Rede von
Helga
Daub
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Dass es
die rot-grüne Regierung mit der Umsetzung ihrer Ver-
sprechen nicht so genau nimmt, wird uns Tag für Tag ein-
drucksvoll bewiesen. Das lässt auch die Belange der Bun-
deswehr nicht außen vor. Mein Kollege Jürgen Koppelin
hat bereits die Diskrepanz zwischen den Anforderungen
der Bundeswehr und ihrer Ausstattung geschildert. Das
ist eine Diskrepanz, die weit über die Diskussion betref-
fend die Anschaffung neuen Geräts für die Truppe hi-
nausgeht. Natürlich kennen wir die schwierige finan-
zielle Lage in unserem Land. Aber wir schulden es unseren
Soldaten – Bürgern in Uniform –, dass sie gerade in dieser
unbefriedigenden Situation auf klare Strukturen und auf
das Wort des Verteidigungsministers bauen können.
Das muss – mit Verlaub – im Moment bezweifelt werden.
Einige Minuten reichen bei weitem nicht aus, um die
Missstände aufzuzählen, die es zu beheben gilt. Ichmöchte
daher nur einige Beispiele nennen. Unsere Soldaten leis-
ten hervorragende Arbeit in Auslandseinsätzen. Sie gehen
physisch und psychisch bis an ihre Grenzen.
Das wird gewürdigt, aber nicht honoriert. Wie erklärt es
sich zum Beispiel die Bundesregierung, dass die in Ku-
wait stationierten deutschen Soldaten nur den zweitnied-
rigsten Auslandsverwendungszuschlag erhalten? Sie sind
im Camp Doha stationiert, demselben Stützpunkt wie un-
ter anderem die Amerikaner. Es sind aber Letztere, die für
die Festlegung der Sicherheitsstufe zuständig sind. Für
Camp Doha wurde vor vier Wochen die höchste Sicher-
heitsstufe festgelegt. Das bedeutet: Das Risiko für die dort
stationierten Soldaten wird so hoch eingeschätzt, dass
zum Beispiel eine Ausgangssperre verhängt wird oder
dass das Camp nur in Begleitung von Militärpolizei ver-
lassen werden darf. Bei der deutschen Regierung herrscht
offensichtlich eine völlig andere Einschätzung der Gefah-
ren vor. Denn sonst würden die Soldaten für die Risiken,
die sie eingehen müssen, angemessener entschädigt.
Es geht aber in dieser Debatte nicht nur um Geld. Was
die Soldaten zu Recht vermissen, ist Planungssicherheit.
Die Belastung bei Auslandseinsätzen ist sehr hoch und
dazu gehört auch der sechsmonatige Einsatz in immer
kürzeren Abständen.
Das ist nicht nur physisch, sondern auch psychisch zu ver-
stehen. Familie findet bei den Soldaten nicht mehr statt.
Die Zahl der Ehescheidungen wird immer höher. Sie ken-
nen das sicherlich auch aus den Berichten der Presse.
Die FDP fordert deshalb 160 000 für Auslandseinsätze
verwendbare Soldaten, das heißt natürlich, auch für Aus-
landseinsätze ausgebildete Soldaten. So würden die Bun-
deswehrsoldaten nur etwa alle vier Jahre zu einem vier-
monatigen Einsatz herangezogen werden müssen. Nun
wissen die Soldaten natürlich, dass sie in der Bundeswehr
und im Auslandseinsatz sind und nicht in der Heilsarmee.
Dafür wurden sie ausgebildet. Ausbildung ist auch ein
Thema, über das man sich demnächst noch wird unter-
halten müssen. Die Soldaten brauchen Sicherheit
– ich habe das schon angesprochen –, und zwar Pla-
nungssicherheit. Diese dürfen sie von ihrer Regierung und
ihrem Minister erwarten.
Andernfalls muss sich die Regierung demnächst mit
dem Frust der Truppe auseinander setzen. Niedrige Be-
zahlung und willkürliche Versetzungspolitik tragen zu
diesem Frust bei. Ein Beispiel: Die Sozialversicherungs-
beiträge und Fürsorgemaßnahmen für Soldaten sollen im
Jahr 2003 um fast 70Millionen Euro gekürzt werden. Ihre
Regierung ist doch angetreten, um angebliche Gerechtig-
keitslücken zu schließen; Sie reißen neue auf.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen dabei sehr weit ausei-
nander. Das haben Menschen, die für uns alle ihr Leben
riskieren, nicht verdient.
Sie betonen zu Recht, dass wir eine Fürsorgepflicht ge-
genüber unseren Soldatinnen und Soldaten und deren Fa-
milien haben. Mit den Familienbetreuungszentren wird
die Betreuung der zurückbleibenden Familien während
des Auslandseinsatzes wahrgenommen. Ihre Absicht,
diese Zentren mit hauptamtlichem Personal auszustatten,
ist lobenswert und richtig. Leider ist die Absicht bislang
nicht verwirklicht worden. Der Wehrbeauftragte bemän-
gelt zu Recht, dass zunächst für die Dauer von zwei Jah-
ren in einigen Zentren ein Probelauf durchgeführt werden
soll und anschließend aufgrund der Erfahrungswerte nach
dem Motto: „Na, schauen wir mal!“ entschieden werden
soll, wie es weitergeht. Das sollte angesichts der schwie-
rigen Situation der Familien etwas konkreter sein.