Rede von
Rudolf
Bindig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Diese Unnachgiebigkeit ist die Grundlage der Politik,
wie sie von der Bundesregierung durch den Außenminis-
ter und den Bundeskanzler vertreten wird. Ich wüsste kein
umgekehrtes Beispiel zu nennen.
– Was zu Tschetschenien zu sagen ist, habe ich für die so-
zialdemokratische Fraktion in der letzten außenpoliti-
schen Debatte am 29. Oktober hinreichend differenziert
formuliert.
Wir verbinden heute gerne die menschenrechtliche mit
der außenpolitischen Debatte. Viele Menschenrechtsver-
letzungen, die uns beschäftigen, finden im Ausland statt
und erfordern außenpolitische Reaktionen: bilateral, auf
EU-Ebene sowie multilateral. Tschetschenien ist hierfür
ein gutes Beispiel. Hier kann unser außenpolitisches Inte-
resse nicht losgelöst von menschenrechtlichen und huma-
nitären Überlegungen definiert werden.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi
Annan, hat in seinem Bericht zur Verhütung bewaffneter
Konflikte auf die Notwendigkeit hingewiesen, von einer
Kultur des Reagierens zu einer Kultur der Prävention
überzugehen. Um bewaffnete Konflikte auf Dauer zu ver-
hüten – so heißt es in seinem Bericht –, muss gezielt die
Achtung der Menschenrechte gefördert werden, nicht nur
die Achtung der bürgerlichen und politischen Rechte, son-
dern auch der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte einschließlich des Rechts auf Entwicklung.
Kofi Annan betont auch die wichtige Rolle des Inter-
nationalen Strafgerichtshofes bei der Durchsetzung des
Grundsatzes der internationalen strafrechtlichen Verant-
wortlichkeit. Er empfiehlt außerdem, das Amt des Hoch-
kommissars der Vereinten Nationen für die Menschen-
rechte zu stärken. An dieser Stelle möchte ich zu Beginn
der neuen Legislaturperiode – und sicher nicht nur im Na-
men meiner Fraktion – dem neuen Hochkommissar Sergio
Mello viel Kraft für seine schwierige Aufgabe wünschen.
Die Forderungen des UN-Generalsekretärs korrespon-
dieren voll mit den Planungen der Bundesregierung und
den Forderungen der Koalitionsfraktionen, die internatio-
nalen Beziehungen weiter zu verrechtlichen und den Pro-
zess der Einrichtung und Konsolidierung des Internatio-
nalen Strafgerichtshofes zu fördern.
Kofi Annan hat den Mitgliedstaaten eindringlich nahe
gelegt, die Menschenrechtsverträge und das Statut des In-
ternationalen Strafgerichtshofes zu ratifizieren. Deutsch-
land ist mit seiner völkerrechtsfreundlichen Politik für
viele Länder beispielhaft vorangegangen. Wir sind zahl-
reichen internationalen Abkommen und Zusatzprotokol-
len beigetreten und haben in der letzen Legislaturperiode
einige Vorbehalte zurückgenommen.
Wir sollten diese Politik der Abrundung unserer inter-
nationalen Verpflichtungen fortsetzen und die im Antrag
aufgelisteten Konventionen und Zusatzprotokolle zeich-
nen bzw. ratifizieren. Ganz besonders am Herzen liegen
Rudolf Bindig
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002
Rudolf Bindig
mir die Zusatzprotokolle zur Kinderrechtskonvention, die
Kindersoldaten und Menschenhandel betreffen, sowie die
Rücknahme des Vorbehaltes zu Art. 22 dieser Konvention.
Die wachsende Vernetzung der Welt in einem interna-
tionalen Normensystem ist eine Chance, für die es sich
einzusetzen lohnt. Daran wollen wir gemeinsam arbeiten.
In keinem Fall dürfen wir zulassen, dass Völkerrechtsver-
träge reines Papierwerk bleiben. Es kommt auf die Um-
setzung an.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen weist in
seinem Bericht zur Verhütung bewaffneter Konflikte im-
mer wieder darauf hin, dass neben den Vereinten Nationen
vor allem die nationalen Regierungen selbst die Hauptver-
antwortung für die Konfliktprävention tragen müssen,
und zwar sowohl im Inneren ihrer Staaten als auch in an-
deren Staaten. Hierfür müssten sie Kapazitäten aufbauen.
Es ist deshalb richtig und wichtig, dass die Bundesre-
gierung beschlossen hat, das Zentrum für Internationale
Friedenseinsätze zu einer vollwertigen Entsendeorganisa-
tion auszubauen. Auch der weitere Ausbau des erfolgreich
gestarteten Zivilen Friedensdienstes und des im Jahre 2000
gegründeten Förderungsprogramms zur Krisenprävention
in Konfliktregionen ist ein wichtiger Baustein präventiver
Menschenrechtspolitik.
Unser Antrag „Menschenrechte als Leitlinie der deut-
schen Politik“ enthält neben menschenrechtlichen Aspekten
der internationalen Politik auch viele Bezüge zu anderen Po-
litikfeldern – zur Wirtschaftspolitik, zur Entwicklungszu-
sammenarbeit, zur Innen- und Justizpolitik sowie zu einer
zielgruppenorientierten Menschenrechtspolitik. Auch wenn
es im politischen Betrieb manchmal unbequem ist: Men-
schenrechtspolitik ist eben eine Querschnittsaufgabe und
mischt sich in unterschiedlichen Bereichen ein.
Bei allem Sinn für das politisch Machbare wollen wir
uns in dieser Legislaturperiode einem breiten Spektrum
von Aufgaben widmen, um die Menschenrechte in ande-
ren Ländern, aber auch bei uns im Innern voranzubringen.
Eine aktive Menschenrechtspolitik nach Innen bleibt
nämlich ein gutes Fundament für glaubwürdige auslands-
bezogene Initiativen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.