Rede von
Otto
Schily
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Laufe
der heutigen Bundestagssitzung sind viele Gegensätze er-
kennbar geworden. Deshalb will ich zum Beginn meiner
Ausführungen einen Punkt herausstellen, von dem ich
annehme, dass wir darin einig sind, nämlich dass die
Gewährleistung der inneren Sicherheit zu den Kern-
aufgaben des Staates gehört. Weil das so ist, ist der Staat
auch darauf angewiesen, dass ihm die dafür notwendige
finanzielle Ausstattung zur Verfügung steht. Seiner Auf-
gabe in diesem Bereich kann der Staat nur gerecht wer-
den, wenn er – das ist eine Selbstverständlichkeit; man
muss manchmal aber auch Selbstverständlichkeiten wie-
derholen – über eine verlässliche Einnahmebasis verfügt.
Der Ansatz für den Einzelplan 06 im kommenden
Haushaltsjahr beläuft sich auf 4,023 Milliarden Euro. Ge-
genüber dem im Bundeshaushalt ausgewiesenen Soll des
laufenden Haushaltsjahres beträgt der Aufwuchs also
9,8 Prozent. Damit weist der Einzelplan des Bundesminis-
teriums des Innern im Ressortvergleich den stärksten Auf-
wuchs auf. An dieser Zahl können Sie erkennen, welchen
Rang die Innenpolitik, insbesondere die Gewährleistung
der inneren Sicherheit, im Handeln der Bundesregierung
einnimmt.
Der Aufwuchs ist auf die zusätzlichen Haushaltsmittel
insbesondere zur Stärkung der inneren Sicherheit und zur
Bekämpfung des Terrorismus zurückzuführen. Wenn
Sie die einzelnen Ansätze vergleichen, dann sehen Sie,
dass wir beim Bundesamt für Verfassungsschutz einen
Aufwuchs von 22,13 Prozent, beim Bundeskriminalamt
von 20 Prozent, beim Bundesamt für die Sicherheit in der
Informationstechnik von rund 30 Prozent, beim Bundes-
grenzschutz von über 12 Prozent, beim Bevölkerungs-
schutz und bei der Katastrophenschutzhilfe, deren Bedeu-
tung wir angesichts der Jahrhundertflut nicht aus dem
Gedächtnis verloren haben, einen Aufwuchs von knapp
38 Prozent und beim Technischen Hilfswerk von über
9 Prozent haben.
Dieses finanzielle Engagement kann natürlich nur zu-
stande kommen auf der Grundlage einer soliden Finanz-
und Haushaltspolitik. Deshalb steht es in einem engen Zu-
sammenhang mit der soliden Finanz- und Haushaltspoli-
tik von meinem Kollegen, dem Bundesfinanzminister
Hans Eichel, dem ich dafür meinen ausdrücklichen Dank
ausspreche.
Ich glaube, es besteht auch Anlass, den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern meines Hauses, die bei diesen schwieri-
gen Verhandlungen wichtige Arbeit haben leisten müssen,
meinen besonderen Dank dafür auszusprechen.
Eine wichtige Institution bei der Gewährleistung der
inneren Sicherheit ist der Bundesgrenzschutz. Ich hoffe,
dass es gelingt, ihm im Laufe dieser Legislaturperiode den
ihm entsprechend seinen Aufgaben zukommenden Na-
men, nämlich Bundespolizei, zu geben. Diese Institution
hat sich großes Ansehen im Innern und im Ausland er-
worben. Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Bundesgrenzschutzes will ich an dieser Stelle meinen
herzlichen Dank aussprechen.
Natürlich kann der Bundesgrenzschutz diese Arbeit
nur leisten, wenn er mit den notwendigen modernen Ein-
satzmitteln ausgestattet ist, über das notwendige Personal
verfügt und – das will ich hinzufügen – seine Personal-
struktur so gestaltet wird, dass die Mitarbeiter ihrer Auf-
gabe mit der nötigen Motivation nachgehen können. Des-
halb war es mir wichtig und ich bin sehr froh und dankbar
darüber – ich weiß, dass es immer eine schwierige Ausei-
nandersetzung mit dem Bundesfinanzministerium gege-
ben hat –, dass wir wie in den vergangenen Jahren auch in
diesem Haushaltsjahr das Hebungsprogramm beim Bun-
desgrenzschutz fortsetzen können. Wir haben dafür knapp
5,9 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Ich glaube,
dieser Aspekt spielt für die Leistungsfähigkeit des
Bundesgrenzschutzes eine große Rolle.
Wenn Sie sich das Aufgabenspektrum des Bundesgrenz-
schutzes anschauen – dazu gehören die Sicherung unserer
Flughäfen und unseres Flugverkehrs, worüber es ja jüngst
eine Debatte gab; der Schutz der Auslandsvertretungen
und der Einsatz von Entschärfergruppen auf Flughäfen;
daneben wird er in ganz speziellen Fällen angefordert, die
ich jetzt nicht näher bezeichnen will –, dann werden Sie
Verständnis dafür haben, dass ich mich im Bundesrat da-
für einsetze, dass es eine Erschwerniszulage für die GSG 9
gibt. Ich hoffe, dass der Bundesrat seinen Widerstand ge-
gen diesen Vorschlag aufgeben wird.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Bundesminister Otto Schily
Selbstverständlich braucht der Bundesgrenzschutz
ebenso wie andere Behörden, die für Ordnung und Si-
cherheit zuständig sind, ein modernes Funksystem. Ich
bemühe mich seit ziemlich langer Zeit darum, eine Eini-
gung darüber herbeizuführen. Ich wäre dankbar, wenn auf
allen Seiten des Hauses dafür Unterstützung zustande
käme, dass wir den Analogfunk durch einen modernen Di-
gitalfunk ablösen. Denn der Analogfunk verfällt tech-
nisch und wir haben die Möglichkeit, einen modernen Di-
gitalfunk aufzubauen. Die Kosten dafür, soweit wir es im
Moment beurteilen können, fallen geringer aus, als die,
die wir für eine Fortsetzung des Analogfunks aufwenden
müssten. Wir wären gut beraten, uns dafür zu entscheiden.
Ich hoffe, dass dies morgen auf der Innenministerkon-
ferenz – ich bin dem jetzigen Vorsitzenden der Innenmi-
nisterkonferenz, dem Kollegen Dr. Böse, dankbar, dass er
mich darin nachhaltig unterstützt – endlich vorankommt.
Es muss gelingen, den Digitalfunk bis zur Fußballwelt-
meisterschaft 2006 funktionsfähig zu machen, damit wir
uns bei einem solchen Weltereignis des Sports nicht bla-
mieren, weil wir an der Stelle Defizite haben.
In der Kürze der Zeit – ich habe noch etwas über fünf
Minuten Redezeit – kann ich nicht alles vor Ihnen an-
sprechen. Ich will Ihnen aber vor Augen führen, dass sich
die Aufgaben des Bundeskriminalamtes, so wichtig sie
sind, nicht auf das Inland beschränken, sondern dass das
Bundeskriminalamt in vielfältiger Weise auch in europä-
ische und internationale Institutionen eingebettet ist.
Wenn ich über die Bitten und Anforderungen nach-
denke, die im Laufe der Jahre auf mich zugekommen sind,
zuletzt im Gespräch mit dem serbischen Ministerpräsi-
denten Djindjic, muss ich sagen: Allein die Anzahl der
diesbezüglichen Bitten und Anforderungen von Regie-
rungen in- und außerhalb Europas an die Bundesre-
gierung und die Landesregierungen ist ein wirklicher
Ausweis für die höchste Leistungsfähigkeit unserer Si-
cherheitsinstitutionen. Deshalb sollten wir – bei aller not-
wendigen Kritik an der einen oder anderen Stelle – darauf
achten, dass wir dieses Ansehen nicht in irgendeiner
Weise infrage stellen. Ich glaube, wir haben wirklich An-
lass, auf diese Institutionen stolz zu sein.
Ich will darauf besonders im Zusammenhang mit dem
hinweisen, was unsere Polizei in Afghanistan unter außer-
ordentlich gefahrvollen Bedingungen leistet. Ich möchte
diese Leistung mit einem Ausdruck belegen, der sonst nur
für Doktorarbeiten angewandt wird: Das, was dort beim
Aufbau einer eigenständigen Polizei geleistet wird, ver-
dient die Note summa cum laude. Ich finde, das sollten
wir hier einmal aussprechen.
Ich kann noch Weiteres anführen. Ich habe großen Res-
pekt davor – ich habe das seinerzeit vermittelt –, dass der
frühere Inspekteur des Bundesgrenzschutzes heute der
Berater der rumänischen Regierung, meines rumänischen
Innenministerkollegen, beim Aufbau einer rechtsstaatli-
chen Grenzpolizei in Rumänien ist, mit der dort Krimina-
lität bekämpft werden soll.
Ministerpräsident Djindjic – ich habe ihn schon er-
wähnt –, der in seinem Land vor großen Problemen steht,
deren Ausmaß wir uns gar nicht vorstellen können, ist an
uns herangetreten mit der Bitte, dass wir ihn unmittelbar
beraten.
Zu den Institutionen, die für die Sicherheit auf Bun-
desebene zuständig sind, gehört ferner das Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik, eine Institu-
tion, um die uns viele Länder beneiden. Ich bin froh da-
rüber, dass wir deren Leistungsvermögen immer weiter
haben stärken können. In einer modernen Welt, die sich
weitgehend moderner Informations- und Kommunika-
tionstechniken bedient, ist dieses Amt von großem Wert.
Ich kann alle Aufgaben, die dort geleistet werden, nicht im
Einzelnen aufführen. Ich will nur darauf hinweisen, dass
wir dieses Amt weiter stärken.
Stärker ins Bewusstsein ist die Tatsache getreten, dass
wir uns auch auf Bundesebene mehr um Bevölkerungs-
schutz, um Katastrophenschutzhilfe kümmern müssen.
Ich sage das ganz selbstkritisch. Ich glaube, Selbstkritik
wird an der Stelle dankenswerterweise auch von der Op-
position geleistet. Alle waren der Meinung: Mit Ende des
Kalten Krieges ist die Zivilschutzaufgabe obsolet gewor-
den. Sie haben das abgebaut, wir haben das eine Weile
fortgesetzt. Ich sage das ganz selbstkritisch. Ich glaube,
wir brauchen uns da gegenseitig nichts vorzuwerfen. Aber
wir müssen das ändern.
Deshalb ist es richtig, dass sich Bund und Länder auf
ein neues Rahmenkonzept geeinigt haben. Wir haben uns
nicht in akademische Diskussionen darüber verstrickt,
wer für was zuständig ist, und auch keine lange Verfas-
sungsdiskussion begonnen. Vielmehr versuchen wir, die
praktischen Aufgaben anzugehen und unsere jeweiligen
Kapazitäten und Möglichkeiten miteinander zu vernet-
zen. Das ist der richtige Ansatz.
Ich habe Wert auf die Feststellung gelegt, dass wir die
organisatorische Veränderung, die wir dadurch vorge-
nommen haben, dass wir den Zivilschutz in das Bundes-
verwaltungsamt eingegliedert haben, nicht zurückneh-
men; denn dadurch gewinnen wir Effizienzvorteile, weil
die Overheadkosten auf diese Weise geringer sind. Wir
haben auf diese Weise nicht zwei Zentralabteilungen, für
jede Institution eine. Wir werden eine Verwaltungsge-
meinschaft gründen und ein neues Bundesamt für Bevöl-
kerungsschutz und Katastrophenschutzhilfe einrichten, in
dem wir neue Dienstleistungsangebote zur Verwirkli-
chung dessen, was wir in dem Rahmenkonzept angelegt
haben, schaffen. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz.
Ich habe mir eigentlich vorgenommen, einiges über
den Sport zu sagen. Aber ich nehme an, aus meiner Frak-
tion wird dazu Stellung genommen. Deshalb will ich zum
Schluss noch auf einen Punkt kurz eingehen, wenn mir die
Zeit bleibt, Frau Präsidentin. Ich sehe, der Sekundenzei-
ger Ihrer Uhr geht so rasch voran, dass ich in der Zeit nicht
alle meine Stichworte ansprechen kann.
Alle Seiten dieses Hauses – die Opposition mahnt das
an und wir haben uns das vorgenommen – sind bestrebt,
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 981
die Bürokratie abzubauen. Das ist eine wichtige Aufgabe.
Ich bin auf der Seite aller, die sich in diesem Sinne enga-
gieren wollen. Wir haben – hier besteht ja ein Zusam-
menhang – auf dem Gebiet der Modernisierung der Bun-
desverwaltung durchaus beachtliche Fortschritte erzielt.
Ich möchte Ihnen, was den Bürokratieabbau auf Bun-
desebene angeht, einige Zahlen nennen: Wir haben
92 Behörden geschlossen. Die Zahl der Behörden wurde
von 654 auf 562 reduziert. Natürlich können Sie sagen, 562
seien immer noch zu viel. Wir haben nahezu 18000 Stellen
gestrichen. Die Zahl sank von rund 309000 auf etwa
291000. Das sind circa 6 000 weniger als vor der Wieder-
vereinigung. Der Personalbestand im Geschäftsbereich des
BMI ist um 14,6 Prozent reduziert worden. Im Rahmen des
Projekts „Bund Online“ haben wir enorme Effizienzge-
winne erzielen können. Es gibt eine enge Verbindung zwi-
schen Bürokratieabbau, Modernisierung der Verwaltung
und Nutzung der modernen Kommunikations- und Infor-
mationstechnik.
Aber an einem Punkt, nämlich in der Frage der
Normenüberflutung – das ist ein Vorwurf, mit dem wir
umgehen müssen; auch die Opposition hat dies in der
Aussprache über die Regierungserklärung kürzlich ange-
sprochen –, sind weder Bund noch Länder, noch Kom-
munen, noch die Europäische Union sehr deutliche
Schritte vorangekommen. Wir müssen uns einfach auch
einmal vom Grundsätzlichen her darauf besinnen, woher
diese Produktivität an Normen rührt. An dieser Stelle soll-
ten wir tatkräftig ansetzen. Wir werden uns dieser
Aufgabe ressortübergreifend – zusammen mit dem Bun-
desfinanzministerium, mit dem Bundeswirtschaftsminis-
terium, insbesondere auch mit dem Bundesjustizministe-
rium – annehmen; denn ein Ressort alleine kann das gar
nicht leisten. Ich hoffe auf Unterstützung aller, die sich
dort engagieren wollen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Ich hoffe, dass
dieser Einzelplan, so wie er im Entwurf vorliegt, die Zu-
stimmung der Haushälterinnen und Haushälter findet; sie
haben die eigentliche Entscheidung darüber zu fällen.
Deshalb appelliere ich an Sie alle, die gute Arbeit der Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter, auch in den nachgeordne-
ten Institutionen des Bundesministeriums des Innern, da-
durch zu bestätigen und anzuerkennen, dass Sie diese
Haushaltsansätze billigen.
Vielen Dank.