Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Kollege Stünker, ich werde Ihre für mich
Joachim Stünker
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Norbert Barthle
etwas schwer verdaulichen Vorschläge zu dieser späten
Stunde nicht mehr bewerten. Ich will als neuer Bericht-
erstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Haus-
halt des Bundesjustizministeriums meine Rede eigentlich
mit einem Lob an die neue Bundesjustizministerin Frau
Zypries beginnen.
Frau Zypries, Sie haben sich anders als Ihre Kabinetts-
kollegen – ich denke da an Herrn Clement und an Frau
Bulmahn – zu Beginn der neuen Legislaturperiode keinen
neuen beamteten Staatssekretär „gegönnt“. Das mag an
der Qualität Ihres bisherigen liegen. Das liegt vielleicht
auch an der Einsicht, dass der Staat, wenn er vom Sparen
redet, das nicht nur auf die Bürgerinnen und Bürger ab-
wälzen, sondern eigentlich zuerst bei sich ansetzen sollte.
Da ich aber weder von Ihnen noch von Ihrem Kollegen
Schily einen Protest gegen die Ausweitung des Apparates
der Bundesregierung gehört habe, muss ich mein Lob
schon wieder ein bisschen einschränken. Diese Bundesre-
gierung ist nämlich die teuerste, die wir je hatten. Das
können wir uns in diesen Zeiten eigentlich nicht leisten.
Ich hätte Ihnen, Frau Kollegin, auch gegönnt, dass Sie
etwas früher ins Amt gekommen wären.
Das war leider nicht möglich, weil der Bundeskanzler Ihre
Vorgängerin nicht, was er hätte tun sollen, sofort nach
ihrem Fauxpas aus dem Amt genommen hat.
Da wir schon so viel vom Sparen reden, lassen Sie
mich auch noch sagen, dass für mich – man hört es viel-
leicht: Ich komme aus dem Schwabenland; wir gelten ja
als Experten im Sparen – derzeit eine vollkommen neue
Definition des Sparens stattfindet. Sparen heißt plötzlich
höhere Schulden, höhere Steuern, höhere Sozialabgaben
und eine weitere Verlagerung von Belastungen auf Länder
und Gemeinden.
Aber lassen wir das dahingestellt sein. Ich meine, wenn
man schon vom Sparen redet und konstruktive Haushalts-
beratungen durchführen will, dann braucht man eine
Kenntnis der tatsächlichen Ist-Situation sowie belastbare
und wahrhafte Prognosen hinsichtlich der künftigen Ent-
wicklung. Daran, meine Damen und Herren, hat es diese
Bundesregierung leider etwas fehlen lassen.
– Deutlich fehlen lassen! Sie ist uns, dem Parlament, und
auch der Öffentlichkeit die Wahrheit schuldig geblieben.
Schauen wir aber jetzt auf die Zukunft, auf den Etat
des Jahres 2003. Wenn man das Sprichwort gelten lässt,
dass man aus Schaden klug werde, so muss ich leider et-
was an der Intelligenz der Bundesregierung zweifeln.
Denn der Nachtragshaushalt 2002 ist noch nicht verab-
schiedet, da erliegen Sie schon wieder der Versuchung,
die Zukunft durch die rosarote Brille zu sehen, mehr Ein-
nahmen und weniger Ausgaben zugrunde zu legen, als es
die Realität von Ihnen fordert. Das ist schädlich, Frau
Zypries, auch für Ihren Etat; denn Ihr – wie Sie sagten –
so kleiner und feiner Etat ist gerade auf Seriosität ange-
legt. Deshalb wäre es notwendig, an dieser Stelle etwas
genauer hinzuschauen.
Der Bundesfinanzminister gibt in seinem Bericht über
den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Fi-
nanzwirtschaft des Bundes eine sehr schöne Einschätzung
wieder. Er sagt nämlich, die Aufwärtsentwicklung gegen-
über dem Jahr 2002 werde sich voraussichtlich fortsetzen
und an Breite gewinnen. Wenn ich diesen Satz den Men-
schen draußen sage, dann können sie noch nicht einmal
mehr lachen; denen ist zum Weinen zumute.
Was sagt die Bundesregierung? Sie setzt sich ab. Sie
will eben gerade nicht den Einschätzungen des Sachver-
ständigenrates folgen; denn diese Einschätzungen seien,
so die Bundesregierung, viel zu pessimistisch, da der
Sachverständigenrat von erheblich geringeren Wachs-
tumsraten ausgehe. Ich meine, Sie sollten nicht weiterhin
den Wunsch als Vater des politischen Handelns nehmen,
sondern den Sachverständigen, die Sie selbst eingesetzt
haben, mehr Vertrauen schenken.
Das heißt, auch Ihr Etat, Frau Zypries, steht auf töner-
nen Füßen; auch Ihr Etat birgt bereits die Grundlage für
einen Nachtragshaushalt im Jahre 2003 in sich. Das ist un-
ter haushalterischen Gesichtspunkten der völlig falsche
Weg.
Wenn ich mir den Justizetat etwas näher anschaue,
dann muss ich feststellen, Frau Ministerin: Sie haben zwar
vieles erwähnt und dargelegt, was Sie machen wollen, Sie
haben aber nichts darüber gesagt, wo Sie noch Einspa-
rungen vornehmen wollen. Es sind immerhin bereits
4,2 Millionen Euro globale Minderausgaben etatisiert.
Das ist immerhin doppelt so viel, wie Sie zum Beispiel für
die Informationstechnik ausgeben. Hinzu kommt noch die
bereits vom Finanzminister verfügte und bei ihm ein-
gebrachte weitere globale Minderausgabe in Höhe von
1,3 bzw. 1,5 Milliarden Euro, die, heruntergebrochen auf
Ihr Ministerium, roundabout 10 Millionen Euro aus-
macht. Da sehe ich noch keine Perspektive, wie Sie das
bewerkstelligen wollen. Im Gegenteil, ich sehe keine Ein-
sparmöglichkeiten; denn der Justizetat ist kein Investi-
tionsetat, kein Steinbruch, in dem man durch Verschieben
oder Strecken Freiräume schaffen kann.
Deshalb appelliere ich an Sie, Frau Ministerin, die Ein-
sparungen mit Augenmaß vorzunehmen. Es findet unsere
Zustimmung – das sage ich ganz deutlich –, dass Sie die
Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit um rund 24 Prozent
kürzen. Das mag auch dem Wahlkampf geschuldet sein,
aber das ist prinzipiell der richtige Weg. Wovor ich aber
eindringlich warne, sind Kürzungen bei den Ihrem Minis-
terium nachgeordneten Behörden, zum Beispiel beim
Deutschen Patent- und Markenamt.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 1007
Sie haben erwähnt, dass dort Positives geschieht. Das
Maßnahmenpaket, dessen Umsetzung bereits erfolgreich
angelaufen ist, darf auf keinen Fall aufgeschnürt werden.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass zu Beginn dieses
Jahres 106 neue Stellen im DPMA geschaffen worden
sind, davon allein 76 im Patentbereich. Da wird gute Ar-
beit geleistet.
Für dieses Jahr erwartet man bei den Patentanmeldungen
wiederum ein Rekordergebnis. Das heißt, die Kreativität,
der Erfindungsreichtum unserer Menschen, der Rohstoff
Geist ist trotz PISA noch vorhanden, wird gefunden und
auch erschlossen. Da ich aus Baden-Württemberg kom-
me, darf ich sagen: Baden-Württemberg ist dank der lang-
jährigen guten CDU-Bildungspolitik das Land, das die
meisten Tüftler stellt. Seit Jahren kommt rund ein Viertel
aller Patente aus Baden-Württemberg. Darauf bin ich
stolz. Innerhalb Baden-Württembergs werden wiederum
aus der Region Ost-Württemberg, aus der ich komme, die
meisten Patente angemeldet. Wir werben mit dem Slogan
„Raum für Talente und Patente“.
Sie sehen, ich habe schon wegen meiner Herkunft al-
len Grund, dafür zu plädieren, dass Sie ein gut ausgestat-
tetes und leistungsfähiges Patent- und Markenamt
führen. Das nützt nicht nur mir und unseren Wählerinnen
und Wählern in meinem Wahlkreis, das nützt vor allem
der gesamten deutschen Bevölkerung, das nützt der deut-
schen Wirtschaft. Wir brauchen Innovationsfähigkeit, wir
brauchen schnelle Abläufe, zumal diese Behörde – das
wurde bereits erwähnt – regelmäßig mehr einnimmt, als
sie ausgibt. Deshalb sage ich ganz deutlich: Das Patent-
amt ist ein Juwel innerhalb der Behördenlandschaft und
das gilt es zu pflegen. Aber wir brauchen für noch schnel-
lere Verfahren und noch schnellere Abläufe noch bessere
Ausstattungen.
Ich möchte einen zweiten Bereich ansprechen, bei
dem ich Sie bitte, nicht zu kürzen, sondern im Gegenteil
die Mittel zu erhöhen, beim Generalbundesanwalt. Der
hat ganz besondere Aufgaben, die man insbesondere vor
dem Hintergrund zunehmender Bedrohung durch Terro-
rismus nicht einschränken darf, sondern eher ausweiten
muss.
Wo Sie ebenfalls noch besser werden könnten, hat
mein Kollege Wolfgang Götzer schon angesprochen. Ich
meine insbesondere die Strafrechtsreform mit dem Be-
reich der Sexualstraftaten. Darauf will ich nicht näher ein-
gehen, aber ich bedauere es schon, dass gerade in diesen
Tagen über einen Mann aus dem Schwarzwald verhandelt
wird, der innerhalb von zehn Tagen zwölf Straftaten be-
gangen hat. Die hätten nicht sein müssen, hätten wir die
Möglichkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem
Zitat zum Schluss kommen. Wie sagte Goethe in „Dich-
tung und Wahrheit“?
Gibt doch die Beschaffenheit der Gerichte und der
Heere die genaueste Einsicht in die Beschaffenheit
irgendeines Reiches.
Nun leben wir zum Glück nicht mehr in einem Reich, aber
Ihre Arbeit, Frau Ministerin, kann dazu beitragen, dass die
Menschen einen besseren Eindruck von unserer Republik
bekommen. Das ist nach meinem Eindruck gerade nach
dem Schaden, den Ihr Kollege Struck bereits angerichtet
hat, bitter nötig.
Dazu wünsche ich Ihnen von dieser Stelle aus viel Er-
folg und alles Gute. Uns allen wünsche ich noch erfolg-
reiche und konstruktive Haushaltsberatungen.
Danke sehr.