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ID1501201400

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    8. SPD-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 733 A Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003) (Drucksache 15/150) . . . . . . . . . . . . . . 733 D b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2002 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2002) (Drucksache 15/149) . . . . . . . . . . . . . . 733 D c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Ent- wicklung der Finanzwirtschaft des Bundes (Drucksache 15/151) . . . . . . . . . . . . . . 734 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergüns- tigungsabbaugesetz – StVergAbG) (Drucksache 15/119) . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Weniger Staat – weniger Steuern (Drucksache 15/122) . . . . . . . . . . . . . . . . 734 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jürgen Koppelin, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer (Drucksache 15/123) . . . . . . . . . . . . . . . . 734 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 734 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 745 C Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 D Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 754 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 758 D Walter Schöler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 D Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 766 A Anja Hajduk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 768 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 770 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 771 C Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . 776 A Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 776 D Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 779 C Plenarprotokoll 15/12 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 12. Sitzung Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 7: a) Beratung des Antrags der Bundesregie- rung: Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem NATO- geführten Einsatz auf mazedoni- schem Territorium zur weiteren Sta- bilisierung des Friedensprozesses und zum Schutz von Beobachtern internationaler Organisationen im Rahmen der weiteren Implementie- rung des politischen Rahmenabkom- mens vom 13. August 2001 auf der Grundlage des Ersuchens des maze- donischen Präsidenten Trajkovski vom 21. November 2002 und der Re- solution 1371 (2001) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 26. September 2001 (Drucksache 15/127) . . . . . . . . . . . . . . 782 A b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Februar 2002 zwischen derRegie- rung der Bundesrepublik Deutsch- land und derRegierung derRepublik Polen über die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und derGrenzschutz- behörden in den Grenzgebieten (Drucksache 15/11) . . . . . . . . . . . . . . . 782 B c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 26. Juli 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Bau einer Grenz- brücke an der gemeinsamen Staats- grenze in Anbindung an die Bundes- straße B 20 und die Staatsstraße I/26 (Drucksache 15/12) . . . . . . . . . . . . . . . 782 C d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des inter- nationalen Insolvenzrechts (Drucksache 15/16) . . . . . . . . . . . . . . . 782 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 7): Beratung des Antrags der Bundesregie- rung: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicher- heitsunterstützungstruppe in Afghanis- tan auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002 und 1444 (2002) vom 27. November 2002 des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 15/128) . . . . . . . . . . . . . . . . 782 C Tagesordnungspunkt 8: a) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 1 zu Petitionen (Drucksache 15/57) . . . . . . . . . . . . . . . 782 D b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 2 zu Petitionen (Drucksache 15/58) . . . . . . . . . . . . . . . 783 A c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 3 zu Petitionen (Drucksache 15/59) . . . . . . . . . . . . . . . 783 A d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 4 zu Petitionen (Drucksache 15/61) . . . . . . . . . . . . . . . 783 A e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 5 zu Petitionen (Drucksache 15/62) . . . . . . . . . . . . . . . 783 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 783 B Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 784 D Elke Ferner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 A Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 789 B Horst Kubatschka SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 C Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 792 A René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794 B Dr. Christian Eberl FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 795 C Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker SPD . . . . . . 796 D Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 798 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800 C Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 801 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802 B Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 802 B Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 805 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002II Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 C Christoph Hartmann (Homburg) FDP . . . . . 811 A Ulla Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 B Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 815 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 B Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 818 C Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 819 B Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820 D Ulrich Kasparick SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 B Marion Seib CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 823 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 B Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 D Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 826 A Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 829 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 832 B Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 A Otto Fricke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 D Christel Humme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835 A Antje Tillmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 837 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 A Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 B Marlene Rupprecht (Tuchenbach) SPD . . . . 842 C Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 844 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zurAuf- hebung des Gesetzes zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Än- derung des GAK-Gesetzes (Drucksache 15/108) . . . . . . . . . . . . . . . . 846 D Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . 847 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 848 D Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851 C Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 852 B Gabriele Hiller-Ohm SPD . . . . . . . . . . . . . . . 853 D Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 855 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 857 A Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 D Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . 860 A Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 861 C Cornelia Behm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 863 B Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . 866 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 869 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 III (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 733 12. Sitzung Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (C) 868 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 869 (C)(A) Adam, Ulrich CDU/CSU 03.12.2002* Borchert, Jochen CDU/CSU 03.12.2002 Bury, Hans Martin SPD 03.12.2002 Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 03.12.2002 Hartmut Dr. Däubler-Gmelin, SPD 03.12.2002 Herta Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 03.12.2002 Gradistanac, Renate SPD 03.12.2002 Gröhe, Hermann CDU/CSU 03.12.2002 Großmann, Achim SPD 03.12.2002 Hörster, Joachim CDU/CSU 03.12.2002* Hofbauer, Klaus CDU/CSU 03.12.2002 Kubicki, Wolfgang FDP 03.12.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 03.12.2002* Dr. Lucyga, Christine SPD 03.12.2002* Möllemann, Jürgen W. FDP 03.12.2002 Dr. Pinkwart, Andreas FDP 03.12.2002 Rauber, Helmut CDU/CSU 03.12.2002** Schild, Horst SPD 03.12.2002 Dr. Stadler, Max FDP 03.12.2002 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 03.12.2002 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des OSZE entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dietrich Austermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Kol-

    legin Hermenau hat dazu aufgefordert, ihr bei ihren Re-
    formvorschlägen zu folgen. Sie hat allerdings keine ge-
    macht. Sie hat darauf verwiesen, dass Kommissionen
    eingesetzt worden sind. Betrachtet man die Situation des


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    758


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 759

    Bundeshaushalts, dann ist festzustellen: Die Haushalts-
    und Finanzkrise Deutschlands besteht – auch nach ihrer
    letzten Rede – nach wie vor und sie wird sich aufgrund
    der Maßnahmen, die Rot-Grün getroffen hat, eher ver-
    schlechtern.

    Ich möchte konkrete Aussagen dazu machen, wie sich
    aus unserer Sicht die Entwicklung verbessern lässt. Aller-
    dings ist die Art und Weise, wie bisher – auch seitens des
    Finanzministers – debattiert worden ist, nicht dazu geeig-
    net, zu sagen: Jetzt fangen wir ganz neu an und vergessen
    all das, was in der Vergangenheit stattgefunden hat.

    Wir haben Ihnen 1998 die Regierung des Landes bei
    3 Prozent Wachstum, einer drastisch sinkenden Arbeits-
    losigkeit


    (Peter Dreßen [SPD]: Was? Das ist eine Unverschämtheit!)


    und bei beschlossenen Reformen im Gesundheitsbereich,
    bei der Rente und auf dem Arbeitsmarkt überlassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)


    Das hat dazu geführt, dass die Krankenkassen Über-
    schüsse erwirtschafteten und die Rente mit der Einbezie-
    hung des demographischen Faktors auf sicherem Wege
    war. Wir haben einen Weg eingeleitet, dessen Erfolge
    Gerhard Schröder im Mai 1998 vorwegnehmen wollte, in-
    dem er sagte, dies sei sein Aufschwung, weil sich alle
    Leute auf das freuten, was nach der Wahl käme.

    Das Ergebnis war: All das, was an positiven Ansätzen
    erreicht worden ist, wurde zunichte gemacht. Die Belas-
    tungen, die die Menschen zu tragen hatten – ich will das
    Bild der Kollegin Hermenau aufnehmen: Der Rucksack
    war 1998 leer –,


    (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


    sind in dramatischer Weise vergrößert worden. Um Le-
    gendenbildungen gar nicht erst zuzulassen: Die Kollegin
    Hermenau hat zusammen mit dem Kollegen Metzger und
    den übrigen Grünen Schmiere


    (Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber hallo!)


    bei den Entwicklungen der letzten vier Jahre gestanden.
    Alle haben alles mitgemacht, jede einzelne Maßnahme ist
    im Haushaltsausschuss beschlossen und von Ihnen abge-
    nickt worden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte ein paar der Vokabeln aufnehmen, die be-

    reits genannt worden sind. Wir debattieren heute über den
    Nachtragshaushalt 2002. Man fragt sich: Warum ma-
    chen wir kurz vor Jahresende einen Nachtragshaushalt?
    Der Nachtragshaushalt ist erforderlich, weil der Bundes-
    finanzminister zusätzliche Kredite in einer Größenord-
    nung von mindestens 13,5 Milliarden Euro braucht. Das
    hat sich in den letzten sechs Wochen herausgestellt, meint
    er. Vorher hat er das nicht gewusst; denn sonst hätte er be-
    reits im Juni, Juli oder August einen Nachtragshaushalts-
    entwurf vorlegen müssen, wozu wir ihn auch aufgefordert
    haben.

    Das grundsätzliche Problem der Finanz- und Haus-
    haltspolitik unter Hans Eichel ist, dass eine solche gestal-
    tende Politik nicht gemacht wird. Jeder normale Mensch
    hat gesehen, dass seit anderthalb Jahren die Zahl der Ar-
    beitslosen strukturbereinigt steigt und das wirtschaftliche
    Wachstum auf Null geht, dass es Warnungen der Sach-
    verständigen gab – Herr Finanzminister, man muss nicht
    nur die Sachverständigenprognosen für das Jahr lesen,
    sondern auch die Ratschläge, die die Sachverständigen
    geben, damit das Ganze ins Laufen kommt –, sodass für
    jedermann erkennbar war, dass es mit der Finanzsituation
    in Deutschland abwärts geht.

    Weshalb hat denn, Herr Eichel, die EU-Kommission
    im Januar dieses Jahres darauf hingewiesen, dass ein
    blauer Brief droht? Mit welchen Maßnahmen haben Sie
    dazu beigetragen, das zu verniedlichen und zu verdrän-
    gen? Nach der Berichterstattung in den Medien vermute
    ich, dass der Bundeskanzler Sie gezwungen hat, das zu
    tun, da er nicht wollte, dass vor der Wahl offenkundig
    wird, was Herr Metzger bestätigt hat, dass nämlich die Fi-
    nanzpolitik gescheitert ist. Nichts anderes ist es doch,
    wenn man dieMaastricht-Kriterien sowohl bei der Ge-
    samtverschuldung als auch bei der Nettoneuverschuldung
    überschreitet. Beide Ziele haben Sie gerissen.

    Das war für jedermann erkennbar und Sie können nicht
    erzählen, die Zahl der Existenzgründungen habe zuge-
    nommen. Gehen Sie einmal in die Verwaltungsräte der
    Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Aus-
    gleichsbank. Da werden Sie erfahren, dass das Ganze ein-
    gebrochen ist. Wenn sich Menschen nicht mehr in einem
    neuen Betrieb verantwortlich fühlen wollen, wenn sie
    keine Existenzgründungen vornehmen wollen, dann kann
    man doch daraus den Schluss ziehen, dass ihnen das Ver-
    trauen in die Zukunft fehlt.

    Wenn das Vertrauen in die Zukunft fehlt und die Ar-
    beitslosigkeit und die staatlichen Schulden zunehmen, lässt
    das nur einen Schluss zu: Die Finanzsituation verschlech-
    tert sich. Das führt zu der Schlussfolgerung, die wir schon
    vor der Wahl gezogen haben.

    Damit ganz deutlich wird, wer wem was gesagt hat,
    füge ich hinzu: Wir haben an unsere Kollegen in der Haus-
    haltsgruppe vor der Wahl ein kleines Heftchen verteilt.
    Anfang Juli, als der erste Entwurf des Haushaltsplans für
    das kommende Jahr vorgelegt wurde, haben wir darin ge-
    schrieben:

    Haushaltsentwurf 2003 ist geschönt und ohne Per-
    spektive. Er basiert auf unrealistischen gesamtwirt-
    schaftlichen Annahmen: Wachstum mit 2,5 Prozent
    und Arbeitslosenzahl mit 3,82 Millionen angenom-
    men. Totales Versagen von Rot-Grün bei Bekämp-
    fung der Arbeitslosigkeit. ... Bei Wachstum und
    Staatsdefizit hat Deutschland unter Rot-Grün die rote
    Laterne erhalten und würde sie behalten. Deutliche
    Risiken auf der Ausgabenseite und Einnahmeseite:
    10 Milliarden Euro.

    Das haben wir an alle unsere Wahlkämpfer verteilt. Je-
    der konnte das nachlesen, angefangen vom Kanzlerkandi-
    daten bis hin zu dem letzten Wahlkämpfer, der den Kolle-
    gen geholfen hat. Jeder wusste es, jeder hätte es wissen
    müssen, auch der Bundesfinanzminister. In einem „Stern“-
    Artikel in der letzten Woche wurde unterstellt, dass wir

    Dietrich Austermann

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
    Dietrich Austermann
    alles, was wir gewusst haben, von dem Staatssekretär
    Overhaus aus dem Bundesministerium der Finanzen be-
    kommen hätten. Auch der muss es dann ja gewusst haben,
    und wenn der Staatssekretär es gewusst hat, dann muss es
    auch der Minister gewusst haben.

    Was uns in der Union von der Bundesregierung unter-
    scheidet, ist, dass wir Fakten eins und eins zusammenge-
    zählt, die Schlussfolgerungen daraus gezogen


    (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass wir noch viel Geld in der Kasse haben für Wahlgeschenke!)


    und das den Bürgern gesagt haben. Der Finanzminister
    hat gesagt, das sei unseriös, wir verhetzten die Leute, das
    sei schwarze Meckerei, das alles sei unverantwortlich, ob-
    wohl er genau gewusst hat, dass unsere Prognose richtig
    ist. Das war unverantwortlich und das war Wahlbetrug.
    Das rechtfertigt es, Herrn Eichel erneut aufzufordern:
    Nehmen Sie Ihren Hut! Denn Sie haben im Amt versagt
    wie kein anderer Finanzminister vor Ihnen in Deutsch-
    land.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit einer derart schäbigen Bilanz würde sich kein ande-
    rer Mensch an das Pult hier trauen und dann auch noch
    versuchen, die Zahlen schönzureden.

    Das geht übrigens noch weiter. Wenn gesagt wird, ein
    Untersuchungsausschuss sei nicht sinnvoll, weil das ein
    bereits abgeschlossener Vorgang sei, dann ist dem entge-
    genzuhalten, dass weiter geschwindelt, getäuscht und ge-
    tarnt wird. Ich habe hier den Monatsbericht 11/02 des
    Bundesministeriums für Finanzen. Darin heißt es:

    Aus dem derzeitigen Finanzierungssaldo von
    44,6 Milliarden Euro und der rechnerisch ausgewie-
    senen Nettokreditaufnahme können keine Rück-
    schlüsse auf den weiteren Jahresverlauf gezogen
    werden.

    Inzwischen ist Dezember. Wir haben einen Finanzie-
    rungssaldo von 44,6 Milliarden Euro und das Bundesmi-
    nisterium für Finanzen verkündet nach draußen, daraus
    könne man keine Schlüsse ziehen. Ich nenne Ihnen einen
    Schluss: Die Steuereinnahmen werden in diesem Jahr un-
    ter den Zahlen der Steuerschätzung liegen. Die Nettokre-
    ditaufnahme wird in diesem Jahr deutlich über der An-
    nahme liegen, die Sie im Nachtragshaushalt dafür
    unterstellt haben. Auch diese beiden maßgeblichen Daten,
    Herr Eichel, stimmen also nicht. Sie täten gut daran, das
    in dieser Debatte noch gerade zu rücken, statt wieder zu
    versuchen, das Parlament und damit auch die Bürger zu
    täuschen.

    Sie haben versucht, den Nachweis anzutreten, dass Sie
    den Haushalt konsolidiert hätten. Konsolidierung heißt
    aber doch, dass man sich darum bemüht, die Ausgaben
    einzugrenzen. Schauen wir uns einmal die Ausgaben an.
    Wenn wir dabei von 1998 ausgehen und das mit diesem
    Jahr vergleichen, dann stellen wir fest, dass die Ausgaben
    dramatisch zugenommen haben. Wenn die Ausgaben dra-
    matisch zugenommen haben, dann kann doch nicht ge-
    spart worden sein. Anderenfalls hätte man Geld übrig,
    hätte vielleicht sogar etwas in einer Rücklage, wie es bei

    mancher Gemeinde Gott sei Dank immer noch der Fall ist.
    Es wird also nicht konsolidiert.

    Um den Haushalt für dieses Jahr auszugleichen, er-
    höhen Sie die Neuverschuldung.Auch das ist keine Kon-
    solidierung. Eine um 13,5 Milliarden Euro höhere Neu-
    verschuldung ist keine Konsolidierung.

    Diese Maßnahme, die Sie beim Nachtragshaushalt tref-
    fen – das ist der erste Teil der heutigen Debatte –, ist im
    Übrigen falsch und auch nicht geeignet, die Verfassungs-
    widrigkeit des Nachtragshaushalts zu beheben. Nach
    Art. 115 des Grundgesetzes ist jeder Haushalt verfas-
    sungswidrig, bei dem die Nettokreditaufnahme die Inves-
    titionen übersteigt. Die neuen Schulden übersteigen die
    Investitionen in diesem Jahr um mindestens 10Milliarden
    Euro. Das bedeutet, dass der Haushalt verfassungswidrig
    ist.

    Es gibt davon eine Ausnahme, die ebenfalls in der Ver-
    fassung geregelt ist. Danach ist das, was hier gemacht wird,
    verfassungsrechtlich zulässig, wenn eine Störung des ge-
    samtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt und – jetzt
    kommt die entscheidende Voraussetzung – die Maßnahme
    zur Behebung der Störung des gesamtwirtschaftlichen
    Gleichgewichts geeignet ist. Einfach 13,5 Milliarden Euro
    an Krediten zusätzlich aufzunehmen ist jedoch nicht geeig-
    net, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichge-
    wichts aufzuheben; vielmehr wird diese Störung dadurch
    geradezu verschärft, weil die Tatsache, dass sich der Staat
    am Kapitalmarkt bedienen muss, dazu führt, dass die Zin-
    sen in die Höhe gehen und die Wirtschaft noch mehr leidet.


    (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht stringent!)


    – Selbstverständlich ist das genau so. Sie sollten sich
    überlegen, in einen anderen Ausschuss zu gehen. Nach
    der in Ihrem Zuruf zum Ausdruck kommenden Sachkunde
    sind Sie jedenfalls für den Haushaltsausschuss nicht ge-
    eignet.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben meinen Zuruf akustisch doch gar nicht verstanden!)


    Ich sage es noch einmal: Der Nachtragshaushalt ist ver-
    fassungswidrig und der Haushalt für das Jahr 2003 ist auf
    dem Weg dorthin. Wenn der Bundesfinanzminister sagt,
    man habe richtige Maßnahmen eingeleitet und diese rich-
    tigen Maßnahmen seien geeignet, die Situation zu ver-
    bessern, dann frage ich – und das fragen die Bürger mit
    uns –: Warum unterstellen Sie dann, völlig zu Recht, im
    nächsten Jahr eine steigende Arbeitslosigkeit? Wenn Sie
    eine steigende Arbeitslosigkeit unterstellen, wie können
    Sie dann davon ausgehen, dass sich die Ausgaben für den
    Arbeitsmarkt um 8Milliarden Euro drosseln lassen? In ei-
    nem Jahr 8 Milliarden Euro weniger für den Arbeitsmarkt
    auszugeben, das macht Hartz nicht möglich.

    Das kann doch nur bedeuten, dass Sie den Kurs dieses
    Jahres fortsetzen wollen und dass in den neuen Ländern
    bei Ermessensleistungen drastisch gestrichen wird. Der
    famose Herr Gerster – die Älteren werden sich noch an
    ihn erinnern; er galt bei seiner Einführung ja als Wunder-
    waffe; erst danach kam die Wunderwaffe Hartz; heute ist


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    760


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 761

    von Gerster nichts mehr zu sehen und von Hartz nichts
    mehr übrig – hatte gesagt, man müsse die ABM in den
    neuen Bundesländern einmal etwas aufstocken, dann
    könne man hinterher vielleicht wieder etwas wegnehmen.
    In diesem Jahr sind bereits einige 100 Millionen Euro an
    ABM-Mitteln in den neuen Bundesländern gespart wor-
    den. Wenn das im nächsten Jahr fortgesetzt wird, geht die
    Wirtschaft weiter runter und die Menschen dort gehen to-
    tal auf dem Zahnfleisch.

    Sie wollen aber bei den Arbeitsmarktmaßnahmen,
    insbesondere bei Arbeitslosenhilfeempfängern, im nächs-
    ten Jahr nicht nur einige Hundert Millionen, sondern
    8 Milliarden Euro einsparen, damit Sie überhaupt den
    Haushalt ausgleichen können und mit dem Zuschuss bei
    der Bundesanstalt für Arbeit hinkommen. Es glaubt Ihnen
    kein Mensch, dass das zu schaffen ist. Die Zahlen sind ge-
    schönt. Sie werden auch im nächsten Jahr wieder einen
    verfassungswidrigen Haushalt haben. Damit ist klar, dass
    der Kurs nicht in Richtung Sparmaßnahmen und Verbes-
    serung der Situation geht, sondern dass der Kurs in Rich-
    tung mehr Verschuldung und verfassungswidrige Haus-
    halte geht.

    Das Entscheidende, was die Menschen von der Debatte
    hier im Bundestag erwarten, ist eine Perspektive, die ih-
    nen deutlich macht, dass das, was das Parlament beschäf-
    tigt und beschließt, dazu beiträgt, die Krise, in der sich un-
    ser Land befindet, zu überwinden. Manches von dem, was
    auf der Regierungsbank stattfindet – das sagten viele Bür-
    ger in den letzten 14 Tagen –, ist anarchisch. Die Krise
    dieses Landes muss durch konkrete Entscheidungen be-
    einflusst und überwunden werden.

    Jetzt wird gesagt: Man konnte das ja nicht wissen. Das
    mit den Steuereinnahmen im September kam auf einmal
    wie ein Unwetter über uns. – Herr Eichel, auch diese Aus-
    sage ist falsch und wird Ihnen im Untersuchungsaus-
    schuss vorgehalten werden. Die Steuereinnahmen bis
    September waren sauschlecht, aber im September waren
    sie relativ günstig. Nun zu sagen, die Probleme gebe es,
    weil die Daten aus dem September so schlecht waren, ist
    nicht nur falsch, sondern auch noch gelogen. Werfen Sie
    nicht diese Blendgranaten! Diese täuschen vielleicht die
    Regierung, aber jedenfalls nicht die Menschen in unserem
    Land.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daneben haben Sie auch falsche Wachstumszahlen

    genannt. Sie werden sich erinnern, Herr Eichel: Vor einem
    Jahr – es war an einem Freitag, bei der dritten Lesung des
    Haushalts für 2002 – haben Sie gesagt, in diesem Jahr
    würden die Schulden sinken. Ich habe Ihnen seinerzeit
    vorgehalten, dass das, was Sie für den Bundeshaushalt
    dieses Jahres unterstellt haben, nämlich 1,25 Prozent
    Wachstum, nicht stimmt. Das haben Sie bestritten, haben
    es als „schwarze Kritik“ und „unseriös“ zurückgewiesen.
    Am nächsten Tag haben wir festgestellt, dass Sie der EU
    in einem Nebensatz ein Alternativszenario gemeldet ha-
    ben, wobei deutlich wurde, dass Sie im Hinterkopf ganz
    andere Zahlen hatten als die, welche Sie dem Parlament
    vorgelegt haben. Ich glaube nicht einmal, Herr Eichel,
    dass Sie das alles nicht gewusst haben. Ich sage: Sie ha-
    ben es den Menschen nicht gesagt, Sie haben die Men-

    schen angelogen. Sie haben es ihnen nicht gesagt und das
    war das Unverantwortliche in der Situation damals.

    Ich rate Ihnen, wenn Sie sich auf den Untersuchungs-
    ausschuss vorbereiten, sich Ihre Rede vom 27. November
    vorigen Jahres vorzunehmen. Ich rate Ihnen weiterhin,
    Herr Eichel: Verweigern Sie Ihren Mitarbeitern nicht das
    Aussagerecht; lassen Sie zu, dass alle, die in den Ministe-
    rien sitzen, vom Staatssekretär über den Abteilungsleiter
    bis zu wem auch immer, ihre Aussagen machen dürfen!
    Kommen Sie nicht damit, Sie müssten Staatsgeheimnisse
    schützen und daher könnten Sie den Leuten nicht die Aus-
    sagegenehmigung erteilen. Sie alle müssen sagen, was sie
    gewusst und was sie Ihnen vor der Wahl auf den Schreib-
    tisch gelegt haben, Sie aber zur Seite gewischt haben.

    Der entscheidende Punkt für den Untersuchungsaus-
    schuss ist aus unserer Sicht – und insofern betrifft das die
    Haushaltsberatung hier –: Ein Verfassungsorgan, die Bun-
    desregierung, hat das Volk, den eigentlichen Souverän,
    getäuscht. Dies ist qualitativ etwas anderes, als wenn Po-
    litiker im Wahlkampf mal eben so etwas sagen. Nein, Sie
    haben einen Eid auf die Verfassung geleistet, sich dafür
    einzusetzen, dass die Mitarbeiter, die Ihnen unterstellt
    sind, das tun, was in diesem Land getan werden muss. Sie
    haben sie daran gehindert, das, was sie wissen und kön-
    nen, an den Souverän, an die Bürger, zu bringen.


    (Joachim Poß [SPD]: Eine infame Unterstellung!)


    Hierin liegt das eigentliche verfassungsrechtliche Pro-
    blem. Sie können doch nicht erwarten, dass wir Ihnen dies
    durchgehen lassen. Von jedem Bürger verlangen wir, dass
    er seiner Versicherung gegenüber ehrlich ist, dass er seine
    Steuererklärung ehrlich abgibt. Dann aber soll es zugelas-
    sen werden, dass diejenigen, die dafür verantwortlich
    sind, wie kassiert wird und welche Gesetze gemacht wer-
    den, die Menschen, von denen sie Ehrlichkeit erwarten,
    schamlos belügen? Dies können wir Ihnen nicht durch-
    lassen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Wie können Sie solche Unterstellungen äußern?)


    Ich möchte nun unsere Alternative aufzeigen: Wir wol-
    len einen ehrlichen Kassensturz. Der Nachtragshaushalts-
    entwurf und der Haushaltsentwurf 2003 sind noch kein
    ehrlicher Kassensturz. Die Zahlen stimmen wieder nicht.
    Alles, was wir machen müssen, steht unter einem Finanz-
    vorbehalt;


    (Joachim Poß [SPD]: Steuerschätzung!)

    alle neuen Entscheidungen stehen unter einem Finanz-
    vorbehalt.


    (Walter Schöler [SPD]: Das hatten Sie doch auch einmal!)


    – Das ist alles richtig. Es stand übrigens auch in der Über-
    schrift unseres Wahlprogramms.

    Wir wollen eine Entriegelung des Arbeitsmarktes. Herr
    Merz hat dazu einiges gesagt. Ich erinnere an das Drei-
    Säulen-Modell und andere Maßnahmen.

    Wir wollen erreichen, dass Genehmigungsverfahren
    in Deutschland beschleunigt werden. Wenn die Zahl der

    Dietrich Austermann

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
    Dietrich Austermann
    Anträge auf Wirtschaftsförderungsmaßnahmen im Wirt-
    schaftsministerium unter Herrn Müller – die Älteren wer-
    den sich auch an ihn noch erinnern – um 20 Prozent ge-
    stiegen ist, ohne dass die Summe, die verteilt worden ist,
    erhöht werden konnte, heißt dies doch: Die Bürokratie ist
    ausgeweitet worden.

    Wir wollen wirklich sparen. Wir haben zurzeit die teu-
    erste Regierung aller Zeiten.


    (Joachim Poß [SPD]: Und die billigste Opposition!)


    Man muss ins Internet schauen, um festzustellen, wel-
    che neuen Staatssekretärsstellen und Abteilungsleiterstel-
    len etwa im Forschungsministerium geplant sind. Es gab
    noch nie eine Regierung, die so viele Mitglieder hatte wie
    diese. Es gab noch nie eine, die so teuer war. Es gab auch
    noch nie eine, die für die Menschen in diesem Land so viel
    zu teuer war wie diese Regierung. Hier fängt das Sparen
    nämlich an.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir müssen endlich den Umsatzsteuerbetrug bekämp-

    fen. Wir müssen den Subventionsabbau einleiten. Dafür
    stehen wir immer zur Verfügung. Das haben wir immer
    gesagt. Es gehört zur Ehrlichkeit, zu sagen, dass der Sub-
    ventionsabbau bei der Kohle – gegen Protest – von uns
    eingeleitet worden ist. Sie haben die Menschen auf die
    Straße gejagt – damals noch in Bonn –, als wir den Kohle-
    kompromiss geschlossen haben.

    1982/1983 hatten wir eine vergleichbare Situation. Wir
    müssen die Investitionen stärken und nicht den Konsum
    aufblähen. Sie jedoch senken die Investitionen.


    (Dr. Elke Leonhard [SPD]: Das stimmt nicht!)

    Wenn Sie sich Ihren eigenen Entwurf ansehen, werden

    Sie feststellen, dass die Forschungsinvestitionen im nächs-
    ten Jahr sinken. Ich bitte Sie, sich noch einmal die letzte
    Fassung Ihres Haushaltsentwurfes nach dem Kabinetts-
    beschluss anzusehen: Die Forschungsausgaben sinken im
    nächsten Jahr. Bereinigt um das, was für die Flutopfer ausge-
    geben wird, sinken die Investitionen.


    (Dr. Elke Leonhard [SPD]: Die sind gestiegen!)


    Flut ist übrigens ein gutes Stichwort. In der Antwort auf
    meine Anfrage habe ich gelesen, dass Sie in diesem Jahr
    2,5 Milliarden Euro für Fluthilfe gebunkert haben. Dieses
    Geld wurde außerplanmäßig bereitgestellt. Diese 2,5 Mil-
    liarden Euro sind beim Empfänger noch nicht angekom-
    men, also müssen sie zur Seite gelegt worden sein. Warum
    werden sie wohl zur Seite gelegt? – Damit man im nächs-
    ten Jahr dieses Geld nicht aufnehmen muss. Sie – Herr
    Eichel, Herr Overhaus – haben wieder getrickst. Sie versu-
    chen ständig, das Parlament zu umgehen. Sie haben Aus-
    gaben für die Flutopfer in Höhe von 2,5 Milliarden Euro,
    ohne dies im Parlament zu diskutieren, als außerplan-
    mäßige Ausgabe kurz vor der Wahl zur Seite gelegt, damit
    Sie hier und da noch ein Geschenk verteilen können. Dies
    hat etwas mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu
    tun. Ich finde es unglaublich, was Sie dort machen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Unverschämtheit!)


    Nächster Punkt: Wir werden Investitionen beschleuni-
    gen und stärken. Sie beklagen die Situation der Ge-
    meinden. Wer den Gemeinden ständig die Gewerbe-
    steuerumlage erhöht, braucht sich nicht zu wundern, dass
    die Gemeinden immer mehr Schulden machen und immer
    mehr finanzielle Unterstützung von den Ländern brau-
    chen.


    (Joachim Poß [SPD]: Nicht alle Länder!)

    Wir machen eine Steuersenkung.

    Schauen Sie sich einmal die Empfehlung der Sachver-
    ständigen, die 20 Punkte, an. Jeden dieser 20 Punkte wür-
    den wir mit Ihnen sofort machen. Die Sachverständigen
    haben aber auch gesagt: Wenn das, was Sie vorhaben, ge-
    macht wird, wird es im nächsten Jahr noch ein halbes Pro-
    zent weniger Wachstum, wird es also wieder ein Defizit
    geben.

    Manch einer sagt vielleicht: Ihr müsst doch denen jetzt
    die Hand reichen, insbesondere im Bundesrat, und sie bei
    den Maßnahmen, die sie treffen – das sind ein paar Steu-
    ermaßnahmen –, unterstützen. – Dazu merke ich an: Die
    zusätzliche Belastung der Steuerbürger und der Betriebe
    am 1. Januar – deswegen bin ich für die Wahlen in Nie-
    dersachsen wie in Hessen ganz zuversichtlich, Herr Kol-
    lege; Mitte bis Ende Januar kommt nämlich die erste
    Lohnabrechnung – durch das, was Sie beschlossen haben
    und was Sie „Kürzung bei den Ausgaben“ nennen, macht
    15 Milliarden Euro aus. Dazu kommt noch der höhere
    Rentenversicherungsbeitrag. Dazu kommt noch der höhe-
    re Krankenversicherungsbeitrag.


    (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und die Energiepreise!)


    Wenn das, was Sie machen, falsch ist – die Sachverstän-
    digen sagen, dass Steuererhöhungen zum gegenwärtigen
    Zeitpunkt falsch sind –, dann muss es doch richtig sein,
    das zu blockieren. Deswegen lehnen wir das ab. So ein-
    fach ist das. Den Aufschwung schafft man nicht mit zu-
    sätzlichen Belastungen, sondern nur dadurch, dass man
    Bürger und Betriebe, und zwar auch die kleinen und mitt-
    leren und nicht nur die großen, entlastet.

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Walter Schöler, SPD-

Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Schöler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Herr Kollege Austermann, Sie sind sich wieder mal treu
    geblieben. Sie zeichnen hier ein Zerrbild der Realität. Sie
    operieren mit Halbwahrheiten. Das haben wir zum Bei-
    spiel im Zusammenhang mit der Zahl der Existenzgrün-
    dungen – sie liegt bei über 70 000 – gesehen. Sie erwäh-
    nen nur diejenigen, die es aus den verschiedensten
    Gründen, häufig aus persönlichen Gründen, nicht ge-
    schafft haben, ihre Existenz zu erhalten. Sie kommen mit
    alten Rezepten. Sie haben keinen einzigen neuen Vor-
    schlag. Sie kritisieren die Regelungen, die zwischen Bund


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    762


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 763

    und Ländern einvernehmlich getroffen worden sind, und
    wollen davon ablenken, dass auch die CDU-geführten
    Länder viele der Kompromisse, die Sie jetzt beklagen, in
    der Vergangenheit mitgetragen haben.

    Ich stelle fest: Finanzminister Eichel hat seit seinem
    Amtsantritt einen konsequenten Konsolidierungskurs ge-
    fahren. In erheblichem Maß wurden Ausgaben verringert
    und wurde die Neuverschuldung zurückgeführt. Bereits
    im Jahr 2001 hatten wir die Neuverschuldung mit
    22,8 Milliarden Euro auf den niedrigsten Stand seit 1993
    gesenkt. Unser Ziel bleibt unverändert – da mögen sie hier
    sagen, was Sie wollen – der völlige Abbau der Neuver-
    schuldung bis zum Jahr 2006.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Diese für die Bürger überzeugende Strategie solider
    Staatsfinanzen war – das mag Ihnen nicht passen – auch
    ein wichtiger Faktor für unseren Wahlsieg am 22. Sep-
    tember. Wir wissen ganz genau: Die Haushalte 2002 und
    2003 müssen die gesunkenen Steuereinnahmen und auch
    die Mehrausgaben auf dem Arbeitsmarkt verkraften. Da-
    mit stehen wir vor einer gewaltigen Aufgabe, die wir auf
    ehrliche und überzeugende Weise bewältigen werden.

    Es ist keine Frage: Die Haushaltslage ist derzeit ohne
    Zweifel schwierig. Wenn Sie nun aber in fast blanker Wut
    – wütend wahrscheinlich über sich selbst und über das
    Wahlergebnis – und mit unerträglichen Wortschöpfungen
    eine Hetzkampagne lostreten und behaupten, vor der
    Wahl habe Eichel schon gewusst, was er heute weiß, so ist
    das billiger Populismus. Im Übrigen: Mit all diesem Wis-
    sen sind die Länderfinanzminister, die das Geld ja eintrei-
    ben, vermutlich immer einen Tick früher dran gewesen.
    Also: Rot-Grün hat keine Wahllüge und keinen Wahlbe-
    trug zu verantworten. Die Wahrheit ist, dass vor dem
    großen Steuertermin Ende September keine halbwegs
    verlässliche Vorausschätzung möglich war; das wissen
    Sie ganz genau. Lüge oder Betrug, wie Sie es immer nen-
    nen, ist nicht gegeben. Im Gegenteil: Der Finanzminister
    hat überhaupt keinen Zweifel daran gelassen – das hat er
    heute Morgen noch einmal gesagt und bestätigt –, dass der
    Haushalt auf Kante genäht war und dass es schwierig sein
    würde, Einnahmeverschlechterungen aufzufangen.

    Außerdem: Vor der Bundestagswahl erfolgte die Haus-
    haltssperre durch den Finanzminister. Das haben Sie
    offensichtlich schon vergessen. Diese Maßnahme von
    Hans Eichel war verantwortungsbewusste Politik, im Ge-
    gensatz zu dem, was sich einige Ihrer Länderfinanzminis-
    ter erlaubt haben.

    Mit dem Untersuchungsausschuss werden Sie ein Ei-
    gentor schießen. Viel Spaß dabei! Ich hoffe, Sie haben
    genügend Vergnügen. Wer so von der eigenen Wahlnie-
    derlage und, wie sich heute Morgen wieder gezeigt hat,
    von der eigenen Konzeptlosigkeit ablenken will, der er-
    stürmt – das schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ Ihnen
    treffend ins Stammbuch – den Gipfel der Lächerlich-
    keit.


    (Beifall bei der SPD)

    Wer einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu
    einem Wahlkampfgericht degradieren will und damit ein

    Recht für sich in Anspruch nimmt, das nur dem Wähler
    zusteht, der wird in vier Jahren bei der nächsten Wahl wie-
    derum scheitern.

    Die Bürger sind im Übrigen nicht so dumm und so ver-
    gesslich, wie Sie es gerne hätten. So fragte der „Stern“ in
    der vorigen Woche, wer oder was die Hauptschuld an den
    Finanzproblemen in Deutschland trage. Wie waren die
    Antworten? – Am meisten genannt wurde der Faktor „zu
    viel Bürokratie“ – darüber sind wir uns alle einig –, an
    zweiter Stelle folgte die Nennung „Weltwirtschaftskrise“,
    an dritter Stelle „Regierung Kohl“, an vierter Stelle „Wie-
    dervereinigung“ und an fünfter Stelle – das ist sehr inter-
    essant – „sture Interessenverbände“. Die Bürger wissen
    also sehr wohl einzuschätzen, wo die Ursachen der Misere
    liegen.

    Der von Ihnen angestrebte Untersuchungsausschuss
    wird belegen: Nicht wir, sondern Sie von der Union und
    von der FDP sind die Wahlbetrüger.


    (Beifall bei der SPD)

    Das war auch 1998 so – um das deutlich zu machen, muss
    ich gar nicht die „blühenden Landschaften“ oder die
    berühmte „Portokasse“ bemühen –, als Sie vor der dama-
    ligen Bundestagswahl die Wähler mit einem völlig un-
    seriösen, rechtswidrigen und unehrlichen Haushalt für 1999
    getäuscht haben. Dieser Etat wies ein Loch von rund
    30 Milliarden DM auf. Sie haben uns anschließend, als
    wir das korrigierten, diffamiert, wir hätten diesen Haus-
    halt ohne Not zunächst ausgeweitet. Nein, es waren die
    waigelschen Tricksereien, die diese Maßnahmen erfordert
    haben.

    Im letzten Wahlkampf haben Sie die Wähler im Übri-
    gen wieder betrogen. Ihre Versprechungen hätten bis zu
    70 Milliarden Euro gekostet. Herr Stoiber ist mit diesen
    Versprechungen durchs Land gezogen. Dabei wusste er
    ganz genau, dass es dafür nicht den geringsten finanziel-
    len Spielraum gab. Das nenne ich Betrug.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Wenn ich zum Beispiel an das von Ihnen versprochene
    Familiengeld denke, dann fällt mir das in den letzten Ta-
    gen ins Gespräch gekommene Überraschungsei ein. Ihre
    Versprechen waren wohl Ihr Überraschungsei für den
    Wahlkampf; Sie haben nur vergessen, welche Warnung
    über den Inhalt zu lesen ist, nämlich: „nicht geeignet für
    Kinder unter drei Jahren“. Daran hätten Sie denken sollen.

    Als dann die veränderte Haushaltslage im Oktober ver-
    lässlich absehbar war – es war wichtig, dass diese
    Erkenntnisse verlässlich waren –, hat Rot-Grün sofort ge-
    handelt. Der Finanzminister hat noch vor der Steuer-
    schätzung einen Nachtragshaushalt für 2002 angekündigt
    und die Koalition hat ein Maßnahmenpaket geschnürt, um
    Mindereinnahmen für 2003 und die Folgejahre aufzu-
    fangen und dabei zugleich Wachstum und Beschäftigung
    zu stimulieren.

    Der jetzt zu korrigierende Haushalt 2002 war grund-
    ehrlich aufgestellt. Die Unterstellungen auch von Herrn
    Austermann sind aus der Luft gegriffen; denn die Annah-
    men zu Wachstum und Beschäftigung in diesem Haushalt

    Walter Schöler

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
    Walter Schöler
    deckten sich mit den Prognosen aller einschlägigen wis-
    senschaftlichen Institute und Institutionen, die zusam-
    mengefasst lauteten, man erwarte ein sich im Verlauf des
    Jahres verstärkendes Wachstum.

    Meine Damen und Herren, der Nachtragshaushalt ist
    auch mit der Verfassung vereinbar.


    (Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


    Herr Austermann ist auf diesen Punkt eingegangen; des-
    halb will auch ich diesem Punkt einige Ausführungen
    widmen. Die Feststellung der grundsoliden Veranschla-
    gung ist für mich wichtig; ich will im Folgenden einerseits
    auf den Haushalt 2002 eingehen und andererseits den Ge-
    gensatz zu Kohl und Waigel aufzeigen. Da so etwas ja be-
    kanntlich schnell aus dem Gedächtnis gerät: 1996 und
    1997 haben sie – Herr Austermann war dabei –, trotz un-
    serer Warnung und der Rüge durch die Wissenschaft, die
    Ausgaben für den Arbeitsmarkt massiv und erkennbar zu
    niedrig veranschlagt. 1996 hat sich Waigel noch gerettet,
    indem er am Parlament vorbei verfassungswidrig Rest-
    kreditermächtigungen von 18,4 Milliarden DM zur Finan-
    zierung einsetzte. 1997 bestand die gleiche Situation. Da-
    mals kamen Kohl und Waigel an einem Nachtragshaushalt
    allerdings nicht mehr vorbei, da wir wegen des Einsatzes
    dieser Restkreditermächtigungen nach Karlsruhe gegan-
    gen sind. Dabei überschritten Sie die Verfassungsgrenze
    des Art. 115 des Grundgesetzes deutlich und mussten des-
    halb wegen zuvor schon erkennbarer massiver falscher
    Veranschlagungen die Störung des gesamtwirtschaftlichen
    Gleichgewichts feststellen, um nicht auf Grund zu laufen.

    Die Situation für 2002 ist hingegen völlig anders; denn
    Grundlage ist ein solider Haushaltsplan. Bei der Steuer-
    schätzung im Mai herrschte hinsichtlich der Annahmen zur
    wirtschaftlichen Entwicklung bei den Instituten weitge-
    hend Einigkeit. Die Absenkungen durch die Maischätzung
    wären im Haushalt 2002 durchaus zu verkraften gewesen.
    Aber im Mai haben sich eben alle geirrt oder verschätzt und
    sich anschließend korrigieren müssen. Nach der Novem-
    berschätzung wird der Bund 8,5 Milliarden Euro weniger
    Steuern einnehmen als geplant. Außerdem sind wegen der
    – dazu parallel verlaufenden – unbefriedigenden Entwick-
    lung auf dem Arbeitsmarkt 5 Milliarden Euro zusätzlich
    aufzuwenden.

    Diese 13,5 Milliarden Euro sind nun im Nachtrags-
    haushalt ausgewiesen und werden durch eine erhöhte
    Kreditaufnahme gedeckt. Damit steigt die Kreditauf-
    nahme – ich muss hinzufügen: leider – auf 34,6 Milliar-
    den Euro und liegt damit deutlich über den Investitionen
    von 25 Milliarden Euro sowie deutlich jenseits der Ver-
    fassungsgrenze. Deren Überschreitung setzt eben die
    Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vo-
    raus. Das ist in diesem Jahr angesichts von circa
    150 000 Arbeitslosen mehr und 200 000 Beschäftigten
    weniger als geplant und prognostiziert ernsthaft der Fall.
    Zudem liegt das reale Wachstum bei 0,5 Prozent statt, wie
    zunächst geplant, bei 1,25 Prozent.

    Nun gibt es gegen unsere Inanspruchnahme der Aus-
    nahmeregelung zwei Vorwürfe. Der Sachverständigenrat
    meint, die Feststellung dürfe nur erfolgen, wenn eine we-
    sentlich größere Zielverfehlung als in den Jahren zuvor

    gegeben sei. Dies sei 2002 nicht der Fall. Diese Argu-
    mentation ist überhaupt nicht logisch. Richtig ist nämlich,
    dass auch 2001 die Werte von Wachstum und Be-
    schäftigung nicht zufrieden stellend waren. Aber durch
    unsere Konsolidierungspolitik und durch die vorsichtige
    Veranschlagung konnten wir dennoch deutlich unter der
    von Art. 115 des Grundgesetzes vorgegebenen Grenze
    bleiben. Will man uns also aus der soliden Politik 2001,
    die die Probleme damals beherrschen konnte, in diesem
    schwierigen Jahr 2002 einen Strick drehen? Sie wollen es
    offensichtlich. Die wirtschaftliche Situation rechtfertigt
    es, die Ausnahmeregelung in Anspruch zu nehmen. Die so
    genannten automatischen Stabilisatoren wirken und wer-
    den über zusätzliche Kredite finanziert.

    Es ist eben in den Wortbeiträgen deutlich gemacht
    worden: Eine Deckung der Lücke in dieser Höhe durch
    Ausgabenkürzungen noch kurz vor Jahresschluss wäre
    unvertretbar. Rechtsverpflichtungen binden uns. Inves-
    titionsmaßnahmen sind auch angesichts der konjunkturel-
    len Lage nicht einfach stillzulegen; das wissen Sie genau.
    Das würde die Wirtschaft beschädigen. Darüber hinaus
    würden sicherlich noch Konventionalstrafen drohen.

    Die Vorgaben zu Art. 115 des Grundgesetzes hinsicht-
    lich einer aktiven Bekämpfung der Wirtschafts-
    schwäche werden ebenfalls erfüllt. Der Nachtrag 2002
    kann nämlich nur in Verbindung mit den Folgejahren ge-
    sehen werden. Diese zeigen eine klare Wachstums- und
    Beschäftigungsstrategie auf. Ich nenne nur als Stichworte
    die Reformen am Arbeitsmarkt und im Sozialsektor sowie
    die zusätzlichen Stufen der Steuerreform, die 2004 und
    2005 kommen werden. Das Geschrei über zu hohe Steuer-
    und Abgabenbelastungen ist angesichts der harten Fakten
    einfach absurd.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Manchmal hatte ich in Veranstaltungen den Eindruck,
    dass die breite Masse der Bevölkerung permanent mit
    ihren Dienstwagen privat unterwegs ist und nur damit be-
    schäftigt ist, ihre Aktienpakete zu verschieben und gele-
    gentlich einen Teil des Mietwohnbesitzes zu veräußern,
    um dann zu klagen, dass auf diese Veräußerungsgewinne
    plötzlich Steuern zu zahlen sind. Das ist eben nicht die
    Wirklichkeit in Deutschland. Das ist nicht die Wirklich-
    keit bei breiten Schichten der Bevölkerung, die diesen po-
    pulistischen Äußerungen, Medienschlagzeilen folgen,
    und meinen, sie seien betroffen.

    Wir betreiben eine aktive Bekämpfung der Wirt-
    schaftsschwäche. Das Geschrei, das wir in den letzten
    Wochen gehört haben und das Sie bis zum 2. Februar 2003
    anstimmen werden – ich vermute, danach wird es etwas
    ruhiger werden –, wird den Fakten einfach nicht gerecht.
    Die Lage ist nicht rosig; das wissen wir. Aber sie ist viel
    besser als Ihre Miesmacherstimmung.


    (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist gestört!)


    Manchmal hat man den Eindruck: Wird den Egoismen
    einer Gruppe nicht nachgegeben, Herr von Klaeden, wird
    das Geplante sofort öffentlich verteufelt.

    Fakt ist, wir haben in den vergangenen Jahren bei den
    Netto- und Realeinkommen eine Trendwende geschaffen.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    764


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 765

    Von 1994 bis 1998 sanken sie pro Jahr um 1,5 Prozent.
    Seit 1998 steigen sie im Jahresdurchschnitt um fast
    1,2 Prozent an. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Po-
    litik damals und unserer Politik heute. Die Nettolöhne je
    Arbeitnehmer lagen 2001 im Durchschnitt um real
    534 Euro über dem Niveau des Jahres 1998.

    Diese erfreuliche Trendumkehr ist vor allem eine Folge
    der deutlichen Ausweitung des Grundfreibetrags – die ha-
    ben Sie in dieser Form ja nicht geschafft –, der Absenkung
    des Eingangssteuersatzes und der enormen Anhebung des
    Kindergelds. Im Jahr 2002 setzt sich diese Entwicklung fort.

    Damit komme ich wieder zur Steuerschätzung. Zuge-
    geben, die Maischätzungen und nun erneut die Novem-
    berschätzungen haben hohe Mindereinnahmen ausgewie-
    sen. Daraus aber den Schluss zu ziehen oder den Eindruck
    zu vermitteln, es handele sich um einen Absturz der Kon-
    junktur, ist falsch. Abgestürzt sind in Wirklichkeit die
    Steuereinnahmen, was mit der wirtschaftlichen Entwick-
    lung nur zum Teil zu tun hat. Vielmehr haben sich offen-
    sichtlich Verhaltensparameter der Bürger verändert und
    sind Auswirkungen der einzelnen Schritte der Steuerre-
    form unterschätzt worden.

    Der Steuerrückgang ist für den Staat zwar bitter, für die
    Bürger aber positiv. Denn 2002 steigt das Bruttoinlands-
    produkt um 45 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr,
    die Steuereinnahmen gingen aber um 7 Milliarden Euro
    zurück. Irgendwo muss das Geld aber bleiben. Die Bürger
    haben also auch 2002 – entgegen den verfälschenden Dar-
    stellungen – deutlich mehr Geld in der Tasche als zuvor,
    besser gesagt: mehr Geld auf ihren Konten. Entsprechend
    geht auch die Steuerquote, die 1998 noch bei 22,1 Pro-
    zent lag, auf 20,8 Prozent zurück – das ist der niedrigste
    Wert in der Nachkriegsgeschichte – und sinkt die Abga-
    benquote auf 38,2 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit
    1970. Das sind klare Fakten, wie wir sie begrüßen!


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Haushaltsentwurf 2003 zeigt: Der Bund trägt sei-
    nen Anteil dazu bei, nach der nicht zu vermeidenden
    Überschreitung der Maastricht-Defizitgrenze in 2002
    künftig die 3-Prozent-Grenze wieder deutlich zu unter-
    schreiten. Da mögen Sie unken, wie Sie wollen. Deshalb
    sind Länder und Gemeinden – besonders die Länder –
    aufgefordert, gemäß den Vereinbarungen im Finanzpla-
    nungsrat auch ihren notwendigen Beitrag zu leisten und
    die auf den Weg gebrachten Maßnahmen mitzutragen.
    Dies wird nur gehen, wenn die Union den Bundesrat nicht
    aus kurzsichtigen taktischen Gründen als Blockadeinstru-
    ment missbraucht, wie Sie das offensichtlich vorhaben.

    Der Finanzminister hat es geschafft, für 2003 einen
    Entwurf mit einer Nettokreditaufnahme von nur 18,9Mil-
    liarden Euro und damit der niedrigsten Neuverschuldung
    seit der Wiedervereinigung vorzulegen. Dafür gebührt
    ihm Dank und Anerkennung.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Nachhaltige Finanzpolitik, wie wir sie verstehen, er-
    schöpft sich aber nicht allein in der Konsolidierung; viel-
    mehr gestaltet sie gleichzeitig. Diesen Zweiklang spiegelt
    der Entwurf 2003 deutlich wider. Hans Eichel hat heute

    Morgen deutliche Worte zu den anstehenden Reformen
    gefunden.

    Mit der Umsetzung der Vorschläge der Kommission
    „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ gestalten wir
    die größte Arbeitsmarktreform der Nachkriegsgeschichte.
    Diese belebt den Arbeitsmarkt und verbessert auch nach-
    haltig die Situation der Ausgaben und Einnahmen im Bun-
    deshaushalt und bei der Bundesanstalt. Zukunftssichernde
    Ausgaben für Familie, Bildung, Forschung und Infrastruk-
    tur werden trotz der erheblichen konjunkturbedingten Haus-
    haltsbelastungen auf hohem Niveau gehalten oder verstärkt.
    Hinzu kommen Verbesserungen der Innovationsfähigkeit
    der mittelständischen Wirtschaft und die Fortführung der
    Agrarwende. Wenn man unter vier Augen mit den Vertretern
    der Verbände spricht, hört sich das erfahrungsgemäß oft an-
    ders an als in offiziellen Veranstaltungen.

    Außerdem kommen – das betone ich ausdrücklich – in
    den nächsten vier Jahren auch noch 4 Milliarden Euro zu-
    sätzlich für 10 000 Ganztagsschulen hinzu.
    Das Geld stellen wir bereit. Das ist ein Angebot an die
    Länder. Das ist verantwortliche Politik. Ich sage dazu nur:
    Versprochen und Wort gehalten!


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sind
    die Antwort auf die Frage nach neuen Konzepten heute
    wieder schuldig geblieben; denn Sie haben keine. Die For-
    derungen, die in dem Wulff-Papier, das gestern präsentiert
    worden ist, erhoben werden, oder Ihre Forderungen, die Sie
    teilweise den Wirtschaftsverbänden nachbeten, wie „Weg
    mit der Mitbestimmung“, „Weg mit Flächentarifverträ-
    gen“, „Weg mit dem Kündigungsschutz“, „Weg mit dem
    Sonn- und Feiertagsschutz“, „Mehr Druck durch eine – ,un-
    vertretbare‘ – große soziale Spreizung“ hin zur Grundver-
    sorgung bei der Renten- und der Krankenversicherung und
    zu Wahlleistungen nach Größe des Portemonnaies haben
    wir lange genug gehört. Das ist nicht unser Verständnis des
    verfassungsrechtlichen Sozialstaatsgebots. Dafür haben
    uns die Wählerinnen und Wähler am 22. September die-
    ses Jahres nicht ihre Stimme gegeben.

    Wir scheuen nicht die kritische Auseinandersetzung mit
    Ihnen über den Haushalt. Wir laden Sie geradezu ein, Ihre
    Vorschläge endlich einzubringen, auch wenn diese Einla-
    dung offensichtlich vergeblich ist. Früher, als Sie regiert
    haben, haben Sie den Menschen einmal vorgeworfen: Sie
    klagen, aber auf hohem Niveau. Ich stelle heute fest: Sie
    klagen, aber viel Niveau ist nicht mehr vorhanden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Hans Eichel genießt unser Vertrauen. Deshalb werden
    wir unseren Weg für Erneuerung, Gerechtigkeit und
    Nachhaltigkeit gemeinsam mit ihm weitergehen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)