Rede von
Klaus
Haupt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und zahlreich an-
wesende Kollegen! Der Haushalt der neuen Familienmi-
nisterin ist wirklich ein Dokument des Sparwillens der
Regierung; denn während der Bundesetat insgesamt um
durchschnittlich 1,8 Prozent zurückgefahren wird, ist der
Haushalt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gleich
mit 5,4 Prozent dabei. Dennoch steigen die Personalaus-
gaben für Ministerin und Staatssekretärinnen fast um
stolze 50 Prozent. Das ist schon bemerkenswert.
Statt durch Reformen eine nachhaltige Stabilisierung
der sozialen Sicherungssysteme zu erreichen, versucht die
Regierung, die sozialen Sicherungssysteme durch höhere
Belastung der Beitragszahler kurzfristig aufzupäppeln.
Das stellt die für die immer größer werdende Gruppe der
älteren Menschen wichtigen Leistungen im Gesundheits-
wesen und in der Pflege infrage.
Der Reformstau in der Sozialversicherung, die gegen-
wärtige Rentenpolitik und die steigende Staatsverschul-
dung gehen voll auf Kosten der heutigen Jugend. Die
junge Generation wird ihrer Zukunft beraubt. Ihr werden
unzumutbare Belastungen auferlegt und ihr wird jeglicher
finanzieller Gestaltungsspielraum entzogen. Von Gene-
rationengerechtigkeit ist bei Rot-Grün keine Spur.
Die Arbeitsmarktchancen für Jugendliche verschlech-
tern sich drastisch. Jobs im ersten Arbeitsmarkt können
durch staatliche Förderprogramme nicht ersetzt werden.
Aber auch die ältere Generation verliert durch den Re-
formstau ihre Perspektiven. Frau Schewe-Gerigk, Sie ha-
ben Recht: Die Senioren von heute sind keine Menschen,
auf deren Produktivität oder Kreativität unsere Gesell-
schaft einfach verzichten könnte. Sie stellen angesichts
des demographischen Wandels in Zukunft auch im Ar-
beitsleben eine wichtige Ressource dar. Derzeit beschäf-
tigt jedes zweite Unternehmen in Deutschland keine Per-
sonen, die älter als 50 Jahre sind. Während hierzulande
nur 39 Prozent der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig sind,
sind es zum Beispiel in der Schweiz 71 Prozent und in Ja-
pan 64 Prozent.
Dem Trend zur Frühverrentung muss politisch ent-
gegengewirkt werden, statt ihn durch ein Brückengeld
noch zu fördern.
Ältere Arbeitnehmer müssen durch gezielte Förderung,
Weiterqualifizierung und verbesserte Rahmenbedingun-
gen wieder größere Chancen am Arbeitsmarkt bekom-
men.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ist auch eines der zentralen Ziele
der liberalen Familien- und Frauenpolitik.
Irmingard Schewe-Gerigk
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Klaus Haupt
Dies entspricht auch dem Wunsch der jungen Generation,
wie er in der neuen Shell-Jugendstudie deutlich zum Aus-
druck kam. Wir verstehen das als eine Politik für die
Frauen, die jungen Menschen und die Familien und nicht
wie Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, als
eine ideologisch motivierte Aushebelung der Familien.
Die Aussage des SPD-Generalsekretärs Olaf Scholz,
mit staatlicher Kinderbetreuung eine kulturelle Revolu-
tion und die Lufthoheit über den Kinderbetten erzielen zu
wollen, macht doch eines deutlich: Die SPD will keine
echte Freiheit, Familie und Beruf vereinbaren zu können,
sondern einen aufgeblähten staatlichen Erziehungsappa-
rat. Die SPD misstraut den Familien bzw. den Eltern und
strebt eine Vergesellschaftung der Erziehungsarbeit an.
Wir Liberale lehnen diese Art von staatlicher Zwangs-
beglückung entschieden ab.
Wir fordern stattdessen ein breiteres und flexibleres
Angebot an staatlicher und privater Kinderbetreuung in
Verbindung mit der Kita-Card, das den Familien die Ent-
scheidungsfreiheit lässt, wann, wo und wie sie ihre Kin-
der betreuen lassen wollen.
Frau Bundesministerin Schmidt, Sie haben wiederholt
gefordert, unsere Gesellschaft möge kinderfreundlicher
werden. Ich unterstütze das von ganzem Herzen. Kinder-
freundliche Politik ist eine praktische Angelegenheit und
beginnt in den Köpfen und im Alltag, indem etwa schnell
wieder die Kinderkommission des Deutschen Bundesta-
ges einberufen wird. Sie beginnt auch bei familienfreund-
lichem Wohnraum – die Eigenheimzulage will Rot-Grün
aber um gut ein Drittel kürzen –, beim Familienwahlrecht,
das Sie, Frau Ministerin, zur Stärkung der Kinderinteres-
sen in unserer Gesellschaft fordern – Sie haben dabei übri-
gens meine Unterstützung –, oder beim Mehrwertsteuer-
satz für Kinderbedarf. In Deutschland fällt jetzt der
ermäßigte Steuersatz für Werbemittel und Gärtnerei-
bedarf. Hunde- und Katzenfutter bleiben unverändert
steuerlich begünstigt, Babynahrung dagegen nicht. Sind
Haustiere wirklich eher förderungswürdig als Kinder?
Das muss uns doch alle gemeinsam auf die Barrikaden
treiben!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich das Ausga-
benvolumen im Etatansatz für den Bereich der Beauf-
tragten für Migration, Flüchtlinge und Integration
verfünffacht, wäre an sich zu begrüßen. Denn der Anteil
der jungen Menschen in unserer Gesellschaft, die aus
Immigrantenfamilien stammen, wächst immer mehr an.
Doch sollen die Personalkosten für die Mitarbeiter der
neuen Staatssekretärin gegenüber den Personalkosten der
bisherigen Ausländerbeauftragten mehr als verneunfacht
werden. Das macht deutlich, dass diese Mittelsteigerung
nur zu einem Bruchteil bei den Migranten, Flüchtlingen
und Zuwanderern ankommt.