Rede von
Arnold
Vaatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Kubatschka. Auch
Sie haben am Anfang Ihrer Rede das Scheinargument ge-
bracht, die Opposition wisse es nicht besser. Ich frage
mich, wie lange Sie den Menschen in Deutschland noch
weismachen zu können glauben, dass die Regierung des-
halb so schlecht regiere, weil die Opposition nicht genü-
gend Konzepte vorlege.
Diese Argumentation werden Sie nicht mehr länger
durchhalten.
– Nein, Sie versuchen tatsächlich, das so darzustellen.
Ich möchte auf eine spezifische Dimension der Politik
dieser Regierung eingehen, die besonders in Ostdeutsch-
land spürbar wird. Es zeigt sich, dass sich ein Sachverhalt
wie ein roter Faden durch die bisherigen Gesetze dieser
Regierung zieht, nämlich die asymmetrische Verteilung
der Belastungen, die eindeutig zulasten von Ostdeutsch-
land geht.
Ganz besonders gravierend, fatal und brutal ist das im
Bereich der Umweltpolitik.
Das möchte ich Ihnen kurz erklären. Wir reden nicht aus-
schließlich über den marginalen Haushalt, den Sie hier
vorgelegt haben, sondern noch über ganz andere Größen-
ordnungen wie zum Beispiel Ihr großes Unternehmen Öko-
steuer. Sie müssen sich vergegenwärtigen: Im Jahre 1990
hatten wir insgesamt über 130000 Beschäftigte in der
Braunkohlenindustrie. Es waren wirtschaftliche und ökolo-
gische Gründe, die uns dazu veranlasst haben, die Braun-
kohlenverstromung drastisch zurückzufahren. Ich weiß
nicht, ob Sie es einmal erlebt haben, einer solch großen An-
zahl von Beschäftigten, die Familien zu ernähren haben,
sagen zu müssen, dass ihr Arbeitsplatz in Kürze wegfallen
muss. Ich habe das viele Jahre lang machen müssen.
– Sie haben dazu 40 Jahre gebraucht. Damit haben Sie
keinen Beitrag geliefert. Wir mussten innerhalb von fünf
Jahren von 130 000 Beschäftigten auf unter 20 000 Be-
schäftigte kommen. Das ist die Situation mit all ihrer
Härte im mitteldeutschen Braunkohlenrevier.
Ein wichtiges Problem, das wir zu lösen hatten, war die
Umstellung der Heizungsträger. Durch diese Maß-
nahme ist uns tatsächlich eine drastische Reduzierung der
Menge der Luftschadstoffe gelungen. Der überwiegende
Teil der Heizungen in Ostdeutschland ist auf umwelt-
freundliche Energieträger umgestellt worden, insbeson-
dere auf Erdgas. Teilweise wurde die Umstellung auf
Erdgas gefördert,
teilweise ist es so weit gegangen, dass Baugenehmigun-
gen nur dann erteilt wurden, wenn die Haushalte bereit
waren, sich an die Leitungen anzuschließen. Dieses
Vorgehen haben wir ökologisch begründet.
Jetzt kommen Sie daher und erhöhen im Rahmen der
Ökosteuer die Steuer auf Erdgas um 200 Prozent. Nun
wäre das kein Problem zwischen Ost und West, wenn die
Haushalte in Ostdeutschland nicht überproportional mit
Erdgas beheizt würden. In Ostdeutschland gibt es – das ist
die Realität – alleine 3,4 Millionen Erdgasverbraucher,
davon 3,3 Millionen in privaten Haushalten. Das führt
zu einer Zusatzbelastung Ost von insgesamt 275 Mil-
lionen Euro. Das sind 20 Prozent der Belastungen aus
dem gesamten Gesetzentwurf. Wir haben also eine ein-
deutige Benachteiligung von Ostdeutschland.
Nun kommt das besonders Perfide. Sie wissen, wie der
Herr Bundeskanzler anlässlich der Flut durch Ost-
deutschland gezogen ist und versprochen hat, nach der
Flut solle es niemandem schlechter gehen.
Wissen Sie, wie dort die jetzige Situation ist?
30 000 Haushalte sind von der Flutkatastrophe betroffen.
– Das mache ich gerade. Aber Sie müssen es verstehen,
Frau Hustedt.
792
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 793
Zum großen Teil sind diese Häuser noch nicht wieder
bewohnbar. Nach wie vor wird das Mauerwerk getrock-
net; es muss auch weiterhin getrocknet werden. Nun raten
Sie einmal, was die bevorzugte Energieform ist, die zur
Trocknung dieser Haushalte dient? Natürlich nichts ande-
res als Erdgas. Hier zocken Sie diese Leute zusätzlich ab.
Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie auf diese Weise das
Umweltbewusstsein in Ostdeutschland in irgendeiner
Weise festigen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Diese
Rechnung wird auf keinen Fall aufgehen.