Rede von
Dr.
Christoph
Bergner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Ströbele, ich bin gern bereit, Ihnen die
Zahlen zu liefern, die wir bei einer Anhörung im Mai 2000
in der Stadt Halle zur Kenntnis bekamen. Damals wurde
uns von der Polizei erklärt, dass wir mit einer Auf-
klärungsquote von bis zu 70 Prozent rechnen könnten und
dass insgesamt drei Tatverdächtige tatsächlich verurteilt
worden seien. Mit einem solchen Verhältnis haben wir es
zu tun.
Ich habe noch keinen Polizisten erlebt – die Polizisten
bemühen sich bei diesen Ermittlungen ja beträchtlich –,
der, wenn er nicht das Gefühl hat, für den Papierkorb zu
arbeiten, nicht mit demselben Nachdruck, mit dem ich es
über Jahre tue, an dieser Stelle eine Strafrechtsverschär-
fung fordert.
– Die Motivlage ist völlig eindeutig.
Herr Kollege Ströbele, mir macht aber Sorgen – hier
stehen wir in der Gefahr der Bagatellisierung; auch dies
haben über Jahre geführte Gespräche mit der Polizei er-
geben –, dass wir es mit einem Einstiegs- und Weg-
bereitungsdelikt zu tun haben. Das Kratzen geschieht
dort, wo man Sorge hat, dass die Sprayereien leicht abzu-
waschen sind. Nach dem Kratzen kommt das Zertrüm-
mern und nach dem Zertrümmern kommen weiter ge-
hende Sachbeschädigungen.
Herr Kollege Ströbele, Folgendes hat mich in den Jah-
ren, in denen ich mich mit diesem Problem beschäftige,
nachdenklich gemacht: Inzwischen gibt es eine Szene –
das betrifft sicherlich nur eine Minderheit des Täterkrei-
ses –, die hoch organisiert ist. Als wir unsere Bemühun-
gen im Internet präsentierten, sind wir durch einen Link
auf eine Seite gestoßen – die Internetadresse ist
www.halle.crime.de; inzwischen habe ich ähnliche Seiten
gefunden –, auf der Sprayer die Hauswände, auf die sie
ihre Tags gesetzt haben, wie Trophäen ausstellen. Außer-
dem werden in einem Vorspann die Sicherungsbemühun-
gen der Polizei in einer solch zotigen Weise verhöhnt,
dass ich mich scheue, das in diesem Hohen Hause zu zi-
tieren. Auch so etwas fordert aus meiner Sicht, dass der
Staat beim Strafrecht eine eindeutige Antwort nicht schul-
dig bleiben darf.
Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Die Straf-
rechtsverschärfung ist nur ein Teil eines Handlungskon-
zepts. Ich selbst habe mich um die Gründung eines
Vereins bemüht, der beispielsweise versucht, eine zivil-
rechtliche Entscheidung über die Anerkennung der Säu-
berung von Denkmälern als gemeinnütziges Anliegen
herbeizuführen und darüber finanzielle Hilfe zu bekom-
men. Nur, wenn immer Sie so etwas tun, werden Sie fest-
stellen: Allein mit bürgerschaftlichem Engagement lässt
sich dieses Problem nicht lösen. Der Staat ist gefordert,
mit dem Strafrecht eine zweifelsfreie Antwort zu geben.
Um eine solche Antwort sollten wir uns bemühen; denn
die Resignation der Bürger – das erlebe ich leider in den
Stadtteilen, in denen unbesprühte Wände zur Seltenheit
geworden sind – führt zu Wegzug und Verslumung ganzer
Stadtteile. Insofern stehen wir hier vor einer grundsätzli-
chen Entscheidung. Ich kann nur dazu auffordern, dass
wir dem Anliegen, das mir in den letzten Jahren in einer
ostdeutschen Großstadt vermittelt wurde, gerecht werden,
und zwar in seiner ganzen Dimension.
Danke schön.