Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!
Nach einer Debatte über das Grundsätzliche und über die
Lage der Nation ist es immer etwas schwierig, zum kultu-
rellen Teil überzugehen und versöhnliche Töne anzustim-
men. Das könnte aber auch unseren nicht ganz so kost-
spieligen Beitrag zur Kultur in diesem Hause darstellen.
Insofern kann ich es, Frau Staatsministerin, nur begrüßen,
dass Sie sich heute Ihren Redeplatz erkämpft haben und
noch zu Wort gekommen sind. Das ist ein gutes Zeichen.
Wir reden heute im Plenum nicht zum ersten Mal über
Kultur. Da wir schon zum zweiten Mal darüber reden,
habe ich den Eindruck, dass hier öfter darüber diskutiert
wird als im Bundeskabinett. Aber dass sich der Bundestag
öfter damit beschäftigt, als es die Bundesregierung viel-
leicht tut, muss – auch im Sinne des Kulturföderalis-
mus – ebenfalls kein schlechtes Zeichen sein.
Sie haben gerade im Gegensatz zu Ihrer ersten Rede
zumindest den Versuch gemacht, auch einige Schwer-
punkte der Kulturpolitik zu nennen, statt nur relativ un-
konkret und philosophisch zu sprechen. Solche Äußerun-
gen gab es auch. Ich will nicht verhehlen, dass auch uns
das, was Sie angesprochen haben, wichtig ist. Aber wir
wollen auch deutlich machen, dass es noch andere The-
men gibt, die mindestens genauso wichtig sind und die
wir ebenfalls zur Sprache bringen wollen.
Da wir uns in einer Haushaltsdebatte befinden, gehört
es auch zur Realität, festzustellen, dass die Haushalts-
ansätze den Eindruck erwecken, als ob bei den Haus-
haltsberatungen im Kabinett nicht über den Kulturetat ge-
redet wurde. Das lag vielleicht daran, dass der vorherige
Staatsminister nicht mehr im Amt war und die neue
Staatsministerin noch nicht anwesend war. Der Kulturetat
ist jedenfalls gemessen am Gesamtetat nicht nur prozen-
tual stärker zurückgefahren worden, sondern auch real
gegenüber dem Etatentwurf vom Juni 2002.
Die reale Kürzung beträgt insgesamt 4 Prozent bei un-
verändert laufendem Betrieb. Das ist neu und das kann
nicht gut gehen. Denn es stehen im Haushalt 2003 weni-
ger Mittel für Kultur zur Verfügung, und zwar trotz eines
angekündigten größeren Engagements nicht nur bei den
Stätten des Weltkulturerbes und in Berlin.
Neben alldem hat die allgemeine Verunsicherung durch
die irrlichternden Sparvorschläge aus dem Hause des Fi-
nanzministers auch zu einer „Ersten Allgemeinen Verunsi-
cherung“ bei den Kulturschaffenden geführt. Ich erinnere
daran: Erst stand die Spendenabzugsfähigkeit zur Dispo-
sition und dann der ermäßigte Mehrwertsteuersatz.
Ich bin – wie es auch Herr Otto ausgeführt hat – der
Staatsministerin für ihre beharrlichen Interventionen und
ihr wiederholtes Veto bei ihren Ministerkollegen dankbar.
Mit diesem Einsatz für die Kulturschaffenden und gegen
die Pläne der Bundesregierung und insbesondere des
Bundesfinanzministers haben Sie sich für die Opposi-
tionsarbeit qualifiziert, Frau Staatsministerin. Wir können
in der Oppositionsarbeit auch die Gemeinsamkeiten pfle-
gen. Ich hoffe, dass wir in den Ausschussberatungen zum
Haushalt zum ersten Mal gemeinsame Anträge werden
formulieren können.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 917
Parteiübergreifend, regierungs- und koalitionsübergrei-
fend – das reicht sicherlich vorerst an Gemeinsamkeiten.
Lassen Sie mich jetzt noch auf die Frage eingehen, was zu
tun ist.
Im Zusammenhang mit der Museumsinsel zum Bei-
spiel haben Sie Zahlen genannt; aber im Grunde hat sich
Verunsicherung dadurch ergeben, dass Sie angekündigt
haben, dass die Investitionen dort gestreckt werden müs-
sen und dass die Fertigstellung nicht so schnell erfolgt,
wie gewünscht. Sie haben inzwischen Zahlen vorgelegt.
Von außen betrachtet stellt sich das manchmal so dar, als
würden die Baumaßnahmen zügiger umgesetzt. Aber lei-
der ist das Gegenteil der Fall.
Auch eine andere Äußerung, nämlich die fröhliche
Feststellung, für den Palast der Republik könne man gut
ein paar Kulturveranstaltungen für die nächsten Jahre er-
finden, weil das Schloss ja sowieso nicht so bald gebaut
werde, stößt bei uns auf Kritik. Ich habe es oft gesagt und
wiederhole es heute noch einmal: Der Deutsche Bundes-
tag hat vor nicht einmal einem halben Jahr beschlossen,
und zwar mit überwältigender, parteiübergreifender
Mehrheit, das Schloss wieder zu errichten. Die Bundesre-
gierung hat diesen Beschluss zügig umzusetzen und sich
nicht Gedanken über Probleme zu machen, die sie gar
nicht hat. Sehr verehrte Frau Staatsministerin, Verläss-
lichkeit bedeutet, sich wenigstens an die Spielregeln bzw.
an die demokratische Kultur in diesem Hause zu halten.
Ein weiteres Thema, das konzeptionell und finanziell
auf unsicheren Füßen steht, ist die Gedenkstätten- und Er-
innerungskultur bezogen auf die NS- und die SED-Dik-
tatur. Der Bund muss sich nicht nur der NS-Zeit anneh-
men, sondern auch der SED-Diktatur. Es darf nicht der
Eindruck entstehen, Frau Staatsministerin, die NS-Zeit sei
„geschichtspolitisch“ für die Koalition wichtig und inso-
fern Bundesangelegenheit, während die SED-Zeit nicht
zur gesamtdeutschen Geschichte gehöre und deshalb in
den neuen Bundesländern abgehandelt werden könne.
Eine konkrete Frage im Zusammenhang mit der Debatte
über den Haushalt 2003 lautet folglich: Wo ist eigentlich
der Mittelansatz für das besondere Gedenken an den
50. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953?
Der Ruf nach mehr „kultureller Bildung“, um Zivil-
courage und Toleranz zu fördern, die Betonung der Kul-
tur als „konfliktpräventive Kraft“ im „Dialog der Kultu-
ren“ – das alles haben Sie schriftlich niedergelegt –, die
wiederholte Mahnung, dass das Sparen an der Kultur
schon in naher Zukunft den Verlust unwiederbringlicher
Güter bedeutet, und die Einsicht, dass die Kultur für den
Zusammenhalt der Gesellschaft notwendig ist, sind rich-
tig und unstreitig. Aber das alles ist angesichts des Kultur-
etats leider nur ein Wunschbild. Ich kann Sie vor diesem
Hintergrund nur auffordern, gemeinsam mit der Opposi-
tion Ihre Situation im Bundeskabinett zu verbessern.
Danke schön.