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    Plenarprotokoll 15/56 Abgabe einer Erklärung durch den Bun- deskanzler: Deutschland bewegt sich – mehr Dynamik für Wachstum und Be- schäftigung in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 7: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit (Drucksache 15/1309) . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Dr. Hermann Otto Solms, der FDP: Steuersenkung vorziehen (Drucksache 15/1221) . . . . . . . . . . . . . Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . Krista Sager BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . Krista Sager BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Hubertus Heil SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4583 A 4583 A 4583 B 4583 C 4587 D 4592 D 4596 D 4600 A 4603 B 4603 C 4603 D 4608 A Deutscher B Stenografisc 56. Sit Berlin, Donnerstag I n h a Begrüßung des Marschall des Sejm der Repu- blik Polen, Herrn Marek Borowski . . . . . . . Begrüßung des Mitgliedes der Europäischen Kommission, Herrn Günter Verheugen . . . Begrüßung des neuen Abgeordneten Michael Kauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benennung des Abgeordneten Rainder Steenblock als stellvertretendes Mitglied im Programmbeirat für die Sonderpostwert- zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 1: 4621 C 4621 D 4581 A 4581 B 4582 D 4581 B Dr. Andreas Pinkwart, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur vereinfachten Nachversteue- undestag her Bericht zung , den 3. Juli 2003 l t : rung als Brücke in die Steuerehr- lichkeit (Drucksache 15/470) . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Friedrich Merz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Steuern: Niedriger – Einfa- cher – Gerechter (Drucksache 15/1231) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, weiterer Abgeordneter und der Fraktion 4583 A 4583 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . Anja Hajduk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4610 D 4611 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . Gabriele Frechen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: Zweite Beratung und Schlussabstimmung über den von der Bundesregierung einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zy- pern, der Republik Lettland, der Repu- blik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowa- kischen Republik zur Europäischen Union (Drucksachen 15/1100, 15/1200, 15/1300, 15/1301) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . . Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietmar Nietan SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Stübgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Erika Steinbach zur namentlichen Abstim- mung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Zulas- sungs- und Prüfungsverfahrens des 4612 D 4615 B 4617 C 4619 A 4621 B 4622 A 4623 D 4626 C 4629 B 4629 D 4630 B 4631 A 4631 D 4633 A 4634 C 4636 C 4637 A 4637 B 4638 A 4639 B 4640 C 4642 A 4642 A Wirtschaftsprüfungsexamens (Wirt- schaftsprüfungsexamens-Reform- gesetz – WPRefG) (Drucksache 15/1241) . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnatur- schutzgesetzes (Drucksache 15/776) . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Rainer Funke, Joachim Günther (Plauen), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Bereinigung von SED-Unrecht (Drittes SED-Unrechtsbereinigungs- gesetz – 3. SED-UnBerG) (Drucksache 15/1235) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und ande- rer Verbrauchsteuergesetze (Drucksache 15/1313) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Brunhilde Irber, Annette Faße, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Reisen ohne Handicap – Für ein barrierefreies Reisen und Na- turerleben in unserem Land (Drucksache 15/1306) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Reinhold Hemker, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Unterstützung von Landrefor- men zur Bekämpfung der Armut und der Hungerkrise im südlichen Afrika (Drucksache 15/1307) . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Sören Bartol, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck (Köln), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜND- 4644 B 4644 B 4644 D 4644 D 4644 D 4645 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 III NISSES 90/DIE GRÜNEN: Verbesse- rung der Welternährungssituation und Verwirklichung des Rechts auf Nahrung (Drucksache 15/1316) . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Ulrike Mehl, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Naturschutz geht alle an – Akzeptanz und Integration des Naturschutzes in andere Politikfel- der weiter stärken (Drucksache 15/1318) . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Hubert Hüppe, Christa Nickels und weiterer Abgeordneter: Forschungsförderung der Europäischen Union unter Re- spektierung ethischer und verfas- sungsmäßiger Prinzipien der Mit- gliedstaaten (Drucksache 15/1310) . . . . . . . . . . . . . g) Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper und weiterer Abgeordneter: Kein Ausstieg aus der gemeinsamen Verantwortung für die europäische Stammzellforschung (Drucksache 15/1346) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Europa- wahlgesetzes und eines Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Europa- abgeordnetengesetzes (Drucksachen 15/1205, 15/1340) . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zollverwaltungsgeset- zes und anderer Gesetze (Drucksachen 15/1060, 15/1342) . . . . d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Be- weisaufnahme in Zivil- oder Han- delssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungs- gesetz (Drucksachen 15/1062, 15/1283) . . . . 4645 B 4645 B 4645 C 4645 C 4645 D 4646 A 4646 C f) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Ge- setzes zu dem Vertrag vom 27. Juni 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik In- dien über die Auslieferung (Drucksachen 15/1073, 15/1285) . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Vor- schlag für eine Richtlinie des Euro- päischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 72/ 166/EWG, 845/5/EWG und 90/232/ EWG des Rates sowie der Richtlinie 2000/26/EG über die Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung (Drucksachen 15/103 Nr. 2.34, 15/985) h) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Ent- schließung des Europäischen Parla- ments zu der Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Clearing und Abrechnung in der Europäi- schen Union. Die wichtigsten politi- schen Fragen und künftigen Heraus- forderungen“ (Drucksachen 15/611 Nr. 1.7, 15/1169) i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Drei- zehnte Verordnung zur Durchfüh- rung des Bundes-Immissionsschutz- gesetzes (Verordnung über Großfeue- rungs- und Gasturbinenanlagen – 13. BImSchV) (Drucksachen 15/1074, 15/1154 Nr. 1, 15/1281) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Beschlussempfehung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Verord- nung zur Umsetzung EG-rechtlicher Vorschriften, zur Novellierung der Zweiundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions- schutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft – 22. BImSchV) und zur Aufhebung der Dreiundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Festlegung von Konzentrationswerten – 23. BImSchV) (Drucksachen 15/1178, 15/1272 Nr. 2.2, 15/1351) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4646 D 4647 A 4647 A 4647 B 4647 C IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 k)–o) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 45, 46, 47, 48 und 49 zu Petitionen (Drucksachen 15/1242, 15/243, 15/244, 15/245, 15/246) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: a)–e) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 50, 51, 52, 53 und 54 zu Petitionen (Drucksachen 15/1335, 15/1336, 15/1337, 15/1338, 15/1339) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informations- gesellschaft (Drucksachen 15/38, 15/837, 15/1066, 15/1353). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 9: Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Gesetz zur Förde- rung von Kleinunternehmen, zur Ein- dämmung der Schattenwirtschaft und zur Verbesserung der Untermehmens- finanzierung (Drucksachen 15/537, 15/900, 15/1042, 15/1197, 15/1354) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung des Vermittlungs- ausschusses zu dem Gesetz zur Bekämp- fung des Missbrauchs von 0190er-/ 0900er-Mehrwertdiensterufnummern (Drucksachen 15/907, 15/1068, 15/1126, 15/1198, 15/1355) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Abwicklung der Bundesanstalt für vereinigungs- bedingte Sonderaufgaben (BvSAb- wicklungsgesetz – BvSAbwG) (Drucksachen 15/1181, 15/1352) . . . . e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- 4647 D 4648 B 4648 D 4648 D 4649 A 4649 B wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Tätigkeit euro- päischer Rechtsanwälte in Deutsch- land und weiterer berufsrechtlicher Vorschriften für Rechts- und Patent- anwälte, Steuerberater und Wirt- schaftsprüfer (Drucksachen 15/1072, 15/1284) . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Ernährungs- und agrarpoli- tischer Bericht 2003 der Bundes- regierung (Drucksache 15/405) . . . . . . . . . . . . . . b) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Birgit Homburger, wei- teren Abgeordneten und der Frak- tion der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes zur Mo- dulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Änderung des GAK-Gesetzes (Drucksachen 15/754, 15/1158) – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Aufhe- bung des Modulationsgesetzes und zur Änderung des GAK- Gesetzes (Drucksachen 15/948, 15/1158) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Matthias Weisheit, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Volker Beck (Köln), wei- terer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: EU-Agrarreform mu- tig angehen und ausgewogen ge- stalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter H. Carstensen (Nordstrand), Gerda Hasselfeldt, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik die Landwirtschaft und die ländli- chen Räume in der EU stärken – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weite- 4649 D 4650 A 4650 B 4650 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 V rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Marktwirtschaftliches Modell einer flächengebundenen Kulturlandschaftsprämie verwirk- lichen (Drucksachen 15/462, 15/422, 15/435, 15/1025) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Dr. Sascha Raabe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine nachhaltige Agrarpolitik und einen gerechten Interessen- ausgleich bei den laufenden WTO-Verhandlungen – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter H. Carstensen (Nordstrand), Albert Deß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: WTO-Verhandlungen – Europäi- sches Landwirtschaftsmodell ab- sichern (Drucksachen 15/550, 15/534, 15/1133) e) Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Agrarpolitische Herausforderungen der WTO und EU-Osterweiterung mit der Kulturlandschaftsprämie meistern (Drucksache 15/1232) . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Hans- Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Imp- fen statt Töten – Grundlage für den Einsatz von Markerimpfstoffen schaffen (Drucksache 15/1004) . . . . . . . . . . . . . Renate Künast, Bundesministerin BMVEL Peter Bleser CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhold Hemker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Miller, Staatsminister (Bayern) . . . . . . . Dr. Wilhelm Priesmeier SPD . . . . . . . . . . . . . 4650 C 4650 D 4651 A 4651 B 4651 B 4653 C 4655 D 4657 C 4658 D 4659 D 4661 A 4662 D Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Abgeordneten Maria Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, wei- teren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Drit- tes SGB VIII-Änderungsgesetz – 3. SGB VIII-ÄndG) (Drucksache 15/1114) . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Dümpe-Krüger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Christel Humme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vor- schriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestim- mung und zur Änderung anderer Vorschriften (Drucksachen 15/350, 15/1311) – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, wei- teren Abgeordneten und der Frak- tion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver- besserung des Schutzes der Be- völkerung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten (Drucksachen 15/29, 15/1311) . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Sozialtherapeutische Maßnah- men für Sexualstraftäter auf den Prüfstand stellen (Drucksachen 15/31, 15/1311) . . . . . . 4665 A 4667 A 4668 A 4670 A 4670 B 4672 A 4673 D 4674 D 4675 D 4677 C 4679 B 4679 B 4679 C VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 c) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erweiterung des Einsatzes der DNA-Analyse bei Straftaten mit sexuellem Hintergrund (Drucksache 15/410) . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugs- gesetzes (Drucksache 15/778) . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor schweren Wiederho- lungstaten durch nachträgliche An- ordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Drucksache 15/899) . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Gradistanac SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christean Wagner, Staatsminister (Hessen) Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daniela Raab CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Bad Dürrheim) CDU/CSU Tagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Günter Nooke, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Umsetzung des Bundestags- beschlusses zur Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses (Drucksache 15/1094) . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vera Lengsfeld CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 4649 D 4649 D 4649 D 4680 A 4681 D 4684 A 4685 A 4685 D 4687 B 4688 B 4689 C 4691 B 4692 C 4694 B 4694 C 4695 B 4696 B 4697 A 4698 A 4698 D 4699 D 4700 B 4701 C 4702 B Tagesordnungspunkt 11: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Doris Barnett, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Michaele Hustedt, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Sicherung eines fairen und nachhaltigen Handels durch eine umfassende entwicklungsorientierte Welthandelsrunde (Drucksache 15/1317) . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Erich G. Fritz, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Für ein höheres Libera- lisierungsniveau beim Welthandel mit Dienstleistungen – GATS-Ver- handlungen zügig voranbringen (Drucksache 15/1008) . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Qualitätssicherung im Bil- dungswesen und kulturelle Vielfalt bei GATS-Verhandlungen garan- tieren (Drucksache 15/1095) . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: In- ternationale Rechtssicherheit und transparente Regeln für den Dienst- leistungshandel – GATS-Verhand- lungen voranbringen (Drucksache 15/1010) . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Erich G. Fritz, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: WTO-Doha-Runde zum Erfolg führen – Voraussetzungen schaffen für eine er- folgreiche WTO-Ministerkonferenz in Cancun/Mexico (Drucksache 15/1323) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mehr Wohl- stand für alle durch mutige Marktöff- nung (Drucksache 15/1333) . . . . . . . . . . . . . . . 4702 D 4702 D 4703 A 4703A 4703 B 4703 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 VII Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk SPD . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Rachel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (Drucksache 15/1308) . . . . . . . . . . . . . . . . Eckhardt Barthel (Berlin) SPD . . . . . . . . . . . Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Ursula Sowa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Helga Daub FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Sehling CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Siegmund Ehrmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Kranz, Wolfgang Spanier, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Stadtumbau Ost auf dem richtigen Weg – zu dem Antrag der Abgeordneten Henry Nitzsche, Dirk Fischer (Ham- burg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Stadtent- wicklung Ost – Mehr Effizienz und Flexibilität, weniger Regulierung und Bürokratie – zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: 4703 C 4705 A 4706 B 4707 A 4708 B 4709 C 4711 B 4713 A 4714 A 4715 B 4715 C 4717 A 4718 A 4719 A 4720 A 4721 B 4722 C Stadtumbau Ost – ein wichtiger Bei- trag zum Aufbau Ost (Drucksachen 15/1091, 15/352, 15/750, 15/1331) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Kranz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Henry Nitzsche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) FDP . . . . . . . . . . Iris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMVBW Marco Wanderwitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bür- gerlichen Gesetzbuches (Gesetz zur Be- seitigung der Rechtsunsicherheit beim Unternehmenskauf) (Drucksache 15/1096) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen zu dem Antrag der Abgeord- neten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der CDU/CSU: Vorrang für die Ostseesicherheit (Drucksachen 15/465, 15/1194) . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungs- kontrolle, Abrüstung und Nichtverbrei- tung sowie über die Entwicklung der Streikräftepotenziale (Jahresabrüstungs- bericht 2002) (Drucksache 15/1104) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmo- nisierung der Rechts- und Vewaltungs- vorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (Drucksachen 15/457 Nr. 2.2, 15/1288) 4724 A 4724 B 4725 C 4726 D 4727 D 4728 C 4729 D 4730 D 4731 A 4731 B 4731 C VIII Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Für eine Verbesse- rung der privaten Vermittlung im Aupair- Bereich zur wirksamen Verhinderung von Ausbeutung und Missbrauch (Drucksache 15/1315) . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Neuabdruck der Antwort der Parl. Staats- sekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) (55. Sitzung Drucksache 15/1264, Fragen 34 und 35): . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Haltung wird die Bundesregierung auf der UN-Konferenz in Paris zur weiteren Fi- nanzierung des GFATM einnehmen? Ist die Bundesregierung prinzipiell bereit, zusätzliche Mittel zu den bereits zugesagten 200 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren für den GFATM bereitzustellen? Anlage 3 Neuabdruck der Antwort der Parl. Staats- sekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen der Abgeordneten Conny Mayer (Baiersbronn) (CDU/CSU) (55. Sitzung Drucksache 15/1264, Fragen 38 und 39): . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trifft es zu, dass die Bundesregierung die europäische Zusage, den GAFTM bis Ende 2004 mit 1 Milliarde Euro zu unterstützen, hat schei- tern lassen, und wenn ja, wie begründet die Bun- desregierung ihre Haltung? Inwieweit stand die Bundesregierung seit der Gründung des GAFTM hinter dessen Zielen, und ist die Bundesregierung entschlossen, an diesen Zielen in Zukunft festzuhalten? Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/CSU) zur Ab- stimmung über den Entschließungsantrag der CDU/CSU zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowe- nien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3) 4731 D 4732 C 4733 A 4733 B 4733 C 4733 D Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Li- tauen, der Republik Ungarn, der Repu- blik Malta, der Republik Polen, der Re- publik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tages- ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Repu- blik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Repu- blik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tages- ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Matthias Sehling und Beatrix Philipp (beide CDU/CSU) zur Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tsche- chischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lett- land, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Axel E. Fischer (Karlsruhe), Ingo Wellenreuther und Veronika Bellmann (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tsche- chischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Un- garn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der 4734 A 4734 C 4735 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 IX Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) zur Ab- stimmung über den Entschließungsantrag der CDU/CSU zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zy- pern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Repu- blik Malta, der Republik Polen, der Repu- blik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tages- ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Repu- blik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Repu- blik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tages- ordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Li- tauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesordnungs- punkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung des Bürgerlichen Gesetzbuches (Gesetz zur Beseitigung der Rechtsun- sicherheit beim Unternehmensverkauf) (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . . . . 4735 C 4736 A 4736 B 4736 C 4737 C Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Antrag: Vorrang für die Ostsee- sicherheit (Tagesordnungspunkt 14) . . . . . . . Dr. Christine Lucyga SPD . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . Angelika Mertens SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über die Unterrichtung: Bericht der Bun- desregierung zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwick- lung der Streitkräftepotenziale (Jahres- abrüstungsbericht 2002) (Tagesordnungs- punkt 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Leibrecht FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über die Beschlussempfehlung und den Be- richt: Vorschlag für eine Richtlinie des Euro- päischen Parlamemts und des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwal- tungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (Tagesordnungs- punkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer CDU/CSU . . . . . . . Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4737 C 4738 B 4739 B 4740 B 4741 B 4741 D 4742 C 4742 C 4743 B 4744 D 4745 D 4746 D 4747 C 4749 B 4749 B 4751 A 4752 C 4753 A 4754 A 4754 A 4755 D X Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 Sibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Antrag: Für eine Verbesserung der privaten Vermittlung im Aupair- bereich zur wirksamen Verhinderung von Ausbeutung und Missbrauch (Tagesord- nungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Krüger-Leißner SPD . . . . . . . . . . . Rita Pawelski CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Dümpe-Krüger BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4757 B 4757 C 4758 C 4758 C 4760 C 4762 A 4762 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4581 (A) (C) (B) (D) 56. Sit Berlin, Donnerstag Beginn: 9
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4733 (A) (C) (B) (D) beit des GFATM für einen wichtigen Baustein im Ge- samtgefüge ihrer Maßnahmen zur Bekämpfung von ßungsantrag der CDU/CSU zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 16. Juli 2003 in Paris deutlich machen, dass sie die Ar- CSU) zur Abstimmung über den Entschlie- Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung der NATO Anlage 2 Neuabdruck der Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) (55. Sit- zung, Drucksache 15/1264, Fragen 34 und 35): Welche Haltung wird die Bundesregierung auf der UN- Konferenz in Paris zur weiteren Finanzierung des GFATM einnehmen? Ist die Bundesregierung prinzipiell bereit, zusätzliche Mit- tel zu den bereits zugesagten 200 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren für den GFATM bereitzustellen? Zu Frage 34: Die Bundesregierung wird auf der Konferenz am Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Borchert, Jochen CDU/CSU 03.07.2003 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 03.07.2003 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl A. CDU/CSU 03.07.2003 * Lamp, Helmut CDU/CSU 03.07.2003 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 03.07.2003 Otto (Godern), Eberhard FDP 03.07.2003 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 03.07.2003 Raidel, Hans CDU/CSU 03.07.2003* Schindler, Norbert CDU/CSU 03.07.2003 Schmidt (Ingolstadt), Albert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 03.07.2003 Schösser, Fritz SPD 03.07.2003 Seib, Marion CDU/CSU 03.07.2003 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 03.07.2003 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 03.07.2003 Anlagen zum Stenografischen Bericht HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria hält und dass sie den Fonds daher auch weiterhin im Rahmen der finan- ziellen Möglichkeiten unterstützen wird. Zu Frage 35: Es wird auf die Antwort zu Frage 28 verwiesen. Anlage 3 Neuabdruck der Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen der Abgeordneten Conny Mayer (Baiersbronn) (CDU/ CSU) (55. Sitzung, Drucksache 15/1264, Fragen 38 und 39): Trifft es zu, dass die Bundesregierung die europäische Zu- sage, den GFATM bis Ende 2004 mit einer Milliarde Euro zu unterstützen, hat scheitern lassen, und wenn ja, wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung? Inwieweit stand die Bundesregierung seit der Gründung des GFATM hinter dessen Zielen, und ist die Bundesregierung entschlossen, an diesen Zielen in Zukunft festzuhalten? Zu Frage 38: Es wird auf die Antwort zu Frage 28 verwiesen. Zu Frage 39: Die Bundesregierung hat die vom GFATM verfolgten Ziele zur Bekämpfung der drei Krankheiten HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria von Anfang an unterstützt. Sie sieht in dem Fonds jedoch nur ein Instrument, um diese Ziele zu erreichen. Wesentliche Beiträge zur Unterstüt- zung der Entwicklung bei der Bewältigung der dramati- schen Ausbreitung übertragbarer Krankheiten und zur Stärkung nationaler Gesundheitssysteme in Partnerlän- dern leistet die Bundesregierung über ihre bilaterale finanzielle und technische Zusammenarbeit, durch Un- terstützung von Initiativen der Privatwirtschaft und nichtstaatlicher Organisationen. Die Bundesrepublik Deutschland ist das Land, das seit 1999 über seine bila- terale und multilaterale Entwicklungszusammenarbeit einen besonderen Schwerpunkt auf die Bekämpfung von HIV/Aids setzt. So konnte mit sechzehn Partnerländern der Bereich HIV/Aids als besonderer Schwerpunkt der Kooperation vereinbart werden. Darüber hinaus finan- ziert sie in großem Umfang Programme internationaler Organisationen wie WHO, Weltbank und anderer Regio- naler Entwicklungsbanken sowie die in jüngster Zeit stark ausgeweiteten EU-Aktivitäten auf diesem Gebiet. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/ 4734 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3) Ich erkläre, dass ich dem Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion, Drucksache 15/1359, zur Schluss- abstimmung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung – Drucksache 15/1100, 15/1200,15/1300 – völlig zu- stimme. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Egon Jüttner (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Repu- blik Estland, der Republik Zypern, der Repu- blik Lettland, der Republik Litauen, der Repu- blik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowa- kischen Republik zur Europäischen Union (Ta- gesordnungspunkt 3) Ich begrüße die Erweiterung der Europäischen Union und sehe darin vor allem einen bedeutenden Schritt zur Verständigung und Aussöhnung mit Deutschlands östli- chen Nachbarstaaten sowie zur langfristigen Stabilisie- rung des Friedens in Europa. Ich bedauere deshalb das im Deutschen Bundestag angewandte Abstimmungsverfahren, das mir nur die Möglichkeit lässt, ein Gesamtvotum über alle Länder ab- zugeben, anstatt über jedes Land einzeln abstimmen zu können. Da ich einerseits nicht gegen die Aufnahme je- ner Länder stimmen möchte, deren Beitritt ich befür- worte, es andererseits aber nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann, der Aufnahme der Tschechischen Re- publik zuzustimmen, stimme ich mit Enthaltung. Die tschechische Regierung hat es versäumt, noch vor dem Beschluss über ihre Aufnahme in die Europäische Union die diskriminierenden, völkerrechts- und men- schenrechtswidrigen Benes-Dekrete aufzuheben. Die Regierung der Tschechischen Republik ist nach wie vor nicht bereit, die kollektive Entrechtung, die entschädi- gungslose Enteignung und die Vertreibung von dreiein- halb Millionen Sudetendeutschen klar und unmissver- ständlich als völkerrechtswidrig anzuerkennen, den Sudetendeutschen, deren Vorfahren jahrhundertelang in Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien ansässig waren, das Recht auf Heimat zuzugestehen, das Amnestiegesetz vom 8. Mai 1946 mit seiner Ex-tunc-Straffreistellung für an Deutschen begangene Verbrechen aufzuheben, sich unzweideutig von denjenigen Benes-Dekreten zu distan- zieren, die zu den völkerrechtswidrigen Enteignungen Sudetendeutscher geführt haben. Die Benes-Dekrete sind mit der Rechts- und Wertege- meinschaft der Europäischen Union nicht vereinbar. Umso unverständlicher ist es, dass weder die Europäi- sche Kommission noch die deutsche Bundesregierung ernsthafte Anstrengungen unternommen hat, auf der Grundlage der Kopenhagener Kriterien die Tschechische Republik dazu zu bewegen, die Benes-Dekrete vor einer Entscheidung über die Aufnahme des Landes in die Eu- ropäische Union aufzuheben. Die Europäische Kommis- sion hat entgegen ihren eigenen Vorgaben darauf ver- zichtet, in den Verhandlungen mit der Tschechischen Republik auf der uneingeschränkten Erfüllung der von der Europäischen Union selbst gesetzten moralischen und politischen Prinzipien zu bestehen. Mit der Auf- nahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union verstößt die Gemeinschaft eklatant gegen Grund- prinzipien, die sie selbst in der Kopenhagener Erklärung festgelegt hat. Die weiterhin gültigen, Vertreibung und ethnische Säuberung rechtfertigenden Unrechtsdekrete der Tsche- chischen Republik sind mit dem europäischen Rechts- und Menschenrechtsstandard nicht vereinbar. Sie dürfen deshalb in der bestehenden Rechtsordnung eines Mit- gliedstaates keinen Bestand haben. Wenn nämlich künf- tig völkerrechtswidrige Dekrete in der Rechtsordnung eines zur Europäischen Union gehörenden Landes fort- bestehen, dann ist das gesamte Fundament Europas ge- fährdet. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Repu- blik, der Republik Estland, der Republik Zy- pern, der Republik Lettland, der Republik Li- tauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowe- nien und der Slowakischen Republik zur Euro- päischen Union (Tagesordnungspunkt 3) Mit der Osterweiterung der Europäischen Union er- öffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die historische Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit in ganz Europa nachhaltig zu stärken. Die Einigung Europas ist das wertvollste Erbe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun- derts. Die Europäische Union als Rechts- und Wertege- meinschaft bietet dabei die Chance einer dauerhaften Verständigung und Aussöhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarstaaten. Die CDU/CSU- Bundestagsfraktion begrüßt daher die Aufnahme aller zehn Beitrittsstaaten zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004. Dieser Beitritt ist eine zukunftsgerichtete Weiterentwicklung einer jahrhundertealten gemeinsa- men Wertegemeinschaft auf der Grundlage gemeinsa- men Glaubens, gemeinsamer Kultur und gemeinsamer Geschichte. Maßgeblich für einen Erfolg der Europäischen Union als Rechts- und Wertegemeinschaft ist die Einhaltung der vom Europäischen Rat 1993 beschlossenen Kopen- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4735 (A) (C) (B) (D) hagener Kriterien. Darin werden von den Mitgliedstaa- ten unter anderem eine stabile Demokratie, der Schutz von Minderheiten und die Achtung der Menschenrechte gefordert. Die Kopenhagener Kriterien waren richtungs- weisend für den Reformprozess, den die Bewerberländer eingeleitet und vorangebracht haben, um die Bedingun- gen für eine von allen Seiten gewünschte Mitgliedschaft in der EU zu erfüllen. Es bestehen jedoch insbesondere in der Tschechi- schen Republik Dekrete fort, die entgegen dem Völker- recht als Rechtfertigungen für Tötungen, Vertreibungen und Entrechtungen gedient haben. Nicht nur ich meine, dass diese Dekrete und deren po- litische Bestätigungen den Weg verschließen könnten, die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu überwinden, um die Zukunft von Nachbarn zum Wohle ihrer Bürger zu meistern. Und deswegen sage ich: Vertreibungsdekrete, Vertreibungsgesetze sowie so genannte Straffreistel- lungsgesetze sind Unrecht und stehen im Gegensatz zum Völkerrecht. Sie dürfen nirgendwo Bestandteil einer be- stehenden Rechtsordnung sein. Daher sind diese Dekrete abzuschaffen bzw. für nichtig zu erklären. Ich begrüße in diesem Zusammenhang die Erklärun- gen der tschechischen Regierung vom 19. Juni 2003 in Prag und vom 29. Juni 2003 in Göttweig, in denen auf die „unannehmbaren Taten und Ereignisse“ in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hingewiesen und ein Bekenntnis der moralischen Verantwortung ab- gelegt wird, als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Auffor- derung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre 1999, „fortbestehende Gesetze und Dekrete aus den Jah- ren 1945 und 46 aufzuheben, soweit sie sich auf die Ver- treibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei beziehen“, sowie an den deutsch- tschechischen Nachbarschaftsvertrag von 1992 und die deutsch-tschechische Erklärung von 1997, in der sich beide Seiten zu ihrer historischen Verantwortung be- kannt haben. Ich fordere die Bundesregierung auf, insbesondere mit der Tschechischen Republik über die Aufhebung der Vertreibungs- und Entrechtungsdekrete sowie Straffrei- stellungsgesetze zu verhandeln. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Matthias Sehling und Beatrix Philipp (beide CDU/CSU) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Est- land, der Republik Zypern, der Republik Lett- land, der Republik Litauen, der Republik Un- garn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesord- nungspunkt 3) Wir schließen uns der mündlichen Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Erika Steinbach an. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Axel E. Fischer (Karlsruhe- Land), Ingo Wellenreuther und Veronika Bellmann (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Ver- trag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Re- publik zur Europäischen Union (Tagesord- nungspunkt 3) Wir stimmen dem Gesetz zu und erklären hierzu: Mit der Osterweiterung der Europäischen Union er- öffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die historische Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit in ganz Europa nachhaltig zu stärken. Die Einigung Europas ist das wertvollste Erbe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun- derts. Die Europäische Union als Rechts- und Wertege- meinschaft bietet dabei die Chance einer dauerhaften Verständigung und Aussöhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarstaaten. Maßgeblich für einen Erfolg der Europäischen Union als Rechts- und Wertegemeinschaft ist die Einhaltung der vom Europäischen Rat 1993 beschlossenen Kopen- hagener Kriterien. Darin werden von den Mitgliedstaa- ten unter anderem eine stabile Demokratie, der Schutz von Minderheiten und die Achtung der Menschenrechte gefordert. Die Kopenhagener Kriterien waren richtungs- weisend für den Reformprozess, den die Bewerberländer eingeleitet und vorangebracht haben, um die Bedingun- gen für eine von allen Seiten gewünschte Mitgliedschaft in der EU zu erfüllen. Es bestehen jedoch insbesondere in der Tschechi- schen Republik Dekrete fort, die entgegen dem Völker- recht als Rechtfertigungen für Tötungen, Vertreibungen und Entrechtungen gedient haben. Nicht nur wir meinen, dass diese Dekrete und deren politische Bestätigungen den Weg verschließen könnten, die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu überwinden, um die Zukunft von Nachbarn zum Wohle ihrer Bürger zu meistern. Und deswegen sagen wir: Vertreibungsdekrete, Vertreibungsgesetze sowie so genannte Straffreistel- lungsgesetze sind Unrecht und stehen im Gegensatz zum Völkerrecht. Sie dürfen nirgendwo Bestandteil einer be- stehenden Rechtsordnung sein. Daher sind diese Dekrete abzuschaffen bzw. für nichtig zu erklären. Wir begrüßen in diesem Zusammenhang die Erklä- rungen der tschechischen Regierung vom 19. Juni 2003 4736 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) in Prag und vom 29. Juni 2003 in Göttweig, in denen auf die „unannehmbaren Taten und Ereignisse“ in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hingewiesen und ein Bekenntnis der moralischen Verantwortung ab- gelegt wird, als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. In diesem Zusammenhang erinnern wir an die Auffor- derung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre 1999, „fortbestehende Gesetze und Dekrete aus den Jah- ren 1945 und 1946 aufzuheben, soweit sie sich auf die Vertreibung von einzelnen Volksgruppen in der ehemali- gen Tschechoslowakei beziehen“, sowie an den deutsch- tschechischen Nachbarschaftsvertrag von 1992 und die deutsch-tschechische Erklärung von 1997, in der sich beide Seiten zu ihrer historischen Verantwortung be- kannt haben. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Wolfgang Götzer (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entschlie- ßungsantrag der CDU/CSU zu dem Entwurf ei- nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3) Hiermit erkläre ich, dass ich mit dem Entschließungs- antrag der CDU/CSU-Fraktion (Drucksache 15/1359) vollinhaltlich übereinstimme. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Albert Rupprecht (CDU/ CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 3) Mit seiner Zustimmung zu dem Vertrag für die Auf- nahme zehn neuer Mitgliedstaaten zur Europäischen Union gibt der Deutsche Bundestag dem Willen Aus- druck, die Europäische Union zu einem Bund der Frei- heit und des Friedens wieder zu vereinen. Ich stimme dem Antrag aus übergeordneten Gründen zu, wenngleich ich erhebliche Bedenken anmelden möchte: Ich sehe mit großer Sorge, dass viele Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind, die bei dieser Erweiterung zwin- gend erfüllt sein müssten. Die Erweiterung findet statt, bevor die Reformdiskussion in der Europäischen Union einen erfolgreichen Abschluss gefunden hat. Es ist weder absehbar, ob das noch zu verhandelnde institutionelle Gefüge der EU effektiv arbeiten kann, noch ob es von den Staaten überhaupt akzeptiert wird. Eine klare Ab- grenzung der Kompetenzen in der Union ist noch nicht gegeben. Wir wissen momentan nicht, in welchen Berei- chen wir soziale und wirtschaftliche Belange gemein- sam, koordiniert oder einzelstaatlich regeln. Wir stim- men der Erweiterung zu, bevor uns ein schlüssiges und mehrheitsfähiges Konzept Sicherheit darüber gibt, wie mittel- und langfristig die erweiterte Union und ihre Ak- tivitäten finanziert werden. Deutschlands Grenzregionen wurde zur Vorbereitung auf die Erweiterung von Vertre- tern der Regierungspartei SPD ein geschlossenes Grenz- gürtelprogramm versprochen, welches bis heute noch nicht existiert. Nach den Plänen der Bundesregierung wird Deutschland in Zukunft aus den EU-Töpfen keine Zuwendungen mehr für Strukturmaßnahmen erhalten. Den Grenzregionen bleibt gleichzeitig auch kein Hand- lungsspielraum, eigene Unternehmen entsprechend schützen oder fördern zu können. Nach wie vor gibt es auf tschechischer Seite keine Außerkraftsetzung der tschechischen Vertreibungsdekrete. Mit der Erweiterung wird somit der EU als Rechtsgemeinschaft ein zweifel- haftes Erbe übertragen. In der EU und in Deutschland wurden notwendige Maßnahmen im Vorfeld der Erwei- terung nicht getroffen, wenngleich die Maßnahmen auf beiden Ebenen wiederholt als notwendig angesehen wur- den. Insbesondere die Bundesregierung ist in der Ge- samtbetrachtung hier ihrer Fürsorgepflicht gegenüber der deutschen Bevölkerung – insbesondere in den Grenz- regionen zu den Beitrittsstaaten – nicht ausreichend nachgekommen. Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Klaus Brähmig (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 16. April 2003 über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Repu- blik Estland, der Republik Zypern, der Repu- blik Lettland, der Republik Litauen, der Repu- blik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowa- kischen Republik zur Europäischen Union (Ta- gesordnungspunkt 3) Mit der Osterweiterung der Europäischen Union er- öffnet sich nach den bitteren Erfahrungen vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die historische Chance, Frieden, Freiheit und Sicherheit in ganz Europa nachhaltig zu stärken. Die Einigung Europas ist das wertvollste Erbe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Europäische Union als Rechts- und Wertegemeinschaft bietet dabei die Chance einer dauerhaften Verständigung und Aus- söhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarstaaten. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion be- grüßt daher die Aufnahme aller zehn Beitrittsstaaten zur Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4737 (A) (C) (B) (D) Europäischen Union zum 1. Mai 2004. Dieser Beitritt ist eine zukunftsgerichtete Weiterentwicklung einer Jahr- hunderte alten gemeinsamen Wertegemeinschaft auf der Grundlage gemeinsamen Glaubens, gemeinsamer Kultur und gemeinsamer Geschichte. Maßgeblich für einen Erfolg der Europäischen Union als Rechts- und Wertegemeinschaft ist die Einhaltung der vom Europäischen Rat 1993 beschlossenen Kopen- hagener Kriterien. Darin werden von den Mitgliedstaa- ten unter anderem eine stabile Demokratie, der Schutz von Minderheiten und die Achtung der Menschenrechte gefordert. Die Kopenhagener Kriterien waren richtungs- weisend für den Reformprozess, den die Bewerberländer eingeleitet und vorangebracht haben, um die Bedingun- gen für eine von uns gewünschte Mitgliedschaft in der EU zu erfüllen. Ich sehe jedoch, dass offensichtlich nicht alle Bei- trittsländer – aus welchen Gründen auch immer – sich vor dem Beitritt in die Rechts- und Wertegemeinschaft der Europäischen Union von Dekreten getrennt haben, die völkerrechtswidrig so genannte Rechtfertigungen für die Vertreibungen der Deutschen aus ihrer Heimat am Ende des Zweiten Weltkrieges und danach waren. So schmerzt es mich, dass zum Beispiel die Tschechische Republik an den Benes-Dekreten festhält, was wieder- holt in den Äußerungen führender Regierungsvertreter, aber auch in der Resolution des tschechischen Parlamen- tes vom 23. April 2002 zum Ausdruck gekommen ist. Daran hat auch die bedeutende Erklärung der Regierung der Tschechischen Republik vom 18. Juni 2003, in der auf die „unannehmbaren Taten und Ereignisse“ in der unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinge- wiesen wird, in der Substanz nichts geändert, zumal die tschechische Regierung gerade in jüngster Zeit ein Fest- halten an den Benes-Dekreten als den rechtlichen Grundlagen der Vertreibung politisch bekräftigt hat. Nicht nur ich meine, dass diese wiederholten politi- schen Bekräftigungen den Weg verschließen könnten, die Vergangenheit aufzuarbeiten und zu überwinden, um die Zukunft von Nachbarn zum Wohle ihrer Bürger zu meistern. Denn dazu gehört auch ein Bekenntnis zur Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit wie auch ein Bekenntnis zum Recht auf die Heimat für die deutschen Vertriebenen, die wie die tschechische Bevölkerung Schlimmstes erleiden mussten. Deswegen sage ich: Vertreibungsdekrete und Vertrei- bungsgesetze sind Unrecht und stehen im Gegensatz zum Völkerrecht. Daher unsere Bitte, unser nachbar- schaftliches Verlangen: Vertreibungen und ethnische Säuberungen dürfen nirgendwo Bestandteil einer beste- henden Rechtsordnung sein und besonders nicht bleiben. Deshalb fordere ich: Die Vertreibungs- und Enteig- nungsdekrete sind in den Beitrittsstaaten, in denen sie noch bestehen, abzuschaffen, für nichtig zu erklären. Ich halte daher an der Forderung einer Abschaffung der Vertreibungsdekrete und Vertreibungsgesetze fest, so wie es in der „Entschließung des Europäischen Parla- mentes vom 15. April 1999 zum regelmäßigen Bericht der Kommission über die Fortschritte der Tschechischen Republik“ auf dem Weg zum Beitritt zum Ausdruck ge- kommen ist. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (Gesetz zur Beseitigung der Rechtsunsicherheit beim Unternehmensverkauf) (Tagesordnungs- punkt 12) Christine Lambrecht (SPD): Der Gesetzentwurf der CDU/CSU will ein angeblich bestehendes Auslegungs- problem des § 444 BGB lösen. Eine unterstellte Rechts- unsicherheit im Haftungsrecht bei Unternehmenskäufen soll beseitigt werden. Wenn diese Rechtsunsicherheit in der Beratungspraxis tatsächlich besteht, dann werden wir darüber reden müssen. Ihr Entwurf geht aber weit darüber hinaus, indem er die gesetzliche Regelung auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt, entgegen der eindeutigen Intention des Ge- setzgebers, der die Regelung in allen Kauf- und Werk- verträgen angewendet wissen wollte. Kaum eine Vorschrift des neuen Schuldrechts hat so heftige Diskussionen ausgelöst wie § 444 BGB, nach dessen Wortlaut eine Verbindung von Garantie und Haf- tungsbeschränkung nicht mehr möglich erscheint. Der Umfang der einschlägigen Publikationen ist eindrucks- voll. Der Grund für diese Diskussion liegt in § 444 Alt. 2 BGB. Nach dieser Bestimmung kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, dann nicht berufen, wenn er eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Diese Regelung wirft folgendes Problem auf: Einerseits spielen Garantien im kaufmännischen Ge- schäftsverkehr eine bedeutsame Rolle. Man denke nur an Maschinenbau- und Anlagenverträge, wo Garantien etwa im Hinblick auf Kapazität, Leistungsdaten und Ver- brauch absolut üblich und wohl auch unverzichtbar sind. Andererseits sollen auch in diesen Fällen nicht über Jahre hinweg und unbegrenzt Einstandspflichten über- nommen werden. Deshalb werden Garantien und die ge- setzliche Gewährleistung summenmäßig, zeitlich oder auch hinsichtlich der Rechtsfolgen beschränkt. Gerade beim Unternehmenskauf wird das gesetzliche Gewährleistungssystem in der Regel durch ein umfas- sendes, in sich geschlossenes System vertraglicher Haf- tungen des Verkäufers ersetzt, in denen Garantien für die Richtigkeit von Jahresabschlüssen, Umsätzen oder Er- trägen übernommen werden. Dies sei nun wegen der Regelung des § 444 BGB al- les nicht mehr möglich, wurde und wird gewarnt. Zwi- schenzeitlich überwiegen aber die Stimmen im Schrift- tum, die eine einschränkende Auslegung der Norm im 4738 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) Hinblick darauf fordern, dass der Gesetzgeber die alte Vertragspraxis nicht habe ändern wollen. Unterschiedliche Auffassungen werden vertreten, verschiedene Lösungsansätze werden vorgeschlagen: Nach einer Auffassung erfasst § 444 BGB nur den Bereich der so genannten unselbstständigen Garantie, nicht aber die selbstständige Garantie, die ein eigenstän- diges Haftungssystem nach § 311 BGB darstellt. Andere subsumieren unter § 444 auch die selbststän- dige Garantie und fordern mit unterschiedlichen Argu- mentationen eine einschränkende Auslegung der Norm oder schlagen angesichts einer nach ihrer Auffassung verbleibenden Rechtsunsicherheit Beschaffenheitsver- einbarungen (gegebenfalls verschuldensunabhängig) vor, die dann zeitlich oder summenmäßig beschränkt werden könnten. Auch wird erwogen, einen selbstständigen Garantie- vertrag im Sinne des § 311 BGB abzuschließen, bei dem klargestellt werden soll, dass er nicht dem § 444 BGB unterfalle. Schließlich wird eine Gesetzesänderung zur Beseiti- gung der Unklarheiten angeregt. Auch wenn ich persönlich der Ansicht bin, dass § 444 BGB bei sachgerechter Auslegung der bisherigen Vertragspraxis nichts entgegensteht, werden wir uns mit dieser Problematik ohne Scheuklappen befassen. Dies ist auch angebracht, immerhin handelt es sich um eine Sachfrage ohne parteipolitischen Hintergrund. Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Manchmal können einige wenige Paragraphen ein Beben in den betroffenen Kreisen auslösen. Das habe ich zuletzt als Berichterstat- ter im Rahmen der Novelle zum Urheberrecht erfahren, als es um einen neuen § 52 a UrhG ging. Ein ähnliches Echo in der Fachwelt hat der neu gefasste § 444 BGB hervorgerufen, der eine der Grundlagen für den Unter- nehmenskauf bildet und in seiner geltenden Fassung ein Ergebnis der Reform des Schuldrechts ist. Anlass für die Reform des Schuldrechts war die Um- setzung der EG-Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchergüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter vom 25. Mai 1999. Wesenselement dieser Richtlinie ist eine Verbesserung des Verbraucher- schutzes. Wie bei so vielen anderen Richtlinien hat die Bundes- regierung auch diese Richtlinie der Europäischen Union seinerzeit mit eigenen, zum Teil nur halb ausgegorenen Ideen befrachtet. Am Ende wundert man sich dann, dass Umsetzungsfristen versäumt werden, eine EU-rechts- konforme Umsetzung scheitert oder wir im Ergebnis eine verschlimmbesserte deutsche Rechtslage erhalten, die nicht nur den Juristen ein Ärgernis ist, sondern auch der Rechtssicherheit und damit dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet. Leider hat ausgerechnet der § 444, eine zentrale Be- stimmung des Kaufrechts, zu großer Verunsicherung ge- führt. Mit der Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber erst- mals den Begriff der Garantie in das BGB eingeführt. Dabei wurde allerdings das Ziel, nämlich eine Klarstel- lung zu erreichen, verfehlt. Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für wissen- schaftliche Abhandlungen und Berichte der Fachpresse, die inzwischen ganze Aktenordner füllen. Der Gesetzge- ber hat der Praxis des Unternehmenskaufs den Boden unter den Füßen weggezogen. Es muss nun wieder ein- mal auf die Rechtsprechung gewartet werden, die für den Gesetzgeber in die Bresche springen muss, um Rechtssicherheit zu schaffen. Der Begriff der Garantie findet sich in den §§ 276 I, 442 I, 443, 444, 477 BGB. § 444 BGB erregte dabei be- sonderes Aufsehen. Der Verkäufer kann sich danach auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen, wenn er eine Garantie für die Beschaffenheit übernom- men hat. Es stellt sich die Frage, ob nun die Garantie bisheriger Unternehmenskaufverträge hierunter fällt oder nicht. So- lange diese Frage nicht beantwortet ist, schwimmt die Vertragspraxis steuerlos in unbekannten Gewässern. Inzwischen hat erfreulicherweise auch das Bundes- justizministerium dieses Problem erkannt. Man sah sich sogar herausgefordert, dem Bundesverband der Deut- schen Industrie eine entsprechende – rechtlich allerdings unverbindliche – Interpretationshilfe zukommen zu las- sen. Nur gesetzgeberischen Handlungsbedarf mochte man nicht anerkennen. Das ist für mich eine inkonse- quente Haltung, die die eingetretene Rechtsunsicherheit nicht zu beseitigen vermag. Der Unternehmenskauf ist für eine Volkswirtschaft von immenser Bedeutung. Jede Verzögerung bedeutet die Gefährdung von Arbeitsplätzen, die Verschiebung von Investitionen und möglicherweise sogar die Ver- nichtung der Existenzgrundlage eines Unternehmens. Führt man sich diese Punkte vor Augen, dann stößt es auf Unverständnis, dass bislang gesetzgeberisch nicht gehandelt wurde. Betrachtet man die bisherige umfangreich erschie- nene Literatur zu dem von der CDU/CSU-Fraktion in die politische Diskussion eingebrachten Thema, so findet man – das erstaunt uns nicht – verschiedene Ansichten über die rechtliche Einordnung der Problematik. Dass so viel darüber diskutiert wird, unterstreicht einmal mehr, wie unklar die derzeitige Situation ist. Unternehmen auf eine höchstrichterliche Rechtspre- chung zu vertrösten oder möglicherweise sogar zu emp- fehlen, auf angloamerikanisches Recht auszuweichen, verbietet sich aus meiner Sicht schlichtweg. Als Union wollen wir, dass der Bundestag schnellstmöglich seine gesetzgeberische Pflicht erfüllt, damit der derzeit danie- derliegende Markt für Unternehmenskäufe wieder in Schwung kommt und internationale Investoren keinen Bogen um Deutschland machen. Kernelement der Umsetzung der entsprechenden Brüsseler Vorgaben ist ein verbesserter Verbraucher- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4739 (A) (C) (B) (D) schutz. Die bereits zitierte EU-Richtlinie hebt in ihren Erwägungsgründen hervor, dass ein Hauptziel der Ver- träge die Erreichung eines hohen Verbraucherschutzni- veaus ist. Man kann dem Gesetzgeber nicht vorwerfen, dass er europäisches Recht nicht richtlinienkonform umgesetzt habe. Aber warum muss der deutsche Gesetzgeber wie- der einmal über das Ziel hinausschießen und eine Rege- lung einführen, die die Richtlinie gar nicht verlangt? Wollen wir nicht deregulieren, statt immer weitere Ge- setze und Verordnungen zu erlassen? Wenn der Gesetz- geber und auch das Bundesjustizministerium die Schief- lage erkennen, muss man sich weiter fragen, warum denn nicht eine Korrektur erfolgt. Der Bund ist nicht dazu aufgerufen, kluge Interpretationshilfen für schlechte Gesetze zu formulieren, sondern einfach gute Gesetze zu verabschieden. Alle Interpretationshilfen werden überflüssig, wenn wir den klaren Unionsvor- schlag Gesetz werden lassen und damit lediglich das richtlinienkonform umsetzen, was die EU-Richtlinie verlangt. Damit ist dem Ziel eines verbesserten Verbrau- cherschutzes am besten gedient. Werden Unternehmens- käufe erschwert oder teilweise vielleicht sogar ver- hindert, weil man eigentlich im Sinn hatte, Verbraucher- rechte zu stärken, dann hat kein Verbraucher etwas da- von. Die Richtlinie selbst unterstreicht diese Position. Nir- gends ist der Unternehmenskauf in der Richtlinie ge- nannt. Es wird fast ausschließlich vom Verbraucher ge- sprochen; allein das zeigt die Zielsetzung. Die Richtlinie erlaubt zwar in ihrem Art. 8 Abs. 2, dass ein „Mehr“ an gesetzlichen Regeln möglich ist. Die Richtlinie hebt da- bei aber hervor, dass ihre Bestimmungen einen Mindest- schutz darstellen und dass strengere Bestimmungen er- lassen oder aufrechterhalten werden können, „um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher sicherzustel- len“. Der Durchschnittsverbraucher interessiert sich aber relativ selten für den Kauf eines Unternehmens. Der Unionsentwurf beschränkt das Verbot, die Haf- tung für Garantieerklärungen einzuschränken oder aus- zuschließen, im Einklang mit der EU-Richtlinie auf den Bereich des Verbrauchergüterkaufs entsprechend der nach früherer Rechtslage in § 11 Nr. 11 AGBG geregel- ten Sachverhalte und auf den konkret vereinbarten Inhalt der Garantie. Das Verbot, die Haftung wegen arglistig verschwiegener Mängel zu beschränken oder auszu- schließen, bleibt davon unberührt. Die Rechtsunsicherheit, die dem Standort und der An- wendung des deutschen Rechts schadet, wäre mit dem Unionsantrag beendet. Unserem Entwurf gelingt daher, was der Schuldrechtsreform der Regierung nicht gelang. Wir fordern die Regierungsmehrheit daher auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit den Vorgaben der Richtli- nie endlich Genüge getan wird. Geben Sie mit uns wie- der klare Signale für die Praxis des Unternehmenskauf- vertrages, damit sie sich wieder auf sicherem Kurs in jedem Gewässer bewegen kann. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuches konnten gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht damit rechnen, dass das Ge- setz eines Tages auch für komplizierte Unternehmenstrans- aktionen taugen müsste. Übernahmen, Verschmelzungen, Anteilskäufe, sogar im internationalen Wettbewerb – all dies war damals allenfalls die Ausnahme. Dass sich das inzwischen geändert hat, weiß nicht nur der interessierte Leser der Wirtschaftspresse. Dennoch wurde diese Ent- wicklung 100 Jahre nach In-Kraft-Treten des BGB wie- derum ignoriert, als das Schuldrecht reformiert wurde. Weil die EG-Richtlinie zum Gebrauchsgüterkauf im In- teresse eines verbesserten Verbraucherschutzes umzuset- zen war, wurde übersehen, dass damit in einem Rund- umschlag der wirtschaftlich wichtige Bereich des Unter- nehmenskaufs kaputtgeregelt wurde, in dem es gerade nicht um Gebrauchsgegenstände wie Kühlschränke oder Computer und damit dem erforderlichen Schutz der Ver- braucher geht. Umstritten war und ist vor allem der Paragraph mit der leicht zu merkenden Ziffer 444. Professoren und Wirtschaftsanwälte weisen immer wieder darauf hin, dass dieser Paragraph das Haftungssystem bei Unterneh- menskäufen infrage stellt. Es hat sich in jahrelanger Pra- xis entwickelt und als sachgerecht erwiesen. Nun jedoch verbietet der neue Paragraph 444 BGB die Beschrän- kung oder den Ausschluss der Haftung in den Fällen, in denen der Verkäufer eine Garantie für die Beschaffenheit einer Sache übernommen hat. In Unternehmenskaufver- trägen schließt der Verkäufer aber häufig die Haftung für Sachmängel des verkauften Unternehmens aus, über- nimmt stattdessen Garantien für bestimmte Umstände – die eben gerade die Beschaffenheit des Unternehmens betreffen – und beschränkt gleichzeitig die Haftung da- für, zum Beispiel durch finanzielle Höchstgrenzen. Ob das geltende Recht solche Haftungsbeschränkungen überhaupt noch erlaubt und Unternehmenskaufverträge bei unrichtigen Garantien möglicherweise rückabgewi- ckelt werden müssen, ist höchst umstritten. Die Schuld- rechtsreform hat im Bereich des Unternehmenskaufs Rechtsunsicherheit geschaffen, anstatt sie zu beseitigen. Diesen Fehler korrigiert der Gesetzentwurf der CDU/ CSU-Fraktion. Schon geringfügige Änderungen in drei Bestimmungen des BGB reichen dafür aus. Sie stellen eindeutig klar, dass sich das Verbot, die Haftung des Ver- käufers auszuschließen oder zu beschränken, auf den konkret vereinbarten Inhalt einer Garantie bezieht. Der Gesetzentwurf sieht zudem einen noch über die Vorga- ben der EG-Richtlinie zum Gebrauchsgüterkauf hinaus- gehenden Schutz der Verbraucher vor, weil er ausdrück- lich Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbietet, die die Haftung für Beschaffenheitsgarantien beschränken oder verbieten. Mit anderen Worten: Dies ist ein Gesetzentwurf, der allen Interessengruppen nützt und niemandem weh tut – außer vielleicht der Eitelkeit der Regierungskoalition, weil die Initiative mal wieder von der Opposition kam. Nach vernünftigen Erwägungen sollte man eigentlich davon ausgehen, dass der Entwurf die ungeteilte Zustim- mung des Parlaments und auch der Bundesregierung fin- det. Denn die Änderungen sind lediglich eine Kodifizie- rung dessen, was das Bundesjustizministerium im Januar dieses Jahres selbst in einem – rechtlich allerdings völlig 4740 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) unverbindlichen – Schreiben an den Bundesverband der Deutschen Industrie als Auslegungsregel für den verun- glückten Paragraphen 444 ausgab. Wie man hört, wird auch im Bundesjustizministerium an einer Änderung des Paragraphen 444 gearbeitet. Das Parlament könnte und sollte das Ministerium entlasten und unseren Gesetzentwurf beschließen. Das hätte mög- licherweise – neben der Beseitigung der Rechtsunsicher- heit im Unternehmenskauf – zusätzlich den Effekt, dass man sich im BMJ verstärkt den vielen anderen rechtspo- litischen Baustellen widmen könnte. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Klarstellung liegt auf der Hand. Die Rechtspraxis des Unternehmens- kaufs hat erst nach Jahren durch höchstrichterliche Rechtsprechung ein einigermaßen gesichertes rechtli- ches Fundament bekommen. Die Schuldrechtsreform hat dem Unternehmenskauf dieses Fundament entzogen, und nun muten wir den Unternehmen zu, erneut Jahre darauf zu warten, dass Gerichte das Fundament wieder aufbauen. Wir brauchen eine klare gesetzliche Regelung, die den Unternehmenskauf fördert, statt ihn zu gefährden. Ich muss an dieser Stelle nicht erklären, dass ein Schrei- ben des Bundesjustizministeriums an den Bundesver- band der Deutschen Industrie rechtlich unverbindlich ist und eine klare Regelung nicht ersetzen kann. Es ist aller- dings nicht nur rechtlich unverbindlich, sondern auch höchst unsicher: Noch vor einem Jahr hat das Ministe- rium in einem ähnlichen Schreiben eine ganz andere Po- sition vertreten. Wer garantiert uns – und den Unterneh- men –, dass sich die Haltung des Ministeriums nicht demnächst erneut ändert, je nachdem, welchen Einflüs- terungen es dann erliegt? Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es wichtig, die Rechtsunsicherheiten beim Unternehmenskauf zu beseitigen. Denn gerade in Zeiten schwacher Konjunktur ist der Verkauf oft die letzte Möglichkeit, Unternehmen oder Unternehmensteile und damit auch Arbeitsplätze zu retten. Besteht jedoch wegen der unsicheren Rechtslage die Gefahr, dass ein Unternehmenskauf wegen unrichti- ger Garantien rückabgewickelt oder Schadensersatz ge- zahlt werden muss, wird sich ein potenzieller Käufer gründlich überlegen, ob er ein Unternehmen kauft. Denn er muss langfristig wirtschaftlich und unternehmerisch planen und kalkulieren können und darf dabei keine Ri- siken eingehen. Unternehmenstransaktionen sind ein internationales Geschäft. Unsicherheiten im deutschen Kaufrecht brin- gen in doppelter Hinsicht einen Wettbewerbsnachteil: Für die Unternehmen, die ihren internationalen Ge- schäftspartnern bei Vertragsverhandlungen verlässliche Rechtsgrundlagen zusichern müssen. Und für Deutsch- land, das vor allem vor dem Hintergrund der Überlegun- gen zu einem europäischen Vertragsrecht aufpassen muss, dass es mit einem konsistenten Zivilrecht auch weiterhin eine Vorreiterrolle spielt. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer mit kühlem Kopf und dem gebotenen Abstand zu den Streitenden in der Fachliteratur den Gesetzentwurf der Opposition zum Unternehmenskauf durchdenkt – und zwar das von Ihnen angesprochene, mehr jedoch noch das von Ihnen überhaupt erst geschaffene Problem –, der kann Ihnen einen Vorwurf nicht ersparen: Sie blasen eine sehr eng begrenzte Fachdebatte zu angeblichen Unge- reimtheiten des neuen § 444 BGB erst richtig auf, um sich dann mit dem selbst geschaffenen Scheinproblem wichtigtuerisch zu beschäftigen. Statt echte Probleme anzupacken, wollen Sie zudem mit Ihrer Beschränkung des Sinngehalts von § 444 BGB auf den Verbrauchsgü- terkauf den beteiligten Kreisen im Bereich des Unter- nehmenskaufs richtig dicke Probleme bescheren. Konkret: Zum Ersten geht es um das Verhältnis von Verkäufergarantien zu vonseiten des Verkäufers durch- gesetzten Haftungsausschlüssen beim so genannten Un- ternehmenskauf. Sie wollen nach Ihren Worten Rechtssicherheit beim Unternehmenskauf herstellen. Dies ist ein löbliches An- sinnen. Hier gilt das Wort des Bundesjustizministeriums: Das Ministerium wird sofort tätig werden, wenn die be- hauptete Rechtsunsicherheit tatsächlich und praktisch eintreten sollte. Das ist bisher nicht der Fall. Weder von- seiten der Wirtschaft und der Banken noch vonseiten der Rechtsprechung ist die angebliche Rechtsunsicherheit problematisiert worden. Ich bin überaus zuversichtlich, dass die von Ihnen aufgegriffene eng begrenzte Fachde- batte die Gerichte nicht verunsichern wird. Die Rechtsprechung legt in bester Tradition und ge- festigter Übung Rechsnormen nicht an den bloßen Wor- ten klebend, sondern nach Sinn und Zweck der jeweili- gen Norm aus. § 444 BGB soll ein widersprüchliches Verhalten des einen Vertragspartners und eine überraschende und ver- klausulierte Übervorteilung des anderen Partners verhin- dern. Zwingend unwirksam ist daher ein Haftungsaus- schluss nur, wenn er – und das heißt: soweit er – im Sachzusammenhang und Widerspruch zur abgegebenen Garantie steht. Denn nur in diesem Fall zerstört oder hin- tergeht der Verkäufer von ihm zuvor geschaffenes Ver- trauen beim Käufer. Der neue § 444 BGB, liest man ihn richtig, macht Haftungsausschlüsse und -beschränkun- gen nicht per se und generell unwirksam. Es bleibt sehr wohl eine Haftungsbeschränkung oder ihr Ausschluss möglich, wenn die abgegebene Garantie insoweit keinen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Auch für den Unternehmenskauf führt also der neue § 444 BGB zu klaren Ergebnissen: Wer bei einem Unter- nehmensverkauf für den Bestand an Maschinen eine Be- schaffenheitsgarantie übernimmt, kann hinsichtlich der gestellten Geschäftsprognosen auch weiterhin einen Haftungsausschluss vereinbaren. Wer für zu erwartende Umsatzzahlen eines Unternehmens die Gewähr über- nimmt, kann diese Haftung auch künftig summenmäßig beschränken. Wir könnten gleichwohl zur Klarstellung auch für den Rechtsanwender, der am Buchstaben des Gesetzes kle- ben bleibt, das Wort „wenn“ durch das Wort „soweit“ er- setzen. Das für Juristen und die Rechtsprechung offen- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4741 (A) (C) (B) (D) kundig Gemeinte und Gewollte wäre dann auch sprachlich klarer in Worte gefasst. Sie von der Opposition aber, wollen mit ihrem Gesetz zum Unternehmenskauf viel mehr. Sie wollen den Grundgedanken, wonach es gesetzlich untersagt ist, ge- gebene Garantien durch geschickte Haftungsausschlüsse zu unterlaufen, auf den Verbrauchsgüterkauf beschrän- ken. Das ist sachwidrig und im Ergebnis eine Einladung an die jeweils garantiegebende Partei des Unternehmens- veräußerungsvertrages, gegebene Garantien in Bezug auf das zu verkaufende Unternehmen durch möglichst raffinierte und undurchschaubar formulierte Haftungs- ausschlüsse auszuhebeln. Wenn es nicht nur ein un- durchdachter Fehler Ihres Gesetzentwurfes ist, frage ich mich, wo der Sinn eines solchen Regelungsvorschlags liegen mag. Warum soll es möglich sein, dass der Unternehmens- verkäufer für einen Umstand eine Garantieerklärung ab- gibt, damit er den Kaufpreis erhöhen kann, sich dann aber über einen Haftungsausschluss dieser übernomme- nen Garantie wieder entziehen kann? Ich kann einen Unterschied in den Interessenlagen beim Unternehmensveräußerungsvertrag und beim Ver- brauchsgütervertrag nicht erkennen. Wer nicht hinter die Kulissen gucken kann, muss sich auf Garantien seines Vertragspartners verlassen. Dies gilt für Unternehmens- käufer ebenso wie für Verbraucher. Allein der Verkäufer kann einschätzen, ob seine Garantie die realen Zustände widerspiegelt oder dem Käufer etwas vorgaukelt. Der Verkäufer profitiert davon, dass er die Garantie abgibt. Die Garantie erhöht nämlich die Kaufwilligkeit des Käu- fers oder – bestenfalls – sogar den Kaufpreis. Warum soll der Verkäufer diese Vorteile haben, ohne zugleich das Haftungsrisiko für seine Äußerungen zu überneh- men? Zusammenfassend will ich deshalb festhalten: Eine Hälfte Ihres Vorschlags ist brauchbar, aber nicht wirklich notwendig. Die andere Hälfte ist schädlich und daher un- brauchbar. Wir können uns deshalb mit Ihrem Gesetzent- wurf zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulas- ten von Unternehmenskäufern nicht anfreunden. Rainer Funke (FDP): Das, was hier zur ersten Bera- tung auf dem Tisch des Hauses liegt, lässt sich in eine Reihe stellen mit vielen anderen Vorschlägen, das gerade erst in Kraft getretene neue Schuldrecht zu überarbeiten oder – um in der Diktion der Bundesregierung zu bleiben – „nachzubessern“. Inhalt und verfahrensmäßige Umsetzung des Gesetz- entwurfs für das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz waren schon zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens umstritten. Insbesondere in Bezug auf den allgemeinen Teil des Schuldrechts und das Kaufrecht kann man sa- gen: Die Reform hat eine über 2000 Jahre gewachsene Rechtskultur zerstört. Sie hat, wie selbst gut meinende Kommentatoren feststellen mussten, ihr eigentliches Ziel, nämlich Rechtsvereinfachung, nicht erreicht. Im Gegenteil – wie wir gerade am Beispiel des vorliegenden Gesetzentwurfs sehen: Die „Reform“ hat mehr neue Fra- gen aufgeworfen, als alte Probleme gelöst. Für das Anliegen der Union hat die FDP-Fraktion grundsätzlich Verständnis. Doch kann man bezweifeln, ob es sinnvoll ist, gerade eineinhalb Jahre nach In-Kraft- Treten der Schuldrechtsreform mit den Reparaturarbei- ten zu beginnen. Sollten wir dem Gesetz nicht erst zu- nächst eine Bewährungszeit belassen, um dann – etwa zum Ende dieser Wahlperiode – in einer „großen Re- form“ all die vielen, zum Teil nur kleinen Fehler zu kor- rigieren, die jetzt nach und nach ans Tageslicht treten? Wenn jedoch tatsächlich die von der CDU/CSU behaup- teten Mängel vorhanden sind, muss nachgebessert wer- den. Ich selbst kann aus der Praxis und aus der Recht- sprechung diese Mängel noch nicht erkennen. Wir werden im Ausschuss verifizieren müssen, ob und wo die von der Union behauptete Rechtsunsicher- heit im Haftungsrecht bei Unternehmenskäufen tatsäch- lich zu verzeichnen ist. Die FDP wird deshalb im Aus- schuss eine Anhörung zu dieser Thematik beantragen. Wir alle wollen, dass der Unternehmenskauf nach fai- ren Regeln vonstatten geht. Dies dient auch dem Finanz- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Darüber dürfen wir aber nicht vergessen, dass wir Unternehmenskäufe überhaupt erleichtern müssen. Denn globales Wirtschaf- ten und Wachsen ist unmittelbar mit der Möglichkeit der Übernahme anderer Unternehmen verbunden. Wer Fir- menkäufe, wer M & As, erschweren will, will die Wirt- schaft in Deutschland weiter kaputt regulieren. Das kön- nen wir uns und kann sich Deutschland zurzeit am wenigsten leisten. Alfred Hartenbach, Parlamentarischer Staatssekre- tär bei der Bundesministerin für Justiz: Der Gesetzent- wurf, den Sie uns hier präsentieren, will ein Auslegungs- problem bei der Vorschrift des § 444 BGB lösen. Hierüber könnte man reden. Einigermaßen abwegig ist es allerdings, die Klarstellung auf Verbrauchsgüterkäufe zu beschränken. Eine derartige Teilregelung könnte leicht so verstanden werden, dass außerhalb des Ver- brauchsgüterkaufs Haftungsausschlüsse und Beschrän- kungen uneingeschränkt zulässig sein sollen. Das würde dann auch für undurchschaubare oder widersprüchliche Klauseln gelten, mit denen sich der Verkäufer etwa bei einem Unternehmenskaufs einer Haftung entzieht. Ich glaube kaum, dass Sie tatsächlich so weit über das Ziel hinausschießen wollten. Es ist ja richtig, dass kaum eine Vorschrift des neuen Schuldrechts so heftige Dis- kussionen ausgelöst hat, wie der § 444 BGB. Es wurde tatsächlich vereinzelt eine ausschließlich grammatische Auslegung vertreten, die Sinn und Zweck der Regelung ausblendet und so zu dem Ergebnis gekommen ist, eine Verbindung von Garantie und Haftungsbeschränkung sei nicht mehr möglich. Das hat natürlich die Praxis gerade im kaufmännischen Geschäftsverkehr zunächst irritiert. In der Praxis werden – insbesondere bei Unternehmens- käufen – Garantien vereinbart, die den Verkäufer treffen. Gleichzeitig beschränkt die Praxis diese Garantien sum- menmäßig, zeitlich oder hinsichtlich der Rechtsfolgen. Das wäre mit dieser Auslegung nicht mehr möglich. 4742 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) Die Unruhe ist aber vollkommen unbegründet: Bei sachgerechter, nicht am Wortlaut haftender Auslegung steht § 444 BGB der gängigen Vertragspraxis nicht im Wege, sondern verbietet lediglich – und dies mit allem Recht – intransparente und widersprüchliche Garantie- beschränkungen. Schon die Gesetzesbegründung zu § 444 BGB stellt klar, dass sich an der früheren positiven Rechtsprechung zur bewährten kaufmännischen Praxis beim Unternehmenskauf nichts ändern soll. Danach war es zulässig, Eigenschaftszusicherungen oder Garantien von vornherein zu beschränken, und so soll es auch blei- ben. In der Literatur hat sich sehr schnell die Auffassung durchgesetzt, dass auch der neue § 444 BGB der gängi- gen Vertragspraxis nicht entgegensteht. Sinn und Zweck des § 444 in seiner hier maßgebli- chen Alternative ist es allein, widersprüchliches Verhal- ten zu unterbinden. Der Verkäufer, also auch der Unter- nehmensverkäufer, soll nicht Garantien, die er zunächst übernommen hat, nachträglich auf überraschende oder undurchschaubare Art und Weise ausschließen oder be- schränken können. Etwas anderes ist es, wenn Inhalt und Umfang einer Garantie von vornherein eingeschränkt werden und der Verkäufer erkennbar eine Haftung nur in einem begrenzten Rahmen übernimmt. Solchen vertrag- lichen Regelungen steht § 444 BGB überhaupt nicht ent- gegen. Ich zitiere die Vorschrift: „Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers … ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, wenn er … eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.“ Nur soweit der Verkäufer eine entsprechende Garan- tie abgegeben hat, ist ihm der Rückgriff auf die Haf- tungsbegrenzung verwehrt. Dieses Auslegungsergebnis kann inzwischen wohl mit Recht als herrschende Mei- nung bezeichnet werden. Natürlich könnten wir trotzdem über eine redaktio- nelle Klarstellung in § 444 BGB reden, wenn es der Rechtssicherheit dient. Das BMJ beobachtet die weitere Entwicklung unter diesem Aspekt aufmerksam. Der CDU/CSU-Entwurf geht jedoch über die Klärung dieser Auslegungsfrage weit hinaus. Er ersetzt nicht nur das kritisierte Wort „wenn“ durch ein „soweit“, sondern beschränkt das Verbot intransparenter und widersprüch- licher Einschränkungen von Garantien zugleich auf den Verbrauchsgüterkauf. Das legt den Schluss nahe – mög- licherweise ist dieser Schluss sogar so gewollt –, dass außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs, also zum Beispiel beim Unternehmenskauf, auch intransparente und wider- sprüchliche Garantiebeschränkungen uneingeschränkt zulässig sein sollen. Das widerspricht eindeutig dem Willen des Gesetzge- bers, der aus guten Gründen die Fortgeltung der existie- renden Rechtsprechung und Rechtspraxis wollte, nach der sich beschränkte Garantiehaftungen am Maßstab der Transparenz, dem Verbot der Widersprüchlichkeit und Verständlichkeit messen lassen müssen – und dieses eben nicht nur beim Verbrauchsgüterkauf. Hierbei soll- ten wir es belassen. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Antrag: Vorrang für die Ostseesicherheit (Tagesordnungspunkt 14) Dr. Christine Lucyga (SPD): Die verheerenden Seeunfälle der jüngsten Zeit – wie der Untergang der „Prestige“ in der Biskaya und auch des Frachters „Fu Shan Hai“ in der Ostsee – haben das Problembewusst- sein in Politik und Öffentlichkeit dafür geschärft, dass die Seesicherheit zu einer der Schlüsselfragen des Mee- res- und Umweltschutzes geworden ist. Der Schutz der Meere ist eine internationale Aufgabe und Herausforde- rung. Das Problem der Seesicherheit hat uns in diesem Hause in den vergangenen Wochen und Monaten mehr- fach beschäftigt, aber auch internationale Organisatio- nen, die nationalen Parlamente unserer europäischen Nachbarn und der Europarat greifen immer öfter die Thematik von Schiffssicherheit und Schutz der Meere auf. Die heutige Debatte ist ebenfalls ein Beitrag in die- sem Sinne und sie zeigt, gemessen an den vorangegan- genen Aussprachen zur Seesicherheit, dass wir inzwi- schen – wenn auch in kleinen Schritten – jeweils ein Stück weitergekommen sind. So standen auf der interna- tionalen Ministerkonferenz von Nord- und Ostseeanrai- nern am 25./26. Juni dieses Jahres erneut die Schifffahrt und der Meeresschutz im Mittelpunkt und wir alle kön- nen uns über wichtige Schritte in die richtige Richtung freuen. In einer Reihe von bislang strittigen Fragen wur- den Kompromisse gefunden, auf die Deutschland an maßgeblicher Stelle Einfluss genommen hat. Als wich- tigster Erfolg ist zu werten, dass es nach schwierigen Verhandlungen endlich gelungen ist, Russland von sei- ner bisherigen strikten Ablehnung der Lotsenpflicht ab- zubringen. Angesichts der deutlichen Zunahme von Öltranspor- ten durch die Ostsee und unter dem Eindruck zahlreicher Havarien von Tankern in europäischen Gewässern einig- ten sich die Staaten auf gemeinsame Maßnahmen zur Einführung einer Lotsenpflicht in engen und verkehrsbe- schränkten Gewässern. Dies betrifft vor allem die Ostsee – und dort wiederum vor allem die Kadetrinne zwischen Deutschland und Dänemark, die bislang eines unserer größten schiffssicherheitspolitischen Sorgenkinder ist. Damit kann eine ganz exponierte Forderung aus dem Antrag der CDU/CSU „Vorrang für die Ostseesicher- heit“ als erfüllt angesehen werden, so wie auch in ande- ren Zielsetzungen bereits Ergebnisse vorliegen. Insbe- sondere in der HELCOM konnte Deutschland vieles von dem erreichen, was in Ihrem Antrag noch vorkommt, aber bereits auf den Weg gebracht wurde. Die Bremer Konferenz vom Juni hat aber auch gezeigt, dass nur ein gemeinsam abgestimmtes Vorgehen in Fragen, die – wie etwa die Lotsenannahmepflicht in der Kadetrinne oder die Ausweisung der Ostsee als PSSA-Gebiet – internatio- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4743 (A) (C) (B) (D) nales Völkerrecht berühren, zum Erfolg führen. Voran- gekommen ist auch die Verständigung über eine zügi- gere Anpassung von Einhüllentankern vor 2015, über die Verbesserung der Hafenstaatenkontrollen und über die Ausweisung besonderer Verkehrstrennungsgebiete, darunter Ostsee als Verkehrstrennungsgebiet. An dieser Stelle möchte ich auf das Achtpunktepro- gramm der Bundesregierung zum Schutz der Meeresum- welt und der Küstenregionen verweisen. Mit dem Sicherheits- und Notfallkonzept hat Deutschland eine Vorreiterrolle in Europa übernommen. Das deutsche Notfallkonzept ist europaweit führend und mit der Einrichtung eines gemeinsamen Havariekom- mandos ist eine handlungsfähige Einheit geschaffen worden, in der Kompetenzen gebündelt werden. Dies muss auch Wirkungen auf andere europäische Staaten haben, die noch nachziehen müssen. Richtig ist der Hinweis auf eine schwieriger wer- dende Sicherheitslage durch terroristische Bedrohung und es wird zu klären sein, inwiefern hier auch neue Aufgaben für das Havariekommando entstehen. Aber auch in diesem Punkt sehe ich keinen Dissens unserer Ziele – wie ein im Vergleich zu unseren einschlägigen Anträgen zur Ostseesicherheit zeigt, die – bis auf den Prüfauftrag für das Weitbereichsradar im Bereich der Kadetrinne – als erfüllt gelten können. Bereits erfüllte Auflagen kann man nicht noch einmal beschließen – eine Zustimmung zu Ihrem Antrag entfällt also. Es bleibt noch die offene Frage der Europäischen See- agentur. Auch wir wünschen uns natürlich eine solche Institution in Deutschland, wissen aber andererseits, dass die Entscheidung letztendlich beim Europäischen Rat liegt, der wiederum eine faire Berücksichtigung solcher Mitgliedstaaten anstrebt, die noch nicht Sitz einer euro- päischen Institution sind. Selbstverständlich setzt sich die Bundesregierung dennoch für eine Berücksichtigung deutscher Standortangebote ein und kann dabei auf Kompetenz und eine gute Seesicherheitsbilanz im euro- päischen Maßstab verweisen. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Erst am 8. Mai stand die Seesicherheit auf unsere Initiative hin auf der Tagesordnung in diesem Hause. Seitdem ist mit dem chinesischen Frachter „Fu Shan Hai“ ein weite- res Schiff mit Ölaustritt in der Ostsee untergegangen, in Lübeck die dritte nationale maritime Konferenz ohne konkrete Ergebnisse verstrichen, und am letzten Don- nerstag in Bremen die internationale Meeresschutzkon- ferenz ohne Einigung auf ein gemeinsames Sicherheits- konzept der Ostseeanrainer beendet worden. Im Redeprotokoll meiner Kollegin Christine Lucyga vom 8. Mai ist nachzulesen, dass der Antrag der Union ei- gentlich keinen Dissens zu den Zielen der Koalition ent- hält. Trotzdem hat die rot-grüne Mehrheit den Antrag am 23. Juni im Ausschuss abgelehnt. Begründung: Die mit dem Antrag verfolgten Ziele sind von der Regierung bereits auf den Weg gebracht. Drei Tage später ist Umweltminister Trittin in Bremen restlos gescheitert, so die Einschätzung der Umweltstif- tung WWF, und Greenpeace sprach von „einem Offen- barungseid der Umweltminister“. Die Ostsee wird nicht als besonders geschütztes Mee- resgebiet – PSSA – ausgewiesen, eine Missachtung der Risikolage; es wird keine Radarüberwachung geben und auch die Lotsenannahmepflicht konnte nur für den klei- nen Bereich der Kadetrinne durchgesetzt werden. Zur Erinnerung: Die „Fu Shan Hai“ ist wenige See- meilen vor der Kadetrinne untergegangen. Ein gemein- sames Votum von Opposition und Koalition hätte die Verhandlungsposition des Ministers gestärkt. Ich fordere Sie auf, dieses Votum heute zu korrigieren. Dann besteht im Herbst auf der HELCOM-Konferenz die Chance, die gemeinsamen Ziele doch noch umzusetzen. Realität ist, die Seesicherheit auf der Ostsee hat nicht zu, sondern in den letzten Jahren Zug um Zug abgenom- men. Die Gefahr nicht mehr beherrschbarer Umweltka- tastrophen steigt. Dieser Trend muss gestoppt, muss in sein Gegenteil verkehrt werden! Wir brauchen eine Si- cherheitswende für die Ostsee, die Nordsee und die an- deren Meere. Das verheerende Öltankerunglück der „Prestige“ vor Spaniens Küste sollte als anhaltende Mahnung verstan- den werden. Ich verkenne nicht, dass die EU und auch die Bundesregierung aus eigenem Antrieb, aber auch aufgeschreckt durch anklagende Bilder schrecklicher Öl- verschmutzung durch die „Prestige“, Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen haben. Doch wenn diese erst, wie bei dem Doppelhüllen-Gebot für Großtanker, in 10 Jahren greifen und nicht internationaler Standard werden, schaffen sie eine Scheinsicherheit, keinen tat- sächlichen Sicherheitsgewinn. Wenn die EU eine neue Altersbegrenzung für Schiffe einführen will, Russland sich jedoch knallhart weigert, andere Flaggenstaaten der IMO die kalte Schulter zeigen, bleibt das Gefährdungs- potenzial für die Ostsee auf Jahrzehnte erhalten. Aus Sach- und Zeitgründen muss die Seesicherheit Chefsache werden. Fachminister-Kontakte der Ostseean- rainer sind notwendig, ein Spitzentreffen der Regierungs- chefs zu dieser Problematik jedoch erforderlich. Es gilt, zu verbindlichen nationalen und internationalen Abkom- men für die Ostsee zu kommen. Darauf dringen wir! Und es darf keine Zeit verstreichen! Die Ostsee ist ein Fast-Binnenmeer. Eine Öl- oder Chemikalienkatastrophe bewirkt hier eine ungleich größere Umweltzerstörung als in jedem Ozean. Mensch und Natur, Fauna und Flora, Küsten und Strande würden dauerhaft belastet, beschädigt. Dazu darf es nicht kommen! Doch fast täglich schrammen wir in der Ostsee an ei- ner Katastrophe vorbei. Das gilt für die Kadetrinne, in der es auf engstem Raum bis zu 65 000 Schiffsbewegun- gen jährlich gibt. Die am letzten Donnerstag beschlos- sene Lotsenannahmepflicht allein reicht nicht aus. Ohne flächendeckende Radarüberwachung zur technischen Unterstützung bleibt sie ein Torso. Eine Lotsenannahmepflicht für die nördliche Tanker- route wird es auch in Zukunft nicht geben. Doch hier 4744 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) wird verstärkt Öl aus Rußland transportiert, teilweise auf Schiffen, die nicht nur als Seelenverkäufer bezeichnet werden, sondern eine Boardwandstärke haben, die für Eisgang völlig ungeeignet ist. Seit 1995 haben sich die Öltransporte verdoppelt. Greenpeace dokumentierte es: Durchschnittlich einmal am Tag passiert ein Ölfrachter von der „Güteklasse“ der 26 Jahre alten gesunkenen „Prestige“ die risikoreiche Kadetrinne. Allein drei dramatische Situationen hat die finnische Regierung im vergangenen Winter durch festsitzende Öltanker ausgemacht. In keinem Fall war Russlands Re- gierung bereit zu handeln. Wer so die Sicherheit aller missachtet und nicht bereit zur Kooperation ist, hat weder Kredite verdient noch verdient, als Bündnispartner ernst genommen zu werden. Hier müssen die Ostseeregierungen endlich knallhart handeln und Russland zur Kooperation führen. Doch die Beinahe-Unglücke umfassen nicht nur zu alte und ungeeignete Schiffe, sondern nach Experten- Auffassung auch die Doppelhüllen-Tanker der l. Genera- tion. Auch wenn die Doppelwand eine deutliche Sicher- heitsverbesserung bei Havarien oder Grundberührung bedeutet, so sind Schiffe dieser Bauart in den ersten Jah- ren vor dem Inkrafttreten der MARPOL-Vorschriften 1992 mit einer Konstruktion aus hochfestem Stahl aus- gestattet worden, die als problematisch angesehen wer- den, wo die Gefahr des Auseinanderbrechens besteht. Bei Bulk-Carriern dieser Bauart hat es entsprechende Unglücke bereits gegeben. Hier sind tickende Zeitbomben unterwegs, die mehr internationale Kontrolle notwendig machen. Das Ziel in Europa muss sein, dass nicht nur ein Ausphasen der al- ten Tanker erreicht wird, sondern dass die Ersatztonnage auch in Europa gebaut wird. Denn der europäische Qualitätsstandard gilt nicht weltweit. Bei der IMO häufen sich Beschwerden über schwerwiegende Qualitätsmängel bei Schiffsneubauten. Es werden international verbindliche Bauvorschriften gefordert. Wir schließen uns dem an! Der enorme Kos- tendruck durch subventionierte Dumpingpreise im Welt- schiffbau verhindert Sicherheit, so argumentieren Schiff- bauer und Reeder. Und noch ein Risiko-Aspekt bleibt oft unerwähnt, deshalb wiederhole ich ihn hier an dieser Stelle: Große Pötte, die zum Beispiel Container transportieren, sind in der Regel Einwandboote, bunkern jedoch allein an Treibstoff bis zu 12 000 Tonnen Öl; das ist das Doppelte von dem, was kleinere Tanker geladen haben. Verun- glückt ein solches Schiff in der Ostsee, ist ein unermess- licher Schaden gegeben. Bei Tankerneubauten gilt schon heute die Doppelwandpflicht bei einer Ladung ab 5 000 Tonnen. Hier müssen gleiche Standards für alle Schiffstypen geschaffen werden. Und auch für Tanker unter 5 000 Tonnen muss die Doppelwand Pflicht sein! Gerade sie bedeuten eine besondere Gefahr für Mensch und Natur, denn sie werden hauptsächlich im Küstenver- kehr eingesetzt. Allein die hier genannten Beobachtungen zeigen den Umfang der Risiko-Spanne für die Ostsee. Hinzu kommt: Der Schiffsverkehr im baltischen Meer nimmt Jahr um Jahr zu, leider auch das Alter der Boote. Außer- dem: Die Öltanker werden immer größer. Auch damit steigt das Risiko. Noch immer gibt es mehr Ein- als Doppelwandschiffe im baltischen Meer. Und nach den geltenden Bestimmungen wird sich erst in gut zehn Jah- ren dieser Sachverhalt ändern. Zehn Jahre weitere halb- herzige Sicherheit auf der Ostsee sind nicht vertretbar! Wir erwarten, dass die Ostsee zu einem PSSA-Sonderge- biet erklärt wird, es besondere Kontrollen für Risiko- boote gibt und gleiche Sicherheitsauflagen für alle Ost- seeanrainer – Russland eingeschlossen. Wenn Rußland und die IMU nicht mitziehen, muss Europa ein eigenes Sicherheitsnetz schaffen. Unser Appell zur Optimierung der Seesicherheit rich- tet sich aber zugleich an die Schiffsbetreiber und Billig- flaggenstaaten. Wenn vorrangig nach der Devise verfah- ren wird: Erst der Gewinn – dann die Sicherheit, ist zu prüfen, ob der Landweg mit Öl-Pipelines eine Risikomi- nimierung bedeutet. Der weitaus überwiegende Teil der deutschen und europäischen Reeder handelt überaus verantwortungsbe- wußt und ist an Sicherheit orientiert. Es sind die schwar- zen Schafe, die die Seesicherheit durch mangelnde Tech- nik und unvertretbare Behandlung des Boardpersonals gefährden. Hier setzt die Eigenverantwortung der Ver- bände an. Unabhängig davon wiederhole ich noch ein- mal: Der Ostsee fehlt immer noch ein verbindliches See- sicherheitskonzept. Eine Richtungsänderung ist dringend geboten! Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf, unse- rem Antrag heute zuzustimmen. Die Menschen nicht nur an der Küste sind voller Sorge, daß ein Unglück wie das der „Prestige“ auch bei uns passieren könnte. Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen. Die USA haben gehandelt. Bereits lange vor dem Untergang des Öltankers vor Spaniens Küste gab es ein Verbot für Einhüllentanker und weitere Sicherheits- auflagen in den USA. Das zögerliche und bedenkenrei- che Brüssel und auch Berlin sollten sich an den Ameri- kanern ein Beispiel nehmen. Enak Ferleman (CDU/CSU): Im rot-grünen Sprach- gebrauch steht die Nachhaltigkeit ganz oben auf der Liste der am häufigsten verwendeten Begriffe. Nachhal- tigkeit soll signalisieren, dass politische Zielsetzung, Konzeptionierung und Umsetzungsplanung verfolgt werden und langfristig orientiert sind. Auf jedem der von Rot-Grün bewegten Themenfelder hat die Nachhal- tigkeit als Begriff inzwischen ihre Heimat gefunden, lei- der vielfach nur als Worthülse. Denn auf vielen politi- schen Feldern kann die Bundesregierung gerade nicht vorweisen, dass sie tatsächlich eine nachhaltige Politik betreibt. Auch die Hilfestellung durch viele Kommissio- nen und Expertenrunden hat relativ wenig dazu beitra- gen können, dass sich im fünften Jahr der Regierungs- verantwortung tatsächlich auch einmal eine nachhaltige Wirkung zeigt bzw. entwickelt. Ganz im Gegenteil: Rot- Grün wird noch nicht einmal aus Fehlern klug. Wider Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4745 (A) (C) (B) (D) besseres Wissen, werden die Dinge nicht zu Ende ge- dacht, geschweige zu Ende gebracht. Auf dem Papier scheint es zwar so, als sei das Havariekommando in Cuxhaven, das endlich vier Jahre nach dem Unglück der „Pallas“ eingerichtet worden ist, befähigt, effektiv im Falle einer Havarie an Nord- und Ostsee tätig zu werden. Unterstrichen wird der falsche Eindruck durch die Si- cherheitsankündigungen des Bundesverkehrsministers, die er als Aktivitäten bezeichnet. Bei näherer Betrach- tung sieht man aber, dass hier nur Sicherheit suggeriert wird und sich in Wahrheit ein ganz anderes Bild zeigt. Ausgerechnet bei einem ökologischen Thema, bei dem man von einer rot-grünen Bundesregierung einen gekonnten Umgang mit einer nachhaltiger Vorgehens- weise erwarten sollte, stößt man auf zögerliche Halbher- zigkeiten, die am Verantwortungsbewusstsein des Ver- kehrsministers für die Sicherheit auf See berechtigte Zweifel aufkommen lassen. Die schrecklichen Folgen der Meeresverschmutzung vor den Küsten Frankreichs, Spaniens und Portugals für Mensch und Umwelt haben wir alle gesehen. Die finanziellen Schäden, die in den betroffenen Küstenregionen entstanden sind, haben wir in ihrer ökönomischen Auswirkung zur Kenntnis ge- nommen. Und deshalb gehört nun auch endlich auf die Agenda, beim Havariekommando in Cuxhaven – anstatt zu reden – Strukturen zu schaffen, die ein reibungsloses Vorgehen im Falle einer Havarie an Ost- oder Nordsee sicherstellen. Ich fordere die Bundesregierung auf, Festlegungen zu treffen und Strukturen zu schaffen, die dem Havarie- kommando in Cuxhaven die Möglichkeiten für eine ef- fektive Aufgabenerledigung geben. Davon sind Sie weit entfernt. Der Bundesverkehrsminister hat sich bis heute außerstande gesehen, dafür zu sorgen, dass die räumli- chen Voraussetzungen als Bedingung für eine gut orga- nisierte Zusammenarbeit der verantwortlichen Kräfte ge- schaffen werden. Man muss sich mal vorstellen, dass die Mitarbeiter bis heute an verschiedenen Stellen unterge- bracht sind. Nach über einem Jahr ist noch nicht über eine taugliche Immobilie entschieden, obwohl es Ange- bote gibt – ein Armutszeugnis! Bis heute sind keine Notliegeplätze an den Küsten und in den Häfen ausgewiesen. Wollen Sie das diskutie- ren, wenn die Katastrophe da ist? Lösen Sie dieses Pro- blem! Oder glaubt jemand ernsthaft, dass Hafenämter im Schadensfalle begeistert sein werden, im Hafen Plätze für havarierte Schiffe zur Verfügung zu stellen? Da muss vorher Klarheit geschaffen werden. Allein das jüngste Beispiel vor Cuxhaven, die Havarie der „Lindholm“, hat deutlich gezeigt, dass angesichts einer zu erwartenden Ölverseuchung im Hafen nur eines versucht wird: den Havaristen loszuwerden und auf See zu schleppen. In den Hafenämtern will sich doch keiner mit tonnenweise ausgelaufenem Öl herumärgern oder mit Versicherern herumschlagen, die die Schäden der Ölbeseitigung be- gleichen sollen und dazu keine Neigung verspüren. Da- bei war die Havarie der „Lindholm" vergleichsweise ein- fach. Der lecke Kümo hatte auch nur 10 Tonnen Öl an Bord. Für den Badebetrieb in Cuxhaven aber wäre auch diese Menge schon Gift gewesen. Eine zentrale Stelle, die mit bindender Wirkung entschieden hätte, was zu passieren hat, nämlich unser Havariekommando in Cux- haven, wäre schön gewesen. Aber Fehlanzeige! Von dort wurden die Probleme nicht gelöst. Hier hat sich bereits im Kleinen gezeigt, was im Großen schief gehen wird. Bis heute ist kein klares Notschleppkonzept auf dem Tisch. Dies ist eine Problematik, die nur durch Vorpla- nung zu regeln ist. Und es muss ein Gesamtkonzept für Nord- und Ostsee auf den Tisch, was die Sache nicht ein- facher macht. Ohne entsprechende Regelungen ist alles andere, was für die Schiffssicherheit getan wird, nur die Hälfte wert. Notschlepperkapazitäten erst dann zu orga- nisieren, wenn die Havarie da ist, ist zu spät. Es müssen Kompetenzen festgelegt werden. Das Ha- variekommando muss auch diejenige Einrichtung sein, die das Letztentscheidungsrecht hat. Wenn, wie bei der Havarie der „Lindholm“, Schlimmeres verhindert wurde, weil der Kollege Zufall genügend Einsehen hatte, dann darf das nicht dazu verlocken, die Hände in den Schoß zu legen. Viele Fragen stehen unbeantwortet im Raum. Ich for- dere die Bundesregierung auf, endlich Antworten zu ge- ben, anstatt auf irgendwelche ungeeigneten Aktivitäten zu verweisen. Lösen Sie die vordringlichen Probleme an der Ostsee und übertragen Sie sie auf die Nordsee! Wir werden Sie immer wieder mit unseren Forderungen kon- frontieren. Handeln Sie freiwillig, bevor die erste große Katastrophe vor der deutschen Küste Sie dazu zwingt! Damit erfüllen Sie dann auch den Anspruch, den der von Ihnen gerne verwendete Begriff der Nachhaltigkeit an Sie stellt. In diesem Sinne fordere ich alle, insbesondere aber die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen nachdrücklich auf, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Vorrang für die Ostseesicherheit! Dieses Ziel kann ich voll und ganz unterstützen. Leider mussten wir in der letzten Woche bei diesem Kampf eine herbe Nie- derlage hinnehmen. Die Ostsee wird vorerst nicht als be- sonders schutzwürdiges Gebiet (PSSA) ausgewiesen. Russland hatte dagegen sein Veto eingelegt. Denn Russ- land gibt der Ostseesicherheit keinen Vorrang. Vorrang haben vielmehr wirtschaftliche Interessen. Russland will seine Ölexporte bis 2010 nahezu verdoppeln. Dafür wer- den die russischen Ölhäfen mit Hochdruck ausgebaut. Fachleute rechnen mit einer Verdreifachung der Öl- menge, die über die Ostsee transportiert wird. Aber nicht nur die Ausweisung der Ostsee als PSSA-Gebiet lehnt Russland ab. Russland hält auch nichts von einem Ver- bot von einwandigen Öltankern, wie es kürzlich von der EU beschlossen wurde. Einwandige Tanker sind bereits bei normalen Witterungsbedingungen unverantwortlich. Aber im Winter werden sie zu einer Zeitbombe. Einwan- dige Öltanker fräsen sich im Nadelöhr vor Sankt Peters- burg ihren Weg durch eine dicke Eisschicht. Da ist es nur eine Frage der Zeit, wann es zu einer großen Katastrophe kommt. Da Russland kein Mitglied der Europäischen Union (EU) ist, gelten die strengeren europäischen Sicherheits- 4746 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) standards dort auch nicht. Gerade deshalb ist es wichtig, dass auf Russland politischer Druck ausgeübt wird. In diesem Sinne begrüße ich grundsätzlich den Antrag der CDU/CSU, auch wenn ich in der Sache in einigen Punk- ten deutliche Differenzen zu den vorgelegten Forderun- gen habe. Auf nationaler und europäischer Ebene wurden viele vernünftige Initiativen ergriffen, die für mehr Sicherheit auf den Meeren und in den Küstengewässern sorgen. Ich nenne hier nur die beiden „Erika“-Maßnahmenpakete der EU und die Schaffung eines Havarie-Kommandos in Cuxhaven. Aber damit ist noch nicht alles getan, um die Sicherheit der Meere nachhaltig zu gewährleisten. Von besonderer Brisanz ist die Situation in der Kadetrinne. Angesichts der enorm steigenden Schiffsdurchfahrten ist das nicht mehr zu verantworten. Deshalb ist die Forde- rung richtig, umgehend mit den Ostseenachbarn eine Lotsenannahmepflicht und eine Meldepflicht zu verein- baren. Dies gilt auch für ein ostseeweites Netz von Not- liegeplätzen und Nothäfen und für den Ausbau der Ra- darüberwachung. In all diesen Fragen sind wir, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, praktisch einer Meinung und die sollten wir auch im Interesse unseres Landes, der Si- cherheit der Meere und unserer Küsten gemeinsam ver- treten. In zwei Punkten stimme ich mit Ihnen jedoch nicht überein. Zum einen erscheint mir in Ihrem Antrag der Hinweis auf Malta und Zypern unverständlich. Sie deuten an, dass diesen beiden Staaten im Beitrittsvertrag eine Son- derbehandlung zugestanden wurde. Das ist nicht der Fall. Auch nach nochmaliger Lektüre des Beitrittsvertra- ges konnte ich keine Sonderbehandlung für diese Staaten erkennen. Mit dem Beitritt Maltas und Zyperns gelten alle diesbezüglichen Regeln der EU ab dem ersten Tag ihrer Mitgliedschaft. Zum anderen scheinen sie eine Grundgesetzänderung durch die Hintertür anzustreben. Dafür werden sie die Unterstützung von Bündnis 90/Die Grünen nicht bekom- men. Die Regelung, die Sie für eine künftige Küstenwa- che vorschlagen, ist mit der grundgesetzlichen Trennung von polizeilicher und militärischer Gewalt nicht verein- bar und auch völlig unnötig. Der Einsatz der Bundes- wehr in Katastrophenfällen ist eindeutig geregelt. Den Versuch der CDU/CSU, Bundeswehreinsätze im Inneren durch immer neue trickreiche Varianten durchzusetzen, werden wir entschieden und beharrlich zurückweisen. Allerdings halten auch wir die Weiterentwicklung des Havarie-Kommandos in Cuxhaven zu einer noch schlag- kräftigeren Organisation für geboten. Parallele Struktu- ren und unterschiedliche, sich teilweise gegenseitig be- hindernde Kompetenzhierarchien müssen konsequent abgebaut werden. Nur dann werden wir über eine schlagkräftige Küstenwache verfügen, die im Notfall schnell und effektiv reagieren kann. Zu prüfen ist auch die Schaffung einer europäischen Küstenwache. Auch wenn es sich hier nur um einen ersten Gedanken handelt, sollten wir ihn nicht von vornherein ablehnen. Umwelt- kriminalität und der Seeverkehr machen natürlich nicht an den Staatsgrenzen Halt. Deshalb müssen wir mutige europäische Lösungen finden. Denn wenn es so weiter- geht, wird die Ostsee bald ein von Ölteppichen überzo- genes schwarzes Meer sein. In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein ande- res internationales Problem ansprechen, das mich mit großer Sorge erfüllt. Weltweit laufen 1 500 Schiffe unter der Flagge Liberias. Davon sind mehr als ein Viertel deutsche Schiffe. Damit unterstützen deutsche Reeder maßgeblich das diktatorische Regime von Charles Taylor. Denn die Einnahmen aus dem Verkauf der Lan- desflagge tragen bis zu 25 Prozent zum liberianischen Haushalt bei und sind seit dem UN-Embargo gegen Tro- penholz, Waffen und Diamanten die Hauptfinanzie- rungsquelle des Taylor-Regimes. Dieses Regime befin- det sich seit Jahren in einem grausamen Bürgerkrieg, in dem brutal gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen wird. Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, Kriegsverbrechen sowie schwere Menschenrechtsver- stöße werden ihr angelastet. Wie Sie wissen, zerbrach auch der jüngste Waffenstillstand. Deshalb möchte ich diese Gelegenheit nutzen, die deutschen Reeder dazu aufzufordern, ihre Schiffe nicht mehr unter liberiani- scher Flagge fahren zu lassen. Denn durch den Kauf der liberianischen Flagge unterstützen sie das menschenver- achtende Regime des Diktators Charles Taylor. Wenn Sie weiterhin auf ein UN-Embargo gegen das offene Re- gister Liberias warten, helfen sie dem Taylor-Regime, den Bürgerkrieg fortzuführen. Abschließend möchte ich zum Thema Vorrang für die Ostseesicherheit noch auf etwas hinweisen, was an sich zwar offensichtlich ist, aber dennoch oft übersehen wird. Die Vermeidung von Gefahren ist die beste Sicherheits- strategie von allen. Das heißt, jeder Tropfen Öl, der nicht über die Weltmeere nach Deutschland gebracht wird, sondern durch Energieeinsparung oder regenerative Energien ersetzt wird, ist die beste aller Sicherheitsvor- kehrungen überhaupt. Hans-Michael Goldmann (FDP): Als Opposition sollten wir dort, wo es geboten ist, auch einmal die Re- gierung loben. Im Fall der Sicherheit auf der Ostsee hat die Regierung in der Tat einige richtige Schritte unter- nommen und der CDU/CSU-Antrag ist in einigen Punk- ten schlicht überholt. Ein Punkt macht mir allerdings Sorgen. Bei der Hava- rie des chinesischen Frachters „Fu Shan Hai“ haben sich die Dänen wie damals bei der „Pallas“ nicht gerade ko- operativ verhalten. Die schwedische Verkehrsministerin Ulrika Messing warf ihrem dänischen Kollegen vor, dass der Untergang an der ungünstigen Stelle auf das zögerli- che Verhalten der dänischen Behörden zurückzuführen sei weil das schwedische Hilfsangebot drei Stunden un- beantwortet blieb. Die Dänen scheinen seit dem „Pal- las“-Unglück nichts dazugelernt zu haben. Hier ist die Bundesregierung dringend aufgefordert, in Gespräche mit der dänischen Regierung einzutreten. Es ist ja schön und gut, dass die Dänen ebenfalls eine Lotsannahme- pflicht für die Kadetrinne fordern, doch mindestens ebenso wichtig ist, dass sie im Falle einer Havarie voll- ständig mit ihren Nachbarländern kooperieren. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4747 (A) (C) (B) (D) Nach dem Lob der Regierung müssen wir uns aber natürlich auch mit den Themen beschäftigen, die die Re- gierung noch immer nicht vernünftig abgearbeitet hat, wo sie völlig konzeptionslos erscheint. Sehr kritisch fällt die Bilanz zum Havariekommando aus. Noch immer gibt es keinen endgültigen Organisati- onserlass. Allen anderslautenden Ankündigungen zum Trotz, schwebt das Havariekommando im Ministerium immer noch in der Luft. Es ist sogar von ernsthaften Ver- stimmungen in der Verwaltung und bei den Personalräten zu hören. So schafft man kein Vertrauen in neue Sicher- heitsstrukturen. Im Gegensatz zu den Verlautbarungen des Ministeriums gibt es auch nach wie vor kein Durch- griffsrecht für das Havariekommando. Noch immer ist es auf den Goodwill möglicher Beteiligter angewiesen. Am grünen Tisch mögen die Erklärungen zur Zusam- menarbeit ja nett klingen, aber ob dies eine krisensichere und belastbare Basis für die Arbeit des Havariekomman- dos darstellt, bezweifle ich. Den größten Vogel hat unser Bundesverkehrsminister allerdings mit seinem „Notliegeplatz-Konzept“ abge- schossen. In der aktuellen Ausgabe der Waterkant heißt es hierzu sogar: „Gäbe es einen Preis für das schönste Polit-Märchen, wäre der deutsche Bundesverkehrsminis- ter Stolpe ein Spitzenkandidat.“ Noch im Januar dieses Jahres erklärte er, dass Deutschland ein ganzes Netzwerk von Nothäfen bereitstellen würde. Doch was ist daraus geworden? Kein einziges europäisches Küstenland hat bislang Notliegeplätze ausgewiesen. Herr Stolpe hat eine geheime Liste der deutschen Häfen und Reeden an das Havariekommando übergeben, die würden es schon rich- ten. Das Hafenhandbuch hätte das Havariekommando in jeder Buchhandlung kaufen können. Die Hafenliste ist aber deshalb ein großes Staatsgeheimnis, weil öffentlich ausgewiesene Nothäfen die Bevölkerung beunruhigen würden. Wir Küstenbewohner wissen, dass wir Nothäfen und Notliegeplätze benötigen, um größere Gefahren von der Küste abzuwenden. Wir wollen endlich wissen, wann, bei welcher Havarieart, bei welcher Ladung und welcher Gefährdung ein Havarist welchen Nothafen oder Notliegeplatz anlaufen soll. Wir brauchen Ver- trauen in die Sicherheitskonzepte der Regierung. Wir brauchen einen Minister, der uns keine Märchen erzählt. Ich komme nicht umhin, diese Gelegenheit zu nutzen, um abermals auf das widersprüchliche Verhalten der Bundesregierung in Sachen Schadstoffunfall-Bekämp- fungsschiff hinzuweisen. In der Pressemitteilung Nr. 207/03 des BMVBW teilt die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Mertens mit, dass das Ministerium die Kooperation zwischen Staat und Privatwirtschaft su- che. Das ist ja durchaus erfreulich. Doch warum lassen Sie Ihren Worten denn nicht auch endlich einmal Taten folgen? Stattdessen halten Sie trotz leerer öffentlicher Kassen an einem öffentlich gebauten und öffentlich be- reederten Schadstoffunfall-Bekämpfungsschiff fest. Das SUBS für die Ostsee könnte wirtschaftlicher von priva- ter Seite bereedert werden und ich bin überzeugt, dass wir damit auch gutes Know-how einkaufen würden. Die Erfahrungen mit der „Oceanic“ und der „Fairplay 26“ zeigen doch eindrucksvoll, dass die Privaten höchsten Anforderungen an die Ausbildung der Besatzungen ge- recht werden. Privaten wäre dann wohl auch nicht der Fehler unterlaufen, das SUBS mit einem veralteten Saug- entöler auszustatten, der die Ölbekämpfungsfähigkeit des Neubaus fraglich erscheinen lässt. Doch nicht nur das BMVBW scheint es mit der Ko- operation mit der Privatwirtschaft nicht besonders ernst zu nehmen. Auch das Verteidigungsministerium rechnet sich die öffentliche Bereederung des Forschungsschiffes „Planet“ schön. Angesichts dieser Beispiele sind solche hehren Erklärungen wie die von Frau Mertens nichts wert. Als Fazit bleibt wieder einmal festzustellen, dass in vielen Fällen unsere Regierung uns mit Versprechungen und Märchen ruhig stellen will und nicht die Absicht hat, ihre Ankündigungen auch in die Tat umzusetzen. Angelika Mertens, Parl. Staatssekretärin beim Bun- desminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Wir untersuchen zurzeit für bestimmte Teile der Ostsee, wel- che Seegebiete und welche zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz der Meeresumwelt und der Küstenregionen sich am besten für eine Ausweisung als PSSA eignen. Schweden, Dänemark, Finnland und die baltischen Staa- ten beabsichtigen, bei der Internationalen Seeschiff- fahrts-Organisation (IMO) einen Antrag zu stellen, wo- nach die gesamte Ostsee als PSSA ausgewiesen werden soll. Es könnten dann für ein solches Gebiet strengere Regelungen zur Erhöhung der Sicherheit des Schiffsver- kehrs getroffen werden. Auf dem G-8-Gipfel von Evian im Juni 2003 haben die Partnerstaaten einem Aktionsplan zur Tankersicher- heit zugestimmt, der unter anderem eine Lotsenpflicht für enge, gefährliche und viel befahrene Schifffahrtsstra- ßen vorsieht. Die Einführung einer Pflicht zur Lotsenannahme für bestimmte Schiffe und Fahrtgebiete speziell in der Ost- see wäre ein wichtiger Faktor für die Sicherheit des Schiffsverkehrs und den Schutz der Meeresumwelt. Da es sich um internationale Gewässer handelt, sind ent- sprechende Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit des Schiffsverkehrs nur im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) möglich. Zunächst ist eine Verständigung aller Ostseeanrainerstaaten erfor- derlich, um eine wirksame Initiative bei der IMO zu ent- wickeln. Die Bundesregierung hat bereits Schritte unternom- men, um mit Russland in Fragen der Schiffssicherheit und der Lotsenannahmepflicht in der Ostsee ins Ge- spräch zu kommen. Beide Seiten haben sich darauf ver- ständigt, die Möglichkeiten zur Verbesserung der Sicher- heit in der Ostsee-Schifffahrt von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe analysieren zu lassen. Das Thema war auch Gegenstand der Gespräche beim HELCOM-Workshop in Rostock im März 2003; im Er- gebnis wird eine Lotsenannahmepflicht auch in interna- tionalen Gewässern grundsätzlich als positiver Ansatz zur Erhöhung der Schiffssicherheit angesehen. Auf Fach- ebene soll in einer Expertengruppe (Dänemark, Deutsch- land, Finnland, Lettland, Polen, Russland, Schweden) 4748 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) das System einer Lotsenannahmepflicht im Einzelnen diskutiert werden. Eine erste Sitzung der Arbeitsgruppe hat bereits im Mai 2003 stattgefunden, die Fortsetzung erfolgt im September 2003. Die Bundesregierung setzt bei der Überwachung des Seegebietes Ostsee anstelle der technisch unzureichen- den Weitbereichsradaranlagen auf das präzisere automa- tische Schiffsidentifizierungssystem (AIS). Für den Be- reich der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in Deutschland wird eine funktechnische Abdeckung zur Erfassung aller von den AIS-Bordgeräten zur Verfügung gestellten Daten und eine entsprechende Landinfrastruk- tur zurzeit aufgebaut. Mit dem automatischen Schiffsidentifizierungssystem (AIS) ist eine vollständige Erfassung aller ausgerüsteten Schiffe möglich; umfangreiche Detailinformationen werden verfügbar. Unter maßgeblicher deutscher Mit- wirkung wurde erreicht, dass eine weltweite Ausrüs- tungspflicht für alle Schiffe größer 300 BRZ mit AIS verbindlich durchgesetzt ist. Die Ausrüstung erfolgt jetzt schrittweise nach Schiffstypen und Schiffsgrößen gestaf- felt und wird nach einer Entscheidung der IMO vom De- zember letzten Jahres im Dezember 2004 international ab- geschlossen sein. Risikoschiffe – zum Beispiel Tanker – müssen bereits heute mit AIS ausgerüstet sein. Eine EU- Richtlinie setzt diese IMO-Vorschrift für die Mitglied- staaten verbindlich um. Die Befürchtung, dass so ge- nannte Sub-Standard-Schiffe einer langzeitigen Beob- achtung zum Beispiel durch Abschalten der AIS-Geräte entgehen könnten, ist nicht begründet, da eine Unterbre- chung der AIS-Aussendungen an Land in den entspre- chenden Verkehrszentralen einen so genannten „Lost Target“-Alarm auslösen würde. Darüber hinaus ist beab- sichtigt, die AIS-Informationen europaweit untereinan- der auszutauschen. Da auf den Flüssen und in den An- steuerungsbereichen zu deutschen Häfen zusätzlich eine Radarabdeckung vorhanden ist, ist mit großer Sicherheit auszuschließen, dass ein ausrüstungspflichtiges Fahr- zeug, ohne AIS in Betrieb zu nehmen, einen Hafen ver- lässt. Die Nutzung von AIS macht die Einführung einer Meldepflicht entbehrlich, da alle verkehrsrelevanten In- formationen ständig automatisch den entsprechend ein- gerichteten Landstationen zur Verfügung stehen. Die AIS-Informationsnutzung ist darüber hinaus nicht von der Einführung einer Meldepflicht abhängig. Erfahrungen aus jüngsten Schiffshavarien auch vor der deutschen Küste und eine geänderte Gefahrenlage erfordern angemessene Reaktionen im Bereich des Ha- variemanagements und der polizeilichen Gefahrenab- wehr. Mit dem Havariekommando wurde in beispielhaf- ter Kooperation zwischen dem Bund und allen fünf Küstenländern eine gemeinsame Einrichtung geschaffen, die ein einheitliches und damit effektives Unfallmanage- ment bei schweren Havarien gewährleistet. Mit den Nachbarstaaten Dänemark, Niederlande, Schweden und Polen bestehen Kooperationsvereinbarungen. Sowohl die Havarie der „Prestige“, als auch das Un- glück der „Erika“ – 1999 – haben gezeigt, dass Schiffen in Problemsituationen geholfen werden muss. Eine mög- liche Hilfe kann es sein, dass Schiffe in Not unverzüg- lich einen Hafen oder einen sicheren Liegeplatz anlaufen können. Deshalb hat die Internationale Seeschifffahrts- Organisation (IMO) – nicht zuletzt auf Initiative Deutschlands – das Thema als einen Programmschwer- punkt in das Arbeitsprogramm der IMO aufgenommen. Der Entwurf einer Richtlinie zur Erfassung und Ein- richtung von Notliegeplätzen ist im Mai dieses Jahres in London angenommen worden und wird in einem be- schleunigten Verfahren voraussichtlich noch in diesem Herbst von der IMO-Vollversammlung verabschiedet werden. Das deutsche Notliegeplatzkonzept, wie auch das Konzept aller anderen EU-Mitgliedstaaten, sieht keine ausdrückliche Ausweisung von Notliegeplätzen vor. Entsprechend dem deutschen Notliegeplatzkonzept wird eine umfassende Datensammlung mit den Eigen- schaften aller infrage kommenden Liegeplätze für Schiffe in komplexer Schadenslage angelegt und vom Havariekommando gepflegt. Die Zuweisung eines Notliegeplatzes für Schiffe – ein- schließlich Tanker – in einer unmittelbar bevorstehenden oder bereits eingetretenen komplexen Schadenslage er- folgt durch das Havariekommando aufgrund einer Ein- zelfallentscheidung, die zum einen das konkrete Gefähr- dungspotenzial und zum anderen die für den speziellen Fall geeigneten infrage kommenden Notliegeplätze im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit berücksichtigt. Dabei werden alle örtlich zuständigen Stellen in den Entschei- dungsprozess durch Beteiligung einbezogen. Eine Anhörung der EU-Kommission am 31. Januar 2003 in Brüssel hat ergeben, dass ebenso wie Deutsch- land auch die anderen Mitgliedstaaten der EU nicht be- absichtigen, bestimmte Häfen als Notliegeplätze auszu- weisen und bekannt zu machen, sondern immer von Fall zu Fall zu entscheiden. Entsprechend dem europäischen Notliegeplatz-Kon- zept ist beabsichtigt, regional die Informationen über mögliche Notliegeplätze mit den Nachbarstaaten intern auszutauschen, damit diese in die Entscheidung der je- weils zuständigen kompetenten Stelle einbezogen wer- den können. Deutschland hat ein Notschleppkonzept entwickelt und weitgehend umgesetzt, das auch international kei- nen Vergleich zu scheuen braucht. Für Notschleppaufga- ben stehen in der Nordsee drei Fahrzeuge (Mehrzweck- fahrzeuge „Neuwerk“, „Mellum“, und Schlepper „Oceanic“) und derzeit in der Ostsee vier Fahrzeuge (Mehrzweckfahrzeug „Scharhörn“, Schlepper „Bülk“, „Fairplay 25“, „Fairplay 22“) in Einsatzbereitschaft, ein weiteres Mehrzweckfahrzeug ist in Bau und wird 2004 in Dienst gestellt. Damit werden Eingreifzeiten von ma- ximal zwei Stunden erreicht. Dänemark, Schweden und Polen stimmen mit Deutschland in der Zielsetzung überein, eine Transit- route für Tanker durch die gesamte Ostsee zur Erhöhung der Verkehrssicherheit festzulegen. Darin eingeschlos- sen ist die Festlegung eines in der Seekarte eingetrage- nen Tiefwasserweges durch die deutsche bzw. dänische ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) ohne separate Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4749 (A) (C) (B) (D) Betonnung, der Tankern und Schiffen mit anderer ge- fährlicher Ladung einer bestimmten Größe von der IMO empfohlen werden soll. Sie sind zu dem Schluss gekom- men, dass dieses jedoch noch weiterer Untersuchungen bedarf. Die Bundesregierung hat gemeinsam mit den übrigen EU-Mitgliedstaaten in der Internationalen Seeschifffahrts- Organisation (IMO) in London eine Initiative zur weiteren Beschleunigung der Ausphasung von Einhüllen-Öltank- schiffen gestartet. Die Ausphasungsfristen sollen ent- sprechend der vom Ministerrat (Verkehr) am 17. März 2003 beschlossenen Verordnung zur Änderung der Ver- ordnung (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigten Einfüh- rung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstrukt- ionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2978/94 des Rates auf 2005 bzw. 2010 verkürzt werden. Die Initiative der europäischen Staaten wird im Maritime Environment Protection Committee (MEPC) der IMO Mitte Juli 2003 beraten werden. In der geänderten EG-Verordnung ist außerdem ein sofortiges Anlaufverbot für Einhüllen-Öl- tankschiffe enthalten, die Schweröl transportieren und europäische Häfen ansteuern. Tanker in der Transitfahrt sind von diesem Verbot nicht betroffen. Um auch die Transitverkehre in der Ostsee sicherer zu machen, bemüht sich die Bundesregierung bei HELCOM, einer Konferenz, die alle Ostseeanrainer einbindet, um verbindliche Wegeführung und Lotsenannahmepflich- ten für Tanker. Angesichts der eingeleiteten Initiativen der EG-Ver- ordnung und der IMO wird für die Ostsee die Einfüh- rung weitergehender Regelungen zurzeit nicht verfolgt. Ein sofortiges Verbot von Einhüllentankern in der Ostsee müsste ebenfalls von der IMO beschlossen werden, wenn man eine wirksame Regelung anstrebt, die Schiffe aller Nationen einbezieht. Übergangsregelungen in Bezug auf Schiffsicherheits- anforderungen für die der EU in Kürze beitretenden Staaten sind nicht bekannt und würden von der Bundes- regierung auch nicht unterstützt. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über die Unterrichtung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Bemühun- gen um Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung sowie über die Entwicklung der Streitkräftepotenziale (Jahresabrüstungs- bericht 2002) (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Der jetzt vorgelegte Jah- resabrüstungsbericht 2002 rückt wichtige Themen der Außenpolitik in den Blickpunkt. Abrüstung, Rüstungs- kontrolle und Nichtverbreitung sind für die SPD-Bun- destagsfraktion unverzichtbare Bestandteile einer multi- lateralen Weltordnung. Diese Elemente wollen wir stärken. Mit dem Jahresabrüstungsbericht 2002 haben wir ei- nen guten Überblick über den Stand und die Erfolge der Rüstungssteuerung. Zugleich weist uns der Bericht auf Defizite und Handlungsbedarf hin. Ich danke der Bun- desregierung und den Autorinnen und Autoren für ihre wertvolle Arbeit und ihre Hinweise. Damit können wir im Unterausschuss für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung unsere Beratungen konzentriert und fachkundig weiterführen – und an einem Ziel wei- terarbeiten, das fraktionsübergreifend geteilt wird: Wir wollen gemeinsam Rüstung in Europa kontrollieren und beschränken sowie vergleichbare Möglichkeiten für re- gionale Konflikte erörtern und anregen. Rüstungskontrollverträge haben während des Ost- West-Konflikts zur Vertrauensbildung und Kooperation beigetragen. Auch wenn sie das Sicherheitsdilemma nicht auflösen konnten, haben diese Verträge Verläss- lichkeit hergestellt. Abrüstung und Rüstungskontrolle waren ein Grundpfeiler der damaligen Sicherheitsarchi- tektur – und sie haben auch heute Zukunft. Abrüstung und Rüstungskontrolle müssen zu einem unverkennba- ren Merkmal der europäischen Integration werden. Die Voraussetzungen sind günstig: Kriege sind in der Euro- päischen Union undenkbar geworden. Militär und Rüs- tung dienen heute dazu, potenzielle Angreifer abzu- schrecken und im Auftrag der Vereinten Nationen und seiner Organisationen außerhalb der Gemeinschaftsgren- zen zu handeln. Die rüstungskontrollpolitische Bilanz ist trotz dieser günstigen Voraussetzungen widersprüchlich: Einerseits sind in den vergangenen Wochen wichtige Verabredun- gen zugunsten neuer Abrüstungsinitiativen getroffen worden. Die USA und die EU haben sich auf gemein- same Schritte verständigt, um die Verbreitung von Mas- senvernichtungswaffen zu unterbinden. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben am 20. Juni 2003 be- schlossen, bestehende Nichtverbreitungsverträge zu stär- ken, Exportkontrollen zu intensivieren, die internatio- nale Zusammenarbeit auszubauen und den politischen Dialog mit anderen Ländern zu vertiefen. Die G8 haben eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, worin die Verträge gegen die Verbreitung von Atom-, Chemie- und Bio-Waffen ausdrücklich gewürdigt werden. Andererseits ist die Dekade der Abrüstung vorbei: Nach einem Bericht des Stockholmer Friedensfor- schungsinstituts SIPRI sind die Rüstungsausgaben kräf- tig gestiegen, allein im letzten Jahr weltweit um 6 Pro- zent. Wirksame Abrüstungsverträge wurden in den letzten Jahren nicht geschlossen. Die Blockade der Gen- fer Abrüstungskonferenz geht mittlerweile ins siebte Jahr. Die Verhandlungen über ein Verifikationsprotokoll zur Biowaffenkonvention sind gescheitert. Zwar haben die Präsidenten Bush und Putin am 24. Mai 2002 einen Vertrag über die Reduzierung der strategischen Offen- sivwaffen unterzeichnet. Allerdings beinhaltet der Text keine Verifikation und die Sprengköpfe und Trägersys- teme müssen nicht vernichtet werden. Zudem ist die Gültigkeit des Vertrages begrenzt. Am Ende des vergangenen Jahrzehnts sind Indien und Pakistan Atomwaffenmächte geworden. In diesem Jahr- 4750 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) zehnt streben weitere Länder nach der Atombombe. Nordkorea will nicht nur im Besitz von atomaren Sprengköpfen sein. Das Land hat sich ebenso zu einem wichtigen Exporteur entsprechender Trägermittel entwi- ckelt. Der Iran geht einen Weg, der ebenfalls Nachfragen provoziert. Anzumerken bleibt hier, dass die Verantwort- lichen in Teheran nach wie vor mit der Internationalen Atomenergieorganisation kooperieren. Diesen Weg müs- sen wir unterstützen. Der Iran darf nicht aus dem Nicht- verbreitungsvertrag aussteigen. Die Bundesregierung hat zusammen mit anderen europäischen Regierungen inten- sive Gespräche geführt, damit der Iran ein Zusatzproto- koll mit der Internationalen Atomorganisation zeichnet. Dies wäre ein wichtiger und richtiger Schritt. Die schlechten Nachrichten werden zudem von Ent- wicklungen begleitet, die das Konzept der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung grundsätzlich infrage stellen: Erstens. Das Militär wird immer häufiger zu einem Mittel der Politik. Die USA haben den Krieg gegen den Irak auch damit begründet, die – bis heute nicht gefunde- nen – Waffen, die den Weltfrieden gefährden, zerstören zu wollen. Die Europäische Union ist ebenfalls bereit, als letztes Mittel militärische Gewalt gegen Proliferato- ren einzusetzen, wenn zuvor alle anderen friedlichen Mittel zur Abrüstung und Rüstungskontrolle versagt ha- ben. Im Gegensatz zur US-Militärdoktrin will man in Europa eine solche Entscheidung zwar nur im „Einklang mit internationalem Recht“ treffen. Ob eine solche Stra- tegie aber Proliferatoren zum Einlenken bewegen kann, ist mehr als zweifelhaft. Zugleich ist zu befürchten, dass Despoten vor diesem Hintergrund noch zielstrebiger den Griff zur Bombe wagen, gewissermaßen als Vorbeugung vor gewaltsamen Schlägen. Für diese Annahme spricht, dass ursprünglich als defensive Maßnahmen gedachte Entscheidungen, wie der Aufbau einer regionalen Rake- tenabwehr in Japan und Taiwan, die VR China, Russland und Nordkorea ihrerseits veranlassen, die eigenen Offen- sivfähigkeiten zu stärken. Diese Reaktionsmuster ken- nen wir als Sicherheitsdilemma aus dem Ost-West-Kon- flikt. Gerade bei neuen Rüstungsprojekten müssen die Auswirkungen auf das Umfeld bedacht werden. Zweitens. Mit dem Entwurf für eine gemeinsame europäische Verfassung sind wir auf dem Weg zu einem europäischen Friedensbund. Die Artikel zur Außen-, Si- cherheits- und Verteidigungspolitik können die multila- terale Weltordnung stärken. Allerdings ist es ungewöhn- lich, dass ein „Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“ Verfassungsrang erhalten soll. Eine Abrüstungsbehörde hätte den zivilen Charakter der Gemeinschaftspolitik meines Erachtens besser gefördert. Ich hoffe, dass sich hinter dieser Entscheidung nicht eine allgemeine Abkehr vom Bild der Zivilmacht Europa verbirgt. Leider gibt es dafür einige Anzeichen: Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) beinhaltet eine militärische und eine nicht mili- tärische Komponente. Letztere umfasst dabei die Bereit- stellung von Polizei, Rechts- und Verwaltungsexperten sowie von Mitgliedern aus dem Bereich des Katastro- phenschutzes. Während der militärische Aufbau im Rah- men der ESVP – wie jetzt im Kongo – rasch voran- schreitet, ist die Entwicklung eines breit gefächerten zivilen Ansatzes in den Hintergrund getreten. Zivile Kri- senbewältigung muss zumindest gleichberechtigt neben den militärischen Aspekten der europäischen Außenpoli- tik stehen. Ich teile auch nicht die Auffassung, dass eine gemein- same Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Lack- mustest für Partnerschaftsfähigkeit in Europa ist. Part- nerschaft unter demokratischen Staaten beweist sich nicht in erster Linie durch militärische Integration, son- dern zuerst durch eine verstärkte zivile Zusammenarbeit. Die Kultur der Mäßigung muss ein Markenzeichen euro- päischer Außenpolitik bleiben. Ich wünsche mir, dass Rüstungskontrolle ein wesentlicher Bestandteil der neuen europäischen Sicherheitsstrategie wird. Wir haben gesehen, dass erst mit der Abrüstungsvereinbarung im Vertrag von Dayton langfristig Bedrohungsvorstellungen im ehemaligen Jugoslawien aufgebrochen werden konn- ten. So genannte Abrüstungskriege werden niemals das Verhalten von Staaten zugunsten eines friedlichen Aus- gleichs anregen. Drittens. Demokratien führen keine Kriege gegenei- nander. Das ist fast schon ein empirisches Gesetz. Des- halb sind eigenständige Schritte zugunsten von Demo- kratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und sozialer Gerechtigkeit nicht nur Strategien für einen innerstaatli- chen Friedensprozess, sondern auch für eine friedliche Welt. Der demokratische Friede hat allerdings eine Schattenseite: Demokratien intervenieren zunehmend militärisch in innerstaatliche oder zwischenstaatliche Konflikte. Der Gewaltverzicht von Demokratien ist da- her nur relativ. Dabei war es nicht immer einfach, einen gesellschaftlichen Konsens zugunsten eines Eingreifens herzustellen. Die Menschen scheuen die Risiken des Krieges. Wie aber werden sich demokratische Gesell- schaften verhalten, wenn die neueste Entwicklung der Militärtechnik die Risiken und Kosten von Kriegen dras- tisch mindert? Das militärische Eingreifen ist dabei nicht mehr nur eine Antwort auf die Gewalt in Konflikten, sondern auch eine Reaktion auf den normativen Wandel der internationalen Ordnung. Der Gewalteinsatz wird billigend in Kauf genommen, um autoritäre Führungen zu beseitigen. Was passiert, wenn der Zusammenhang von Demokratie und relativem Gewaltverzicht sich durch normativen Druck in sein Gegenteil verkehrt? Rüstungskontrolle muss als Strategie zur Kriegsverhü- tung diesem Trend entgegen wirken. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung haben nur eine Zukunft, wenn sich auch die USA dieses Mittels wieder bedienen. Ich bin der festen Über- zeugung, dass wir mit den Entscheidungsträgern in Washington dann wieder über solche Regelwerke ins Gespräch kommen, wenn wir eine robuste Rüstungskon- trolle etablieren können. Dazu gehören insbesondere wirksame Verifikations- und Sanktionsmechanismen. Die Inspektions- und Kontrollregime müssen gestärkt werden, unangemeldete Vor-Ort-Inspektionen gehören dazu ebenso wie der Aufbau eines qualifizierten unpartei- ischen Inspektorenteams. Wie Stand-by-Truppen brau- chen wir den Aufbau von Stand-by-Inspektionsteams. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4751 (A) (C) (B) (D) Wir müssen weiterhin ein weltweites Regime für den Besitz von Trägermitteln schaffen. Abrüstung muss auch in der NATO wieder Thema werden. Die Organisation bietet sich als Konsultationsgremium für den Abbau der substrategischen, nuklearen Kurzstreckenraketen an. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind Bestandteile einer klugen Außenpolitik. Deutsch- land kann diese Mittel umso überzeugender in der inter- nationalen Politik vertreten, weil wir selbst von ihnen profitiert haben. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung machen die Welt nicht nur sicherer. Sie können auch die regionale Zusammenarbeit stärken. Und vor allem: Die Prävention durch Rüstungskontrolle ist der Prävention durch Entwaffnungskriege allemal vorzuziehen. Ich bitte, der Überweisung des Berichts zuzustimmen. Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CDU/CSU): Spätestens mit den Anschlägen des 11. September wurde deutlich, dass wir uns in Intensität und Auswirkung mit kaum vorstellbaren Formen der Be- drohung unserer Sicherheit auseinander zu setzen haben. Die neue Herausforderung manifestiert sich in der Kon- frontation mit in ihrer Gefährdung unabsehbaren Fakten: internationaler Terrorismus, „gescheiterte Staaten“ und Massenvernichtungswaffen im Einzelnen wie in der fa- talen Kombination. Eine mit aller Entschlossenheit ver- folgte Nichtverbreitungspolitik muss daher im Verbund mit konsequenter Rüstungskontrolle und Abrüstung Leitprinzip einer neuen Sicherheitspolitik sein. Die verschiedenen internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge sowie -abkommen bilden in ihrer Gesamtheit ein vordergründig eindrucksvolles si- cherheitspolitisches Netzwerk. Allerdings ist jeder ge- scheiterte oder nicht implementierte Vertrag eine Lücke in jenem „Netz“ und kann somit zur Gefährdung der in- ternationalen, also auch unserer Sicherheit führen. In vielen Fällen sind die nationalen Handlungsmöglichkei- ten beschränkt und reduzieren sich auf den politischen Dialog mit den eigentlichen Vertragspartnern, etwa den USA und Russland, mit dem Ziel einer positiven Ein- flussnahme. Darüber hinaus gehendes konkretes politi- sches Handeln ist für Deutschland allerdings überall dort gefordert, wo die regionale Anwendung der Verträge und Abkommen im Schwerpunkt auf Europa ausgerich- tet ist. Nichtverbreitung, Abrüstung und Rüstungskontrolle muss daher verstärkt in einem europäischen Kontext, also als Bestandteil einer gemeinsamen europäischen Si- cherheitspolitik, verstanden und ausgestaltet werden, je- doch nicht in Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten, sondern mit komplementärem Charakter. Zur Bekämp- fung der neuen sicherheitspolitischen Herausforderun- gen brauchen wir ein geschlossenes Vorgehen von Euro- päern und Amerikanern. Eine solche Kooperation ist in beiderseitigem Interesse: 90 Prozent des Kampfes gegen den global vernetzten Terror wird mit Mitteln geführt, die nicht militärisch sind. Die amerikanische Übermacht auf letzterem Gebiet kann also allein keine Sicherheit garantieren. Umgekehrt aber kann Europa als Regional- macht ohne transatlantische Zusammenarbeit sich nicht wirksam gegen die neuen disparaten Bedrohungen schützen. Angesichts der neuen globalen sicherheitspoli- tischen Herausforderungen ist die Notwendigkeit der transatlantischen Zusammenarbeit – gerade, aber nicht lediglich in den Bereichen Rüstungskontrolle und Nicht- verbreitung – dringlicher denn je. Die erstrebte Funktionsfähigkeit zukünftiger sicher- heitspolitischer Zusammenarbeit erfordert eine gemein- same transatlantische Sicherheitsstrategie. Die Vorstel- lungen Washingtons liegen in Form der National Security Strategy seit dem letzten Herbst vor. Die Regie- rung Bush drängte bekanntlich zügig auf die Umsetzung dieser Strategie. Wesentliche, gerade emotionale Ge- sichtspunkte der transatlantischen Krise in der Irakfrage hätten vermieden werden können, wenn die europäische Seite in der Lage gewesen wäre, frühzeitig eigene Kon- zepte erkennen zu lassen, die den neuen sicherheitspoli- tischen Herausforderungen gerecht werden würden. Stattdessen beschränkte sich insbesondere der französi- sche und deutsche Beitrag allzu oft auf abschätzige, bes- tenfalls akademische Kritik, während man politische und praktische Antworten weitgehend schuldig blieb. So war der Weg in die Krise vorprogrammiert. Angesichts aller neuen wie bisherigen Bedrohungen, die auch im Bericht der Bundesregierung ausführlich benannt werden, kön- nen und dürfen wir uns solche Verwerfungen nicht ein- mal im Ansatz leisten. Die auf dem Gipfel von Thessaloniki verabschiedeten Vorschläge der EU waren daher überfällig und sind umso mehr zu begrüßen. Europa ist nun, was die Debatte um eine Sicherheitsstrategie angesichts der globalen Be- drohungen durch Terror und der Verbreitung von Mas- senvernichtungswaffen wieder annähernd auf Augen- höhe mit den Vereinigten Staaten, wenngleich noch schwankend auf den Zehenspitzen balancierend. Die EU spricht wieder mit einer Stimme, gelegentlich heiser, zu- weilen im Tonfall noch unstet, jedoch gegenüber Wa- shington mit dem Anspruch von substanziellen Beiträgen und Gegenvorschlägen. Dies ist die Grundvoraussetzung für eine nun zu initiierende Debatte zwischen der ameri- kanischen Regierung und der EU, deren Ergebnis sich nicht mehr wie in den vergangenen Monaten in der Fest- stellung der Ausweglosigkeit von Einzelfragen erschöp- fen darf, sondern konkret in die stabile Ummantelung ei- ner transatlantischen Sicherheitsstrategie münden muss. Dies wiederum ist die Prämisse für ein geschlossenes transatlantisches Vorgehen in Fragen der Nichtverbrei- tung und Abrüstungspolitik, ohne das wiederum die ver- schiedenen Kontroll- und Abrüstungsregime kaum ef- fektiv arbeiten können. Nur vor dem Hintergrund abgestimmter sicherheitspolitischer Vorstellungen und Prioritäten kann eine weitgehende Deckungsgleichheit bezüglich der Einschätzung gegebener Gefahren erreicht werden und damit wirksames Handeln gegenüber den neuen Formen der Bedrohung sichergestellt werden. Noch einmal: Wir haben bedauerlicherweise erfahren müssen, dass während der Irakkrise kein gemeinsames Vorgehen mit den USA erreicht werden konnte. Die Ge- nugtuung, die nun verschiedentlich bezüglich der bisher 4752 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) erfolglosen Suche nach den Massenvernichtungswaffen des Irak geäußert wird, stimmt für künftige konkrete Be- drohungsanalysen nicht hoffnungsfroh. Dabei widerlegt gerade der Bericht dieser Bundesregierung eine solche Legendenbildung: Es ist begrüßenswert, dass ausdrück- lich die für die Zeit nach 1998 vorliegenden nachrichten- dienstlichen Erkenntnisse erwähnt werden, die immerhin Vermutungen auf irakische Massenvernichtungswaffen beinhalten. Beunruhigend ist allerdings, dass unter dem Punkt „Länderspezifische Bedrohungen“ ein Land keine Er- wähnung findet, bezüglich dessen eine einheitliche trans- atlantische Bedrohungsanalyse dringend geboten ist: der Iran. Der Jahresabrüstungsbericht der Bundesregierung, der vom 2. Juni 2003 datiert, übergeht schlicht die mög- lichen Gefahren, die vom iranischen Atomprogramm ausgehen können und die sich bereits im Berichtszeit- raum abzeichneten. Dies wiegt umso schwerer, als im Fall Iran die neue Sicherheitsdoktrin der Europäischen Union, die Javier Solana vor zwei Wochen vorgestellt hat, eine sofortige Anwendung findet. Die EU kann in diesem konkreten Fall vor dem Hintergrund ihrer neuen sicherheitspolitischen Ausrichtung gemeinsam mit Washington Alternativen vorgeben und damit bereits in der politischen Praxis die Richtung für eine transatlantische Sicherheitsstrategie aufzeigen. So könnte Teheran etwa im Fall der Übertre- tung legaler und unserer Sicherheit dienender „nuklearer Schwellen“ mit der Nichtgewährung oder dem Abbruch von Assoziationsverträgen und ausgebauten Wirtschafts- beziehungen, die von der EU Teheran zurzeit in Aussicht gestellt werden, gedroht werden. Gleichzeitig würde es dem europäischen Alternativkonzept der „präventiven Diplomatie“ entsprechen, dem Iran ebenso etwa die Inte- gration in eine regionale Sicherheitsarchitektur anzubie- ten. Allerdings bedarf es diesbezüglich auch seitens un- serer Außenpolitik noch erheblicher Präzisierungen. Der Fall Iran könnte somit zu einer Art Transmis- sinsriemen für eine gemeinsame transatlantische Sicher- heitsstrategie werden, da die nun vorliegenden europäi- schen und amerikanischen Vorstellungen durch diesen „Praxisbezug“ aufeinander abgestimmt werden könn- ten. Europa kann im konkreten Fall viel versprechende Gedanken in die Diskussion mit einbringen, die deshalb bereits Gewicht entfalten, weil sie angesichts der durch- aus diskussionswürdigen amerikanischen Vorgehens- weise gegenüber dem Iran als echte Alternative dienen könnten. In der Auseinandersetzung um die richtige Iranpolitik könnte somit eine transatlantische Sicher- heitsstrategie festgeschrieben werden, die im Fall eines etwaigen Erfolges auch eine europäische Handschrift tragen würde. Es ist zu hoffen, dass die in dem Jahresabrüstungsbe- richt der Bundesregierung darüber hinaus hervorgehobe- nen Problemkreise vor dem Hintergrund eines transatlanti- schen sicherheitspolitischen Konsenses einer Lösung zugeführt werden können. Hier ist nicht zuletzt die bedrü- ckende Fragestellung Nordkorea zu nennen – ein Land, das möglicherweise bereits über Atomwaffen verfügt. Diese erschreckende Tatsache fordert uns beispielhaft zu einer mit Nachdruck zu verfolgenden Abrüstungs- und Nichtverbreitungspolitik auf – auch schon bei sich ledig- lich abzeichnenden Bedrohungen. Unabdingbare Voraus- setzung ist ein transatlantischer sicherheitspolitischer Schulterschluss. Abrüstungspolitik ist Sicherheitspolitik. Letzere dient unser aller Freiheit. Harald Leibrecht (FDP): Mit dem Fall der Mauer endete Schritt für Schritt der Kalte Krieg. Aus ehemali- gen Feinden wurden Verbündete. Neun Staaten des ehe- maligen Warschauer Paktes werden im Mai 2004 in die NATO formell aufgenommen sein. Die Teilung Europas ist damit auch militärisch überwunden. Diese Entwick- lung macht mich zuversichtlich, dass wir in Europa dau- erhaft in Frieden miteinander leben können. In der Welt sieht es leider noch anders aus. Neue Gefahren kommen auf uns zu. Bisher besitzen Israel, Indien und Pakistan Nuklearwaffen. Die Tendenz in weiteren Staaten ist steigend und alarmierend. Nord- korea und Iran streben ebenfalls welche an. Nordkorea besitzt sie nach eigenen Aussagen schon. Syrien forscht ebenfalls an Atomwaffen, wie ich dem Abrüstungsbe- richt entnehmen konnte. Noch gravierender sind die Meldungen, dass Terroristen Nuklearmaterial für schmutzige Bomben erwerben wollen. Insbesondere in den Ländern der ehemaligen Sowjet- union kam es zu Diebstählen von Nuklearmaterial. Mit circa 170 Millionen Euro engagieren wir uns aus diesem Grund für den physischen Schutz von russischem Nukle- armaterial. Mit circa 300 Millionen Euro entsorgen wir die verstrahlten Reaktorkomponenten von russischen Atom-U-Booten aus der Saida-Bucht. Mit circa 300 Mil- lionen Euro sorgen wir für die Vernichtung der chemi- schen Waffen in Russland. Für mich ist dies viel Geld, was sinnvoll angelegt ist, hätte es nicht einen bitteren Nachgeschmack. Mit unserem Geld entsorgt Russland seine veralteten Rüstungsgüter, um gleichzeitig ein neues atomangetriebenes U-Boot und neue Kampfflug- zeuge zu entwickeln. Russland rüstet auf und lässt uns seinen Schrott wieder abrüsten. Für mich ist dies ein Skandal, den ich den Menschen hier im Land schwer vermitteln kann. Bei aller Gefahr, die von Nuklearwaffen ausgehen, dür- fen wir nicht die Bedeutung der chemischen und biologi- schen vernachlässigen. Während wir bei Meldungen über geplante Atombomben mit Sorge genau hinhören – zu Recht –, sind B- und C-Waffen aus der Tagesaktualität verschwunden. Für mich sind diese viel gefährlicher, weil sie einfacher zu entwickeln und einzusetzen sind, weil sie nicht sichtbar sind, weil sie erst nach Tagen oder Wochen wirken, und weil sie sich in der Zwischenzeit schnell und lautlos verbreiten. Eine terroristische oder feindliche Vereinigung braucht nur das Grundwasser mit Viren zu verseuchen. Ich begrüße, dass die gegenwärtige Bundesregierung die Politik im Bereich der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung der CDU/CSU-FDP-Regierung fortsetzt. Die FDP unterstützt sie gerne dabei. Jedoch weisen wir darauf hin, dass insbesondere Staaten in Konfliktregionen wie dem Nahen Osten ABC-Abkom- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4753 (A) (C) (B) (D) men nicht ratifiziert haben. Folglich sind zwar Ihre Be- mühungen, Kolleginnen und Kollegen der Bundesregie- rung, richtig und ehrenwert, werden aber nicht zum erforderlichen Durchbruch zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen beitragen. Trotz der vielen Erfolge in den letzten Jahren zeigt mir der vorliegende Bericht, dass wir noch weit von ei- ner friedvollen Welt entfernt sind, in der wir uns sicher fühlen können. Aber wir sind auf einem guten Weg. Meine Damen und Herren von der Bundesregierung, setzen Sie sich dafür ein, dass weitere Staaten die ver- schiedenen Abkommen zur Nichtverbreitung von Mas- senvernichtungswaffen unterzeichnen, ratifizieren und einhalten. Setzen Sie sich dafür ein, dass wir im nächsten Abrüs- tungsbericht lesen können, dass der Stillstand bei der Genfer Abrüstungskonferenz aufgehoben wurde. In Ihrem vorliegenden Bericht schreiben Sie – ich zi- tiere –: „die einst nuklear extrem hochgerüsteten Super- mächte müssen an ihre Verantwortung erinnert werden.“ Tun Sie es! Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Der vorliegende Jahresabrüstungsbericht 2002 do- kumentiert das klare Bekenntnis der Bundesregierung zu einer aktiven Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungs- politik. Spätestens seit den Terroranschlägen in New York, in Casablanca, auf Bali und Djerba ist deutlich geworden, dass diese neue Art von internationalem Terrorismus die Stabilität und Sicherheit unserer Gesellschaften gefähr- det. Die Risiken der Verbreitung von Massenvernich- tungswaffen haben damit eine völlig neue Dimension er- halten. Neben klassischen Gefahren, die von einzelnen Staaten mit Zugang zu Massenvernichtungswaffen aus- gehen, ist nun das Risiko eines möglichen Zugriffs von Terroristen und nicht staatlichen Akteuren auf solche Waffen getreten. Hinzu kommen die Gefahren, die von regionalen Krisenherden in Südasien, Ostasien und dem Nahen und Mittleren Osten ausgehen. Wir haben bereits unmittelbar nach dem 11. Septem- ber 2001 in der EU die Initiative ergriffen, nicht staatli- chen Akteuren den Zugriff auf Massenvemichtungs- waffen zu verwehren. Auf dieser Grundlage erstellt die EU derzeit eine langfristige Strategie zur Bekämpfung der Proliferation dieser Waffen, deren Eckpunkte der Europäische Rat jüngst in der Nichtverbreitungserklä- rung von Thessaloniki festlegte. Darüber hinaus ver- folgt die EU aber auch ein breiter angelegtes Sicher- heitskonzept und erarbeitet eine umfassende EU- Sicherheitsstrategie. Um die genannten Gefahren erfolgreich zu bekämp- fen, brauchen wir mehr denn je eine internationale Ord- nungspolitik, die sich auf internationale Solidarität, wirksame Kooperation und gemeinsame Regeln gründet. Die Bundesregierung ist der festen Überzeugung, dass in erster Linie die Vereinten Nationen der geeignete Rah- men für eine solche kollektive Sicherheitsordnung dar- stellen. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind der beste Ansatz für friedliche Losungen auf globa- ler wie regionaler Ebene. Denn Abrüstungskriege kön- nen doch nicht der richtige Weg zur Bekämpfung der neuen Bedrohungen sein. Wir müssen vielmehr die vor- handenen Abrüstung- und Nichtverbreitungsinstru- mente stärken und schärfen. Gleichzeitig sollten wir aber auch ernsthaft daran arbeiten, die Einhaltung dieser Kontrollregimc besser zu überprüfen und effiziente Sanktionsmechanismnen bei Vertragsverletzungen zu entwickeln. Von großer Bedeutung ist auch die praktische Abrüs- tungszusammenarbeit, insbesondere mit Russland. Deutsch- land wird in den nächsten zehn Jahren bis zu 1,5 Milliar- den Euro für Projekte im Rahmen der auf dem G8-Gipfel im Kananaskis beschlossenen Initiative „Globale Part- nerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernich- tungswaffen und Materialien“ beitragen. Schwerpunkte sind dabei die Chemiewaffenvernichtung, die Sicherung von Nuklearmatcrial und die Entsorgung von nuklearge- triebenen U-Booten. Die Abrüstung im Bereich der konventionellen Waf- fen ist nicht minder wichtig, wie mir bei meiner jüngsten Reise nach Afrika einmal mehr vor Augen geführt wurde. Der erschreckende Anblick von Kalaschnikows in den Händen von unter Drogen gesetzten Kindern und die Bilder von Minenopfern, die für ihr ganzes Leben gezeichnet sind, haben mich tief erschüttert. Wir müssen deshalb die erfolgreich verlaufende Im- plementierung des Ottawa-Übereinkommens zum Ver- bot von Anti-Personen-Minen konsequent fortsetzen und das substanzielle Aktionsprogramm der Vereinten Natio- nen zu Kleinwaffen und leichten Waffen weiterentwi- ckeln. Dafür werden wir uns auf dem New Yorker Folge- treffen zur Kleinwaffenkonferenz in der kommenden Woche aktiv einsetzen. Außerdem ist es der Bundesregierung ein besonderes Anliegen, dass die humanitären Probleme von Blindgän- gern, zurückgelassener Munition und anderen explosi- ven Kampftmittelrückständen völkerrechtlich verbind- lich geregelt werden. Wir sind hier einen wichtigen Schritt weitergekommen; denn die Vertragsstaaten des VN-Waffenübereinkommens verhandeln seit Ende letz- ten Jahres über ein entsprechendes Rechtsinstrument. Der Jahresabrüstungsbericht vermittelt ein umfassen- des Bild über die Leistungen der Bundesregierung auf dem Gebiet der Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung, aber auch über die vielfältigen und komplexen rüstungskontrollpolitischen Herausforderun- gen, die noch vor uns liegen. Um diese zu bewältigen, brauchen wir auch künftig die Unterstützung des Bun- destages. Ich hoffe, dass wir weiterhin mit Rückhalt rechnen können, denn wir dürfen gerade angesichts der Gefahren des Terrorismus, regionaler Instabilität und der fortgesetzten Gefahr der Verbreitung von Massenver- nichtungswaffen und ihren Trägermitteln in unseren An- strengungen nicht nachlassen. 4754 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über die Beschlussempfehlung und den Bericht: Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungs- vorschriften der Mitgliedstaaten über den Ver- braucherkredit (Tagesordnungspunkt 16) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Die heute zu debattierende Überarbeitung der Verbraucherkreditricht- linie aus dem Jahr 1987 hat eine große Tragweite für Kre- ditverträge in Europa. Millionen Menschen in Europa kaufen Tag für Tag Millionen von Waren auf Kredit. Mit der Verbraucherkreditrichtlinie wurde 1987 erst- mals auf Gemeinschaftsebene ein Rechtsrahmen für Konsumentenkredite geschaffen. Sie sollte zugleich ein Beitrag zur Schaffung eines gemeinsamen Marktes für das Kreditwesen sein. Doch die Möglichkeiten der Ver- braucher, Kredite gerade auch außerhalb ihres Heimat- landes aufzunehmen, blieben bislang weitgehend unge- nutzt. Die von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung verabschiedeten nationalen Rechtsvorschriften weisen nämlich teilweise erhebliche Unterschiede auf. Mit dem jetzt vorliegenden Vorschlag will die Kom- mission die Voraussetzungen für einen transparenten grenzüberschreitenden Markt schaffen, der ein hohes Verbraucherschutzniveau garantiert. Kreditangebote sol- len unter den bestmöglichen Bedingungen für Anbieter wie Kreditnehmer verhandelt werden können und der zu- nehmenden Verschuldung privater Haushalte in Europa soll entgegenwirkt werden. Diese Motive sind grund- sätzlich zu begrüßen. Der vorliegende Richtlinienvorschlag begegnet jedoch im Detail auch erheblichen, zum Teil grundsätzlichen Be- denken. An vielen Stellen bedarf es einer grundlegenden Überarbeitung. Der heute vorgelegte Entschließungsan- trag enthält dazu eine Reihe ganz konkreter Empfehlun- gen an die Bundesregierung. Lassen Sie mich an vier Beispielen aufzeigen, wo im Verlaufe der weiteren Beratungen konkreter Änderungs- bedarf besteht: Erstens. Zunächst geht es um den Anwendungsbe- reich der Richtlinie. Die Verbraucherkreditrichtlinie hatte bereits einen sehr weiten Anwendungsbereich. Sie betraf nicht nur den klassischen Kreditsektor, sondern auch den Einzelhandel. Mit dem nun eingebrachten Richtlinienvorschlag wird der Anwendungsbereich erneut ausgeweitet. Leider wird auf die bislang vorgesehenen Ausnahmetatbestände weit- gehend verzichtet. Fragwürdig erscheint dies insbeson- dere in Bezug auf notariell oder gerichtlich beurkundete Kreditverträge und Gerichtsvergleiche mit Stundungs- vereinbarungen. Bei diesen Verträgen ist zweifellos hin- reichend sichergestellt, dass die Verbraucherinteressen gewahrt bleiben. Aber auch Kleinkredite – insoweit galt bislang ein Schwellenwert von 200 Euro – sollten in Zu- kunft vom Anwendungsbereich ausgenommen bleiben. Hier besteht für einen mündigen Verbraucher ebenfalls keinerlei Schutzbedürfnis. Die Bundesregierung muss deshalb bei den Beratungen darauf hinwirken, den An- wendungsbereich der Richtlinie im Sinne einer Begren- zung zu überarbeiten. Zweitens. Bedarf zur Änderung besteht auch beim Verbot von Haustürgeschäften. Nach Art. 5 des Richtlinienvorschlags soll jede Aus- handlung von Kredit- oder Sicherungsverträgen außer- halb von Geschäftsräumen verboten sein. Der Europäi- sche Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 in der Rechtssache Heininger ausdrücklich klar ge- stellt, dass die Schutzbestimmungen der Haustürge- schäfte-Richtlinie grundsätzlich auf alle Rechtsgeschäfte, das heißt auch auf Kredit- und Sicherungsverträge, An- wendung finden. Hier existiert der Verbraucherschutz also bereits und muss nicht verdoppelt werden. Wir for- dern die Bundesregierung deshalb auf, zu überprüfen, ob ein absolutes Verbot von Haustürkreditgeschäften tat- sächlich erforderlich ist. Drittens. Zu verändern ist auch die beabsichtigte Art der Verantwortungsverlagerung. Dem Richtlinienvorschlag liegt ein neuartiges Ver- braucherschutzkonzept zugrunde: Insgesamt wird die Verantwortlichkeit für die Kreditaufnahme vom Kredit- nehmer auf den Kreditgeber verlagert. Nach Art. 6 des Richtlinienvorschlags werden dem Kreditgeber zusätz- lich umfangreiche Unterrichtungs- und Beratungspflich- ten auferlegt. Der Kreditgeber muss „genaue und voll- ständige Auskünfte über alles erteilen“, was der Verbraucher über den in Aussicht genommenen Kredit- vertrag wissen muss. Darüber hinaus soll der Kreditge- ber auch noch denjenigen Kredittyp aussuchen, der sich „in Anbetracht der finanziellen Situation des Verbrau- chers, der Vorteile und Nachteile des vorgeschlagenen Produkts und des Zwecks, dem der Kredit dient, für den Verbraucher am besten eignet“. Falsch verstandener Ver- braucherschutz kann auch zur Entmündigung des Ver- brauchers führen. Wir fordern die Bundesregierung des- halb auf, bei den Beratungen der Eigenverantwortlichkeit des Verbrauchers angemessen Rechnung zu tragen. Der Kreditgeber soll seinen Kunden klug und umfangreich beraten, aber nicht bevormunden. Der Verbraucher soll seinen Kredittyp nach unserer Ansicht aber weiterhin selbst aussuchen können. Art. 9 des Richtlinienvorschlags bestimmt schließ- lich, dass der Kreditgeber einen Kredit- oder Siche- rungsvertrag nur dann abschließen bzw. erhöhen darf, wenn er „unter Ausnutzung aller ihm zu Gebote stehen- den Mittel“ zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Verbraucher vernünftigerweise in der Lage sein werde, den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Ich habe mir bei dieser Formulierung die Frage gestellt, wie der Bankangestellte das wohl praktisch macht. Was macht er, wenn der Kunde unerkannt unvernünftig ist? Keiner kann etwas gegen eine umfassende Prüfungs- pflicht des Kreditgebers in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verbrauchers haben. Aufgrund seines Eigeninteresses daran, dass der Kredit zurückge- zahlt wird, wird er ohnehin genau hinterfragen, wie leis- tungsfähig der Kreditnehmer ist. Wir fordern die Bun- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4755 (A) (C) (B) (D) desregierung folglich auf, bei den Beratungen darauf hinzuwirken, dass dem Kreditgeber keine unzumutbaren und überflüssigen Erkundigungs- und Kontrollpflichten auferlegt werden. Auch die anzuwendenden Mittel müs- sen in der Richtlinie deshalb ausdrücklich bestimmt wer- den. Wir haben genug Bürokratie in Deutschland und Europa. Die vorgeschlagene Regelung führt außerdem dazu, dass an die Bonität potenzieller Kreditnehmer zukünftig deutlich höhere Anforderungen gestellt werden müssten. Damit würde die Kreditvergabe gerade an einkommens- schwächere Bevölkerungsteile, die in besonderer Weise auf Kredite angewiesen sind, nachhaltig erschwert. Für den Verbraucher wäre nichts gewonnen, wenn ihm am Schalter ein Kredit mit dem Hinweis auf EU-Regeln ver- weigert würde. Die Regelungen in der Richtlinie übersehen auch die Ursachen der Überschuldung zahlreicher privater Haus- halte. Mangelhafte Haushaltsführung und Budgetpla- nung führen in aller Regel erst bei Eintritt kritischer Le- bensverhältnisse wie Arbeitsplatzverlust, Scheidung oder Krankheit in die Überschuldung. Diese Ereignisse sind aber im Zeitpunkt der Kreditvergabe naturgemäß gerade nicht vorhersehbar. Nach Ansicht der CDU/CSU ist es im Hinblick auf die Art. 6 und 9 des Richtlinienvorschlags wichtig, das Prinzip der Eigenverantwortung des Verbrauchers beizu- behalten. Wie weit das neuartige Verbraucherschutzkon- zept der Kommission dabei in die falsche Richtung geht, wird augenfällig, wenn man die Konzeption auf andere Vertragstypen überträgt. Stellen wir uns vor, ein Auto- händler müsste das für den Verbraucher am besten geeig- nete Produkt auswählen. Das soll er tun, aber würde man ihn später für einen Unfall bei Glatteis verantwortlich machen? Verbraucherkreditverträge weisen zugegebenerma- ßen einen vergleichsweise hohen Grad der Abstraktion auf und dem Verbraucher ist häufig nicht immer sofort deutlich, wie massiv hier seine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit beschnitten wird. Deshalb ist der Ver- such, hier in bestimmten Fällen Hilfe zu leisten, grund- sätzlich richtig. Es erscheint aber völlig verfehlt, in ei- nem zentralen Teilbereich des Privatrechts das Leitbild eines unmündigen Verbrauchers festzuschreiben, wäh- rend heute an anderer Stelle, namentlich im Zusammen- hang mit der Gesundheits- oder Altersvorsorge, Eigen- verantwortung verstärkt eingefordert wird. Viertens. Anzusprechen ist letztlich die Absicht in der Richtlinie die so genannte Maximalharmonisierung fest- zuschreiben. Nach Art. 30 des Richtlinienvorschlags ist es den Mit- gliedstaaten untersagt, andere als die in der Richtlinie festgelegten Bestimmungen vorzusehen. Durch diesen Ansatz der Maximalharmonisierung unterscheidet sich der Richtlinienvorschlag von den geltenden europäi- schen Richtlinien auf dem Gebiet des Verbraucher- schutzrechts. Den Mitgliedstaaten wird damit verboten, weiterge- hende Vorschriften zum Verbraucherschutz zu erlassen bzw. aufrechtzuerhalten. Damit müsste der bestehende Verbraucherschutz in Deutschland aber in großem Um- fang reduziert werden. Es kann doch nicht sein, dass wir in Zukunft das Schriftformerfordernis des BGB für Ver- braucherdarlehensverträge und die Abgabe von Bürg- schaftserklärungen abschaffen müssen. Gerade hier ist die Beweis- und Warnfunktion für den Verbraucher von besonderer Bedeutung. Ein solcher Abbau des Verbrau- cherschutzes in Deutschland muss verhindert werden. Ich habe darüber hinaus erhebliche Zweifel, dass die von der Kommission favorisierte maximale Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften in der Zukunft tat- sächlich die Bereitschaft der Verbraucher erhöht, Kredit- verträge mit Anbietern in anderen europäischen Mit- gliedstaaten abzuschließen. Die geringe Zahl der grenzüberschreitenden Verbraucherkredite in Europa ist in erster Linie nicht auf die Unterschiede zwischen den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften zurückzu- führen, sondern auf die besondere Beziehung zur jewei- ligen Hausbank, auf die örtliche Nähe und Sprachbarrie- ren im Ausland. Die Europäische Zentralbank führt in einem aktuellen Bericht über die europäischen Finanzmarktstrukturen aus, dass sich an der lokalen Prägung der Retailmärkte für Finanzdienstleistungen auch in Zukunft kaum etwas ändern werde und kleinere, vor Ort vertretene Institute auch weiterhin eine dominierende Rolle spielen dürften. Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, bei den Beratungen darauf hinzuwirken, dass es nicht zu der vor- geschlagenen Maximalharmonisierung kommt. Ein Ab- bau des Verbraucherschutzes in Deutschland muss ver- hindert werden. Als Parlamentarier haben wir darauf zu achten, dass Kredite weiterhin in vielen Formen, zu günstigen Kondi- tionen und unbürokratisch für den dafür auch verantwort- lichen Verbraucher zu erhalten sind. Dies ermöglicht vie- len Bürgern den Erwerb hochwertiger Konsumgüter und das eröffnet neue Chancen für die Wirtschaft in unserem Land, die wir aufgrund der katastrophalen Regierungspo- litik dringend brauchen. Der Bundestag sollte deshalb heute im Interesse der Verbraucher in Deutschland beschließen, den vorgeleg- ten fraktionsübergreifenden Entschließungsantrag zur Novellierung der Verbraucherkreditrichtlinie anzuneh- men. Der Bundesregierung ist viel Erfolg zu wünschen bei der Durchsetzung der im Antrag genannten notwen- digen Änderungen. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Vorschlag der EU für eine Verbraucherkreditrichtlinie ist grundsätzlich zu begrüßen. Um der zunehmenden Ver- schuldung der Verbraucher in Europa entgegenzuwirken, sind unternehmerische Grundsätze zur verantwortlichen Kreditvergabe zu entwickeln. Die Feststellung der Kre- ditauskunftei Schufa, dass immer mehr junge Menschen unter anderem durch offene Handyrechnungen in die Verschuldung geraten, ist ein alarmierendes Signal. Vor allem bei den 20- bis 24-Jährigen ist die Zahl der eides- stattlichen Versicherungen und Privatinsolvenzen zwi- schen 1999 und 2002 um fast ein Drittel auf die Zahl von 4756 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) rund 174 000 gestiegen. Hier gibt der Richtlinienvor- schlag einen wichtigen Impuls an die Banken, sich ver- antwortungsvoll an der Aufgabe der Schuldenprävention zu beteiligen. Die Vorstellungen im Richtlininentwurf müssen aber noch in umsetzbare Vorschriften verbessert werden. Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU haben auch an anderen Punkten noch Bedenken, die sie in ihrem Antrag zur Beschluss- empfehlung deutlich gemacht haben. Die Verbraucherkreditrichtlinie ist wichtig zur An- gleichung unterschiedlicher Rechts- und Verwaltungs- vorschriften in der Europäischen Union. Die national sehr verschiedenen Regelungen in den EU-Mitgliedstaa- ten sind für den Verbraucher verwirrend. Die unüber- sichtliche Lage hält Verbraucher davon ab, einen Kredit auch in europäischen Nachbarländern und dort gegebe- nenfalls zu günstigeren Konditionen in Anspruch zu nehmen. Der gemeinsame europäische Wirtschaftsraum soll aber auch den privaten Kunden offen stehen und Vorteile bringen. Grenzüberschreitende Kreditgeschäfte sollen keine Angelegenheit nur von internationalen Wirt- schaftsunternehmen bleiben, sondern auch für den priva- ten Kunden attraktiv und durchschaubar werden. Des- halb wollen die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/ Die Grünen, SPD und CDU die Voraussetzungen für ei- nen transparenten, grenzüberschreitenden Markt schaf- fen und die bestehenden Verbraucherschutzstandards europaweit angleichen. Einheitliche Begriffe und Vertragsbedingungen zur Angabe von Zinssätzen, Fälligkeit, vorzeitiger Rückzah- lung, missbräuchliche Klauseln, Widerrufsrechte und andere werden für mehr Klarheit beim Kunden sorgen. Die Inanspruchnahme von Darlehen über die Grenzen hinweg wird damit leichter. Die geplante Anwendung auf möglichst viele Kredit- produkte sehen wir positiv. Auch, dass Sicherheiten wie Bürgschaften und Garantien erfasst werden, befürworten wir. Die bisherigen Bestimmungen weisen in vielen europäischen Ländern insbesondere für neue Kreditpro- dukte Lücken auf, die mit dem Richtlinienvorschlag ge- schlossen werden sollen. Allerdings sehen wir in unse- rem Antrag auch Grenzen für die Anwendung der EU- Richtlinie. Unentgeltliche Kredite, Überziehungskredite und Kleindarlehen bis 400 Euro sollen möglichst unbü- rokratisch für kurzfristige finanzielle Engpässe zur Ver- fügung stehen. Hier darf der komplette Pflichtenkatalog nicht wie eine Mauer vor einer kundenfreundlichen Kre- ditvergabe stehen. Bündnis 90/Die Grünen werden sich bei den einzel- nen Vorschriften für verbraucherfreundliche Regelungen einsetzen. Die drei Bundestagsfraktionen fordern, dass die in Deutschland bestehenden Regeln für verbundene Geschäfte erhalten bleiben. So werden Verträge genannt, bei denen zwischen dem Kreditvertrag und dem damit fi- nanzierten Kauf eine Einheit besteht. Hier muss weiter- hin die Regelung gelten, dass der Verbraucher bei Wi- derruf des Kredits an den Kaufvertrag ebenfalls nicht mehr gebunden ist. Datenschutzrechtliche Bedenken haben wir noch bei dem in Art. 8 vorgesehenen Schuldnerregister. Bei die- sen Datenbanken sind noch viele Fragen offen. Unklar ist beispielsweise, wie sich der Verbraucher vor fehler- haften Eintragungen schützen kann. Im Antrag haben wir die Bundesregierung aufgefordert, das Datenregister erst dann einzuführen, wenn die Inhalte der zentralen Datenbank genau definiert und datenschutzrechtlich ge- prüft sind. Das absolute Verbot von Haustürgeschäften für die in der Richtlinie erwähnten Darlehensverträge ist ein inte- ressanter Vorschlag. Den Einwand, dass damit der Di- rektverkauf von Waren an der Haustür unmöglich würde, teile ich nicht. Das wird auch weiterhin möglich sein. Was aber durchaus bedenkenswert ist, ist ein sehr hohes Schutzniveau der Individualsphäre des Verbrauchers. Der Kauf besonders hochpreisiger Ware, die sich der Verbraucher eigentlich nicht leisten kann – zum Beispiel einen Staubsauger für 1 000 Euro –, sollte auf neutralem Boden erfolgen. Der Verbraucher sollte hier nicht aus Höflichkeit oder um einen lästigen unangemeldeten Besucher wieder zu verabschieden zu einer Unterschrift unter einen Kreditvertrag gedrängt werden können. Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU wollen, dass das Verbot noch einmal auf die Vereinbarkeit mit dem bestehenden Widerrufsrecht hin überprüft wird. Einerseits hat der Verbraucher mit dem Widerrufsrecht bereits ein Instrument an der Hand, um sich aus einem unerwünschten Vertrag wieder zu lösen. Angesichts der zunehmenden Belästigungen und den vielfältigen Erscheinungsformen aufgedrängter Wer- bung haben sich andererseits die anstößigen Handlungen zu einer solchen Intensität verdichtet, dass wir über bes- seren Verbraucherschutz in diesem Bereich nachdenken müssen. Die Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grü- nen, SPD und CDU fordern die Bundesregierung auf, dass in den Verhandlungen zur Verbraucherkreditrichtli- nie diese Punkte noch verbessert werden. Die geplante maximale Harmonisierung soll nicht beibehalten wer- den. Eine Maximalharmonisierung schränkt den Hand- lungsspielraum des nationalen Gesetzgebers ein, etwa auch einen höheren Schutz des Verbrauchers zu be- schließen, wie wir das etwa beim Widerrufsrecht mit ei- ner verbraucherfreundlichen Anpassung des BGB für Immobiliendarlehensverträge getan haben. Insgesamt wird das Thema Kreditwürdigkeit einen höheren Stellenwert bei Kreditgeschäften bekommen. Mit den neuen Bankenregeln zur Eigenkapitaldeckung müssen auch die Banken umdenken. Der Begriff Basel II steht hier für neue Kreditrichtlinien der Banken. Zur Sta- bilisierung des Bankensystems wird ab Ende 2006 die Kreditwürdigkeit eines Kunden noch stärker über den gewährten Kreditzins entscheiden. Bei Firmenkunden haben schon heute viele mittelständische Unternehmen Probleme, einen Kredit zu erhalten. Durch ein schlechtes Rating werden sie in Zukunft noch höhere Zinsen zahlen müssen. Auch Verbraucherverbände befürchten bereits, dass Kredite künftig deutlich teurer oder unerreichbar wer- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4757 (A) (C) (B) (D) den. Betroffen seien vor allem Kunden, die nicht so zah- lungskräftig sind, also Familien und Singles. Wir fordern die Kreditgeber auf, auch weiterhin eine kundenfreundli- che und kooperative Kreditvergabepraxis zu verfolgen. Es muss sichergestellt werden, dass es nicht zu willkürli- chen Einstufungen von Verbrauchern hinsichtlich ihrer Bonität kommt. Der Zugang zu Bankkrediten darf nicht unnötig erschwert werden und die von den Banken vor- genommenen Verbraucherbewertungen müssen transpa- rent und einsehbar sein. Ein bekanntes Problem bei Kreditgeschäften sind un- zureichende Beratungen durch Kreditvermittler. Der Richtlinienvorschlag zum Verbraucherkredit sieht hier neue Regelungen für Kreditvermittler vor. In Kapitel XI sind Meldepflichten, Rechtsstellung und Kontrolle so- wie Pflichten von Kreditvermittlern festgeschrieben. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Ver- bände führt jedes Jahr eine Aktionswoche zur Schuld- nerberatung durch. Am 5. Juni fand in diesem Zusam- menhang die Fachtagung „Geschäfte mit der Armut – Vom (richtigen) Umgang mit gewerblichen Schuldenre- gulierern und Kreditvermittlern“ in Berlin statt. Der erste Armutsbericht der Bundesregierung hatte festge- stellt, dass derzeit nur eine Minderheit der überschulde- ten Haushalte – 10 bis 15 Prozent – beraten werden kann. Dies hat auch zur Folge, dass im gesamten Bun- desgebiet immer mehr unseriöse Anbieter auftreten, wel- che die verzweifelte Situation überschuldeter Menschen sozialschädlich ausnutzen. Schuldner werden zusätzlich finanziell geschädigt, die versprochenen Kreditlösungen kommen nicht zustande. Bündnis 90/Die Grünen begrüßen die Vorschläge im Richtlinienentwurf, dass die vorvertraglichen Informa- tionen und Beratungen möglichst umfassend erfolgen sollen. Vor Abschluss des Kreditvertrags sollen dem Verbraucher die Bedingungen und Kosten sowie die Ver- pflichtungen, die •er mit dem Vertrag eingeht, klar und verständlich dargestellt werden. Die Beratung muss so gestaltet sein, dass der Verbraucher aus der Palette der vom Kreditgeber oder Vermittler gewöhnlich angebote- nen Kreditformen den für ihn günstigsten Kredit aus- wählen kann. Der Berater muss dabei insbesondere auf die Rückzahlungsmöglichkeiten des Verbrauchers und die damit verbundenen Risiken eingehen. Sibylle Laurischk (FDP): Das Zusammenwachsen der Europäischen Union führt zu einer Internationalisie- rung auch von Verbraucherkrediten. Da nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in der gesamten Europäi- schen Union eine zunehmende Verbraucherverschuldung festzustellen ist, zeigt sich die Notwendigkeit, auch den Verbraucherschutz europaweit zu gestalten. Ein transpa- renter, grenzüberschreitender Markt ist nur dann erreich- bar, wenn Verbraucher wie Kreditwirtschaft europaweit kalkulierbare Rahmenbedingungen finden können. Im Zuge der Beratungen hat sich offensichtlich für alle Fraktionen die Frage einer Maximalharmonisierung bzw. die Schaffung von Mindeststandards gestellt. Dabei hat sich die Einschätzung herauskristallisiert, dass ein- zelstaatliche Regelungen im Falle einer Maximalharmo- nisierung ausgeschlossen werden, was nicht im Interesse der Verstärkung des Verbraucherschutzes wäre. Stattdes- sen bieten Mindeststandards eher die Möglichkeit, auch mit im Einzelfall günstigen nationalen Regelungen die Verbraucherrechte zu stärken. Unter dieser Vorausset- zung scheint es aber auch nicht sinnvoll, einzelne Kre- dit- und Versicherungsverträge aus dem Geltungsbereich der Richtlinie auszuschließen. Bestimmte Bereiche, die in der Ausführung zu Art. 3 dargestellt sind, sollten den- noch als Ausnahme gehandelt werden. Im Interesse des Verbraucherschutzes ist es außerdem sinnvoll, von der Erstellung eines Schuldnerregisters abzusehen, dessen Praktikabilität im Übrigen sehr fragwürdig ist. Ein überzogener Verbraucherschutz sollte jedenfalls nicht Ergebnis der Verbraucherkreditrichtlinie sein, da die FDP-Fraktion grundsätzlich die Eigenverantwortung des Bürgers als vorrangig betrachtet und eine zu starke Handlungseinschränkung durch eine EU-Richtlinie nicht sinnvoll sein kann. Im Gegenzug würde dies zu einer so erheblichen Einschränkung des Kreditgewerbes führen, dass letztendlich eine Kostenbelastung zu erwarten wäre, die gerade für Einkommensschwache die Auf- nahme von Krediten unmöglich machen würde. Im Rahmen von Verhandlungen eine ausgewogene EU-Richtlinie zu erreichen, ist Aufgabe der Bundesre- gierung, was erfreulicherweise von allen Fraktionen des Bundestages so unterstützt wird. Alfred Hartenbach (Parlamentarischer Staatssekre- tär bei der Bundesministerin der Justiz): Die EU-Kom- mission hat im September des letzten Jahres den Vor- schlag für eine neue Verbraucherkreditrichtlinie beschlossen, die die Richtlinie von 1986 mit Folgeände- rungen deutlich überarbeitet. Die Bundesregierung begrüßt die Zielrichtung des Vorschlags; denn es ist unabdingbar, dass wir der zuneh- menden Verbraucherverschuldung in Europa entgegen- wirken. Die Richtlinie will mehr Transparenz und Si- cherheit bei Verbraucherkrediten schaffen, sie will den Wettbewerb verstärken und den Belangen des Verbrau- cherschutzes Rechnung tragen. Sie will schließlich ein Verbraucherschutzniveau erreichen, bei dem Kreditan- gebote unter den bestmöglichen Bedingungen für Anbie- ter wie für Darlehensnehmer verhandelt werden können. All das sind gute und erstrebenswerte Ziele. Ich stimme auch mit dem Entschließungsantrag über- ein, der heute dem Deutschen Bundestag zur Beschluss- fassung vorliegt. Wie die Bundesregierung halten die Verfasserinnen und Verfasser des Antrags wesentliche Elemente des Richtlinienvorschlags grundsätzlich für geeignet, die geschilderten Ziele zu erreichen. Dies gilt für die Einbeziehung von Personalsicherheiten, also die Erstreckung der Vorschriften der Richtlinie auf Bürg- schaft und Garantie. Ich begrüße auch die Ausdehnung der Informations- und Beratungspflichten für Kreditge- ber sowie im Prinzip den neuen Grundsatz der verant- wortlichen Kreditvergabe. Ungeachtet dieser grundsätzlichen Zustimmung sehen wir aber auch Probleme, die wir bei den Beratungen in 4758 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) Brüssel geltend gemacht haben. Dies gilt zunächst für den in der Richtlinie vorgesehenen Maximalharmonisie- rungsansatz für alle Bestimmungen der Richtlinie. Maxi- malharmonisierung bedeutet, dass einzelstaatliche Rege- lungen ausgeschlossen sind. Ein solches einheitliches Recht kann zwar im Interesse eines freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs sein, im Interesse einer Stärkung des Verbraucherschutzes ist es jedoch nicht in allen Fäl- len. Die Bundesregierung hält es deshalb nicht für erstre- benswert, den Spielraum für strengere einzelstaatliche Verbraucherschutzregelungen in allen Regelungsberei- chen auszuschließen. Der Verbraucherschutz in Deutsch- land müsste bei einer Maximalharmonisierung in erheb- lichem Umfang reduziert werden. Das wollen wir nicht und ich begrüße es deshalb sehr, dass der Entschlie- ßungsantrag diesen Gesichtspunkt aufgreift. Auch die von der Kommission vorgeschlagenen Än- derungen des Anwendungsbereichs der Richtlinie sind nach unserer Überzeugung nicht alle zielführend. Dies gilt aber nicht nur dann, wenn es zur Maximalharmoni- sierung kommt. Es ist ja an sich gut, dass die Richtlinie auf Kreditvermittler und Personalsicherheiten erstreckt werden soll. Der Anwendungsbereich darf aber auch nicht zu sehr ausgedehnt werden. So müssen Ausnah- men für notariell und insbesondere gerichtlich beurkun- dete Vergleiche gemacht werden. Andernfalls unterfielen gerichtliche Vergleiche mit Stundungsvereinbarungen der Richtlinie und könnten praktisch kaum mehr verein- bart werden. Auch Ausnahmen für Überziehungskredite und Kleinkredite finde ich im Verbraucherinteresse sinn- voll. Sollte es wirklich zu einer Maximalharmonisierung kommen, müssten wir ferner zur Aufrechterhaltung un- seres hohen Verbraucherschutzniveaus erreichen, dass alle grundpfandrechtlich gesicherten Kredite, unabhän- gig vom Verwendungszweck, vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. So fordert es auch der Entschließungsantrag. Die Bundesregierung wird sich auch dafür einsetzen, dass der im Ansatz gute Grundsatz der verantwortungs- vollen Kreditvergabe und die entsprechenden Unterrich- tungs- und Beratungspflichten nicht zu einer unnötigen Bürokratisierung und damit Verteuerung der Kreditver- gabe führen. Bei der Ausgestaltung muss die Richtlinie auch der Eigenverantwortlichkeit des mündigen Ver- brauchers Rechnung tragen. Die Entscheidung, welcher Kredittyp für ihn am besten geeignet ist, muss dem um- fassend informierten Verbraucher selbst verbleiben, wenn man ihn nicht entmündigen will. Lassen Sie mich abschließend noch auf das vorgese- hene Schuldnerregister zu sprechen kommen. Daten- schutz, Eignung und Praktikabilität – das sind Aspekte, die wir hier äußert kritisch prüfen müssen. Ist die Rich- tigkeit der Daten sichergestellt? Welchen Schutz gibt es gegen fehlerhafte Eintragungen? Auch das sind wichtige, vom Richtlinienentwurf nicht beantwortete Fragen. Einen „gläsernen Verbraucher“ darf es jedenfalls nicht geben. Verbraucherschutz ist wichtig, auch und gerade im gemeinsamen Binnenmarkt und beim sensiblen Thema des Verbraucherkredits. Wir müssen ihn sachgerecht ge- stalten. Ich freue mich deshalb, dass der vorliegende Entschließungsantrag die von mir genannten Gesichts- punkte aufgreift. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung über den Antrag: Für eine Ver- besserung der privaten Arbeitsvermittlung im Aupairbereich zur wirksamen Verhinderung von Ausbeutung und Missbrauch (Tagesord- nungspunkt 17) Angelika Krüger-Leißner (SPD): Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich froh bin, dass der Antrag zur besseren Vermittlung im Aupairbereich, den wir heute behandeln, ein interfraktioneller ist. Dies zeigt, dass wir alle in der Lage sind, Themen auch gemeinschaftlich zu behandeln und umzusetzen, und das über die Fraktions- grenzen hinweg. Das wird und soll nicht bei allen politi- schen Entscheidungen so sein. Dazu sind die Unter- schiede zu groß. Aber es nährt die Hoffnung, dass wir bei den wichtigen Reformvorhaben, die die Bundesre- gierung vorlegt und bei denen wir die Zustimmung des Bundesrates brauchen, auch zu einer Einigung kommen werden. Für unser Land wäre das unendlich wichtig. Nun aber zu vorliegendem Antrag: Aupairverhält- nisse dienen in erster Linie dazu, jungen Menschen die Möglichkeit zu bieten, andere Kulturen und Sprachen kennenzulernen. Sie sind nicht primär als Arbeitsver- mittlung im eigentlichen Sinne zu verstehen. Dennoch ist der Aspekt der häuslichen Arbeit und insbesondere der Hilfe bei der Kinderbetreuung ein wichtiger Teil von Aupairprogrammen und muss daher auch arbeitsrecht- lich behandelt werden. Aupairs betreuen Kinder, helfen im Haushalt und erhalten im Gegenzug ein Zimmer bei der Gastfamilie, Verpflegung und Taschengeld. Die Ver- mittlung von Aupair ist rechtlich damit auch eine Ar- beitsvermittlung. Es gibt sicherlich viele andere Möglichkeiten des Kulturaustausches als das klassische Aupairprogramm. Aber für viele junge Leute, insbesondere für viele junge Frauen, die circa 90 Prozent der Teilnehmer an Aupair- verhältnissen ausmachen, spielt diese klassische Form des Kulturaustausches eine immer noch relevante Rolle. In früheren Zeiten war der Aupairbereich – wie die ge- samte Arbeitsvermittlung – sehr geschützt und wurde durch kirchliche Träger, die diese Aufgabe von der Bun- desanstalt für Arbeit übertragen bekommen hatten, über- nommen. Die Liberalisierung der Arbeitsvermittlung in den Jahren 1994 und 2002 hat bestimmte Schutzmechanis- men bei der Vermittlung aufgehoben. So ist seit 1994 das Alleinvermittlungsrecht für die Bundesanstalt für Arbeit aufgehoben. Seit dem 27. März 2002 ist zudem die Er- laubnispflicht für private Arbeitsvermittler sowie das Verbot von Anwerbung von Ausländern außerhalb der EU aufgehoben worden. Damit ist es nunmehr privaten Vermittlern und auch Privatpersonen möglich, Aupairs anzuwerben. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4759 (A) (C) (B) (D) Dennoch sind damit natürlich nicht alle Schutzmaß- nahmen außer Kraft gesetzt worden. Die Schutzvor- schriften im SGB III über Aupairverhältnisse sind wei- terhin gültig und müssen von der Bundesanstalt für Arbeit überwacht werden. Bei der Bundesanstalt muss immer noch überprüft werden, ob die Gastfamilien die Voraussetzungen für eine Aupairtätigkeit erfüllen. Ähn- liches gilt für die Erteilung von Aufenthaltsgenehmigun- gen, die die deutschen Vertretungen ausstellen, und die Prüfungen durch die Ausländerbehörden. Es war ein Bericht im „Spiegel“ vom 27. Januar 2003 über den tragischen Tod eines rumänischen Aupairmäd- chens, der hier die Möglichkeiten eines Missbrauchs durch die Gesetzesänderung zu erkennen meinte. Tatsächlich ist es aber so, dass, wenn das geltende Recht hier Beachtung gefunden hätte, es wohl nicht zum Selbstmord der jungen Frau gekommen wäre. In dem Fall ist die junge Frau zwar regulär von einer Arbeitsver- mittlung vermittelt worden. Allerdings war keine Auf- enthaltsgenehmigung beantragt worden, womit auch die Arbeitserlaubnis erloschen war. Der Aufenthalt war also nicht mehr erlaubt. Die Frau hätte nicht mehr in Deutschland sein dürfen. Hier liegt ein Versäumnis der zuständigen Behörden vor. Ich gebe zu: Die neue Rechtslage erfordert, dass die zuständigen Behörden hier mit größter Gewissenhaftigkeit ihrer Aufgabe nachkom- men. Um das zu garantieren müssen, wir als Parlament tätig werden. Das ist der Grund für diesen interfraktio- nellen Antrag. Jetzt könnten wir beschließen, dass wir die Arbeits- vermittlung im Aupairbereich wieder bei der Bundes- anstalt für Arbeit ansiedeln. Dies lässt der § 292 des SGB III ausdrücklich zu. Aber das ist weder sinnvoll noch angemessen. Denn die Bundesanstalt müsste damit die Vermittlung selber durchführen und dürfte sie nicht – wie in der bisherigen Praxis – an andere Organisatio- nen abgeben. Das wäre zum einen von der BA kaum zu leisten, zum anderen wäre es ein dramatischer Struktur- rückschritt, den wir nicht wollen. Erfahrungen, wie sie über Jahrzehnte gemacht wurden, müssen und sollen bei der Vermittlung eine Rolle spiele. Darüber hinaus würde eine solche Regelung die private Vermittlung auch nicht völlig unterbinden. Es wäre immer noch möglich, dass Gastfamilien selber tätig werden und sich um Aupairs kümmern. Eine solcher Weg ist durch die entsprechende Nutzung des § 292 nicht zu verhindern. Daher müssen wir andere Wege suchen, die einerseits die Liberalisierung der Arbeitsvermittlung berücksichti- gen, andererseits aber auch den Aupairs und den Gastfa- milien Sicherheit bezüglich der Qualität und Seriosität bei der Vermittlung garantieren. Die Absprachen auf den verschiedenen Ebenen bei der Beratung dieses Antrags haben dabei folgende Ergebnisse hervorgebracht – Er- gebnisse im Übrigen, die aus meiner Sicht sowohl ar- beitsrechtlich als auch jugend- und kulturpolitisch sinn- voll sind: So fordern wir einen Bericht über die möglichen Er- kenntnisse der Deutschen Botschaften und Konsulate über die Visaerteilung seit der Deregulierung im März 2002. Ich halte dies für sehr wichtig. Bisher sind uns nur wenige Fälle bekannt, die Miss- handlung, Missbrauch oder Ausbeutung in Zusammen- hang mit Aupair darstellen. Wir müssen wissen, inwie- weit unsere gesetzlichen Maßnahmen überhaupt Ursache für solche Fälle sein können. Hierzu benötigen wir die entsprechenden Informationen von den Behörden. Weiterhin sollen die Auslandsvertretungen bei der Vi- saerteilung darauf achten, dass die Antragsteller eine ge- wisse Sprachkompetenz haben. Hierbei geht es uns nicht so sehr darum, dass sie in der Lage sind, mit den Gastfa- milien und den Kindern perfekt zu kommunizieren. Aber sie müssen in der Lage sein, in Deutschland bei Proble- men mit der Gastfamilie Hilfe zu suchen. In diesem Zu- sammenhang müssen Konsulate und Botschaften ent- sprechend darauf achten, dass diese Sprachkompetenz gewährleistet ist. Ebenfalls an dieser Stelle muss klarge- stellt werden, dass ein Besuchervisum nicht ausreichend ist, um einer Aupairtätigkeit nachzugehen, Was die rechtlichen Rahmenbedingungen, die das SGB III setzt, betrifft, so muss den Aupairs durch die Arbeitsämter ein entsprechendes Merkblatt zugeteilt werden, das Rechte und Pflichten während des Aufent- halts darstellt. Es gab Überlegungen, dieses Merkblatt in allen Sprachen schon an den Auslandsvertretungen aus- zugeben. Das ist aus meiner Sicht nicht erforderlich und auch kaum zu handhaben. Die Aupairs sollen ja eine Sprachkompetenz nachweisen. Die muss ausreichen, um das Merkblatt zu verstehen. Das heißt aber auch, dass die Behörden darauf hinwirken müssen, dieses Merkblatt nicht in kompliziertem Amtsdeutsch, sondern in einer verständlichen Sprache zu verfassen. Des Weiteren wollen wir die Innenminister der Län- der darauf hinweisen, die Ausländerbehörden aufzufor- dern, Fällen, in denen das Visum abgelaufen ist, nachzu- gehen und zu prüfen, ob die Ausreise erfolgt ist. Auch hier gab es Diskussionen, weil viele anmerkten, das sei nicht nötig. Denn das sei ja schon geltendes Recht. Aber es war genau ein solches Versäumnis, das zu dem ent- sprechenden Fall, wie ihn der „Spiegel“ beschrieben hat, geführt hat. Hier schadet es also nichts, die Problematik erneut hervorzuheben. Die Arbeitsämter können allerdings nicht alle Sorgen zu beheben helfen, die sich aus Aupairverhältnissen er- geben können. Sie sind nur zuständig bei Problemen, die sich aus dem SGB III und den darin enthaltenen Schutz- maßnahmen ergeben. Aber auch allgemeine Probleme mit der Gastfamilie treten auch immer wieder auf. Hier- für müssen wir eine Anlaufstelle für diejenigen jungen Frauen und Männer schaffen, die nicht über eine Organi- sation vermittelt wurden, die hier Hilfe bietet. Welche Art von Anlaufstelle das sein könnte, haben wir in dem Antrag nicht konkretisiert. Es muss nur klar sein, dass es sich um eine kompetente regionale Stelle handelt. Die Ausländerbehörden halte ich hier nicht für besonders ge- eignet. Sie hätten zwar fachliche Kompetenz, werden aber bei Problemen aus Angst davor, das Land verlassen zu müssen, eher nicht aufgesucht. Eine geeignete Möglichkeit aus meiner Sicht sind die neuen Job-Center, da hier sowohl arbeitsrechtliche Kom- petenz wie die Zuständigkeit kommunaler Einrichtun- 4760 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) gen, beispielsweise der Jugendämter, versammelt sein werden. Zudem sind diese Stellen flächendeckend vor- handen. Diese Frage muss aber die Bundesregierung prüfen und die bestmögliche Anlaufstelle für Aupairs einrichten. Der letzte Punkt unseres Antrages betrifft die Frage nach den Qualitätsstandards bei privaten Arbeitsvermitt- lern im Aupairbereich. Hier gibt es viele Organisationen mit Erfahrungen, die zum Teil über viele Jahrzehnte ge- hen. Aber es gibt auch viele neue Organisationen, die die Deregulierung hervorgebracht hat. In der Tat reicht es heute aus, einen Gewerbeschein für private Arbeitsver- mittlung zu besitzen, um privat Aupairs zu vermitteln. Nicht alle diese neuen Vermittlungsorganisationen arbei- ten ähnlich kompetent und seriös, wie es bisher im Au- pairbereich üblich war. Wir können, aus schon erwähnten Gründen, nicht zu einem Genehmigungsvorbehalt kommen, wie er auch schon geordert wurde. Dieser würde auch den seriösen Agenturen die Existenzgrundlage entziehen. Unser Ziel muss es also sein, eine Art Zertifizierung bzw. ein Güte- siegel für private Vermittlungsorganisationen zu schaf- fen. Eine generelle finanzielle Förderung dieser Quali- tätssicherung, die eine Überführung dieses Bereichs in die Jugendhilfe bedeutet, ist finanziell nicht darstellbar. Aber wir haben auch in anderen Bereichen schon gute Erfahrungen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen ge- macht. Die Organisationen könnten ein gemeinsames Gütesiegel schaffen, das geprüfte und seriöse Vermitt- lungen erkennbar macht. Dieses wäre angesichts der Öffnung sowohl für die jungen Menschen, die gerne ein Aupairjahr machen wol- len, wie auch für die Familien, die auf eine kompetente Vermittlung setzen, eine wichtige Hilfe. Hier ist es not- wendig, dass sich die entsprechenden Akteure, die Ver- mittlungsorganisationen, die Vertreter der Jugendminis- terien der Länder, die kommunalen Spitzenverbände und die Bundesregierung an einen Tisch setzen und hierfür einen Fahrplan erstellen. Ein solches Treffen ist auch schon geplant. Es muss so sein, dass seriöse und kompetente Ver- mittlungen einen Wettbewerbsvorteil erlangen und an der Erstellung von Qualitätsstandards mitwirken. Eine daraus entstehende Selbstregulierung kann viele der Pro- bleme, die wir heute im Aupairbereich haben, lösen. Noch einmal: Die allermeisten der betroffenen circa 50 000 Aupairverhältnisse, die wir in Deutschland ha- ben, sind seriös. Sie sind, neben vielen anderen Aus- tauschprogrammen, Kulturstipendien und ähnlichen Möglichkeiten – ich nenne hier nur das „Freiwillige So- ziale“ oder das „Freiwillige ökologische Jahr“ – ein wichtiger Beitrag zum Kulturaustausch und zum Erwerb von Sprachkenntnissen. In einer globalisierten Welt, die zunehmend mehr Verständnis für andere Kulturen erfor- dert, ist das ganz wichtig. Aber es ist eben auch so, dass unsere Schritte zur De- regulierung auch Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet ha- ben können. Zum Glück ist das nur in Einzelfällen so und zumeist dann, wenn die entsprechenden Behörden ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind. Wir wissen das nun und haben es geschafft, in Zusammen- arbeit mit allen Fraktionen dem entgegenzuwirken und Änderungen zu fordern. Die Bundesregierung ist diesen Forderungen gegenüber sehr offen. Wir sind nicht ge- zwungen, Abstriche im Bereich der Liberalisierung der Arbeitsvermittlung vorzunehmen. Auch das ist wichtig. Es ist gut, dass wir in der Lage sind, in solchen Fällen über die Fraktionsgrenzen hinweg schnell und kompe- tent Politik umzusetzen. Rita Pawelski (CDU/CSU): Im März 2002 wurde mit der Liberalisierung des Arbeitsmarktes ein dringend notwendiger und gut gemeinter Schritt zur Verbesserung der Beschäftigungssituation getan. Hier hat sich aber mal wieder gezeigt: Nicht alles, was gut gemeint war, hat sich gut entwickelt. Denn mit der Deregulierung des Arbeitsmarktes wurde die Vermittlung von Aupairkräf- ten praktisch freigegeben mit der Folge, dass massenhaft schwarze Schafe auf den Agenturmarkt strömen: Das sind Vermittler, denen nicht das Wohl der jungen Au- pairkräfte am Herzen liegt, sondern die eigene Briefta- sche. Aupairkräfte, meine Damen und Herren, sind keine billigen Arbeitskräfte! Aupairkräfte sind junge Menschen ab 17 Jahre, oft Frauen, die, ausgestattet mit – meist wagen – Deutsch- kenntnissen, ein Jahr lang in einer deutschen Familien leben wollen, die für ein Taschengeld bis zu fünf Stun- den täglich Babysitting oder Hausarbeit übernehmen und nebenher die deutsche Sprache und die deutsche Kultur kennen lernen wollen. Die Bedingungen für ihre Beschäftigung sind festge- schrieben im europäischen Abkommen über die Aupair- beschäftigung, das von der Bundesrepublik Deutschland zwar nicht ratifiziert, aber maßgeblich anerkannt wurde. Somit, sollte man meinen, ist alles klar geregelt. Ist es aber nicht! Durch die Entscheidung im März 2001, die hier in diesem Hause einmütig getroffen wurde, hat sich einiges verändert: Vor der Deregulierung mussten für die Lizenz zum Aufbau und Betrieb einer Arbeitsvermittlungsagen- tur eine Gebühr von 3 000 DM gezahlt und zusätzlich strenge Auflagen erfüllt werden. Die 200 Agenturen, die vom Arbeitsamt die Genehmigung erhielten, wurden re- gelmäßig durch die Landesarbeitsämter kontrolliert. Es war also bekannt, wer vermittelte, wohin er vermittelte und vor allem, wen er vermittelte. Die Aupairvermittlung hat sich bereits in den Jahren vor der Deregulierung zum Wachstumsmarkt entwickelt: 1998 kamen 17 831 nach Deutschland, 2001 waren es schon 24 657, davon 15 698 aus Nicht-EU-Ländern. Mit der Deregulierung explodierte dieser Markt im wahrsten Sinne des Wortes, denn den Vermittlern wurde es leicht gemacht: Aupairs werden nicht mehr durch kontrollierte Agenturen betreut, sondern jeder, der für schlappe 20 Euro einen Gewerbeschein mit der Auf- schrift „Arbeitsvermittlung“ erhält, kann diesem Job nachgehen. Nach Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4761 (A) (C) (B) (D) ist es ganz einfach, einen Gewerbeschein zu erhalten, eine Kontrolle findet nicht statt. Mittlerweile gibt es weit mehr als 1 000 neue Vermitt- ler. Die genaue Zahl kennt niemand, weil über die örtli- chen Vermittlungen hinaus viele Kontakte über das In- ternet geknüpft werden. Und mit der Zahl der Vermittler steigt die Zahl der schwarzen Schafe – nur: Die Suppe müssen die Aupairs auslöffeln. Ich betone noch einmal: Der Aupairmarkt hat sich zum Tummelplatz für skrupellose Abzocker entwickelt, die aus dem Schicksal der Mädchen Profit schlagen wol- len. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen, einige von den Hunderten, die mir seit Beginn der Diskussion zuge- tragen wurden. Es gibt Internetseiten, die den Benutzer mit den Wor- ten „Willkommen bei der Sexy-Aupairagentur“ begrü- ßen. Weiter geht es mit den Worten: „Wir machen den Unterschied, denn unsere Aupairmädchen sind heiß und sexy!“ Weitere Beschreibungen unterlasse ich, denn sie passen nicht in dieses Haus. Ein in Polen ansässiges Unternehmen lockt junge Frauen aus Osteuropa nach Deutschland, verspricht ih- nen Jobs als Aupairs, hat aber in Wirklichkeit nur die Absicht, sie auf dem Heiratsmarkt anzubieten. Ein Mäd- chen aus der Ukraine musste täglich bis zu 16 Stunden arbeiten. Neben Babysitten hatte sie Schwerstarbeit zu verrichten, die weit außerhalb ihres eigentlichen Aufga- benbereiches lag. Extrem ausgenutzt wurde eine Afrika- nerin, die einen Sieben-Personen-Haushalt alleine versor- gen musste. Inklusive waren die Betreuung des Babys und des 80-jährigen behinderten Großvaters, bei dem sie sogar die Windeln wechseln musste. Zudem mangelt es den Aupairs oft an ausreichendem Essen und geeigneten Schlafmöglichkeiten. So ist ein Fall bekannt, bei dem ein Aupair mit vier großen Hun- den gemeinsam in einem Zimmer untergebracht war. Unseriöse Vermittler entdeckte ein Fernsehteam, das spontan vier nach dem Zufallsprinzip ausgesuchte Agen- turen aufgesucht hat – mit versteckter Kamera. Unver- blümt wurde den Vermittlern klar gemacht, man suche eine billige Arbeitskraft: „Die muss schon richtig mit an- packen und Kisten schleppen, denn ich habe einen Bier- versand.“ Bis hin zum „Ich habe eine Tochter, die braucht eine Aupair – aber auch ich brauche die Aupair, wenn sie wissen, was ich meine.“ In allen Fällen, auch im letzteren, wurde eine Vermittlung zugesagt. Die Pro- vision wurde einfach von 400 Euro auf 800 Euro herauf- gesetzt. Dabei ist die Höchstgrenze für die Vermittlungs- gebühr der Agenturen per Gesetz festgelegt: Sie beträgt 150 Euro. Liebe Bundesregierung, von diesen Beispielen gibt es eine Fülle und trotzdem wollen Sie davon nichts mitbe- kommen haben? Ihr Problembewusstsein ist erschre- ckend. Im April dieses Jahres stellte ich eine schriftliche Anfrage, in der es um die besondere Schutzbedürftigkeit von Aupairs ging. Staatssekretär Rezzo Schlauch ant- wortete, dass weibliche Aupairs mit 18 Jahren volljährig und damit voll geschäftsfähig seien. Daher seien beson- dere Schutzvorschriften für sie nicht notwendig. Zudem gebe es angesichts der Freizügigkeit auf dem Arbeits- markt für EU-Bürger keine speziellen Regelungen, um ihnen Schutz zu gewähren. Der Herr Staatssekretär bewies erschreckend seine Unkenntnis: Aupairs können auch 17 Jahre alt sein. Demnach sind sie nicht immer volljährig. Sie brauchen unseren Schutz, sie brauchen den Schutz des Staates! Noch ahnungsloser gebärdeten sich die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Arbeit, als sie im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nach den Auswir- kungen der Deregulierung befragt wurden. Es tat gut, dass die Staatssekretärin Riemann-Hahnewinkel fach- kundig Hilfe versprach. Diese Hilfe, meine Damen und Herren, ist dringend geboten; denn die jungen Menschen kommen doch nach Deutschland, um eine Vorstellung von unserer Lebens- weise, Kultur und Mentalität zu bekommen Überlegen Sie sich mal, mit welchen Eindrücken sie wieder nach Hause fahren. Diese negativen Erfahrungen sind weder für diese jungen aufgeschlossenen Menschen noch für Deutschland gut. Beide leiden darunter. Es existiert also ein dringender Handlungsbedarf. Schließlich geht es hier nicht um Ware, sondern um Menschen. Und darum ist es gut, dass wir heute diesen gemeinsamen Antrag behandeln. Mit dem Antrag wird unter anderem eine Überprüfung gefordert, inwieweit durch Zusammenarbeit auf nationaler Ebene regional ge- eignete Institutionen als Ansprechstellen für Aupairs be- nannt und diese auch entsprechend bekannt gemacht werden können. Weiterhin soll sichergestellt werden, dass die Arbeits- ämter Antragstellern bei der Erteilung der Arbeitserlaub- nis das Merkblatt für Aupairs, aus dem die Rechte und Pflichten während des Aufenthalts in der Gastfamilie hervorgehen, persönlich aushändigen. Und es soll sichergestellt werden, dass die deutschen Auslandsvertretungen bei der Erteilung eines Besuchsvi- sums darauf hinweisen, dass eine Aupairbeschäftigung im Rahmen dieses Visums nicht erlaubt ist. Das ist wich- tig, denn nach Erkenntnissen seriöser Agenturen finden immer mehr Vermittlungen von Aupairs über ein von der Botschaft ausgestelltes Besuchervisum statt. Diese Mädchen arbeiten hier illegal, sie haben keinen Schutz und sind auf Gedeih und Verderb dem Vermittler ausgeliefert. Nicht wenige werden gegen ihren Willen zur Prostitution gezwungen, und sind dann erreichbar unter gewissen Telelefonnummern. Das können wir nicht zulassen und wir dürfen schon gar nicht weg- schauen. Noch einmal: Es ist richtig, hier heute unseren ge- meinsamen Entschließungsantrag zu behandeln. Persön- lich aber, das sage ich ganz deutlich, wäre ich gern noch einen Schritt weiter gegangen: Wir müssen erreichen, dass es den schwarzen Schafen unmöglich gemacht wird, unter dem Deckmäntelchen Aupair Menschenhan- del zu betreiben. Darum wäre ich für eine Pflichtzertifi- zierung. Aber hoffen wir im Interesse der jungen Men- schen, dass eine Zertifizierung auf freiwilliger Basis greift. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss! 4762 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 (A) (C) (B) (D) Jutta Dümpe-Krüger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, einen gemeinsamen, überfraktionellen Antrag für eine Verbes- serung der privaten Vermittlung im Aupairbereich hinzu- bekommen, der dazu beitragen soll, Ausbeutung und Missbrauch in diesem Bereich zu verhindern, besonders deshalb, weil die Mehrheit der Aupairs junge Frauen ab 17 Jahren sind, die unseres besonderen Schutzes bedür- fen. Ein Aupairverhältnis ist die Möglichkeit für junge Menschen, ein Jahr lang andere Sprachen und Kulturen kennenzulernen und so die internationale Verständigung zu fördern. Rund 30 000 junge Menschen kommen pro Jahr nach Deutschland. Und rund 20 000 gehen pro Jahr aus Deutschland ins Ausland. Die überwiegende Zahl der Aupairverhältnisse trägt also erfolgreich zu gesell- schafts- und jugendpolitisch wünschenswertem, inter- kulturellem Lernen bei. Es gibt in diesem Bereich aber nicht nur eine Sonnen- seite, sondern es werden auch immer wieder Probleme sichtbar Hier ist insbesondere die illegale Beschäftigung und Ausbeutung bis hin zu Missbrauch zu benennen. Auch wenn die Ursachen für die Probleme vielschichtig sind: Wir wollen mit unserem gemeinsamen Antrag hier in erster Linie für Rechtssicherheit sorgen. Private Arbeitsvermittler und Arbeitsvermittlerinnen benötigen derzeit lediglich eine Gewerbeanmeldung, um anwerbend und vermittelnd tätig werden zu können. Gastfamilien dürfen Aupairs selbst anwerben, ohne eine Aupairvermittlungsagentur einschalten zu müssen. Seit- dem dies möglich ist, besteht die Möglichkeit, dass eine Grauzone entstehen könnte. Genau das möchten wir alle gemeinsam verhindern. Die meisten Aupairs benötigen – da sie aus Nicht- EU/EWR-Staaten kommen – eine Arbeitserlaubnis und eine Aufenthaltsbewilligung. Hier gilt es, die Zusam- menarbeit der daran beteiligten Behörden so zu verbes- sern, dass illegale Beschäftigung und damit die Gefahr der Ausbeutung vermieden werden können. Deshalb ha- ben wir uns entschlossen, die Bundesregierung aufzu- fordern, einige grundlegende Vorgehensweisen sicher zu stellen. Wir erwarten, dass die Bundesregierung bis Ende 2004 einen Bericht über die Entwicklung im Bereich von Aupair vorlegt. In diesem Bericht sollen sich Informatio- nen darüber finden, ob es zahlenmäßige Veränderungen oder sonstige Auffälligkeiten gibt, die aufgrund der De- regulierung der privaten Arbeitsvermittlung aufgetreten sind. Außerdem ist es für uns besonders wichtig, dass junge Menschen, die zu uns kommen, über ihren Status umfassend informiert sind. Dieses setzt aber auch vo- raus, dass Aupairs über Sprachkenntnisse verfügen. Dies sicherzustellen ist Aufgabe der Auslandsvertretungen und muss im Rahmen der Erteilung von Visa festgestellt werden. Da die Aupairs über bestimmte Rechte und Pflichten während des Aufenthaltes in den Gastfamilien verfügen, müssen sie hierüber auch umfassend infor- miert sein. Darum sollen die Arbeitsämter ihnen das Merkblatt für Aupairs persönlich bei der Aushändigung der Arbeitserlaubnis überreichen. Die Rechte und Pflichten der Gastfamilien und der Aupairs sind durch die Bundesanstalt für Arbeit festge- legt. Dies reicht uns aber so noch nicht. Deshalb wol- len wir die Einführung einer selbstverpflichtenden Zer- tifizierung für die Vermittlungsorganisationen und auch ein gemeinsames Gütesiegel, und zwar deshalb, um für alle Interessierten erkennbar zu machen, dass es sich um eine geprüfte Aupairvermittlung handelt. Wir hal- ten das für unverzichtbar. Wir geben der Bundesregie- rung den Auftrag, zu prüfen, inwieweit durch Zusam- menarbeit auf nationaler Ebene regional geeignete Institutionen als Ansprechstellen für Aupairs benannt und dann auch entsprechend bekannt gemacht werden können. Unsere Intention ist es, negative Einzelfälle im Au- pair Bereich so weit wie möglich auszuschließen. Und dafür Sorge zu tragen, dass der Bereich Aupair auch weiterhin in unserer Gesellschaft einen hohen Stellen- wert besitzt. Dirk Niebel (FDP): Die FDP wollte eine Liberalisie- rung in der Arbeitsvermittlung, damit Arbeitslose mehr Chancen auf Vermittlung in Arbeit bekommen. Im Ver- gleich mit den staatlichen Anbietern erhofften wir uns von privaten Vermittlern mehr Initiative und Alternati- ven zur bisherigen Vermittlung. Da die Vermittlungsgut- scheine nicht marktgerecht ausgestattet wurden, hat die- ses Instrument bisher leider nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Seit April 2002 können private Arbeitsvermittler ohne Einschränkung auch Aupairaufenthalte vermitteln. Hier hat es offensichtlich in einigen tragischen Fällen Missbrauch gegeben. In der Folge ist ein rumänisches Aupairmädchen zu Tode gekommen. Das hat große Be- troffenheit ausgelöst. Aupairaufenthalte sind für junge Menschen eine preiswerte Möglichkeit, fremde Spra- chen und Länder durch einen persönlichen und familiä- ren Kontakt kennen zu lernen. Sie erfordern als Jugend- austausch einen besonderen Schutz. Ein Missbrauch durch Ausbeutung oder – im schlimmsten Fall – durch Zwangsprostitution muss verhindert werden. Rechte und Pflichten der Gasteltern und der Aupairs sind durch die Bundesanstalt für Arbeit festgelegt. Die Caritas und der Bundesverband Aupairsociety haben mich sehr früh aufmerksam gemacht, dass auch für die Vermittlung von Aupairs eine Qualitätssicherung not- wendig ist. Sie haben bereits entsprechende Qualitäts- standards formuliert. Aupairs müssen bei Konflikten auf eine seriöse Beratung zugreifen können. Die geforderte Lizensierung der Aupairvermittlungs- agenturen hätte aus unserer Sicht aber wieder ein büro- kratisches Verfahren eingeführt, das wir gerade abge- schafft hatten. Sie hätte sich auch wegen der Freizügigkeit von Dienstleistungen in Europa und bei In- ternetagenturen nicht umsetzen lassen. Darüber hinaus wollen wir aber weiterhin den Aupairzugang aus dem fa- miliären Bereich durch persönliche Empfehlung und durch Eigensuche ermöglichen. Eine Selbstverpflich- tung der Vermittlungsagenturen scheint uns das passende Mittel zu sein, um Gastfamilien und Aupairs die aus Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 56. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 4763 (A) (C) (B) (D) meiner Sicht notwendige Freiheit und Sicherheit zu ge- währen. Allein die vorhandenen Sprachkenntnisse soll- ten für die Auswahl des Aupairs kein Ausschlusskrite- rium sein; denn schließlich soll es die Sprache im Gastland lernen. Da die Mehrheit der Aupairs aus Mit- tel- und Osteuropa kommt, sollten alle Informationsma- terialien in diesen Sprachen zugänglich sein. Die vier Fraktionen im Bundestag haben auf die be- rechtigte Sorge reagiert und diesen interfraktionellen Antrag vorgelegt. Ich hoffe, dass uns die zügige Bera- tung gelingt. Hierbei sollten wir auch gleich die Vermitt- lungsagenturen mit ins Boot holen, damit dann sofort die notwendigen und passenden Maßnahmen eingeleitet werden können. 56. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 3. Juli 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Siegmund Ehrmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte

    Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sehling, ich
    darf Sie direkt ansprechen: Sie haben beachtliche Ge-
    danken vorgetragen und besonders herausgearbeitet,
    dass in die Überlegungen unseres kulturellen Erbes si-
    cherlich auch das einzubeziehen ist, was in den Vertrei-
    bungsgebieten erschaffen wurde und was uns auch kul-
    turell bindet. Da Sie das hervorgehoben haben, will ich
    auf Folgendes aufmerksam machen: Wir haben unge-
    heuer viel Kulturgut dadurch verloren, dass Emigrantin-
    nen und Emigranten in der Zeit von 1933 bis 1945 das
    Land verlassen haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


    Dieser Aderlass lastet schwer auf uns. Auch das gehört
    dazu und ergänzt sich. Das ist kein Widerspruch.

    Die Aufgaben der Enquete-Kommission sind von
    meinen Kollegen Vorrednerinnen und Vorrednern be-
    schrieben worden. Bevor ich auf einzelne Aspekte ein-
    gehe, erlauben Sie mir eine Anmerkung. Wir erleben
    zurzeit eine sehr grundsätzliche und verfassungspoliti-
    sche Debatte – das haben wir in dieser Woche im Aus-
    schuss für Kultur und Medien erlebt; die Frage der Fu-
    sion der Kulturstiftung ist dafür ein lebendiges Bei-
    spiel – über die Aufgaben des Staates, die Zuordnung
    der Verantwortlichkeiten auf Bund oder Länder sowie
    die Finanzierung der Aufgaben.

    Bei allen kooperativen Ausprägungen, die sich in der
    Staatspraxis herauskristallisiert haben, ist klar – das ist
    unstreitig –, dass die Kulturhoheit prinzipiell bei den
    Ländern liegt. In den Debatten des Deutschen Bundesta-
    ges aber wird die Kulturarbeit in den Städten und Kom-
    munen selten bedacht. Dabei ist dies die Ebene, die im
    Wesentlichen kulturelle Aktivitäten entwickelt und ver-
    antwortet.


    (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Da ist was dran!)


    Die Kommunen selbst und die Menschen dort sind
    die Hauptakteure; denn die Kommunen klären vor Ort
    eigenverantwortlich und in aller Regel ohne Rechts-
    pflicht, welche Angebote vorgehalten werden. Hier beo-
    bachten wir seit Jahren, dass die kommunale Finanznot
    auf der Kulturarbeit vor Ort lastet. Vieles ist infrage ge-
    stellt. Manche Angebote wurden bereits aufgegeben.
    Wenn sich diese Enquete-Kommission in einem beson-
    deren Schwerpunkt den Bedingungen der Kulturarbeit
    vor Ort zuwendet, geschieht dies ausdrücklich nicht in
    der Absicht, die kommunale Eigenverantwortlichkeit zu
    unterlaufen. Vielmehr geht es nach meiner Überzeugung
    darum, die grundsätzlichen Entwicklungen aufzuspüren,
    dabei ihre Risiken und Chancen auszuloten und sich zen-
    tralinhaltlich selbst zu vergewissern, was wir zukünftig
    auf Dauer brauchen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Einige Themenfelder sind von meinen Vorrednerin-
    nen und Vorrednern angesprochen worden. Ich möchte
    einige Akzente unter einem speziellen Blickwinkel her-
    ausarbeiten.

    Der erste Punkt ist der Strukturwandel. Bei aller
    Kritik an Krise und Finanznot liegt in Krisen – ich weiß,
    das ist ein flacher Spruch – auch eine Chance. Konkret
    ist zu beobachten, dass der Druck in den Kommunen und
    unter den Kultur Schaffenden deutlich diskursive Pro-
    zesse über kommunale Kulturentwicklung in Gang ge-
    setzt hat. Deutlich zu beobachten ist, dass sich der Dia-
    log zwischen den Kulturverantwortlichen einzelner
    Institutionen und ihre Kooperationsfähigkeit deutlich
    verbessert haben. Die Kulturverwaltungsreform zei-
    tigte beachtliche Erfolge. Bedeutende Organisationsmo-
    delle sind entwickelt worden, die Effizienzgewinne er-
    zielten.

    Das zweite Stichwort lautet Selbstorganisation und
    ehrenamtliches Engagement. Deutlich ist: Nicht nur die
    kommunalen Institutionen prägen das Klima in den
    Städten. Jeder hat aus seinem Umfeld Beispiele deutlich
    vor Augen.

    Bildende Künstlerinnen und Künstler etablieren sich
    autonom in Ateliergemeinschaften und öffnen ihre Ar-
    beitsstätten. Bürgerinitiativen koordinieren kulturelle
    Aktivitäten in ihren Stadtteilen, profilieren sie, lassen
    aufhorchen und heben bewusst die kulturellen Schätze
    ihrer Quartiere.






    (A) (C)



    (B) (D)


    Siegmund Ehrmann

    Breites bürgerschaftliches Engagement ist gerade

    in Zeiten der Krise insofern zu beobachten, als sich eine
    Fülle von Fördervereinen und Initiativen um Institutio-
    nen herum bilden. Das sind lebhafte Beispiele konkreten
    ehrenamtlichen Engagements. Wenn sich eine Bürger-
    stiftung bildet, um eine aufgegebene städtische Galerie
    zu retten, zeigt dies, dass auch moderne Formen, die wir
    zum Teil gesetzgeberisch eröffnet haben, greifen und vor
    Ort einen kulturellen Mehrwert organisieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Es sind die Stichworte kulturelle Grundversorgung und
    kulturelle Grundbildung genannt worden. Aus einer
    ganz anderen Ecke, nämlich dem Ausbau der Ganztags-
    betreuung, wird eine engere Kooperation zwischen schu-
    lischen Aktivitäten und den kulturellen Aktivitäten vor
    Ort nahezu provoziert. Bei der Kooperation zwischen
    Grundschulen und Institutionen wie Musikschulen, Kin-
    der- und Jugendtheatern und Bibliotheken gibt es erfreu-
    liche Beispiele von Pilotprojekten.

    Zugleich stellt sich in diesem Kontext aber auch die
    Frage, wie sich das Verhältnis von Zentralität und De-
    zentralität von Grundbildungsangeboten gestaltet. Es ist
    ein Aberwitz, Stadtteilbibliotheken zu schließen, wenn
    stadtteilnahe Grundschulen mit Bibliotheken zur Lese-
    förderung kooperieren sollen. Da stellen sich Fragen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das ist aber letztendlich eine kommentierende Anmer-
    kung. Ich weiß, es geht hier um kommunale Selbstver-
    waltungsrechte, die ich angesichts unserer Kompetenz
    abschließend nicht bewerten will. Aber es geht um in-
    haltliche Entwicklungen, die aufzuzeigen sind. Da soll-
    ten wir nicht wegtauchen.

    Ich möchte schließlich das Augenmerk noch auf eine
    weitere Aufgabe der Enquete-Kommission richten: die
    Kulturwirtschaft. Wir reden immer von dem „weichen“
    Standortfaktor.


    (Günter Nooke [CDU/CSU]: Richtig!)

    Wer das ausschließlich darauf verkürzt, der hat die Rea-
    lität nicht richtig wahrgenommen.


    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


    Kultur ist ein ausgesprochen harter Standortfaktor und
    hat ökonomisch enorme Entwicklungspotenziale. Wer
    daran Zweifel hat, der möge sich die Kulturwirtschafts-
    berichte in Nordrhein-Westfalen, die schon in vierter
    Edition herausgegeben werden, anschauen. Es gibt dort
    sehr konkrete Beispiele, die die Umwegrentabilität
    deutlich belegen. Da sollten wir alle nachdenklich wer-
    den. Auch unter ökonomischen Aspekten ist die Kultur-
    wirtschaft ein wichtiger Faktor. Damit wird existenziell
    auch die Beschäftigungssituation der dort Schaffenden
    angesprochen. Auch das ist ein Aspekt unserer Enquete-
    Kommission. Insofern ist ihre Arbeit sehr breit angelegt.

    Wenn wir Kultur als Treibsatz, als Ferment vielfälti-
    ger Facetten des gesellschaftlichen Zusammenlebens be-
    greifen, dann wird deutlich, dass diese Enquete-Kom-
    mission eine sehr wichtige Aufgabe hat. Ich freue mich,
    dass es in diesem Parlament möglich ist, die Enquete-
    Kommission gemeinsam auf den Weg zu bringen. Ich er-
    hoffe mir eine gute Zusammenarbeit, gute Ergebnisse
    und eine Plattform, die weiteres und konkretes, vielleicht
    sogar gesetzgeberisches Handeln in diesem Haus eröff-
    net.

    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall im ganzen Hause)




Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Günter Nooke, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Günter Nooke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es

    wurde von den Vorrednern schon darauf hingewiesen,
    auch von den Vorrednern meiner Fraktion, nämlich der
    designierten Vorsitzenden und dem Kollegen von der
    CSU, dass wir einen gemeinsamen Einsetzungsbe-
    schluss dazu benutzen wollen, gemeinsame und für die
    Kulturförderung in Deutschland ergebnisreiche Arbeit
    zu leisten.

    Die Anfangsbedingungen in dieser Debatte sind gut.
    Unser Ziel ist es, das Thema Kultur nicht nur zu untersu-
    chen und darzustellen, sondern auch konkrete Maßnah-
    men zu entwickeln und zu empfehlen, um Kulturförde-
    rung in Deutschland zu stärken.

    Ich will in diesem Zusammenhang an die Diskussion
    erinnern, dass wir uns den Titel „Kulturförderung in
    Deutschland“ als noch treffender für den Kernbereich
    unserer Aufgaben hätten vorstellen können.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was wir mit der Enquete-Kommission „Kultur in

    Deutschland“ vielleicht nicht vollständig schaffen wer-
    den, ist – das kam in dieser Debatte auch schon zur Spra-
    che – die Selbstfindung der Kulturnation Deutschland.
    Ich glaube, daran müssten sich noch einige andere betei-
    ligen. Wenn sich im Zusammenhang mit der Enquete-
    Kommission einige in diesem Hause wie auch außerhalb
    dieses Hauses und außerhalb der Politik darüber Gedan-
    ken machen würden, worum es dabei eigentlich geht,
    dann hätte die Kommission sicherlich schon eine we-
    sentliche Debatte angestoßen.

    Aus der Feststellung, dass das Untersuchen nicht das
    einzige Anliegen der Kommission ist, sondern dass wir
    auch umsetzbare Handlungsempfehlungen entwickeln
    wollen, die auf verlässlichen Bestandsaufnahmen basie-
    ren, ergibt sich auch die Notwendigkeit, dass wir die ent-
    sprechenden Daten möglichst bald bekommen. Wir ha-
    ben – zugegebenermaßen etwas streberhaft – schon
    darauf hingearbeitet. Frau Daub hat bereits darauf hinge-
    wiesen. In dieser Woche haben wir gemeinsam mit der
    FDP eine Große Anfrage eingebracht, die sich mit der
    wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der künstleri-






    (A) (C)



    (B) (D)


    Günter Nooke

    schen Berufe und des Kulturbetriebs in Deutschland be-
    schäftigt.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Damit wird die geplante Bestandsaufnahme der En-
    quete-Kommission zur sozialen Lage der Künstlerinnen
    und Künstler präzisiert und ergänzt. Darüber hinaus wird
    der Kunstmarkt mit einbezogen. Die Künstlerinnen und
    Künstler stehen als Akteure schließlich nicht allein. Uns
    ist es wichtig, den Zusammenhang mit den Vermittlern
    und den Verwertern von kultureller Produktion darzu-
    stellen und näher zu untersuchen.

    Auch wir wissen, dass nicht alle Künstlerinnen und
    Künstler reiche Leute sind. Aber das gilt ebenso für an-
    dere Berufsgruppen. Wir wollen für einen größeren
    Blickwinkel sorgen und die Entwicklung der wirtschaft-
    lichen und sozialen Lage derer näher betrachten, die
    „nur“ Kultur vermitteln.

    Die Antwort der Bundesregierung auf die Große An-
    frage kann uns gerade am Beginn der intensiven Bera-
    tungen der Kommission eine große Unterstützung sein.
    Damit würde ein wichtiger Beitrag zum Erfolg der En-
    quete-Kommission „Kultur in Deutschland“ geleistet.

    Wir haben uns im Vorfeld auf den Text des Einset-
    zungsbeschlusses und damit auch auf die Aufgaben geei-
    nigt. Sprachlich weist er noch nicht ganz die Qualität
    auf, die wir uns für die Arbeit der Kommission und den
    Abschlussbericht wünschen, aber es sind durchaus Ver-
    besserungen möglich.


    (Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Es soll ja auch keine Hochkultur werden!)


    Wir haben mit diesem Beschluss die Dauer der Kom-
    mission notwendigerweise auf zwei Jahre beschränkt.


    (Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Das ist sehr gut!)

    Ich halte das für einen weisen Beschluss. Herr Barthel
    hat bereits darauf hingewiesen, welche Aufgaben der
    Beschluss nicht umfasst. Ich meine aber, wir müssen
    zum Beispiel – Herr Sehling und auch Sie haben das be-
    reits angesprochen – auch die Kultur berücksichtigen,
    die aus Gebieten, die nicht mehr zu Deutschland gehö-
    ren, hierher zurückgekommen ist oder die in Berlin
    durch die Vernichtung der Juden verloren gegangen ist.

    Trotzdem müssen wir im Zusammenhang mit der
    Enquete-Kommission noch einen wichtigen Gesichts-
    punkt beachten. Wir wären gut beraten, wenn wir uns bei
    den Themen, die wir in der Kommission behandeln, mit
    der Materie beschäftigen, für die der Bundestag eine ori-
    ginäre Zuständigkeit hat. Das bewahrt uns nämlich da-
    vor, falsche und auch nicht zu erfüllende Erwartungen an
    die Enquete-Kommission zu wecken.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Wir hätten es aufgrund der Kompetenzverteilung vor-
    gezogen, die originären Zuständigkeiten des Bundes
    noch stärker in den Vordergrund des Einsetzungsbe-
    schlusses zu stellen, allein deshalb, um von Anfang an
    den Eindruck zu vermeiden, wir führten anderes im
    Schilde als die Förderung der Kultur im verfassungsmä-
    ßigen Rahmen.

    Wir sollten uns bei der zukünftigen Arbeit der Kom-
    mission auch darauf verständigen, dass die Aufgaben der
    Länder und Gemeinden nicht zum Hauptgegenstand der
    Beratungen werden. Trotzdem werden wir uns damit be-
    fassen müssen, um zum Beispiel die von meinen Vorred-
    nern angesprochene Analyse zu erstellen. Wenn wir über
    die Situation der Theater in Deutschland sprechen,
    werden wir uns mit den tariflichen Rahmenbedingungen
    beschäftigen müssen. Wenn wir über Gastspiele von
    Künstlern in Deutschland sprechen, werden wir über das
    Steuerrecht sprechen müssen. Wenn wir darüber reden,
    wie Privatleute besser eingebunden werden können,
    müssen wir über das Gemeinnützigkeitsrecht diskutie-
    ren.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Ich bin ebenso wie Herr Ehrmann der Meinung, dass es
    um die harten Fakten der Kulturwirtschaft geht, über die
    wir zu sprechen haben.

    Wenn wir uns um die musisch-kulturelle Bildung
    kümmern – auch das ist im Einsetzungsbeschluss aufge-
    führt –, geht es um die Frage, wie wir in Deutschland ein
    Klima erzeugen können, in dem es zur Selbstverständ-
    lichkeit wird, dass Eltern ihren Kindern den Besuch von
    Musik- und Kunstschulen ermöglichen und dass umge-
    kehrt die Städte und Gemeinden attraktive Angebote ma-
    chen können.

    Bei dieser Enquete-Kommission geht es auch darum,
    gute Stimmung für die Kultur in Deutschland zu ma-
    chen. Ein günstiges Klima für die Kultur im Land hätte
    zum Beispiel nicht zugelassen – wenn ich das als Berli-
    ner einmal sagen darf –, dass ein Finanzsenator dadurch
    Stimmung macht, dass er vorgibt, mit der Schließung ei-
    ner Oper könne er den Etat der größten Stadt Deutsch-
    lands sanieren.


    (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das liegt vielleicht am Finanzsenator und nicht an der Stimmung!)


    Wir sollten jedenfalls den Blick für die Größenver-
    hältnisse behalten. Kulturförderung in Deutschland be-
    deutet auch – darauf ist schon hingewiesen worden –,
    dass Bund, Länder und Gemeinden in umgekehrter Rei-
    henfolge Beiträge leisten, gerade wenn es um das finan-
    zielle Engagement geht. Wenn es allerdings um die Rah-
    menbedingungen geht, ist die Förderung der Kultur in
    Deutschland schon wesentlich von dem abhängig, was
    wir als Bundesgesetzgeber tun. Dafür sind wir auch un-
    zweifelhaft zuständig. Hier sehe ich den Schwerpunkt
    unserer zukünftigen Arbeit.

    Wir verbinden mit dem Einsetzungsbeschluss also
    durchaus ehrgeizige Pläne. Einig sollten wir uns alle da-
    rin sein, dass am Ende der Bemühungen mehr für die
    Kulturförderung in Deutschland herauskommen muss.
    Wenn am Schluss sogar der Satz stünde, dass Kultur
    nicht nur Kernaufgabe, sondern Pflichtaufgabe des Staa-
    tes ist, dann hätten wir zumindest einen Arbeitsauftrag






    (A) (C)



    (B) (D)


    Günter Nooke

    und ein Ergebnis formuliert. Ich denke, es wird ein
    schwerer, aber auch ein lohnender Weg.

    Insofern wünsche ich uns gute Zusammenarbeit.

    (Beifall im ganzen Hause)