Rede von
Hans-Josef
Fell
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Frau Dr. Böhmer, ich habe Sie in der Stammzellen-
debatte als überlegt und differenziert urteilend kennen ge-
lernt. Wie platt und parteiideologisch Sie heute aber über
die Bildungspolitik gesprochen haben, hat mich sehr er-
staunt.
Bildung, Forschung und Technologie – darin stimme
ich Ihnen völlig zu – gehören zu den wichtigsten Grund-
lagen der Zukunftsvorsorge. Hier haben wir – im Gegen-
satz zu Ihnen – in den vergangenen Jahren immer wieder
wichtige Akzente gesetzt. Wir werden dies trotz der
schwierigen Haushaltslage auch in dieser Legislaturpe-
riode tun.
Unter Berücksichtigung der Mittel für die Ganztagsschu-
len steigen die Mittel des BMBF um 3,7 Prozent an. An-
gesichts der schwierigen Haushaltslage ist dies eine ein-
deutige Prioritätensetzung.
2003 wird als Reaktion auf die PISA-Studie ein
Schwerpunkt auf die Bildung gelegt werden. Folglich
werden sich die Aufwüchse bei der Forschung auf den
Zeitraum 2004 bis 2006 konzentrieren. Erinnern wir uns
an das Jahr 2000: Auch damals musste der Forschungs-
haushalt seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung er-
bringen. Dennoch hatten wir am Ende der Legislaturpe-
riode eine Bilanz vorzuweisen, von der unsere Vorgänger
eigentlich nur träumen konnten.
Das wird sich in dieser Legislaturperiode wiederholen.
Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, werden wir darauf
hinarbeiten, bis 2010 3 Prozent des deutschen Bruttoin-
landsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investie-
ren. Ich unterstütze die Forderung, die Forschungsmittel
deutlich zu erhöhen. Kritisch betrachte ich jedoch die
Tendenz mancher Forschungslobbyisten, sich in die
Reihe der reinen Besitzstandswahrer einzuordnen.
Wer sich etwa für die Kernfusionsforschung einsetzt,
wirft mit beiden Händen das Geld zum Fenster hinaus,
Dr. Maria Böhmer
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Hans-Josef Fell
Geld, das in anderen Forschungsbereichen dringend für
die Zukunftsvorsorge benötigt wird.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass auch in
anderen Ressorts Forschung stattfindet. So sind zum Bei-
spiel im Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Arbeit die Forschungs- und Technologietitel zumeist
deutlich angestiegen. Wolfgang Clement zeigt sich we-
sentlich zukunftsbewusster als sein Vorgänger. Dies ist ein
wichtiger Fortschritt.
Etwas aus dem Rahmen fällt lediglich die Kürzung der
Mittel für die Forschung im Bereich der erneuerbaren
Energien. Wir werden in den Fraktionen daran arbeiten,
dass mehr Mittel für Energieforschung in das Umweltres-
sort kommen. Dann können wir im Umweltministerium
genauso gute Nachrichten verkünden wie schon jetzt im
Verbraucherschutzministerium: Ministerin Künast hat die
Mittel für die Forschungsförderung im Bereich der nach-
wachsenden Rohstoffe gleich um 23 Prozent angehoben.
Rot-Grün steht also weiterhin für eine Verstärkung der
Forschung.
Liebe Frau Kollegin Flach, ich bitte Sie, Herrn
Gerhardt endlich ins Gewissen zu reden. Er rief dieser
Tage zum Steuerboykott auf. Ein solcher Boykott wäre
doch eigentlich das Ende der Bildungs- und Forschungs-
förderung. Wo soll denn dann das Geld herkommen? Ärger
über den politischen Gegner sollte niemals dazu führen,
dass die Zukunft unseres Landes aufs Spiel gesetzt wird.
Die steuerpolitische Bankrotterklärung einer angeschla-
genen FDP darf nicht den Bankrott des Staates nach sich
ziehen.
Sehr geehrte Damen und Herren von der Union, Sie ma-
chen es leider nicht wesentlich besser. Der Ärger über die
verlorene Wahl brachte alle Dämme zum Brechen. Hyste-
rie, Demagogie und Zweckpessimismus sind Ihre Mittel,
um der gewählten Bundesregierung zu schaden. Aber Sie
schaden vor allem unserem Land. Man sagt, 50 Prozent der
Wirtschaftspolitik seien Psychologie. Ihre Therapievor-
schläge sind aber Katastrophenszenarien und Blockadepo-
litik. Damit verhindern Sie Investitionen und Innovationen.
Ich möchte den Leiter des Frankfurter Zukunfts-
instituts,Matthias Horx, zitieren:
Wir sind in einer reichen Gesellschaft mit großen
Wohlstandsreserven, mit Erfinderreichtum und un-
ternehmerischer Praxis.
In seinem aktuellen Manifest wider den Ungeist der Pa-
nikmache kritisiert er Teile der Medien, Politiker wie Sie
und Lobbyisten und ruft auf, endlich mit dem Jammern
Schluss zu machen.
Ich bitte Sie: Übernehmen Sie Verantwortung für dieses
Land! Auch die Opposition trägt Verantwortung. Verges-
sen Sie das nicht!
Lassen Sie mich im Folgenden einige Themen anspre-
chen, die wichtig für unsere Forschungspolitik sind. Rot-
Grün hat in der letzten Legislaturperiode die Mittel für
Technikfolgenabschätzung mehr als verdoppelt. Dieses
hohe Niveau halten wir trotz der schwierigen Haushalts-
lage. Davon können diejenigen, die für die Technik-
folgenabschätzung im schwarz-gelb regierten Baden-
Württemberg zuständig sind, nur träumen.
Dort interessiert man sich mittlerweile einen Teufel für
eine verantwortliche Forschungs- und Technologiepolitik
und dreht der Akademie für Technikfolgenabschätzung
den Hahn zu. Wir werden weitere Schwerpunkte setzen.
Aus Zeitgründen kann ich darauf nicht mehr eingehen.
Wir werden ein Energieforschungsprogramm auf den
Weg bringen, das eindeutig Priorität auf erneuerbare
Energien und Energieeinsparungen legen wird. Aus der
Entwicklung neuer Atomreaktoren waren wir bereits in
der letzten Legislaturperiode ausgestiegen. Jetzt widmen
wir unsere Aufmerksamkeit der Kernfusion. Leider spie-
gelt sich diese politische Vorgabe noch nicht in der Pro-
grammplanung der Helmholtz-Gemeinschaft wider. Ich
bedauere sehr, dass es dem BMWF noch nicht gelungen
ist, alte Strukturen aufzubrechen und die gemeinsame
Zielsetzung einer Umsteuerung in der Energieforschung
durchzusetzen. Ich betrachte dies als Aufforderung an die
Regierungsfraktionen, sich hier noch mehr zu engagieren.
Auch in der Biotechnologie wird im Wesentlichen der
hohe Ansatz der letzten Jahre gehalten. Auch hier gilt es
vor allem, politische Akzente zu setzen. In der letzten Le-
gislaturperiode hatten wir gemeinsam erreicht, das Töten
von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen zu ver-
hindern. Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt,
dass auch das Klonen von Menschen durch die Politik
verhindert werden muss. Wir werden diesem Thema
große Aufmerksamkeit widmen.
Umso wichtiger ist es, der Bioethik im Parlament eine ei-
gene Plattform im Rahmen einer Enquete-Kommission zu
geben.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, sich ge-
meinsam mit uns für die Einrichtung der Enquete-Kom-
mission einzusetzen.