 2004 das

    Jahr der Innovation ausgerufen. Dass man davon
    – rückblickend auf die letzten elf Monate – gar nichts
    mehr gehört hat, erstaunt und überrascht mich, obwohl
    es eigentlich klar ist. Schauen Sie sich nur den Zustand
    des Gentechnikgesetzes an! Das ist ein völlig klares
    Eingeständnis – weil Herr Clement und Frau Künast
    nicht zueinander kommen –, dass in Deutschland der






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Angela Merkel

    Wachstumsbereich Grüne Gentechnologie nicht existie-
    ren wird. Herr Bundeskanzler, Sie haben zusammen mit
    Tony Blair und dem französischen Präsidenten Chirac
    eine bemerkenswerte Initiative gestartet. Sie haben ge-
    sagt: Lasst uns über die Chemiepolitik in Europa, insbe-
    sondere über die REACH-Richtlinie, reden! Als dann
    endlich im Wettbewerbsrat, in den alle anderen EU-Mit-
    gliedstaaten ihre Wirtschaftsminister entsandt hatten,
    über diese Richtlinie beraten wurde, ist zum Erstaunen
    des gesamten europäischen Publikums und insbesondere
    zu unserer Überraschung Herr Trittin dort wieder er-
    schienen und hat die gleichen Anträge wie im Umwelt-
    ministerrat gestellt. Herr Bundeskanzler, Sie führen eine
    Regierung, in der Sie noch nicht einmal durchsetzen
    können, dass die vernünftigen Kräfte auf europäischer
    Ebene das Schlimmste für die chemische Industrie in
    Deutschland verhindern.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie sind vom Europäischen Gerichtshof verklagt wor-

    den, weil Sie die Biopatentrichtlinie nicht umgesetzt ha-
    ben. Außerdem liegen Sie mit der pharmazeutischen In-
    dustrie – diese hat Recht – im Clinch, weil Sie eine Art
    der Umsetzung des Gesundheitsmodernisierungsgeset-
    zes bezüglich der Pharmabranche gewählt haben, die mit
    Sicherheit die forschende Arzneimittelindustrie in
    Deutschland schwächt. Sie liefern damit einen kontra-
    produktiven Beitrag zum Jahr der Innovation. Es nutzt
    jetzt auch nichts, auf bestimmte Medikamentenhersteller
    zu schimpfen, weil diese Anzeigenkampagnen machen.
    Nehmen Sie besser die falsche Eingruppierung zurück
    und schützen Sie die forschende Arzneimittelindustrie
    mit ihren lizenzierten Medikamenten! Schon wären alle
    Anzeigenkampagnen beendet. Aber Sie haben dazu
    nicht die Kraft. Deshalb haben Sie auch an dieser Stelle
    versagt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Bundeskanzler, ich möchte heute einmal nicht

    über die Kernenergie, sondern darüber reden, dass die
    Energiepreise in Deutschland bis zu 50 Prozent – bei-
    spielsweise die Gaspreise mit 25 Prozent – über dem
    EU-Durchschnitt liegen, wenn auch nicht über den Welt-
    marktpreisen. Das ist in einem Binnenmarkt eine ziem-
    lich komplizierte Sache. Die Internationale Energieagen-
    tur hat das völlig zu Recht moniert und die deutsche
    Regierung aufgefordert, ihre Energiepolitik mehr auf
    Fakten zu gründen. Genau das ist das Thema. Sie sollten
    Ihre Energiepolitik nicht auf Ideologien, sondern auf
    Fakten gründen. Dann wären wir in Deutschland schon
    ein ganzes Stück weiter.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe schon gesagt, dass das Verbot der Studien-

    gebühren aufgehoben werden muss. Nur noch so viel
    dazu: Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat zum
    baden-württembergischen Ministerpräsidenten gesagt:
    Wäre das Verbot doch schon aufgehoben! Er kann sich
    aber auf keinem Parteitag durchsetzen. Man wird sich
    vor dem Bundesverfassungsgericht wieder treffen, das
    gerade Ihre Regelungen betreffend die Juniorprofessur
    gekippt hat.
    Das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz
    müsste eigentlich deutlich verlängert werden. Aber zu
    welchem Schluss ist die Bundesregierung – Herr
    Clement, Bürokratieabbau! – gekommen? Sie verlängert
    das Gesetz gerade einmal um ein Jahr. Nächstes Jahr um
    diese Zeit werden wir also wieder darüber entscheiden
    müssen. Man hätte es doch mindestens bis 2019, also bis
    zum Ende der Laufzeit des Solidarpaktes II, verlängern
    müssen. Das hätte doch die menschliche Vernunft gebo-
    ten. Aber die gibt es in Ihrem Kabinett wohl nicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir brauchen neue Stärken. Ich bin der festen Über-

    zeugung, dass wir unseren Wohlstand nur mit der Pro-
    duktion von Hochleistungsprodukten, die andere auf
    der Welt nicht herstellen können, halten können. Wir
    müssen wettbewerbsfähig sein. Das heißt, wir müssen
    Dinge können, die andere nicht können.

    Um das aber zu schaffen, bedarf es bestimmter Bedin-
    gungen. Darüber diskutiere ich mit Ihnen, Herr Bundes-
    kanzler, gerne. Sie haben gesagt: Schauen wir doch ein-
    mal in Ihre Programme, Stichwort Kündigungsschutz.
    Sie selbst haben eingesehen, dass das Kündigungs-
    schutzrecht in Deutschland dafür sorgt, dass Ältere nicht
    mehr eingestellt werden. Sie selbst haben es geändert.
    Wir haben gemeinsam für die Anhebung des Schwellen-
    werts für Kündigungsschutz von fünf auf zehn Arbeit-
    nehmer gesorgt. Falls in Deutschland nun jemand auf die
    Idee kommt, den Schwellenwert für Kündigungsschutz
    von zehn auf 20 Arbeitnehmer anzuheben: Bitte, erken-
    nen Sie darin kein Verhetzungspotenzial. So kommt un-
    ser Land mit Sicherheit nicht weiter. Das ist Ihrer und Ih-
    res Anspruchs einfach nicht würdig.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich habe heute kein Wort zur Fortentwicklung der so-

    zialen Sicherungssysteme gehört.

    (Karsten Schönfeld [SPD]: Jetzt sind wir gespannt!)

    Ich kann verstehen, dass Sie zu dem Thema Pflege ge-
    schwiegen haben; denn der Malus für diejenigen, die
    keine Kinder haben, ist nun wirklich das Ungeschick-
    teste gewesen, was Sie bei der Umsetzung des Verfas-
    sungsgerichtsurteils machen konnten. Sie haben darauf
    verwiesen, dass sich mittlerweile 4 Millionen Menschen
    für die Riesterrente entschieden haben. Wir freuen uns,
    dass es so viele Menschen sind. Wir sagen aber: Wenn
    das Verfahren etwas unbürokratischer wäre, dann könn-
    ten es 12 Millionen Menschen sein. Denken Sie noch
    einmal darüber nach! Wir wollen das gemeinsam.

    Jetzt reden wir einmal über die Gesundheitspolitik.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt kommen wir zum amüsanten Teil! – Weitere Zurufe von der SPD: Bravo! – Wo ist Herr Seehofer?)


    Da beobachte ich Sie mittlerweile seit vielen Wochen
    und Monaten. Herr Bundeskanzler, die leuchtende
    Freude, mit der Ihnen das Wort „Bürgerversicherung“
    über die Lippen kommt, vermisse ich beständig. Ich






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Angela Merkel

    verfolge alle Ihre Reden. Herr Müntefering redet gerne
    über die Bürgerversicherung; Frau Nahles redet noch lie-
    ber darüber. Wir nennen das Ganze „Bürgerzwangsversi-
    cherung“, weil es uns die Einheitskasse bringen wird.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So ist das!)

    Sie haben sich entschieden, zu diesem Thema gar

    nichts zu sagen.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Seehofer ist aus dem Telefonbuch von Frau Merkel gestrichen!)


    Mangels eigener Konzepte – Sie können keine Alterna-
    tive anbieten – haben Sie sich heute dazu entschlossen –
    ich glaube, das ist in Deutschland einmalig –, sich ledig-
    lich mit den Konzepten der Opposition auseinander zu
    setzen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei Abgeordneten der SPD)


    Herr Bundeskanzler, entschuldigen Sie einmal: Da es Ih-
    rerseits so viel Kritik an unserem Kompromiss gibt,
    wäre heute doch die Gelegenheit gewesen, die Bürger-
    versicherung einmal in ihrer vollen Breite und Blüte dar-
    zustellen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

    Das wäre doch eine schöne Sache gewesen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben geschwiegen.

    Sie ärgern sich – das verstehe ich ja –, dass wir uns
    geeinigt haben. Das würde ich auch machen.


    (Lachen bei der SPD – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Seehofer soll zur Bürgerversicherung reden!)


    Herr Bundeskanzler – das sage ich auch in Richtung der
    Arbeitgeber –, wir haben, übrigens schon in Leipzig,
    festgelegt, dass Arbeitgeberbeiträge in Deutschland auf
    6,5 Prozent eingefroren werden sollen. Weder unter ei-
    ner unionsgeführten noch unter einer SPD-geführten Re-
    gierung hat es in den letzten 20, 30 Jahren für die Arbeit-
    geber eine derartige Planungssicherheit in Bezug auf
    ihre Sozialversicherungsbeiträge gegeben. Nach unserer
    Vorstellung gehört es zur völligen Autonomie der Tarif-
    partner – so schreibt es das Grundgesetz vor –, wie die
    Abschlüsse gestaltet werden. Wir wollen auf der Arbeit-
    geberseite Berechenbarkeit der Gesundheitskosten er-
    zeugen. Das ist ein richtiger und notwendiger Schritt,
    weil die Lohnzusatzkosten in Deutschland zu hoch sind.
    Davon werden wir uns auch durch Ihre komische Kritik,
    Herr Bundeskanzler, nicht abbringen lassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt ist sie beleidigt!)


    Wir plädieren für eine unumkehrbare Weichenstel-
    lung. Wir müssen heraus aus dem heutigen System. Sie
    sollten sich von der Bürgerversicherung abwenden und
    einem Prämienmodell zuwenden. Ich sage Ihnen: Darauf
    sind wir stolz. Der Weg in ein neues System soll unum-
    kehrbar sein.
    Herr Bundeskanzler, wir beide wissen: Sachverstän-
    dige gehen von idealen ordnungspolitischen Vorausset-
    zungen aus. Ich kann die Kritik eines Sachverständigen,
    der für das Prämienmodell in Reinkultur kämpft – mög-
    lichst für genau das, das er sich ausgedacht hat –, gut
    verstehen. Aber der Unterschied zwischen uns beiden
    ist, dass Sie das Prämienmodell ablehnen, obwohl die
    Sachverständigen es Ihnen nahe legen, während wir da-
    für eintreten und damit auf dem richtigen Weg sind. Den
    damit verbundenen Konflikt müssen wir austragen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Friedrich Merz und das Steuerkonzept.


    (Joachim Poß [SPD]: Die Steuererhöhung!)

    Da sind Sie ganz unruhig geworden, weil Sie natürlich
    wissen, dass das Merz/Faltlhauser-Konzept um Größen-
    ordnungen einfacher ist als alles, was Herr Eichel Ihnen
    jemals als denkbaren Vorschlag auf den Tisch gelegt hat,


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    dass auch das ein Schritt in die richtige Richtung ist,
    nämlich hin zu mehr Transparenz, zu mehr Klarheit im
    Steuersystem.

    Herr Bundeskanzler, ich freue mich ja für die Men-
    schen im Lande darüber, dass die Steuersätze gesunken
    sind. Nur, Sie hätten alles das schon 1996 haben können:


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Petersberger Beschlüsse.


    (Joachim Poß [SPD]: Nicht finanziert!)

    Ich habe es mir extra noch einmal sagen lassen:
    15 Prozent Eingangssteuersatz und 39 Prozent Spitzen-
    steuersatz.


    (Joachim Poß [SPD]: Da hätten Sie die Mehrwertsteuer erhöhen müssen!)


    Meine Damen und Herren, Sie haben das damals aus
    rein parteitaktischen Gründen verhindert,


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sie und der Ministerpräsident Lafontaine und der Minis-
    terpräsident Eichel. Wir waren damals auf dem richtigen
    Weg. Gott sei Dank wurde ein Stück dieses richtigen
    Weges gegangen. Aber Sie haben es damals blockiert;
    das müssen wir festhalten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ein weiterer Punkt – es ist schön, dass wir uns darüber

    auseinander setzen können, Frau Sager –: PISA-Studien.
    Wie kommt man zu besseren Ergebnissen? Wir sind der
    ganz festen Überzeugung: mit der Einheitsschule nicht


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    – diese Überzeugung werden wir auch weiter vor uns
    hertragen – und – das füge ich noch hinzu – dadurch,
    dass der Bund auch dafür noch die Kompetenz be-
    kommt, was Sie am liebsten hätten,


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt gar nicht!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Angela Merkel

    mit Sicherheit auch nicht. Deshalb wird in der Föderalis-
    muskommission eines nicht gelingen: Sie werden die
    Kompetenz des Bundes für die Bildung in der Schule
    nicht bekommen, so sehr Sie das auch wollen.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir gar nicht!)


    Wir werden auch den ganzen Mischmasch beenden – das
    ist die Aufgabe –, bei dem Sie dauernd mit anderer Leute
    Geld versuchen, sich in Sachen einzumischen, die Sie
    nichts angehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


    Herr Bundeskanzler, bei all den einzelnen Maßnah-
    men fehlt – das moniert auch der Sachverständigenrat –
    das schlüssige Konzept. Ich glaube, das schlüssige Kon-
    zept


    (Hubertus Heil [SPD]: Sie glauben, ja?)

    braucht eine bestimmte innere Haltung. Diese innere
    Haltung – auch darüber müssen wir sprechen – speist
    sich aus der Antwort auf die Frage: Was sind die Einzel-
    maßnahmen und gibt es etwas, was mehr ist als die
    Summe aller Einzelmaßnahmen?

    Wenn wir uns um Generationengerechtigkeit küm-
    mern, dann – ich glaube, damit sind wir alle miteinander
    einverstanden – geht es um mehr als nur um die Frage:
    Was kommt beim kleinen Kind an? Was kommt beim äl-
    teren Menschen an? Wenn wir einen Solidarpakt zwi-
    schen Ost und West haben, dann gibt es doch das ge-
    meinsame Verantwortungsgefühl, das Gefühl dafür, dass
    wir zusammengehören. Wenn wir über Nachhaltigkeit
    reden, dann reden wir doch eigentlich darüber, dass wir
    uns für zukünftige Generationen genauso verantwortlich
    fühlen wie für die Bewahrung unserer Traditionen. Ein
    Bund/Länder-Finanzausgleich, eine Kultusministerkon-
    ferenz, eine Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das alles
    gibt es doch nur, weil wir etwas Gemeinsames haben.
    Ich glaube, dass das durch die deutsche Einheit eine
    wunderbare Vollendung insofern gefunden hat, als der
    3. Oktober ein Tag der Freiheit ist, ein Tag, an dem in
    Deutschland die Freiheit gesiegt hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Tatsache, dass ich hier

    heute stehen kann, dass viele Kollegen aus den neuen
    Bundesländern hier sitzen, dass Frau Göring-Eckardt aus
    den neuen Bundesländern Vorsitzende der Fraktion der
    Grünen ist, haben wir denen zu verdanken, die den Ge-
    danken an die deutsche Einheit nicht als Lebenslüge der
    Nation bezeichnet haben, wie Sie es getan haben, son-
    dern die durchgehalten haben, die sich zu Einheit in
    Freiheit bekannt haben, obwohl nicht klar war, ob man
    es durchsetzt.


    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Deshalb ist es doch nichts anderes als Erbsenzählerei,
    wenn man mit irgendwelchen alten Zitaten ankommt.


    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Die eigentliche Frage ist doch – davon sprechen ja auch
    Sie immer wieder –: In welcher Lage sind wir heute?
    Heute wissen wir, vor welchen Herausforderungen wir
    stehen und was wir zu bewältigen haben. Genau in einer
    solchen Lage – deshalb hat dieser Vorschlag eine solche
    Empörung hervorgerufen – braucht man verbindende ge-
    meinschaftsstiftende Gedenktage, an denen einem be-
    wusst wird: Das Ganze ist mehr als die Summe der Ein-
    zelnen. Deshalb waren wir so empört, dass Sie den
    3. Oktober für ein einmaliges Wachstum in Höhe von
    0,1 Prozentpunkten abschaffen wollten. Das war absurd
    und verfehlt. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen
    lassen, Herr Bundeskanzler.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir sind ja für jedes Eingeständnis eines historischen

    Irrtums dankbar. Die Sache mit der Rente hatten Sie zu-
    gegeben; heute haben wir uns mit der Sprache befasst.


    (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kopfpauschale war auch ein historischer Irrtum, Frau Merkel! Werden Sie das als Irrtum eingestehen?)


    Damit die Geschichte nicht völlig verdreht wird, indem
    behauptet wird, dass bisher keiner von uns der Überzeu-
    gung war, dass das Erlernen der deutschen Sprache die
    Grundvoraussetzung dafür ist, dass Integration stattfin-
    det, möchte ich Sie an unseren Integrationsantrag aus
    dem Jahr 1999 erinnern:

    Die Beherrschung der deutschen Sprache ist Vo-
    raussetzung für Kommunikation und somit wich-
    tigstes Mittel zur Integration. Wer dauerhaft in
    Deutschland leben will, muß die Bereitschaft ha-
    ben, die deutsche Sprache zu erlernen.

    Dann wurden all die Maßnahmen aufgeführt, die wir
    jetzt im Zuwanderungsgesetz durchgesetzt haben. Be-
    dauerlich ist nur, Herr Bundeskanzler, dass Sie, da Sie
    damals ausschließlich mit der Frage der doppelten
    Staatsbürgerschaft beschäftigt waren, diesen Antrag ab-
    gelehnt haben. Das ist die historische Wahrheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Lesen Sie einmal den Antrag ganz vor! Was noch drinstand!)


    Ich bin deshalb doch zufrieden, dass wir dies jetzt ge-
    meinsam erreicht haben.

    Frau Sager, ich werde aber nicht davon abgehen, dass
    die Idee von Multikulti grandios gescheitert ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Bezüglich der Idee von Multikulti waren wir unter-
    schiedlicher Meinung, auch wenn Sie sich die Sache im
    Nachhinein noch zurechtbiegen.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe von der multikulturellen Gesellschaft gesprochen, nicht von Multikulti!)


    Ich kann nur sagen, dass wir alle miteinander, jetzt wie-
    der auf die Zukunft bezogen, uns so verhalten sollten,
    wie Günther Beckstein es auf der Demonstration der






    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Angela Merkel

    Muslime, die sich zu Werten wie Freiheit und Toleranz
    bekannt haben, gemacht hat, indem wir sagen: Bitte,
    lernt Deutsch.


    (Zuruf von der SPD: Was hat der Stoiber gesagt?)


    Natürlich dürfen wir niemals diejenigen, die die Werte
    unseres Landes ausdrücklich anerkennen, in irgendeiner
    Weise mit denen in einen Topf werfen, die dies nicht tun.
    Das sage ich ganz klar. Ebenso wie wir in Deutschland
    nicht Bürgerinnen und Bürger pauschal mit denen, die
    Gesetze unseres Landes übertreten, gleichsetzen, so dür-
    fen wir so etwas auch nicht mit Personen ausländischer
    Herkunft machen. Es führt uns aber auch nicht weiter,
    wenn wir die Augen vor bestimmten Tendenzen ver-
    schließen.

    Deshalb ist es gut und richtig, dass unsere Fraktion ei-
    nen Antrag zum Islam und Islamismus eingebracht hat,
    um genau über diese Frage eine Diskussion anzustoßen.
    In dieser müssen wir uns mit sehr konkreten Punkten
    auseinander setzen. So geht es zum Beispiel darum, ob
    wir es gutheißen, wenn für ein Jahr oder für zwei Jahre
    Imame aus der Türkei nach Deutschland kommen, oder
    ob wir wollen, dass sie hier in Deutschland ausgebildet
    werden. Da müssen Sie sich ganz klar entscheiden. Die
    in der CDU engagierten Mitglieder türkischer Herkunft
    sagen dies ganz klar.


    (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon längst gesagt!)


    – Wenn Sie das auch so sehen, freut mich das. Aber die
    Menschen draußen haben das noch nicht mitbekommen.
    Deshalb müssen wir doch darüber reden. Man darf sich
    deshalb nicht dauernd, wie Sie es heute hier wieder ge-
    tan haben, in Kleinkram verzetteln,


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    sondern man muss die Gemeinsamkeiten herausstellen,
    indem man sagt: Ihr seid willkommen, wenn ihr unsere
    Gesetze akzeptiert. Wir wollen euch Chancen eröffnen.
    Das ist aber nur möglich, wenn ihr Deutsch lernt, euch
    integriert und keine Parallelgesellschaften errichtet. Da-
    für werden wir kämpfen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin sehr dafür, mit alten Lebenslügen aufzuräu-

    men,

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Fröhlicher Anfang!)


    zugleich sollten wir aber auch dafür Sorge tragen, dass
    wir uns nicht in neue Lebenslügen verstricken.


    (Zurufe von der SPD: Wohl wahr! – Sehr richtig!)


    Vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen: Es stehen
    noch eine ganze Reihe von Aufgaben vor uns, auch im
    Sicherheitsbereich und im außenpolitischen Bereich. Da
    steht zum Beispiel die Frage der Zukunft der Bundeswehr
    im Raum. Ich stimme zu, dass es zugunsten der Erhö-
    hung der internationalen Handlungsfähigkeit nötig ist,
    bestimmte Standorte zu schließen. Wir alle machen aber
    nicht mehr mit, wenn Sie als ausschließliche Aufgabe
    der Bundeswehr die internationale Handlungsfähigkeit
    definieren, die Aufgabe des Heimatschutzes aber wegen
    finanzieller Schieflagen bis zur Unkenntlichkeit verwi-
    schen. Damit vernachlässigen Sie die zweite Säule der
    Bundeswehr, die wir auch in Zukunft brauchen, nämlich
    den Heimatschutz.


    (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Darüber müssen wir miteinander streiten.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Lebenslüge Ihres Verteidigungsministers besteht

    darin, dass er so tut, als ob er mit den begrenzten Mitteln
    und seiner Strukturpolitik, die im internationalen Be-
    reich in die richtige Richtung geht, die Wehrpflicht auf-
    rechterhalten könnte. Das kann er nicht. Entweder wir
    schaffen es, ein ordentliches Heimatschutzkonzept, wie
    es von Wolfgang Schäuble und anderen entwickelt
    wurde, danebenzustellen; dann kann die Wehrpflicht er-
    halten bleiben, was ich und wir durchaus möchten. Wenn
    man das aber nicht schafft, darf man sich nicht in eine
    neue Lebenslüge verstricken, sondern muss den Leuten
    die Wahrheit sagen. Das ist das, was wir anmahnen, Herr
    Bundeskanzler. Wir haben hier klare Vorstellungen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wer würde denn infrage stellen, dass wir eine strate-

    gische Partnerschaft mit Russland brauchen? Schauen
    Sie, ohne Michail Gorbatschow wäre die deutsche Ein-
    heit doch gar nicht zustande gekommen. Dass es natür-
    lich auch von russischer Seite in Bezug auf die eigene
    Bevölkerung eine Riesenleistung und Anstrengung war,
    dass die baltischen Staaten heute Mitglied der Europäi-
    schen Union und der NATO sind, stellt doch niemand in-
    frage. Ebenso stellt niemand infrage, dass es nicht ganz
    einfach ist, ein Land wie Russland zu regieren. Aber es
    kann wirklich nicht sein, auch nicht mit Blick auf die
    Geschichte – ich würdige die Situation 60 Jahre nach
    dem Zweiten Weltkrieg; ich habe mich auch in meiner
    Jugend hinreichend mit diesen Themen auseinander ge-
    setzt und habe hohen Respekt vor dem russischen
    Volk –, Herr Bundeskanzler, dass Amerika kritisiert wird
    und Russland nicht. Nichts weiter mahnen wir an, als
    dass wir fair und ehrlich miteinander umgehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das Thema Türkei ist ein wichtiges und relevantes

    Thema. Da sind viele Versprechungen gemacht und viele
    Dinge gesagt worden. Der ehemalige Bundeskanzler
    Schmidt zum Beispiel sagt, wir hätten das alles nicht
    machen sollen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Recht hat er!)

    Vieles ist in Gang gekommen. Deshalb muss natürlich
    alles daran gesetzt werden, dass bei der Türkei nicht der
    Eindruck entsteht, wir wollten ihr die Tür vor der Nase
    zumachen und Europa wolle sie verstoßen.


    (Zuruf von der SPD: Dann tun Sie das doch nicht!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Dr. Angela Merkel

    – Wir sagen nicht einfach Nein. – Aber, Herr Bundes-
    kanzler, es muss doch möglich sein, festzustellen, dass
    es der falsche Weg wäre, jetzt Verhandlungen, angeblich
    ergebnisoffene Verhandlungen, aufzunehmen, die nur
    zwei Optionen kennen, nämlich Vollmitgliedschaft und
    Scheitern. Die Option Scheitern gibt es realpolitisch gar
    nicht. Denn Scheitern würde bedeuten, dass der Türkei
    die Tür vor der Nase zugeschlagen wird. Deshalb sagen
    wir: Lasst uns eine – die von uns präferierte – Option mit
    aufnehmen, nämlich die privilegierte Partnerschaft!
    Schritt für Schritt kommen viele in Europa genau zu die-
    ser Einsicht. Ich verstehe nicht, warum Sie sich dieser
    Einsicht verweigern. Sie hätten die Möglichkeit, mit
    Herrn Erdogan als Ministerpräsidenten vernünftig da-
    rüber zu sprechen. Dann hätten wir ein Problem gelöst,
    das vielen Menschen Sorgen bereitet, das viele bedrückt
    und uns alle noch bedrücken wird.