Rede von
Dr.
Guido
Westerwelle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Dann darf ich es zitieren. Ich bin beruhigt.
Da setzt die Bundesregierung eine Kommission zur
Reform der Rentensysteme ein
und Herr Stiegler sagt dazu:
Ich erwarte, dass die Professoren wie Herr Rürup uns
nicht länger mit ihrer Ejaculatio praecox beglücken.
– Ich möchte das jetzt nicht übersetzen, Frau Kollegin.
Das wäre mir zu peinlich, Ihnen offensichtlich nicht.
Weiter heißt es:
Ich habe die Schnauze voll davon, dass wir vor un-
seren Mitgliedern und Wählern täglich den Kopf hin-
halten müssen für dieses Professoren-Geschwätz.
Damit entlarven Sie, warum Sie die Rürup-Kommission
eingesetzt haben. Diese Kommission soll in einer Zeit das
Richtige denken, damit Sie in derselben Zeit die Mög-
lichkeit haben, weiter das Falsche zu machen.
Sie müssten diesem Land eine ordnungspolitische Ant-
wort geben, eine Antwort, die in der Erneuerung der so-
zialen Marktwirtschaft liegt. Es ist nämlich Unfug zu
glauben – das ist Ihr typisches Denken –, man müsse die
Steuern erhöhen, damit mehr Geld in die Staatskassen
kommt. Senken Sie die Steuern! Dann kommt mehr Geld
in die Staatskassen. Ein Problem des Wirtschaftsstandorts
Deutschland ist die zu hohe Steuer- und Abgabenlast.
Steuersenkung ist das beste Beschäftigungsprogramm
und nur über mehr Beschäftigung bekommen wir wieder
gesunde Staatsfinanzen. So einfach ist das. Das machen
uns die anderen Länder vor.
Vereinfachen Sie das Steuersystem! Anstatt einen Vor-
schlag für ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres
Steuersystem vorzulegen, fügen Sie lauter neue Steuern
hinzu. Jahrelang hat die deutsche Politik überparteilich
den Bürgerinnen und Bürgern gesagt: Wir brauchen mehr
private Zusatzvorsorge für das Alter.
Baut mehr für eure Zukunft vor! – Was passiert jetzt? Sie
führen eine Steuer für diejenigen ein, die im Laufe ihres
Lebens fleißig gewesen sind, die vorgesorgt, Wohneigen-
tum geschaffen oder in Fonds angespart haben.
Die Menschen haben das Geld, das sie für das Alter anle-
gen können, schon x-mal versteuert. Deshalb ist es unge-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Dezember 2002 889
recht, eine weitere Steuer in Höhe der hier diskutierten
15 Prozent draufzusetzen, die Sie uns als Wohltat weis-
machen wollen.
Lassen Sie mich auch noch auf die anderen Steuern zu
sprechen kommen, zum Beispiel die Vermögensteuer.Das
wird insbesondere für den Wahlkampf in Niedersachsen das
entscheidende Thema werden. Was die Menschen vergessen
und Sie ihnen vormachen, ist Folgendes: Als die Vermö-
gensteuer seinerzeit vom Bundesverfassungsgericht für un-
zulässig erklärt worden ist, gab es in vollem Umfang eine
Kompensation für die Länder. Jetzt will man die Kompen-
sation vergessen und die Vermögensteuer wieder einführen.
Ihnen fällt nichts anderes ein als eine neue Steuer, eine
neue Subvention, ein neuer Paragraph. Das ist der falsche
Weg. Die Vermögensteuer ist in Wahrheit keine Steuer ge-
gen die Reichen. In zwei Dritteln der Fälle war es eine be-
triebliche Vermögensteuer. Wie wollen Sie einem Hand-
werker, der über seinem kleinen Geschäft wohnt, erklären,
das eine sei betriebliches und das andere privates Vermö-
gen? Das ist an der Realität vorbeigedacht, Herr Eichel.
So kann nur jemand reden, der noch nie eine Mark eigen-
ständig erwirtschaften musste.
Die Zusammensetzung Ihrer Fraktion – 75 Prozent
Gewerkschaftsfunktionäre – spiegelt sich in Ihrer Politik
wider. Sie ist ohne marktwirtschaftliche Vernunft, ohne
wirtschaftlichen Sachverstand.
Wir brauchen aber eine Politik, die sich bezüglich der so-
zialen Sicherungssysteme auf die Herausforderungen un-
serer Zeit einlässt.
Wir haben gesehen, wie mit Kommissionsergebnissen
umgegangen wird. Einen ganzen Wahlkampf lang durfte
Herr Hartz für Sie reden. Einen ganzen Wahlkampf lang
haben Sie das Hartz-Konzept als die Wunderwaffe zur
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit angeführt. Mittlerweile
aber – das ist noch nicht einmal eine Woche her – verab-
schiedet sich Herr Hartz von dem, was Sie hier unter sei-
nem Namen als Politik reklamieren. Von Hartz und den
kostbaren Ansätzen im Sommer ist außer dem Namen
nichts übrig geblieben.
– Wenn auf irgendjemanden das Wort „Strukturkonserva-
tiver“ zutrifft, dann mit Sicherheit auf Sie, Herr Kollege
Mölle ––
– Herr Kollege „Münte-Möllemann“.
–Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte Ih-
nen dazu etwas sagen: Sie haben völlig Recht, wenn Sie
dazu Zwischenrufe machen. Aber wenn ausgerechnet Sie
dazwischenrufen, ist das wirklich ein starkes Stück. Wis-
sen Sie, worin der Unterschied zwischen uns besteht? Bei
Ihnen werden diejenigen, die eine Affäre haben, wie Herr
Schlauch bei den Meilen oder wie manche bei der SPD im
Rheinland, auch noch in die Regierung befördert. Wir zie-
hen die Konsequenzen.
Das ist der Unterschied zu Ihnen und Ihrer Scheinheilig-
keit in diesem Hause.