Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Die deutschen Bauern brauchen einen
Haushalt, eine Regierung, eine Politik, die ihnen den
Rücken stärkt und ihnen nicht ständig neue Knüppel vor
die Füße wirft.
Die deutschen Bauern brauchen Anerkennung ihrer Pro-
dukte und ihrer Leistungen, sowohl finanziell wie auch
ideell. Sie von Rot-Grün machen mit Ihrer Politik aber das
genaue Gegenteil. Sie schädigen in Deutschland beide,
die Bauern wie die Verbraucher – und dies auch noch
nachhaltig.
Ich glaube, Deutschland ist das einzige Land, in dem
die zuständige Ministerin die ihr anvertrauten Landwirte
unablässig schlecht redet, statt für zukunftssichere
Arbeitsplätze in den Betrieben zu sorgen.
Der giftige Spruch – ich lese ihn hier gerne noch einmal
vor –„Klasse statt Masse“ sollte das Ansehen der ge-
wachsenen und nach guter fachlicher Praxis arbeitenden
Landwirtschaft in Misskredit bringen. Er sollte den Ein-
druck entstehen lassen, dass diese Bauern nicht erwünscht
sind oder nicht ordentlich arbeiten. An dieser Einstellung,
Frau Ministerin, hat sich bei Ihnen offensichtlich bis heute
nichts geändert.
– Ich werde Ihnen das gleich beweisen.
Frau Ministerin, Sie haben hier vorhin Ihren französi-
schen Kollegen ins Gespräch gebracht. Ich muss sagen:
Sie unterscheiden sich um Welten von Herrn Hervé
Gaymard; denn er hat festgestellt, das Ziel seiner Agrar-
politik sei – ich zitiere das einmal –,
... dass die Bauern in der Lage sein müssen, vom
Preis ihrer Erzeugnisse zu leben und die Bürden im
Zusammenhang mit Umwelterfordernissen, gesund-
heitlicher Lebensmittelsicherheit und der Qualität
der Produkte zu tragen.
Waltraud Wolff
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Helmut Heiderich
Wenn das doch das Ziel Ihrer Politik in Deutschland wäre!
Sie dagegen setzen Ihre einseitigen Attacken gegen un-
sere Bauern fort, die seit Generationen unsere natürlichen
Lebensgrundlagen erhalten, die Kulturlandschaft pflegen
und uns wertvolle Nahrungsmittel preisgünstig
zur Verfügung stellen. Wie anders soll ich Ihre Anzeigen-
serie in deutschen Zeitschriften von gestern verstehen, wo
Folgendes zu lesen ist:
Im biologischen Landbau machen die Tiere so viel
Mist, wie die Pflanzen brauchen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dafür wird in
Deutschland Steuergeld ausgegeben!
Ich kann das nur so verstehen, dass Sie die Klugheit der
Rindviecher gegenüber der Bundesregierung und ihrer
Minister herausstreichen wollen, macht doch diese Bun-
desregierung weit mehr Mist, als die Bürger in Deutsch-
land vertragen können.
denn Ihre eigene Forschungsanstalt hat gerade veröffent-
licht, dass 60 Prozent der Ökobetriebe in Brandenburg
größer sind als 500 Hektar. So Ihr Forschungsreport. Ich
glaube, nicht einmal die Bundesregierung bringt so viel
Mist zusammen, um solchen ökologischen Agrarfabriken,
wie der Bundeskanzler gesagt hat, hier gerecht werden zu
können.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn
das die Verbraucherinformationskampagne dieser Bun-
desregierung sein soll oder ist – es ist ja tatsächlich in den
Zeitungen veröffentlicht worden –, dann fordere ich Sie
auf,
die 35 Millionen Euro, die Sie für diese Anzeigenkampa-
gnen im Haushalt bereitgestellt haben, sofort zu streichen
und das Geld stattdessen den Bauern für andere Arbeiten
zur Verfügung zu stellen.
Liebe Frau Wolff, nur ein kurzes Argument zum Thema
Modulation. EU-Kommissar Fischler hat die Einführung
der Modulation ja nicht aus falschen Gründen zurückge-
stellt. Sie wollen wieder einen nationalen Alleingang
machen und zum nächsten Jahresbeginn den deutschen
Bauern die Einkommen kürzen. Nichts anderes ist Modu-
lation. Wie diese Kürzung von Einkommen, Frau Höfken,
die Bauern wettbewerbsfähiger machen soll, das ist das
Geheimnis Ihrer rot-grünen Politik.
Sie wollen – wir haben das in Hessen ja einmal ge-
prüft – eine neue Verwaltungsbürokratie aufbauen. Sie
wollen dieses Geld durch die Verwaltungsmühlen drehen.
Am Schluss wird wenig übrig bleiben und bei den Bauern
wird nichts davon wieder ankommen.
Frau Höfken, damit wir Zahlen aus der hessischen Land-
wirtschaft und nicht nur Ihre allgemeinen Darstellungen ha-
ben: Durch eine aktuelle Auswertung der Betriebsergeb-
nisse in Hessen und Rheinland-Pfalz wurde festgestellt,
dass der Getreidebau in einem durchschnittlichen hessi-
schen oder rheinland-pfälzischen Betrieb ohne Ausgleichs-
zahlungen defizitär wäre. Das heißt, wenn Sie in diesem Be-
reich den Bauern noch Einnahmen kürzen, gefährden Sie
die Betriebe. Insofern ist es auch kein Wunder, dass in Hes-
sen und Rheinland-Pfalz die Landwirte zurzeit gerade noch
durchschnittlich 1 500 Euro je Betrieb investieren.
Das muss man sich einmal überlegen. Das ist Stillstand,
das ist Verunsicherung, das ist Zukunftsgefährdung. Und
das ist das Ergebnis Ihrer rot-grünen Politik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist kein
Wunder, dass der Amtsvorgänger von Frau Künast am
14. September in der Presse öffentlich erklärt hat: Die
Landwirtschaft hält diese rot-grüne Regierung nicht mehr
lange aus. Es ist ja auch kein Geheimnis – die Zahlen in
den nächsten Wochen werden es zeigen –, dass die Land-
wirtschaft im letzten Wirtschaftsjahr unter Ihrer Verant-
wortung Verluste im zweistelligen Prozentbereich ge-
macht hat, die sie jetzt verkraften muss und die ihre
Wettbewerbsfähigkeit weiterhin gefährdet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Nega-
tivstrategie und -leistung gilt genauso – damit will ich
noch auf einen anderen Bereich kommen, für den Frau
Künast jetzt die volle Zuständigkeit erhalten hat – für den
Aufgabenbereich der Bio- und Gentechnik. Auch hier
betreibt die Ministerin eine Strategie der Verzögerung und
der Verunsicherung, statt entsprechend zu handeln. Wenn
Sie, Frau Künast, vorhin gesagt haben – ich habe es hof-
fentlich richtig mitgeschrieben –, „Der andere packt kräf-
tig an und handelt“, können Sie auf diesem Feld nun wirk-
lich nicht gemeint sein, egal in welchem Bereich dieser
Technologie. Sie sind vom EU-Parlament erst vor weni-
gen Tagen darauf hingewiesen worden und Ihnen ist deut-
lich gemacht worden, wie weit die deutsche Entwicklung
auf der europäischen Ebene zurück liegt. Ich will aus dem
Beschluss des EU-Parlaments vom 21. November nicht
862
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 863
alles zitieren, obwohl man eigentlich alles hier vortragen
müsste, aber dafür sind zwei Minuten Redezeit zu wenig.
Aber ein zentraler Punkt sei hier vorgetragen. Das EU-
Parlament hat schriftlich formuliert und beschlossen, es
sei der Ansicht, die Öffentlichkeit müsse darüber aufge-
klärt werden, dass die Biotechnologie in vielen Bereichen
Vorteile biete, angefangen bei der Gesundheitsfürsorge
bis hin zu Landwirtschaft und Industrie.
Frau Künast, die Aussagen des EU-Parlaments stehen
im Widerspruch zu Ihrer Politik.
In Ihrer Regierungserklärung steht zwar, dass Sie die Bio-
technologie in Deutschland fördern und ausbauen wollen,
mit Ihrem praktischen Handeln machen Sie aber genau
das Gegenteil: Sie verhindern jede Entwicklung und hän-
gen um Jahre hinter der europäischen Entwicklung
zurück. Das schadet der deutschen Industrie und der deut-
schen Landwirtschaft.
– Ich lese nicht die Äußerungen des Verbandes der Chemi-
schen Industrie vor, sondern des EU-Parlaments. Das EU-
Parlament hat festgestellt, dass es Ihre Auffassung, die
Gentechnik und die Biotechnik im medizinischen Sektor
böten überwiegend Chancen, in der Landwirtschaft hinge-
gen seien sie hauptsächlich mit Risiken verbunden, nicht
teilt. Das EU-Parlament fordert vielmehr, dass beide Berei-
che der Technologie entwickelt werden. Man sollte nicht,
wie Sie, Frau Künast, ständig auf der Bremse stehen, stän-
dig neue Ausreden suchen und sich ständig verweigern,
wenn es darum geht, diese Strategien voranzubringen.
Auf dem gesamten Feld der Bio- und Gentechnik hinkt
diese Bundesregierung der europäischen Entwicklung um
Meilen hinterher. Frau Höfken, deswegen werden wir das
tun, was Sie vorhin schon gefordert haben. Wir werden Ih-
nen eine umfassende Alternative für eine Bio- und Gen-
technologiestrategie in Deutschland vorlegen.
Dann werden wir einmal sehen, inwieweit Sie der euro-
päischen Entwicklung folgen oder ob Sie weiterhin ein-
seitig auf der Bremse stehen bleiben und damit die Ent-
wicklung in Deutschland weiter ausbremsen.