Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versu-
che es einmal: Liebe Kollegen, der Einzelplan 17 gehört
sicherlich – –
Ekin Deligöz
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Otto Fricke
– Genau diese Reaktion habe ich erwartet. Deswegen
habe ich es ausprobiert. Sie sind auf diesen Versuch mehr
oder weniger klar eingegangen.
– Herr Tauss, der Sie Einwürfe so sehr lieben: Ich habe be-
wusst „liebe Kollegen“ gesagt, um zunächst den Herren
Kollegen und erst danach den lieben Kolleginnen etwas
zu sagen.
Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.
Also, liebe Kollegen, der Einzelplan 17 gehört mit Si-
cherheit zu den kleineren, dafür aber umso wichtigeren
Einzelplänen in unserem Bundeshaushalt.
– Ich komme dazu. Haben Sie doch einmal Geduld! Herr
Tauss, ich habe immer gedacht, junge Leute hätten keine
Geduld. Jetzt merke ich: Das ist keine Frage des Alters.
Er ist deswegen von so großer Bedeutung, weil er un-
ser gesellschaftliches Miteinander über die Generationen
hinweg betrifft.
Nun, liebe Kolleginnen gerade von den anderen Frak-
tionen, wobei ich jetzt die CDU/CSU einbeziehe, wenn
ich mir angucke, wer heute Abend hier debattiert, dann
stelle ich fest, dass außer seitens der FDP nur Kolleginnen
reden.
– Vielleicht ändert sich das bei der CDU/CSU ja noch. –
Ich hoffe gerade bei Rot-Grün, dass die Kolleginnen den
Kollegen erlauben, ein kleines bisschen zu sagen.
– Über Qualität können Sie sich Gedanken machen. Ich
mache mir über meine Rede Gedanken.
Meine lieben Damen und Herren vonseiten der Oppo-
sition, liebe Kolleginnen und Kollegen vonseiten der Re-
gierung, wenn wir auf die Uhr gucken, dann wissen wir,
dass jetzt wahrscheinlich schon sehr viele von denen im
Bett sind, über die wir reden, nämlich die Kinder. Wenn
ich die Zurufe von Herrn Tauss höre, bin ich eigentlich
auch ganz froh darüber, dass es so ist.
Ich habe mir einmal den Koalitionsvertrag daraufhin
angeschaut, wo die beste Formulierung zur Familienpo-
litik steht. Das Komische ist, die beste Formulierung fin-
det sich beim Thema Verbraucherschutz:
Verbraucherschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Die
Koalitionsparteien sorgen daher für eine systema-
tische Einbeziehung der Verbraucherinteressen in
alle relevanten Politikbereiche.
Wenn das Wort „Verbraucherschutz“ an dieser Stelle
schlicht und einfach durch „Kinder- und Familienpolitik“
ersetzt würde, dann träfen Sie das Ziel, dann wäre die For-
mulierung richtig.
Ich habe leider das Gefühl – Frau Ministerin, Sie haben
es indirekt angedeutet –, dass viele Dinge, die Familien
betreffen, eigentlich bei Ihnen ressortieren sollten. Aber
wir wissen, dass die wesentlichen Entscheidungen von
denjenigen getroffen werden, die jetzt nicht da sind, näm-
lich von der Justizministerin und dem Finanzminister. Es
wäre schön, wenn Sie sich da durchsetzen würden wie die
Verbraucherschutzministerin im Verbraucherschutz. Wir
werden sehen, ob Ihnen das gelingt.
Als Haushälter möchte ich an dieser Stelle einen kur-
zen Exkurs zum Bundesamt für den Zivildienstmachen.
Ich habe die Hoffnung – auch da setze ich auf die Minis-
terin, aber natürlich auch auf die Kontrolle durch die
Opposition –, dass das Bundesamt für den Zivildienst in
den nächsten Jahren durch die auf das Bundesamt zu-
kommende Modernisierung zu einer effektiven Behörde
wird. Eine solche Behörde brauchen wir bei all den Din-
gen, die zumindest bis 2006 auf sie zukommen.
Eine Sache muss man nach meiner Meinung an dieser
Stelle ansprechen – mich verwundert es etwas, dass es
noch nicht angesprochen worden ist –: Der Bundeskanz-
ler hat sich über die kriegsmäßige Sprache von Teilen der
Opposition erregt. Ich wundere mich, dass derjenige, der
als Erster in der Debatte über die Familie solche Begriffe
verwendet hat, ausgerechnet der Generalsekretär der SPD
war, der über „Lufthoheit“ geredet hat.
– Das stört Sie vielleicht. Er hat es getan. Sie können sich
ja ausdrücklich davon distanzieren.
Als ehemaliger kleiner Wehrpflichtiger kann ich Ihnen
sagen: Wer Lufthoheit anstrebt, der beabsichtigt etwas an-
deres: Er bereitet einen Bodenkrieg vor. In dem Boden-
krieg, der von Teilen der Regierung vorbereitet wird – Frau
Ministerin, Sie habe ich da anders verstanden; das gebe
ich ehrlich zu –, geht es um die Gesellschaftspolitik.
– Sie können mich ja in den nächsten vier Jahren eines
Besseren belehren.
Ich habe das Gefühl, dass einige von Ihnen die Gesell-
schaft dirigistisch verändern wollen.
Ich habe das Gefühl, dass Sie durch Gesetze bis ins letzte
Detail regeln wollen, wie Menschen – wohlgemerkt im
persönlichen Bereich – miteinander umzugehen haben.
Die FDP setzt dem bewusst Freiheit entgegen. – Jetzt
kommt wahrscheinlich von irgendjemandem der Zuruf:
„Ellenbogenfreiheit!“ Nein, Freiheit in Verantwortung
wollen wir. Das ist der Unterschied.
Wir setzen auf Freiheit, die zu verantwortungsvoll han-
delnden Bürgern führt und nicht dazu, dass sie sich auf
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den Staat verlassen; denn das – das zeigen diese Haus-
haltsberatungen – können sie auf Dauer nicht.
Zum Abschluss eine Kleinigkeit: Viele Kolleginnen
und Kollegen werden wie ich am Ende dieser Woche nach
Hause kommen und ihre Kinder schon im Schlafe vorfin-
den. Aber ich sage Ihnen: Ich bin froh, dass, wenn ich
mich über die Betten meiner Kinder beuge, meine Frau
und ich die Lufthoheit haben und nicht der Staat.
Individuelle Verantwortung und Freiheit sind das, was
wir als Staat unterstützen sollten, und nicht ein politisch
eingeengtes und bevormundendes Gesellschaftsbild.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.