Rede:
ID1512303800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. jetzt: 1
    5. der: 1
    6. Kollege: 1
    7. Friedrich: 1
    8. Merz: 1
    9. von: 1
    10. derCDU/CSU-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/123 in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbe- treuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (Tagesbetreu- ungsausbaugesetz – TAG) (Drucksache 15/3676) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Gerda Hasselfeldt, Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Elternhaus, Bil- dung und Betreuung verzahnen Maria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Link (Diepholz) (CDU/CSU) . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Link (Diepholz) (CDU/CSU) . . . . . . . 11191 B 11202 C 11203 B 11205 B 11206 C 11207 D 11209 A 11210 A 11210 C 11210 D Deutscher B Stenografisc 123. Si Berlin, Donnerstag, de I n h a Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005) (Drucksache 15/3660) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008 (Drucksache 15/3661) . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 11191 A 11191 B (Drucksache 15/3488) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit 11191 C undestag her Bericht tzung n 9. September 2004 l t : Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Klaus Haupt, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Solides Finanzie- rungskonzept für den Ausbau von Kinder- betreuungsangeboten für unter Dreijährige (Drucksache 15/3512) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 11191 D 11191 D 11196 A 11198 B 11199 B 11200 C Jutta Dümpe-Krüger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 11211 A 11212 A II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksache 15/3674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Möglichkeiten der privaten Arbeitsver- mittlung durch marktgerechte Ausgestal- tung der Vermittlungsgutscheine verstärkt nutzen (Drucksache 15/3513) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Friedrich Merz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dagmar Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) . . . . . . . Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) . . . . . . . . Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 11213 D 11213 D 11214 A 11218 D 11220 C 11225 C 11227 D 11229 D 11233 A 11234 A 11235 C 11237 A 11239 A 11240 B 11240 D 11241 A 11241 D 11242 B 11244 D 11246 C 11247 C 11249 B 11250 A Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD) . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doris Meyer (Tapfheim) (CDU/CSU) . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albrecht Feibel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Müller (Düsseldorf) (SPD) . . . . . . . Dr. Rolf Bietmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 9: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Auto- bahnmautgesetzes für schwere Nutz- fahrzeuge (Drucksache 15/3678) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der CDU/CSU: Mautbefreiung für humanitäre Hilfs- transporte (Drucksache 15/3489) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Norbert Königshofen (CDU/CSU) . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11251 C 11254 A 11256 A 11257 D 11259 D 11261 B 11262 D 11265 B 11265 D 11266 A 11267 C 11269 D 11271 C 11271 C 11271 D 11274 B 11276 D 11279 A 11281 B 11283 C 11285 A 11286 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 III Lena Strothmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Reinhard Weis (Stendal) (SPD) . . . . . . . . . . . Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP) . . . . . . . Klaus Minkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU) . . . . . . . . Einzelplan 10 Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ilse Aigner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jella Teuchner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Heinen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Manfred Helmut Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 11288 A 11290 B 11291 C 11292 C 11294 C 11296 C 11298 B 11300 B 11302 A 11303 C 11304 D 11306 C 11308 D 11309 D 11310 D 11312 D 11315 B 11317 C 11319 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 11191 (A) (C) (B) (D) 123. Si Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 123. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 11319 (A) (C) (B) (D) Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Barthel (Berlin), Eckhardt SPD 09.09.2004 Büttner (Ingolstadt), Hans SPD 09.09.2004 Dr. Guttmacher, Karlheinz FDP 09.09.2004 Meckel, Markus SPD 09.09.2004 Raidel, Hans CDU/CSU 09.09.2004* Schauerte, Hartmut CDU/CSU 09.09.2004 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 09.09.2004 Schöler, Walter SPD 09.09.2004 Schösser, Fritz SPD 09.09.2004 Schreck, Wilfried SPD 09.09.2004 Schultz (Everswinkel), Reinhard SPD 09.09.2004 Dr. Schwall-Düren, Angelica SPD 09.09.2004 Ulrich, Hubert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 09.09.2004 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 09.09.2004 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich 123. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 9. September 2004 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ernst Hinsken


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Sie haben gesagt, sie seien ein untaugliches Mittel,

    um der Arbeitslosigkeit vor allen Dingen in struktur-
    schwachen Bereichen zu begegnen.


    (Waltraud Lehn [SPD]: Hörtest!)

    Daher möchte ich folgende Frage an Sie richten: Ist

    Ihnen bewusst, dass gegenwärtig, gerade im grenznahen
    Bereich, Tausende von Arbeitsplätzen in die neuen mit-
    telosteuropäischen Mitgliedstaaten der EU abwandern?
    Wie sieht Ihre Alternative dazu aus? Wie wollen Sie dem
    begegnen? Denn zum Beispiel zwischen Tschechien und
    Deutschland besteht ein Lohnunterschied im Verhältnis
    von eins zu sechs; zwischen Polen und Deutschland ist
    er noch etwas höher. Dem kann doch nur mit neuen Re-
    zepturen begegnet werden. Aber in dieser Angelegenheit
    habe ich noch nichts von Ihnen gehört. Bisher warte ich
    vergebens.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft

    und Arbeit:
    Herr Kollege Hinsken, zum Ersten: Ich habe nicht

    Lohnkostenzuschüsse als untaugliches Mittel bezeich-
    net, sondern als taugliches Mittel; sie sind ausdrücklich
    vorgesehen bei den Eingliederungsmitteln, eines der
    wichtigsten Elemente.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Nur bin ich dagegen, sie flächendeckend einzusetzen.

    Zum Zweiten: Ich verstehe die Fragestellung, die Sie
    haben; es ist eine sehr wichtige. Allerdings ist das Instru-
    ment der Lohnkostenzuschüsse aus meiner Sicht nicht
    geeignet. Was wir mit den Beitrittsstaaten natürlich dis-
    kutieren müssen – aber tunlichst in einem ruhigeren Pro-
    zess –, ist, wie dort in Zukunft das Instrumentarium zum
    Fördern, durch Strukturfördermittel und beispielsweise
    Steuerentlastungen, gehandhabt wird. Zwischen den al-
    ten und den neuen Ländern in Deutschland haben wir
    das ja auch nach einer Übergangsphase hinbekommen,
    nämlich so, dass Übersiedlungen und Standortverlage-
    rungen von Westdeutschland nach Ostdeutschland nur
    im Einvernehmen zwischen den Ländern stattfinden.
    Man wird das zwischen uns und den Beitrittsländern
    jetzt so noch nicht erreichen, aber wir brauchen solche
    ruhigen Gespräche, um mit diesem Thema umzugehen.

    Dass die Menschen und die Unternehmen in den un-
    mittelbaren Grenzregionen in Bayern, insbesondere in
    Ostbayern, im Verhältnis zur Tschechischen Republik
    zurzeit erhebliche Standortprobleme haben, ist richtig.
    Es gibt dazu kein generelles Instrument; ich habe da-
    rüber schon viele Diskussionen geführt. Wir brauchen
    Diskussionen vor Ort und müssen unter Hinzuziehung
    der Kreditwirtschaft, der KfW und all derer, die dazu
    beitragen können, dazu kommen, dass wir den Unterneh-
    men in diesem Übergang helfen, soweit es geht mit
    Strukturfördermitteln und soweit es geht mit ebensol-
    chen Instrumenten, wie ich sie angesprochen habe.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Entwurf
    des Einzelplans 09 für das nächste Haushaltsjahr, über
    den ich spreche, sieht Ausgaben in Höhe von 34,3 Mil-
    liarden Euro vor. Man muss sehen, dass 85 Prozent der
    Ausgaben in unserem Einzelplan Ausgaben für den Ar-
    beitsmarkt sind. Ich meine, dass wir da mittelfristig eine
    Veränderung erreichen müssen und dass wir diese Inves-
    titionen in den Arbeitsmarkt vor allen Dingen durch Ef-
    fizienzgewinne sehr rasch zu lohnenden Investitionen
    machen müssen. Dann wird sich auch die Struktur des
    von mir vertretenen Haushaltes wieder verändern. Der
    Schwerpunkt wird – das ist das Ziel – dann nicht mehr
    bei den Ausgaben infolge der Arbeitslosigkeit liegen,
    sondern bei der zukunftsorientierten Stärkung der
    Wachstums- und Innovationskräfte.

    Unter dem Strich trägt das Ministerium für Wirtschaft
    und Arbeit trotz der notwendigen Investitionen in den
    Reformprozess an anderen Stellen erheblich zur Konso-
    lidierung des Bundeshaushalts bei, beispielsweise mit
    den Erlösen im Zusammenhang mit der vorgesehenen,
    noch im Einzelnen zu diskutierenden Übertragung des
    ERP-Sondervermögens auf die KfW, beispielsweise
    durch den Subventionsabbau im Rahmen der Vorschläge
    von Koch/Steinbrück, beispielsweise durch die Reduk-
    tion der finanziellen Förderung der Steinkohle. Nicht
    zuletzt dank dieser Einsparungen werden wir die Haus-
    haltsstruktur verbessern und gezielt Impulse für zu-
    kunftsgerichtete und investive Maßnahmen setzen. Der
    Schwerpunkt liegt dabei in der Förderung von For-
    schungs- und Technologievorhaben und in der Steige-
    rung der Innovationskraft kleinerer und mittlerer Unter-
    nehmen.

    Die Regionalförderung durch die Gemeinschaftsauf-
    gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
    wird mit rund 700 Millionen Euro für die neuen Länder
    und die Förderregionen in den alten Ländern ausgestat-
    tet. Sie wird in den Folgejahren auf diesem Niveau wei-
    tergeführt; die Länder erhalten auf diese Weise die ge-
    wünschte Planungssicherheit. Mit den komplementären
    Landesmitteln und den Mitteln der Europäischen Union
    stehen im nächsten Jahr 1,7 Milliarden Euro zur Förde-
    rung neuer Investitionen zur Verfügung.

    Der Erfolg der Regionalpolitik – damit bin ich noch
    einmal bei dem, was Herr Kollege Hinsken angespro-
    chen hat – hängt aber nicht nur vom Mittelvolumen ab,
    sondern insbesondere auch vom intelligenten Einsatz der
    Fördermittel durch die Landesregierungen. Sie haben die
    Möglichkeit, zielgenaue Investitionsanreize zu geben
    und die Entwicklung von Spitzenstandorten oder von
    wirtschaftlichen Clustern, etwa in Ostdeutschland, noch
    effizienter zu unterstützen.

    Die GA-Förderung ist Teil des Solidarpakts II für die
    neuen Länder, der ab 2005 wirksam wird. Er umfasst ein
    Volumen von, wie wir schon gehört haben, 156 Milliar-
    den Euro, verteilt auf die Jahre bis 2019. Das ist das si-
    chere finanzielle Fundament für die Fortsetzung des
    Aufbaus Ost. Ich bin überzeugt, dass wir auf diesem
    Fundament weiterhin erfolgreich, wenn auch nicht die
    Welt von heute auf morgen verändernd, arbeiten. Aber
    es verändert sich die Situation in Ostdeutschland. Wer
    dies wahrnimmt, ohne geblendet zu sein, mit realisti-
    schem Blick, auch gestützt auf Erfahrungen in anderen
    Regionen Deutschlands, wird diese Ansicht teilen müs-
    sen.

    Meine Bitte ist natürlich – ich sage das auch etwas
    polemisch, einmal ausnahmsweise an die Adresse von
    Herrn Ministerpräsidenten Milbradt: Nicht demonstrie-
    ren ist gefragt für einen Ministerpräsidenten, sondern
    mitarbeiten vor Ort.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Mitarbeiten vor Ort – das heißt beispielsweise, dass man
    in den Städten und Gemeinden dafür sorgt, dass erstens
    die Gelder wirklich dort ankommen, dass zweitens diese
    Gelder möglichst investiv eingesetzt werden und dass
    drittens die Arbeitsagenturen vor Ort bzw. die Kommu-
    nen, falls sie optieren, konkret arbeiten und in Gang
    kommen. Es kommt darauf an, dass alle mitmachen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Bundesminister Wolfgang Clement

    Es geht ja darum, die Menschen in Deutschland in Ar-

    beit zu bringen: Deutschland in Arbeit. Das heißt, wir
    müssen Erwartungen an all diejenigen richten, die in
    Deutschland Verantwortung tragen:

    Erstens erwarten wir von den Unternehmen, dass sie
    jetzt investieren, dass sie die Standorte sichern anstatt sie
    zu verlagern, wenn das aus Kostengründen nicht anders
    geboten ist, und dass sie vor allen Dingen etwas für die
    Ausbildung tun. Wir müssen das Ausbildungsproblem in
    Deutschland lösen und den Ausbildungspakt einlösen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich bin unverändert davon überzeugt, dass das möglich
    ist.

    Ich werde gleich mit dem Regierenden Bürgermeister
    von Berlin in Gesprächen mit Unternehmen wieder für
    solche Ausbildungsplätze werben. Es ist möglich und
    mit dem Ausbildungspakt ist bei den Industrie- und Han-
    delskammern sowie bei den Handwerkskammern schon
    Erhebliches erreicht worden. Die Aktivität, die dort ent-
    faltet worden ist, ist teilweise sehr beeindruckend.

    Die Nachvermittlungsaktion, die zum ersten Mal ge-
    regelt und vereinbart wurde, wird am 1. Oktober 2004
    beginnen. Ich bin davon überzeugt, dass es möglich ist,
    unser Versprechen, das eingehalten werden muss, auch
    wirklich einzuhalten: Jeder, der will und kann, muss ei-
    nen Ausbildungsplatz, eine andere adäquate Einstiegs-
    qualifikation oder Ähnliches erhalten.

    Zweitens appelliere ich an die besondere Verantwor-
    tung der Energiewirtschaft. Sie ist eine strategische
    Branche und hat insbesondere in dieser Phase Einfluss
    auf die weitere Entwicklung in der Bundesrepublik
    Deutschland. Deshalb: Nehmen Sie die angekündigten
    Preis- und Tariferhöhungen zurück! Davon kann und
    sollte jetzt kein Gebrauch gemacht werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Drittens appelliere ich an die Banken und an das
    Kreditgewerbe. Über 40 Prozent der Manager in mittel-
    ständischen Unternehmen klagen heute immer noch über
    Probleme beim Erhalt von Krediten und beim Eigen-
    kapital. Ich appelliere an das Kreditgewerbe, alles zu
    tun, um diese Probleme zu überwinden.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Durch die KfW werden Haftungserleichterungen und
    Haftungsentlastungen für das Kreditgewerbe organisiert
    und ermöglicht. Davon muss mehr und intensiv Ge-
    brauch gemacht werden,

    Viertens habe ich die Erwartung an die Gewerk-
    schaften, sich so besonnen wie in der Tarifpolitik in den
    letzten Jahren auch gegenüber der Agenda 2010 und den
    Protesten zu verhalten.

    Fünftens habe ich die Erwartung an die Arbeit-
    suchenden, die Herausforderungen anzunehmen und
    neue Chancen zu sehen. Wer bedürftig ist, dem wird
    geholfen. Ich habe das schon so oft gesagt: In diesem
    Prozess der Umgestaltung unserer Arbeitswelt wird nie-
    mand abstürzen. Aktives Mitwirken ist besser als passi-
    ves Sich-verwalten-Lassen. Darum geht es, wenn wir die
    Arbeitsmarktreform jetzt vollziehen.

    Die Ziele, die wir uns setzen, werden erreicht sein,
    wenn bei künftigen Haushaltsberatungen nicht mehr
    über Vergangenheitsinvestitionen contra Zukunftsinves-
    titionen diskutiert wird, sondern wenn wir darüber strei-
    ten, wem in Zukunft unsere ganze Aufmerksamkeit gilt.
    Diese muss der Existenzförderung, der Forschung und
    Innovation und der Bildung und Weiterbildung gelten.

    Auf diesen Wettbewerb, den wir erreichen müssen,
    freue ich mich. Erst recht werde ich mich natürlich
    freuen, wenn er in diesem Hause stattfindet.

    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Merz von der

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Friedrich Merz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

    ren! Lassen Sie mich aus unserer Sicht zunächst eine
    Vorbemerkung zum Wechsel Ihres Staatssekretärs in die
    Privatwirtschaft machen. Der Wechsel ist in Ordnung.
    Sie verlieren einen der besten Beamten der Bundesregie-
    rung. Ich teile Ihre Einschätzung, dass es gut wäre, wenn
    wir in Deutschland einen Wechsel zwischen Wirtschaft,
    Wissenschaft und Politik in alle Richtungen etwas häufi-
    ger erleben würden.


    (Franz Müntefering [SPD]: Nein, bleiben Sie hier!)


    – Herr Müntefering, dass Sie hier bleiben, empfinden
    wir eher als Drohung. Aber es ist ja auch eine Frage der
    Verwendungsfähigkeit an anderer Stelle.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich begrüße es ausdrücklich, Herr Clement, dass Sie

    unsere Nachfragen hierzu nicht kritisiert haben; denn
    dass heute Morgen eine Sondersitzung des Wirtschafts-
    ausschusses auf unseren Antrag und den der FDP statt-
    gefunden hat, ist begründet gewesen. Es ist unsere
    Aufgabe nachzufragen. Die Antworten auf unsere Nach-
    fragen haben keinerlei Anlass zu Kritik gegeben. Inso-
    fern begleiten Herrn Tacke unsere guten Wünsche auf
    seinem Weg in eine neue berufliche Aufgabe.


    (Klaus Brandner [SPD]: Das ist ein eleganter Rückzug, Herr Merz! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die Schlagzeilen der letzten Tage sprechen eine andere Sprache! – Klaus Brandner [SPD]: Späte Einsicht!)


    Wir sprechen über Wachstum und Beschäftigung in
    Deutschland. Herr Clement, Sie haben erneut eine relativ
    optimistische Prognose für das laufende Jahr und insbe-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    sondere für das Jahr 2005 gewagt. Als ich Sie gehört
    habe, habe ich gedacht: Das kommt mir bekannt vor.
    Wenn man es nachschauen würde, könnte man feststel-
    len, dass Sie im letzten und auch im vorletzten Jahr etwa
    um diese Zeit fast wortgleich ähnlich optimistische Pro-
    gnosen über Wachstum und Beschäftigung abgegeben
    haben. Ich sage ganz ausdrücklich: leider. Dies sage ich
    auch an Ihre Adresse, Herr Müntefering, weil Sie gestern
    Bemerkungen in dem Sinne gemacht haben, wir würden
    ein Interesse daran haben, dass die Krise in Deutschland
    fortbesteht. Ich erkläre ausdrücklich: Leider sind diese
    Prognosen der letzten zwei Jahre von Ihnen, Herr
    Clement, bis heute nicht eingetreten. Ich halte sie – offen
    gestanden – auch für das Folgejahr für zu optimistisch.

    Wir haben in der Tat in Deutschland ein geringes
    Wachstum. Wir haben möglicherweise im nächsten Jahr
    ein etwas höheres Wachstum. Aber diese Wachstums-
    zahlen – der Hinweis ist zutreffend – beruhen nicht auf
    einer zunehmenden Belebung der Inlandsnachfrage, son-
    dern sind ganz wesentlich dem Export geschuldet. Der
    Export aber ist jedenfalls zu einem beträchtlichen Teil
    mittlerweile eine statistische Größe geworden; denn er
    spiegelt sich nicht in inländischer Wertschöpfung wider.
    Diesen Zusammenhang will ich einmal aufzeigen.

    Wir haben es hier mit Wertschöpfungsketten zu tun,
    die so auseinander genommen werden, dass größere
    Teile dessen, was produziert wird, nicht mehr in
    Deutschland entstehen, etwa in der Automobilindustrie,
    sondern Vorleistungen aus dem Ausland nach Deutsch-
    land importiert, in hochmodernen Montagewerken zu
    Fahrzeugen montiert und dann exportiert werden. Der
    gesamte Wert eines solchen Fahrzeuges findet sich in der
    Exportstatistik wieder, aber eben nicht mehr die Wert-
    schöpfung in Deutschland. Das ist das eigentliche Pro-
    blem.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Deswegen kann ich nur davor warnen, Herr Clement,
    die Behauptung zu wiederholen, es sei doch wunderbar,
    dass wir Exportweltmeister seien. Bei Licht betrachtet
    ist dies immer mehr – ich sage nicht: ausschließlich –
    eine statistische Größe im Hinblick auf die Exportstatis-
    tiken und findet sich nicht in inländischer Wertschöp-
    fung und inländischen Arbeitsplätzen wieder.


    (Franz Müntefering [SPD]: Da irren Sie sich!)

    Die Arbeitsplätze werden in den osteuropäischen Län-
    dern geschaffen. Sie entstehen mittlerweile auch zuneh-
    mend in den südeuropäischen Ländern. Abwanderungen
    von Unternehmen in die Schweiz und nach Österreich
    sind keine Abwanderungen in Billiglohnländer oder
    Niedrigsteuerländer, sondern Abwanderungen in Länder,
    die offensichtlich ein wesentlich stabileres und vertrau-
    enswürdigeres politisches System haben als die Bundes-
    republik Deutschland. Das hat nicht nur etwas mit Kos-
    ten, sondern auch mit Stabilität und Vertrauen zu tun, das
    an diesen Standorten größer ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben auf Ihren Etat Bezug genommen und
    durchaus kritisch den Hinweis gegeben, 85 Prozent des-
    sen, was in Ihrem Etat, dem Einzelplan 09, an Steuermit-
    teln ausgegeben wird, werde für die Arbeitsmarkt-
    politik zur Verfügung gestellt. Das ist das eigentliche
    Problem. Die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland redu-
    ziert sich weitgehend auf die Bewirtschaftung der Ar-
    beitslosigkeit. Dies ist mittlerweile in einem Umfang
    haushaltswirksam, dass zeitgleich der Anteil der Investi-
    tionen auch aus Ihrem Etat auf einen Tiefstand zurück-
    gefahren werden musste. Wenn ein Land wesentlich
    mehr für die Bewirtschaftung der Arbeitslosigkeit als für
    Investitionen in die Zukunft ausgibt, dann hat die Volks-
    wirtschaft dieses Landes ein fundamentales Problem.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])


    Dieses fundamentale Problem ist nicht kleiner gewor-
    den, sondern es ist in Ihrer Amtszeit, Herr Clement, lei-
    der größer geworden. Nun reden wir hier abstrakt über
    große Zahlen. Ich will sie einmal auf den einen oder an-
    deren Sachverhalt herunterbrechen, der mit den Hartz-
    Gesetzen in Verbindung steht. Ich will nur drei Sachver-
    halte aufgreifen: PSA, Ich-AG und Jobfloater. Sie haben
    zwar gesagt: keine Vergangenheitsbewältigung – in Ord-
    nung –; aber dass wir zur Halbzeit der Wahlperiode ein-
    mal nachfragen, was aus dem geworden ist, was vor
    zwei Jahren, wenige Wochen vor der Bundestagswahl,
    mit großem propagandistischen Aufwand der Öffentlich-
    keit vorgestellt worden ist, gehört zu unserer Aufgabe
    und interessiert auch große Teile der Öffentlichkeit.

    Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie Herr Hartz,
    für den kein Raum in Berlin gut genug war – man
    musste sogar in eine säkularisierte Kirche gehen, um den
    Inhalt einer kleinen CD-ROM vorzustellen –, die Pro-
    gnose stellte, innerhalb von drei Jahren 2 Millionen neue
    Jobs in Deutschland zu schaffen.

    Wie sieht die Lage heute aus, zwei Jahre danach? Sie
    haben mit den Personal-Service-Agenturen 350 000 so-
    zialversicherungspflichtige Jobs pro Jahr angekündigt.
    Das heißt, wir müssten heute ungefähr 700 000 haben.
    Tatsache ist, dass wir 15 000 haben, davon 4 200 im Os-
    ten. Insgesamt haben Sie dafür aus Ihrem Etat 340 Mil-
    lionen Euro ausgegeben. Das heißt, jeder Job, der ent-
    standen ist, hat über 20 000 Euro gekostet. Ein
    Facharbeiter muss lange arbeiten, um die Steuern aufzu-
    bringen, die dafür bezahlt werden müssen. Es sind hier
    Randbereiche des Arbeitsmarktes gefördert worden. Mit
    dem eigentlichen Arbeitsmarkt hat das nichts zu tun.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Ich-AG: 500 000 Existenzgründungen pro Jahr sind
    angekündigt gewesen. Es sind 180 000. In der Tat ist das
    – jedenfalls vordergründig betrachtet – zunächst ein Er-
    folg, aber nur jede zehnte Gründung einer solchen Ich-
    AG überlebt das erste Jahr ihrer Existenz. Neun von
    zehn werden nicht älter als ein Jahr. Die Insolvenzrate ist
    überproportional hoch. Im laufenden Jahr müssen Sie für






    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    die Ich-AGs aus Ihrem Etat bzw. aus dem der Bundes-
    agentur für Arbeit 850 Millionen Euro ausgeben, damit
    diese so genannten Ich-AGs bestehen können.


    (Doris Barnett [SPD]: Haben Sie da mitgemacht?)


    Ganz absurd wird es nun beim Jobfloater. Dass Sie
    dieses Thema nicht mehr angesprochen haben, kann ich
    verstehen, obwohl Sie noch vor zwei Jahren mit großer
    Emphase diesen Begriff in die deutsche politische Spra-
    che eingeführt und erklärt haben, das sei die Idee
    schlechthin, um auf diese Art und Weise eine Brücke
    von der Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung zu bauen.
    240 000 sozialversicherungspflichtige Jobs sollten mit
    diesem so genannten Jobfloater entstehen. Das ist der
    größte Jobflop geworden, den wir jemals in der Arbeits-
    marktpolitik der Bundesrepublik Deutschland erlebt ha-
    ben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In Zahlen ausgedrückt: 120 000 Jobs pro Jahr sollten es
    sein. Bis heute hätten es also 240 000 sein müssen. Es
    sind ganze 12 800 entstanden. Dafür hat die Kreditan-
    stalt für Wiederaufbau in einem Programm 925 Millio-
    nen Euro ausgegeben. Das sind pro Job über
    72 000 Euro. Herr Clement, wenn wir an dieser Stelle
    sagen, dass Steuergelder verschwendet werden und die
    falsche Politik gemacht wird, dann lässt sich das auch in
    sehr griffigen Zahlen ausdrücken, die nicht nur etwas
    mit Milliardenbeträgen zu tun haben, sondern mit Beträ-
    gen, bei denen jedermann sofort einsieht, dass man so
    Arbeitsmarktpolitik in Deutschland nicht machen kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun haben Sie erneut – der Bundeskanzler hat es ges-

    tern getan und Frau Merkel in ihrer Erwiderung auf den
    Bundeskanzler auch – Hartz IV angesprochen. Ich will
    aus meiner Sicht noch einmal sehr deutlich sagen: Wir
    stehen dazu, dass wir der Zusammenlegung von
    Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zugestimmt haben.
    Das war richtig. Ich selbst habe von dieser Stelle aus
    diese Forderung mehrfach erhoben. Es ist richtig, dass
    wir Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe als steuerfinan-
    zierte soziale Transferleistung zu einem einheitlichen
    System zusammenfügen. Trotzdem reißen die Debatten
    über dieses Thema nicht ab. Dies hat nicht parteipoliti-
    sche Gründe, sondern das hat sehr objektive Gründe. Ich
    will Ihnen zwei nennen.

    Wir bleiben fundamental unterschiedlicher Auffas-
    sung darüber, wer in Zukunft die Verantwortung über die
    Verwendung der Mittel und die Vermittlung der Lang-
    zeitarbeitslosen übernehmen soll. Herr Clement, Sie ha-
    ben eben in Ihrer Rede selbst das beste Beispiel dafür ge-
    geben, dass das, was Sie jetzt planen, nämlich die
    Zuständigkeit einer zentralistisch geführten Bundesbe-
    hörde, nicht erfolgreich sein kann. Sie selbst haben völ-
    lig zu Recht darauf hingewiesen, dass wir nicht mehr
    zwischen Ost und West unterscheiden dürfen, dass sich
    die Arbeitsmärkte in Deutschland höchst unterschiedlich
    entwickeln, und zwar nicht zwischen Ost und West, son-
    dern im Osten wie im Westen. Aber gerade weil das so
    ist, muss Arbeitsmarktpolitik dezentral organisiert wer-
    den.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Weil nur mit dezentraler Arbeitsmarktpolitik erfolgrei-
    che Arbeitsmarktpolitik gemacht werden kann, hätten
    wir uns gewünscht,


    (Waltraud Lehn [SPD]: Das passiert doch!)

    dass Sie die Städte und die Kreise in Deutschland in die
    Verantwortung genommen hätten, und zwar nicht mit ei-
    ner Optionsklausel, sondern flächendeckend. Es wäre
    richtig gewesen, die Städte und Kreise in Deutschland
    mit dieser Aufgabe zu betrauen.

    Ich bleibe bei meiner Kritik. Ich werde gleich noch et-
    was zum Bürokratieabbau sagen. Sie haben dazu er-
    staunlicherweise kaum etwas gesagt. Das, was jetzt zum
    Jahreswechsel 2004/2005 mit der Übertragung der Zu-
    ständigkeit an die Bundesagentur für Arbeit geschieht,
    also auf die regionale Arbeitsverwaltung, wird ein büro-
    kratisches Monstrum werden. Die örtlichen Arbeitsver-
    waltungen werden ein riesiges Problem haben, dieses
    Thema wirklich zu schultern, was die Sozialämter in
    den Städten und in den Kreisen längst hätten machen
    können und in der Vergangenheit erfolgreich gemacht
    haben. Deswegen ist es so kritisch gewesen und es bleibt
    aus unserer Sicht auch so kritisch.

    Es gibt einen zweiten Grund, der insbesondere für den
    Osten zutrifft. Es ist, wie ich finde, nach wie vor ein be-
    dauernswerter Zustand, dass wir erstmalig ein Gesetz im
    Bundesrat verabschiedet gesehen haben, dem der ge-
    samte Westen zugestimmt hat und das der gesamte Osten
    abgelehnt hat. Das ist, wenn ich mich richtig erinnere,
    das erste Gesetz nach der Wiedervereinigung – –


    (Franz Müntefering [SPD]: Stimmt doch gar nicht! Die haben doch zugestimmt! Erzählen Sie doch nicht so ein Zeug!)


    – Herr Müntefering, hören Sie mir zu, bevor Sie Zwi-
    schenrufe machen. – Ich sage, es ist ein bedauernswerter
    Zustand, dass dies ein Gesetz ist, das – sozusagen ent-
    lang der alten Demarkationslinie – im Osten abgelehnt
    worden ist und dem im Westen zugestimmt worden ist.


    (Franz Müntefering [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Die haben dem Gesetz zugestimmt! – Zuruf von der SPD: Das ist aber eine Legende!)


    Ich stehe zu der Zustimmung. Ich sage Ihnen nur: Die
    kritischen Anmerkungen, die der Ministerpräsident
    Milbradt aus Sachsen hier zu machen hat, haben an einer
    wesentlichen Stelle eine sehr gute, nämlich eine in Ihrem
    Haushalt aufgeschriebene Begründung. Herr Milbradt
    weist völlig zu Recht darauf hin, dass mit diesem Gesetz
    der Druck auf Arbeitslose erhöht wird, sich eine Be-
    schäftigung zu suchen und auch eine Beschäftigung an-
    zunehmen.


    (Klaus Brandner [SPD]: Herr Milbradt wollte viel größeren Druck haben!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    Nur, meine Damen und Herren, wenn keine Beschäfti-
    gung entsteht, wenn keine Jobs da sind, dann nützt auch
    der beste Druck nichts, den Sie jetzt auf die Arbeitslosen
    ausüben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Er hat zugestimmt! Der Mann ist nicht auf dem Laufenden, Herr Präsident! Er erzählt die Unwahrheit!)


    Jetzt sage ich Ihnen ganz konkret, was das mit Ihrem
    Haushalt zu tun hat. Wir haben hier vor einem Jahr eine
    so genannte Koch/Steinbrück-Liste zum Thema
    Subventionsabbau diskutiert.


    (Waltraud Lehn [SPD]: Bestenfalls sind das jetzt Märchen!)


    In dieser Diskussion sind auch die Mittel für die Ge-
    meinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
    schaftsstruktur“ behandelt worden. Wir haben verabre-
    det, dass diese Mittel einmalig gekürzt werden und dass
    sie dann auf dem alten Plafond fortgesetzt werden. Ab-
    weichend von dieser Vereinbarung kürzen Sie jetzt diese
    Mittel auch und besonders wirksam für den Osten, auch
    in den nächsten Jahren, also den Jahren 2005, 2006 und
    2007.


    (Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch nicht wahr!)


    Insgesamt kürzen Sie die Mittel entgegen unserer Verab-
    redung um rund 300 Millionen Euro, davon 260 Millio-
    nen Euro im Osten.


    (Peter Dreßen [SPD]: Wo haben Sie das her?)

    Gleichzeitig erhöhen Sie entgegen unserer Verabredung
    die Subventionen für die Steinkohle. Damit kein Miss-
    verständnis entsteht: Ich bin davon überzeugt, dass die
    Steinkohle in Deutschland Zukunft haben muss, jedoch
    auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als gegenwär-
    tig.


    (Peter Dreßen [SPD]: Hört! Hört!)

    – Das habe ich immer so gesagt, dazu werden Sie keine
    andere Äußerung von mir finden. – Sie haben aber nach
    einer Zusage des Bundeskanzlers beim Deutschen Stein-
    kohletag die Subventionen für die deutsche Steinkohle
    im selben Zeitraum, in dem die GA-Mittel gekürzt wer-
    den, noch einmal um 800 Millionen Euro erhöht. Das
    passt nicht zusammen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    An dieser Stelle ist die Kritik von Herrn Milbradt völlig
    gerechtfertigt. Sie können nicht die Basis für Investitio-
    nen im Osten entziehen und gleichzeitig Subventionen
    im Westen erhöhen, weil es dort vielleicht einer gewis-
    sen Klientel gefällt und nicht zuletzt weil es Ihnen im
    Hinblick auf Wahlergebnisse des nächsten Jahres so in
    den Kram passt.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer hat denn die Basis entzogen? Das stimmt doch gar nicht!)

    Das ist eine Politik, die voller Widersprüche ist. Deswe-
    gen, Herr Clement, kann ich Ihnen die Kritik nicht erspa-
    ren: Hier machen Sie einen schweren Fehler, der ver-
    meidbar gewesen wäre.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie haben die Energiepolitik angesprochen. Ich will
    auch dazu eine Anmerkung machen. Uns liegt der Ent-
    wurf eines neuen Energiewirtschaftsgesetzes vor, der in
    den nächsten Wochen und Monaten beraten wird. Der
    Versuch der letzten Tage, Energiepreiserhöhungen
    durchzusetzen, hat in der Tat den Beigeschmack, als ob
    monopolähnliche Strukturen versuchen, Preise durchzu-
    setzen. Darüber, wie man dies in den Griff bekommt,
    müssen wir reden. Wenn Sie hier allerdings das lobens-
    werte Beispiel Post und Telekommunikation anführen
    und sich gleichzeitig gegen die Ex-ante-Regulierung
    wehren, dann ist das ein Widerspruch. Über die Auflö-
    sung dieses Widerspruchs unterhalten wir uns im Herbst.

    Nur, meine Damen und Herren, ein wesentlicher Teil
    der Energiepreiserhöhungen in Deutschland hat mit den
    Monopolstrukturen nichts zu tun; vielmehr sind sie die
    Folge politisch gewollter Steuer- und Abgabeerhöhun-
    gen, die diese Bundesregierung in den letzten sechs Jah-
    ren massiv zulasten der privaten Haushalte und der Be-
    triebe in Deutschland durchgesetzt hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die letzte Strompreiserhöhung hat wenig mit Monopol
    und sehr viel mit dem novellierten Energieeinspeisege-
    setz zu tun. Insgesamt hat diese Bundesregierung in den
    letzten sechs Jahren die Belastung der Strompreiskunden
    durch Steuern und Abgaben mehr als verfünffacht. Sie
    haben innerhalb von sechs Jahren die Belastung des
    Stromes mit Steuern und Abgaben von 2,5 Milliarden
    Euro auf über 12 Milliarden Euro gesteigert. Das ist ein
    wesentlicher Grund dafür, dass Deutschland im interna-
    tionalen Vergleich zu hohe Energiepreise und insbeson-
    dere zu hohe Strompreise hat.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Damit sind wir bei der Steuer- und Abgabenpolitik.

    Das Ressort des Bundeswirtschaftsministers umfasst
    auch – wie ich meine: richtigerweise – die Arbeitsmarkt-
    politik. Aber er hat natürlich eine weit darüber hinausge-
    hende Verantwortung für die Wirtschaftspolitik insge-
    samt. Zu einer guten Wirtschaftspolitik eines Landes
    gehört natürlich ein Steuersystem, das angenommen
    wird und das als Standortfaktor positive Wirkungen ent-
    faltet. Ich hätte mir deswegen gewünscht, dass Sie, Herr
    Clement, wenigstens einen Satz zur steuerpolitischen
    Debatte in Deutschland gesagt hätten. Uns liegt seit eini-
    gen Wochen eine Untersuchung von der Harvard-Uni-
    versität und dem Weltwirtschaftsforum über die Effizi-
    enz und die Transparenz der Steuersysteme auf dieser
    Welt vor. 102 Staaten sind untersucht sowie über
    5 000 Unternehmen und Fachleute befragt worden. Das
    ist wahrscheinlich die breitest angelegte Untersuchung,
    die es jemals über Effizienz und Transparenz der Steuer-
    systeme auf dieser Welt gegeben hat. Auf Platz eins der
    erstellten Bestenliste liegt Hongkong, dicht gefolgt von






    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    Estland, einem neuen Mitgliedstaat der Europäischen
    Union, auf Platz vier. Dann folgen viele andere Staaten.
    Herr Bundeswirtschaftsminister, ich bin nicht sicher, ob
    Sie wissen, auf welchem Platz Deutschland liegt. In die-
    ser Untersuchung liegt Deutschland auf Platz 102, also
    auf dem letzten Platz.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Brigitte Schulte [Hameln] [SPD])


    – Vielen Dank für den Zuruf. Vielleicht geben Sie ihn
    noch einmal zu Protokoll.

    Ich möchte Ihnen ein paar der Länder nennen, die vor
    uns liegen: Trinidad und Tobago, Ghana, Sambia, Ma-
    lawi, Haiti, Angola, Nicaragua, Bangladesch. All diese
    Länder liegen vor uns, natürlich nicht was die Höhe der
    Steuersätze betrifft!


    (Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Gehen Sie doch dahin! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Albernheit! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ein merkwürdiges Verständnis!)


    – Sie können froh sein, dass die meisten Ihrer Zurufe
    nicht so verständlich sind, dass sie die Fernsehzuschauer
    mitbekommen oder dass sie Eingang in das Protokoll
    finden. Seien Sie froh, dass die meisten Ihrer Zurufe
    nicht protokolliert werden! Sie sind an Dummheit und
    Dämlichkeit nicht mehr zu überbieten.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Herr Präsident, das ist doch kein Umgang! Herr Präsident, berührt es Sie eigentlich nicht, wenn wir unsere Zwischenrufe so kommentiert kriegen? Unglaublich!)


    Ich führe dieses Thema deswegen in die Debatte ein,
    weil wir es uns nicht leisten können, auf Dauer ein so
    komplexes, kompliziertes und intransparentes Steuersys-
    tem in Deutschland beizubehalten. Herr Clement, Sie ha-
    ben von Bürokratieabbau gesprochen. Ich nenne Ihnen
    zwei große Bereiche, in denen Bürokratieabbau wirklich
    notwendig ist. Der eine ist die Arbeitsmarktpolitik. Dort
    machen Sie das glatte Gegenteil von Bürokratieabbau.
    Sie bauen dort zusätzlich eine riesengroße Bürokratie
    auf. Der andere ist die Steuerpolitik. Die Steuerverwal-
    tung in Deutschland weiß selbst nicht mehr, wie die
    Steuergesetze der rot-grünen Bundesregierung vollzogen
    werden sollen. Deswegen ist Deutschland auf dem letz-
    ten Platz der erwähnten Liste. Wenn Sie darüber lachen,
    empfehle ich Ihnen, einen mittelständischen Betrieb zu
    besuchen und den Betriebsinhaber und die Betriebsräte
    zu fragen – diese werden Ihnen sicherlich ein paar Takte
    dazu sagen können –, wie die Betriebe in Deutschland
    mittlerweile das Steuerrecht anwenden. Es ist eigentlich
    die Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers, darauf auf-
    merksam zu machen, dass wir aus dem bestehenden
    Steuerchaos herausmüssen und dass wir ein wirklich ra-
    dikal vereinfachtes Steuerrecht in Deutschland brauchen.
    Wir haben dazu Vorschläge gemacht.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben vor Jahr und Tag den Masterplan „Bürokra-
    tieabbau“ mit großem propagandistischem Aufwand und
    großen Ankündigungen, jetzt endlich werde mit Büro-
    kratieabbau in Deutschland ernst gemacht, auf den Weg
    gebracht. Herr Clement, die Weltbank hat gestern eine
    Studie über Bürokratieabbau auf dieser Welt veröffent-
    licht. Sie kann man heute in vielen Zeitungen nachlesen.
    Danach sind 89 große Reformen zum Bürokratieabbau
    auf der Welt identifiziert worden, davon 36 in den Staa-
    ten der Europäischen Union. Aber keine einzige ist in
    Deutschland identifiziert worden. Wörtliches Zitat:

    Im Jahre 2003 ist in Deutschland zum Thema Büro-
    kratieabbau nichts geschehen.

    Das ist die traurige Bilanz Ihrer großen Ankündigungen.
    Mit vielen Ankündigungen und wenigen Taten, insbe-
    sondere beim Bürokratieabbau, geht die Reise in eine
    andere Richtung.

    Abschließend zu der von Ihnen angesprochenen Re-
    form der sozialen Sicherungssysteme: Wir alle streiten
    hierüber. Es geht um äußerst schwierige Sachverhalte,
    die jeden Bürger in Deutschland in seinem Kernbereich
    berühren. Deswegen möchte ich jenseits aller Details,
    über die wir uns noch im kommenden Herbst zu streiten
    haben, eine allgemeine Bemerkung machen. Die ent-
    scheidende Frage ist, ob es uns gelingt, die deutsche Be-
    völkerung zu einem Wandel der Mentalität zu veranlas-
    sen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So wie Sie reden, schaffen wir das nicht!)


    Wir brauchen in Zukunft eine fundamentale Neuabgren-
    zung zwischen Eigenverantwortung und Solidarität.

    Ein Ereignis der letzten Tage ist symptomatisch für
    Deutschland. Der eine oder andere von Ihnen wird
    gleich schreien und es als an den Haaren herbeigezogen
    bezeichnen.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Schön, dass Sie das selbst so sagen!)


    In der Nacht von Donnerstag auf Freitag – Herr Schmidt,
    vielleicht haben Sie noch gar nicht registriert, dass das
    passiert ist – ist die Anna-Amalia-Bibliothek in Wei-
    mar abgebrannt, weswegen große Teile ihres Bestandes
    vernichtet worden sind.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Gut, dass Sie uns das endlich sagen!)


    Wie reagiert Deutschland auf einen solchen Sachver-
    halt? Die Staatsministerin im Bundeskanzleramt stellt
    innerhalb weniger Stunden, also fast sofort, einen Betrag
    von 4 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist gut ge-
    meint. Aber sind wir uns eigentlich darüber im Klaren,
    was das für Wirkungen hat? Große Teile der Bevölke-
    rung haben doch das Gefühl: Also, wenn die das Geld
    dahaben, dann ist das damit erledigt.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch unglaublich! Wir sind Mitbetreiber dieser Bibliothek! Sie haben keine Ahnung! Das ist doch nicht zu fassen! Das ist wirklich unanständig, was Sie gerade machen!)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Friedrich Merz

    In vielen anderen Ländern hätte der Staat gesagt: Jetzt

    etwas zu tun ist in erster Linie gar nicht unsere Aufgabe.
    Dort hätten die Repräsentanten des Staates – der Bun-
    deskanzler, der Staatsminister für Kultur und andere –
    gesagt: Das ist jetzt die Stunde des großen bürgerschaft-
    lichen Engagements für ein Weltkulturerbe, für das sich
    alle Menschen in Deutschland interessieren und begeis-
    tern lassen müssen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Was dort geschehen ist, ist ein typisches Beispiel dafür,
    wie in Deutschland politisch gedacht und gehandelt
    wird: Der Staat tritt sofort in Vorlage, statt zu sagen:
    Dies ist jetzt die Stunde der Bürger und des ehrenamtli-
    chen Engagements.

    Wir können uns das ganze Gerede über Bürgergesell-
    schaft, über Engagement und über Eigenverantwortung
    sparen, wenn der Staat schon an einer solchen Stelle so-
    fort wieder in Vorlage tritt und den Bürgern sozusagen
    das Signal gibt: Wir sind für alles zuständig und die Bür-
    gerinnen und Bürger müssen nur weitgehend auf den
    Staat vertrauen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben doch gerade staatliches Handeln in extenso gefordert! Sie widersprechen sich doch selbst! Unglaublich! Nicht zu fassen!)


    Dies ist der entscheidende Punkt, über den wir uns
    politisch auseinander setzen müssen. Wenn wir bürger-
    schaftliches Engagement und Eigenverantwortung wol-
    len, dann müssen wir es fördern und nicht im Keim ersti-
    cken. Wenn Sie die Probleme in unserem Lande lösen
    wollen, dann sind wir auch bereit, mit Ihnen zusammen-
    zuarbeiten. Wir haben unsere Bereitschaft dazu in den
    letzten Monaten doch gezeigt.

    Herr Müntefering, eines ist doch klar: Wenn Sie und
    wir und alle, die hier sitzen, nicht in kürzester Zeit einen
    Silberstreif am Horizont aufzeigen können, der andeutet,
    dass dieses Land aus seiner Krise herauskommt, dann
    werden wir uns über Jahr und Tag nicht mehr nur über
    eine ökonomische Krise, sondern über eine fundamen-
    tale Sinn- und Akzeptanzkrise der gesamten demokrati-
    schen Ordnung unterhalten.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Sie sollten uns mit Ihren Redebeiträgen von dieser
    Stelle aus nicht unterstellen, dass wir sozusagen auf
    Baisse spekulieren, dass wir also versuchen, aus der
    Krise politisches Kapital zu schlagen. Wir sind über den
    Zustand dieses Landes tief besorgt.


    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    – Ihr Gefeixe spricht Bände über die Ernsthaftigkeit, mit
    der Sie sich über diese Themen zu unterhalten bereit
    sind.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn man in Ihre Gesichter schaut, dann erkennt man:
    Ihr Gefeixe spricht Bände.

    Wir sind über den Zustand dieses Landes tief besorgt.
    Sie tragen als Regierungsfraktionen hier die Verantwor-
    tung. Wir bieten Ihnen an, dabei mitzuhelfen, dass dieses
    Land aus der Krise herausfindet.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Bei fall bei Abgeordneten der FDP)