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Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Ich erteile
das Wort der Bundesministerin Edelgard Bulmahn.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Meine sehr geehrten Herren und Damen! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Die weltweite Konjunkturentwick-
lung, die schwierige Situation auf dem Arbeitsmarkt und
die notwendige Neujustierung der sozialen Sicherungssys-
teme stellen Herausforderungen dar, die in der Tat groß
sind. Die Panikmache und der Klamauk, die heute Mor-
gen hier von einigen betrieben worden sind, helfen dabei
sicherlich niemandem.
Die Menschen wollen nämlich keinen Klamauk und
auch kein Gejammer, sie wollen Taten sehen. Was unser
Land in einer solchen Situation braucht, ist ein vernünfti-
ges Konzept,
das an dem Ziel der Haushaltskonsolidierung festhält und
zugleich die notwendigen Strukturreformen auf gerechte
Art und Weise vorantreibt. Wir haben ein solches Konzept.
Wir gehen einen Weg, der Voraussetzungen für mehr
Innovation, wirtschaftliches Wachstum und neue Arbeits-
plätze schafft. Ich frage Sie, meine Damen und Herren
von der Opposition: Wo ist Ihr Konzept?
Wo setzen Sie die Schwerpunkte des Haushalts? Wo wol-
len Sie sparen? Wo sagen Sie: „Hier müssen wir zusätz-
lich investieren“?
Wollen Sie etwa bei den Ausbildungsplätzen im Osten
sparen? Ich habe gesagt: Nein, hier müssen wir einen
Schwerpunkt setzen, damit die Jugendlichen weiterhin
eine Ausbildungschance haben.
Bei uns, bei unserer Politik der vergangenen vier Jahre, sind
die Mittel für Bildung und Forschung gegenüber 1998,
Ihrem letzten Regierungsjahr, meine Herren und Damen
von der Opposition, um mehr als 25 Prozent gestiegen.
Damit haben wir in der letzten Legislaturperiode rund
3,1 Milliarden Euro mehr in Bildung und Forschung in-
vestiert als Sie, meine Herren und Damen der Opposition,
in den vier Jahren Ihrer letzten Legislaturperiode.
Dieses Geld ist gut angelegt; denn die Reformen, die wir
mit diesen Mitteln durchgeführt haben, greifen inzwischen.
Die Zahl der Studienanfänger ist heute so hoch wie nie.
Rechnet man nach den OECD-Kriterien, dann liegt die
Studienanfängerquote jetzt – das sind die neuesten Zah-
len – bei 35,6 Prozent. Damit nähern wir uns dem OECD-
Durchschnitt, den wir immer als Zielsetzung formuliert
haben. Zur Erinnerung: Im Jahre 1998 betrug die Quote
der Studienanfänger nur 27,7 Prozent.
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Nach dem Kaputtsparen ist das neue BAföG endlich wie-
der eine Erfolgsgeschichte. Auch das ein Verdienst dieser
Bundesregierung.
Bereits im Jahre 2001 haben wir damit 91 000 jungen
Menschen mehr eine Chance auf qualifizierte Ausbildung
gegeben.
16 000 Fachkräfte mehr nutzten in diesem Jahr das von
uns reformierte Meister-BAföG für ihren beruflichen
Aufstieg. Dass das jetzt endlich wieder ein Renommee
hat, ist unser Verdienst.
Das ist nur sieben Monate nach der Reform eine Steige-
rung um mehr als 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Die Steigerung bei der Projektförderung im Forschungs-
bereich um mehr als 44 Prozent, die Strukturreformen, die
schwierig und hart, aber notwendig waren,
haben bei den Forschungsorganisationen die Innovati-
onskraft unseres Forschungsstandorts gesteigert.
Die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen, die
aus dem Fachprogramm des BMBF unterstützt werden,
ist seit 1998 um knapp 60 Prozent gestiegen. Auch das
passierte in den letzten vier Jahren.
Auch bei den Inlandspatenten sprechen die Zahlen eine
deutliche Sprache. Die Zahl der Anmeldungen ist mit
52 600 um 10 Prozent höher als vor vier Jahren.
Gerade in der Bildungs- und Forschungspolitik sollte
man sich nicht allein mit Vorurteilen begnügen, sondern
Fakten zumindest zur Kenntnis nehmen.
– Dann kann man Alternativvorschläge machen, Herr
Rachel. Wenn Sie bessere Vorschläge haben, dann disku-
tieren wir auch gern darüber.
Meine sehr geehrten Herren und Damen, unser Kurs ist
eine Haushaltspolitik, in der Bildung und Forschung Pri-
orität behalten.
Diesen Kurs halten wir trotz der notwendigen Einschnitte,
die wir im Gesamthaushalt durchführen müssen, wozu die
Länder im Übrigen auch gezwungen sind.
Wir kürzen im Haushalt insgesamt, aber bei Bildung und
Forschung halten wir das Niveau, ja, steigern es sogar
leicht. Im nächsten Jahr stehen für Bildung und Forschung
insgesamt 9,1 Milliarden Euro zur Verfügung.
Trotzdem können wir nicht, wie gewohnt, an jeder Stelle
hohe Zuwächse zusichern. Deshalb gibt es zum Beispiel
bei der institutionellen Förderung in diesem Jahr eine
Nullrunde.
Das ist keine Kürzung, wie manche behaupten. – Das
halte ich nach den Steigerungen der letzten Jahre für ver-
tretbar, wenn es mir auch schwer fällt.
– Herr Rachel, darüber diskutiere ich gerne mit Ihnen; denn
nach unserer Auffassung muss die Forschungsförderung in
den neuen Bundesländern weiterhin gesteigert werden.
Wenn Sie, Herr Rachel, hier beantragen wollen, dass wir
die Forschungsförderung dort kürzen, dann lassen Sie uns
darüber ernsthaft diskutieren. Wenn Sie das wollen, legen
Sie einen klaren Antrag auf den Tisch,
aber satteln Sie nicht immer drauf, ohne zu sagen, an wel-
cher Stelle Sie dann kürzen wollen.
Wir kürzen bei der institutionellen Förderung nicht, son-
dern wir machen dort eine Nullrunde. Die Forschungsor-
ganisationen erhalten also genauso viel Mittel wie im
Jahre 2002. Es gibt hier also keine Kürzung
und wir werden die Forschungsförderung in den neuen
Bundesländern weiter steigern, weil wir das für unab-
dingbar und zwingend notwendig halten.
– Wenn Sie anderer Meinung sind, dann sagen Sie das
hier.
Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Auch beim BAföG, meine sehr geehrten Herren und
Damen, beim Meister-BAföG oder der Nachwuchsförde-
rung kann und will ich nicht kürzen.
Denn wer kein Gold im Boden hat, der muss sich um das
Gold in den Köpfen kümmern. Wer das nicht will, der
muss das hier auf den Tisch legen und auch klar sagen.
Wer nicht auf das Wissen und das Können der Menschen
in unserem Land setzen will – ich will das –, der muss hier
eine andere Position vertreten.
Mit Geld allein – auch das will ich ausdrücklich sa-
gen – ist es dabei nicht getan; gefragt sind das Können, die
Kreativität derjenigen, die in den Bildungseinrichtungen
und den Forschungseinrichtungen arbeiten und Verant-
wortung tragen. Gute Bildung, eine gute Ausbildung sind
heute mehr denn je Eintrittskarten für die Welt von mor-
gen. Wir wollen deshalb nicht, dass diese Eintrittskarten
nach dem Einkommen oder nach dem Bildungsstand der
Eltern verteilt werden, wie es in Deutschland leider immer
noch viel zu sehr der Fall ist.
Das hat die PISA-Studie nachdrücklich offen gelegt.
Wir wollen ein Bildungssystem schaffen, das Qualität
und Chancengleichheit in den Mittelpunkt stellt, das zu-
gleich fördert und fordert. Das schlechte Abschneiden un-
serer Schulen bei der internationalen Vergleichsstudie
PISA hat uns gezeigt, dass wir damit nicht früh genug be-
ginnen können. Denn nur wenn wir unsere Kinder schon
im Grundschulalter ausreichend fördern, werden sie in
den Hochschulen gut ankommen.
Wir haben deshalb nicht lange nach Zuständigkeiten
gefragt, sondern bereits 2001 mit den Empfehlungen des
Forums Bildung entscheidende Weichen für die Erneue-
rung des Bildungssystems gestellt. Im Zentrum steht da-
bei die bessere und individuelle Förderung unserer Kin-
der. Fördern und Fordern ist dabei das Prinzip, das wir
dabei sozusagen als Überschrift über unsere Initiativen
gestellt haben. Wir wollen Schulen mit neuen pädagogi-
schen Konzepten, in denen die Fähigkeiten des einzelnen
Kindes wirklich optimal gefördert werden.
Deshalb wollen wir in den kommenden vier Jahren den
Aufbau von zusätzlichen Ganztagsschulen fördern. Da-
für stellt der Bund 4 Milliarden Euro bereit. Dabei geht es
um weit mehr als ein warmes Mittagessen und betreutes
Spielen am Nachmittag. Es geht nicht darum, den Eltern
die Erziehungsaufgabe abzunehmen, sondern es geht um
ein hochwertiges Bildungsangebot und um die bessere
Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Was wir in unseren Schulen beginnen, meine sehr ver-
ehrten Herren und Damen, müssen wir auch an unseren
Hochschulen fortsetzen. Studierende erwarten – meiner
Meinung nach zu Recht – dass sie auf einem hohen Ni-
veau schnell, praxisorientiert und international ausgebil-
det werden. Von diesem Ziel sind wir in Deutschland aber
noch ein Stück entfernt. Ich will nicht die Augen davor
schließen, wie es meine Vorgänger im Amt immer getan
haben, dass in Deutschland rund ein Drittel aller Studie-
renden ihr Studium abbrechen. Das darf nicht so bleiben.
Deshalb ist ein wichtiger Schwerpunkt meiner Arbeit
in den kommenden vier Jahren, gemeinsam mit den Län-
dern – denn nur so geht es – für mehr Qualität in Lehre
und Forschung zu sorgen. Wir brauchen eine bessere Be-
treuung, eine bessere Beratung unserer Studierenden. Wir
brauchen klar strukturierte Studiengänge und eine bessere
Berufsorientierung.
Die Bundesregierung wird den Ländern einen Pakt für
die Hochschulen anbieten. Kernpunkte sind dabei die
Verbesserung der Qualität des Studiums, mehr Transpa-
renz durch ein umfassendes Hochschulranking, die Ein-
führung eines gestuften Systems von Studienabschlüssen,
eine strukturierte Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses und eine stärkere internationale Ausrich-
tung unserer Hochschulen.
Eine moderne Berufsausbildung, meine sehr geehrten
Herren und Damen, bleibt ein Kernstück unserer Bil-
dungspolitik. Auch in Zukunft gilt: Jeder junge Mensch,
der lernen und arbeiten kann und will, soll einen Ausbil-
dungsplatz erhalten.
Die Bundesregierung hat im Übrigen ihre Hausaufgaben
gemacht. Wir haben zusammen mit den Sozialpartnern Be-
rufsbilder modernisiert, wir haben neue Berufe geschaffen
und wir stellen auch im Haushalt 2003 erhebliche Mittel
bereit, um Jugendliche in Ausbildung zu bringen.
Unser Berufsbildungssystem schneidet im internationa-
len Vergleich nach wie vor gut ab. Das soll auch so bleiben.
Wir werden deshalb nicht auf das PISA für unser Berufs-
bildungssystem warten, sondern wir setzen die begonnen
Reformen konsequent in den nächsten vier Jahren fort.
Unser Ziel ist es dabei, die duale berufliche Ausbildung
auch weiterhin zu stärken, für Jugendliche mit schlechte-
ren Startchancen neue Qualifikationswege zu eröffnen
und mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen
zu schaffen. Dies werden wir mit der Weiterentwicklung
in der Weiterbildung verknüpfen, womit ich bereits in der
vergangenen Legislaturperiode begonnen habe.
Mit einem Kraftakt sondergleichen haben wir die
Forschung in den vergangen vier Jahren gestärkt. Wir ha-
ben neue Schwerpunkte gesetzt und das innovationsmüde
Klima der 90er-Jahre überwunden. Wir haben endlich
wieder Anschluss an die wichtigen, großen Industrielän-
der gefunden.
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Die Projektförderung im Bereich der Forschung ist seit
1998 um 44 Prozent gesteigert worden. Bei den For-
schungsorganisationen haben wir Zuwächse realisiert. So
ist zum Beispiel der Bundesanteil bei der Mittelausstat-
tung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der
Max-Planck-Gesellschaft um rund 16 Prozent gestiegen.
Forschung für den Menschen, Forschung für Innova-
tion und wirtschaftliches Wachstum, Forschung für zu-
kunftssichere Arbeitsplätze – das sind unsere Ziele.
Deutschland nimmt bei der Aufklärung der genetischen
Ursachen weit verbreiteter Volkskrankheiten inzwischen
einen Spitzenplatz ein. Damit neue Forschungsergebnisse
künftig noch schneller den Weg in die Arztpraxen und da-
mit zu den Patienten finden, legen wir ein besonderes Ge-
wicht auf die enge Verzahnung von Grundlagenforschung
und klinischer Forschung.
Mit einem Gesamtkonzept „Lebenswissenschaften“
werden wir in den nächsten Jahren die Forschung im Be-
reich der Gesundheitsvorsorge stärken und die Entwick-
lung neuer Medikamente und Therapien vorantreiben.
Damit ermöglichen wir den notwendigen Qualitätssprung
in der medizinischen Versorgung.
Die wesentlichen Impulse für wirtschaftliches Wachs-
tum und neue Arbeitsplätze gehen von einer begrenzten
Anzahl von Technologien aus. Wir werden deshalb die
Forschungsförderung gerade dort konzentrieren, wo die
größte Veränderungsdynamik zu erwarten ist. Wir er-
schließen neue Wachstumsfelder durch die gezielte För-
derung der Bio- und Nanotechnologie. Wir fördern den
Ausbau der bestehenden Märkte in der Mikrosystem-
technik, in den optischen Technologien und in der Mate-
rialforschung. Wir stärken auch die Informations- und
Kommunikationstechnologien, denn sie sind Wachstums-
motoren für viele andere innovative Branchen.
Gerade in diesen wichtigen Zukunftsbranchen kann die
Bedeutung – dies sage ich noch einmal ausdrücklich –
kleiner und mittlerer Unternehmen gar nicht hoch genug
eingeschätzt werden. Durch ihre Flexibilität, durch ihre
Fähigkeit, neue Ideen auch schnell umzusetzen, und
durch ihre Nähe zur akademischen Forschung sind sie oft
sehr produktive Ideenschmieden für neue Verfahren und
Produkte. Wir werden deshalb die Innovationsförderung
für KMUs weiter konsequent aufbauen.
Forschungsförderung ist auch Wirtschaftsförderung,
und zwar in einem erheblichen Maße. Dies gilt insbeson-
dere für die neuen Länder, wo gerade forschungs- und wis-
sensintensive Wirtschaftszweige eine noch zu geringe Be-
deutung haben. Wir reden nicht nur vom Aufbau Ost, wir
tun auch etwas dafür. Dies unterscheidet uns von Ihnen.
Allein die Mittel für die gezielte Förderung von Inno-
vationen in Ostdeutschland steigen im Jahre 2003 auf
rund 90 Millionen Euro. Dies sind 46 Prozent mehr als im
Vorjahr. Mit unseren Programmen „Inno-Regio“ und „In-
novative regionale Wachstumskerne“ legen wir einen
Schwerpunkt darauf, die Potenziale in den Hochschulen,
Forschungseinrichtungen und Unternehmen, aber auch in
den Verwaltungen und Länderministerien Ostdeutsch-
lands zusammenzubringen. Damit erschließen wir das ge-
samte Innovationspotenzial in einer Region und schaffen
so neue, zukunftssichere Arbeitsplätze. Dies ist unsere
Zielsetzung.
Bildung und Forschung entscheiden heute nicht nur
über die Zukunft des Einzelnen, sondern auch über die
Zukunft unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Wer
diese Einsicht ernst nimmt, der darf nicht – wie Sie, meine
sehr geehrten Herren und Damen von der Opposition –
auf der einen Seite unbezahlbare Forderungen stellen und
auf der anderen Seite gleichzeitig ankündigen, im Bun-
desrat eine solide Finanzierung dieser Aufgaben zu ver-
hindern. Dies geht nicht. Das ist verantwortungslos.
Deshalb appelliere ich an Sie: Handeln Sie nicht wei-
ter nach dem Motto „destruktiv statt konstruktiv“.
Handeln Sie im Interesse für Bildung und Forschung und
damit im Interesse der Menschen in unserem Land.