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ID1501201000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 733 A Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003) (Drucksache 15/150) . . . . . . . . . . . . . . 733 D b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2002 (Nach- tragshaushaltsgesetz 2002) (Drucksache 15/149) . . . . . . . . . . . . . . 733 D c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Ent- wicklung der Finanzwirtschaft des Bundes (Drucksache 15/151) . . . . . . . . . . . . . . 734 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergüns- tigungsabbaugesetz – StVergAbG) (Drucksache 15/119) . . . . . . . . . . . . . . . . . 734 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Weniger Staat – weniger Steuern (Drucksache 15/122) . . . . . . . . . . . . . . . . 734 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jürgen Koppelin, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Keine Erhöhung der Mehrwertsteuer (Drucksache 15/123) . . . . . . . . . . . . . . . . 734 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 734 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 745 C Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 750 D Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 754 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 758 D Walter Schöler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762 D Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 766 A Anja Hajduk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 768 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 770 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 771 C Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . 776 A Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 776 D Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . . . 779 C Plenarprotokoll 15/12 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 12. Sitzung Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 7: a) Beratung des Antrags der Bundesregie- rung: Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte an dem NATO- geführten Einsatz auf mazedoni- schem Territorium zur weiteren Sta- bilisierung des Friedensprozesses und zum Schutz von Beobachtern internationaler Organisationen im Rahmen der weiteren Implementie- rung des politischen Rahmenabkom- mens vom 13. August 2001 auf der Grundlage des Ersuchens des maze- donischen Präsidenten Trajkovski vom 21. November 2002 und der Re- solution 1371 (2001) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 26. September 2001 (Drucksache 15/127) . . . . . . . . . . . . . . 782 A b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. Februar 2002 zwischen derRegie- rung der Bundesrepublik Deutsch- land und derRegierung derRepublik Polen über die Zusammenarbeit der Polizeibehörden und derGrenzschutz- behörden in den Grenzgebieten (Drucksache 15/11) . . . . . . . . . . . . . . . 782 B c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 26. Juli 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über den Bau einer Grenz- brücke an der gemeinsamen Staats- grenze in Anbindung an die Bundes- straße B 20 und die Staatsstraße I/26 (Drucksache 15/12) . . . . . . . . . . . . . . . 782 C d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des inter- nationalen Insolvenzrechts (Drucksache 15/16) . . . . . . . . . . . . . . . 782 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP 7): Beratung des Antrags der Bundesregie- rung: Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicher- heitsunterstützungstruppe in Afghanis- tan auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) vom 20. Dezember 2001, 1413 (2002) vom 23. Mai 2002 und 1444 (2002) vom 27. November 2002 des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksache 15/128) . . . . . . . . . . . . . . . . 782 C Tagesordnungspunkt 8: a) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 1 zu Petitionen (Drucksache 15/57) . . . . . . . . . . . . . . . 782 D b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 2 zu Petitionen (Drucksache 15/58) . . . . . . . . . . . . . . . 783 A c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 3 zu Petitionen (Drucksache 15/59) . . . . . . . . . . . . . . . 783 A d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 4 zu Petitionen (Drucksache 15/61) . . . . . . . . . . . . . . . 783 A e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelüber- sicht 5 zu Petitionen (Drucksache 15/62) . . . . . . . . . . . . . . . 783 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 783 B Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 784 D Elke Ferner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787 A Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 789 B Horst Kubatschka SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 C Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 792 A René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794 B Dr. Christian Eberl FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 795 C Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker SPD . . . . . . 796 D Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 798 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 800 C Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 801 D Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802 B Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 802 B Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 805 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 807 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002II Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 C Christoph Hartmann (Homburg) FDP . . . . . 811 A Ulla Burchardt SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 B Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 815 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 B Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 818 C Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 819 B Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820 D Ulrich Kasparick SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 B Marion Seib CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 823 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 B Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 825 D Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 826 A Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 829 D Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 832 B Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 A Otto Fricke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 D Christel Humme SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 835 A Antje Tillmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 837 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 840 A Klaus Haupt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 B Marlene Rupprecht (Tuchenbach) SPD . . . . 842 C Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 844 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zurAuf- hebung des Gesetzes zur Modulation von Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Än- derung des GAK-Gesetzes (Drucksache 15/108) . . . . . . . . . . . . . . . . 846 D Renate Künast, Bundesministerin BMVEL . . 847 A Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 848 D Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 850 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 851 C Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 852 B Gabriele Hiller-Ohm SPD . . . . . . . . . . . . . . . 853 D Ursula Heinen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 855 A Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 855 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 857 A Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859 D Waltraud Wolff (Wolmirstedt) SPD . . . . . . . 860 A Helmut Heiderich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 861 C Cornelia Behm BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 863 B Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 864 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 865 B Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . 866 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 868 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 869 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 III (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 733 12. Sitzung Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (C) 868 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 869 (C)(A) Adam, Ulrich CDU/CSU 03.12.2002* Borchert, Jochen CDU/CSU 03.12.2002 Bury, Hans Martin SPD 03.12.2002 Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 03.12.2002 Hartmut Dr. Däubler-Gmelin, SPD 03.12.2002 Herta Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 03.12.2002 Gradistanac, Renate SPD 03.12.2002 Gröhe, Hermann CDU/CSU 03.12.2002 Großmann, Achim SPD 03.12.2002 Hörster, Joachim CDU/CSU 03.12.2002* Hofbauer, Klaus CDU/CSU 03.12.2002 Kubicki, Wolfgang FDP 03.12.2002 Lintner, Eduard CDU/CSU 03.12.2002* Dr. Lucyga, Christine SPD 03.12.2002* Möllemann, Jürgen W. FDP 03.12.2002 Dr. Pinkwart, Andreas FDP 03.12.2002 Rauber, Helmut CDU/CSU 03.12.2002** Schild, Horst SPD 03.12.2002 Dr. Stadler, Max FDP 03.12.2002 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 03.12.2002 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des OSZE entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Günter Rexrodt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

    ren! In den letzten Wochen – auch heute wieder – hat es
    verzweifelte, fast rührende Versuche gegeben, das De-
    saster der Bundesfinanzen gewissermaßen als ein Winter-
    tief oder Formtief darzustellen, in das jeder gute Sportler
    einmal gerät. Man habe ja das Ziel fest vor den Augen und
    man werde ein gutes Rennen laufen.

    Damit sind wir wieder dabei, den Leuten Sand in die
    Augen zu streuen. Seit geraumer Zeit sind wir Letzter
    beim Wirtschaftswachstum; wir trotten den anderen in
    Europa hinterher. Dann bemüht Herr Eichel, der in einer
    bemerkenswerten Art und Weise die Rechnungen aufbe-
    reitet hat, Japan, ein Land, das sich seit einem Jahrzehnt
    in einer Strukturkrise befindet, und die USA für ein Jahr,
    um das schlechte Wirtschaftswachstum in Deutschland zu
    relativieren. Und weil das Wirtschaftswachstum so nied-
    rig ist, gibt es in Europa nur noch vier andere Staaten, die
    eine schlechtere Arbeitslosenquote aufweisen. Was die
    Nettoneuverschuldung angeht, ist nur noch Portugal
    schlechter als wir. Bei der Nettoneuverschuldung haben
    wir über Jahre hinweg die Standards gesetzt und letztend-
    lich den Stabilitätspakt durchgedrückt. Wir legen heute
    aber Werte vor, die das gesamte Rennen infrage stellen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Der Stabilitätspakt ist die Grundlage für einen starken
    Euro, nach innen und nach außen. Wer da versagt, der ge-
    fährdet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, der
    gefährdet Arbeitsplätze und letztlich die Grundlagen un-
    seres Wohlstands.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich höre schon Herrn Clement und andere – auch Sie,
    Herr Eichel, haben sich heute in diesem Sinne geäußert –,
    wie sie sagen: Wir dürfen dieses Land nicht schlechtre-
    den; wir müssen zusammenstehen. Solche Äußerungen
    sind verständlich und nachvollziehbar. Aber damit, Herr
    Clement, können wir die Wahrheiten, die ich eben vorge-
    tragen habe, nicht aus der Welt schaffen. Haben uns die
    Sozialdemokraten geschont, als wir den Zuwachs der
    Neuverschuldung in den 90er-Jahren mit den Lasten der
    Wiedervereinigung – im Übrigen ein wirklich triftiger
    Grund – begründet haben? „Schuldenstaat“ und „Schul-
    denkanzler“ haben Sie von den Bänken im Bundestag aus
    gehöhnt, als ob die damalige Koalition fahrlässig oder so-
    gar vorsätzlich gehandelt hätte. Heute benutzen Sie das-

    selbe Vokabular, weil Sie mit Ihrer Finanzpolitik am Ende
    sind, Herr Eichel.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die gesamte Misere der bundesstaatlichen Finanzen

    macht sich an zwei Tatbeständen fest.
    Erstens. Die Verschuldung wird im Nachtragshaus-

    halt 2002 und im Haushaltsentwurf 2003 geradezu explo-
    sionsartig ausgeweitet. Ein solcher Druck entsteht nur,
    wenn man etwas unter dem Deckel gehalten hat. Was un-
    ter dem Deckel war, werden wir uns in den nächsten Wo-
    chen anschauen.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    Zweitens. Mitten in der Depression verschiebt die rot-

    grüne Bundesregierung die seit langem versprochene
    Steuerentlastung. Mehr noch: Sie sattelt bei den Steuern
    drauf, wild und ungeordnet. Herr Müntefering hat mitt-
    lerweile noch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ins
    Spiel gebracht, die seit gestern wieder zur Vermögen-
    steuer geworden ist. Die Wirtschaft steht Kopf. Jegliche
    Kalkulierbarkeit der Belastungen, die auf unsere Unter-
    nehmen zukommen, ist nicht mehr möglich.

    Man kann sich über die Vergleichbarkeit mit Heinrich
    Brünings Politik sicherlich streiten. Aber unbestritten ist
    die Tatsache, dass wir eines machen: Deflationspolitik, und
    zwar in Reinkultur. Was geschieht, ist das Gegenteil dessen,
    was der von Ihnen oft so hoch geschätzte Ökonom John
    Maynard Keynes vor Jahrzehnten erkannt hat: In der Re-
    zession muss man Steuern senken und nicht erhöhen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die expansive Fiskalpolitik hilft Ihnen auch nicht wei-
    ter: Die aufgenommenen Mittel fließen eben nicht in zu-
    sätzliche Investitionen, sondern überwiegend in die
    Transferausgaben, um Löcher zu stopfen. Einen Arbeits-
    markteffekt hat das nicht.

    Zur Rechtfertigung dieses ökonomischen Wahnsinns
    haben Sie nichts anderes als den Hinweis anzuführen,
    dass angeblich auch die gegenwärtige Opposition nichts
    Besseres anzubieten hat. Das ist mehr als daneben.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Diskussion
    der letzten Jahre war davon geprägt, dass wir immer wie-
    der eine Reformpolitik angeboten und vorgeschlagen ha-
    ben, die auf eine Verbesserung der ökonomischen Rah-
    menbedingungen ausgerichtet ist. Unsere Steuerreform
    war klar durchgerechnet.

    Die Realität ist dadurch geprägt, dass Reformen an
    wichtigen Stellen versäumt und bestehende Mängel noch
    verschärft wurden. Versäumt haben Sie die Reform im
    Gesundheitswesen. Kontraproduktiv war über dreiein-
    halb Jahre hinweg Ihre Arbeitsmarktpolitik.
    Dann kamen im letzten halben Jahr die Hartz-Vorschläge.
    Ein kleines Segment davon wollen Sie nun umsetzen. Der
    Verfasser dieser Vorschläge wendet sich mit Grausen von
    dem ab, was Sie da umsetzen wollen, Herr Clement.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    754


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 755

    Ich gebe zu, dass die Reformen, die Sie gemacht haben
    – bei Steuern und der Rente –, in die richtige Richtung ge-
    hen. Sie haben diese Reformen aber so vermasselt, dass
    sich der Mittelstand ausgegrenzt fühlt. Das ist die ei-
    gentliche Ursache dafür, dass wir eine anhaltende Rezes-
    sion in unserem Lande haben.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Verzagtheit hat sich breit gemacht. Nirgendwo besteht
    mehr Glaube an die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Es
    herrscht eine Stimmung, wie wir sie seit dem Zweiten
    Weltkrieg nicht mehr beobachten konnten.


    (Zuruf von der SPD: Die Sie anheizen!)

    – Ich heize überhaupt nichts an. Ich beschreibe die Fak-
    ten. Gehen Sie doch einmal im Lande umher und hören
    Sie sich an, was die Leute sagen und denken, insbeson-
    dere die Mittelständler. Das ist doch ein Faktum; das kann
    man doch nicht vom Tisch wischen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Machen Sie eine anständige Politik! Geben Sie den
    Leuten wieder eine Zukunftsorientierung! Dann wird die
    Stimmung in diesem Lande auch anders werden.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Auf der Ausgabenseite – das ist hier falsch dargestellt
    worden –, Herr Eichel, haben Sie nie wirklich kürzen kön-
    nen.


    (Hans Eichel, Bundesminister: So ein Quatsch!)


    Sie haben Etatansätze gekürzt. Die Ausgaben bewegen
    sich – das sind doch Ihre Angaben – in den nächsten Jah-
    ren auf dem Niveau von rund 250 Milliarden Euro. Da
    geht nichts herunter, das geht sogar ein Stück hoch. Das
    Niveau ist nicht verändert worden.


    (Hans Eichel, Bundesminister: Das ist doch unglaublich!)


    – Herr Eichel, schauen Sie doch Ihre eigenen Zahlen an. –
    Das hat seine Ursachen darin, dass Sie nie den Sozialbe-
    reich haben reformieren können, so wie es schon aufgrund
    der demographischen Entwicklung notwendig ist.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Peter Dreßen [SPD])


    – Das ist ein gutes Stichwort.
    Dann haben Sie die Ökosteuer erfunden. Das war im-

    mer schon eine Dreistigkeit insbesondere von den Grü-
    nen. In Wirklichkeit sind die Beiträge zur Rentenversi-
    cherung nicht gesenkt worden; vielmehr sind sie
    gestiegen.


    (Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen lagen die über 20 Prozent!)


    Das ist eine merkwürdige Steuer.
    Meine Damen und Herren von den Grünen, wenn Sie

    jetzt noch durch die weitere Erhöhung und durch den

    Abbau dessen, was Sie Steuervergünstigungen nennen,
    die energieintensiven Betriebe aus Deutschland vertrei-
    ben wollen, dann wird auch unter umweltpolitischen
    Aspekten eine noch magerere Bilanz entstehen. Wenn
    Aluminium künftig nicht mehr im Rheinland, sondern in
    Osteuropa oder der Dritten Welt geschmolzen wird, sieht
    die Umweltbilanz in globaler Betrachtung verheerend
    aus.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die einzig Leidtragenden sind die deutschen Arbeit-
    nehmer, die ihre Arbeitsplätze in großer Zahl verlieren,
    und ist der Staat, der keine Steuern mehr erhält.


    (Zuruf von der FDP: Und die Umwelt!)

    Ein altes und nunmehr wieder neues Argument wird zur
    Begründung einer solchen kontraproduktiven Politik he-
    rangezogen: Angeblich stimme die Lastenverteilung in
    diesem Lande nicht.


    (Vorsitz : Vizepräsidentin Dr. h.c. Susanne Kastner)


    Ich komme noch einmal auf John Maynard Keynes
    zurück. Er hat zur Umverteilungspolitik einmal gesagt:
    Es kommt darauf an, den Kuchen größer zu machen, den
    es zu verteilen gilt, dann haben alle etwas davon. – Wer
    anderes will, erzeugt lähmende Verteilungsdebatten und
    Verdrossenheit. Er vernichtet Leistungsbereitschaft und
    Risikofreude. Die Beispiele dafür gibt es zuhauf, in unse-
    rem Land und anderswo.

    Die heute vorgelegten Haushaltsgesetze sind Ausdruck
    großer Hilflosigkeit. Diese Gesetze sind abzulehnen.
    Wenn dies nicht gelänge, wäre es kein guter Tag für unser
    Land.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)




Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Antje Hermenau,

Bündnis 90/Die Grünen.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Antje Hermenau


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir

    schon Herrn Keynes bemühen, Herr Rexrodt, dann ma-
    chen wir es doch bitte der Ordnung halber im Ganzen und
    bemühen nicht nur den halben Keynes.


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das müssen Sie gerade sagen!)


    Sie haben nur den halben Keynes bemüht, indem Sie sag-
    ten, man müsse natürlich in Rezessionsphasen Steuersen-
    kungen anstreben. Die andere Hälfte, die Sie hier ver-
    schwiegen haben, ist, dass man in guten Zeiten vorsorgen
    muss, damit man etwas hat, was man in Rezessionszeiten
    ausgeben kann, um Steuern abzusenken. Das haben Sie
    versäumt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dr. Günter Rexrodt

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
    Antje Hermenau
    Das ist exakt das Problem, um das wir heute hier kreisen.


    (Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Wenn wir das nicht gemacht hätten, würden Sie hier nicht stehen, Frau Hermenau!)


    Wir haben einen Nachtragshaushalt für 2002 und einen
    Entwurf für 2003. Wir müssen natürlich endlich damit an-
    fangen, uns nicht immer nur einen Haushalt anzugucken,
    sondern wir müssen die Geschichte berücksichtigen, um
    zu sehen, wie es zu diesem Haushalt in einem konkreten
    Jahr gekommen ist, und wir müssen uns fragen, was man
    in der Zukunft unternehmen muss, um da wieder weg zu
    kommen. Das wäre also eine überjährige Betrachtung.
    Wir fordern von Beamten inzwischen, dass sie die Kos-
    ten-Leistungs-Rechnung beherzigen. Daher sollten wir
    im Parlament auch genauso modern diskutieren und nicht
    immer nur auf ein Fiskaljahr gucken, sondern auch über
    Ursachen, Wirkungen und Zukunftspläne diskutieren.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Gehen wir einmal in dieser Reihenfolge vor; jeder
    nachfolgende Redner kann dieses Beispiel ja gern adap-
    tieren. Die Strukturprobleme, mit denen wir uns zurzeit
    herumquälen, sind eine Kollektivleistung. Das haben wir
    alle miteinander gut hingekriegt. Natürlich erschöpft sich
    die parlamentarische Debatte immer darin, dass wir uns
    gegenseitig vorwerfen, wer am meisten Schuld daran hat,
    dass etwas nicht gemacht worden ist. Das ist parlamenta-
    rischer Debattenstil. Aber es gibt doch deshalb hier dau-
    ernd emotionale Friktionen, weil keiner zugeben will,
    woran er mitschuldig ist. Alle können sich hinter dieser
    Kollektivschuld verstecken. Sie können hier Schuldzu-
    weisungen machen; wir können welche zurückgeben. Je-
    der hat etwas auf dem Kerbholz. Eigentlich ist es so, wenn
    man den Haushalt und seine Entwicklung betrachtet: Kei-
    ner gibt zu, dass wir uns in Deutschland über Jahre und
    Jahrzehnte hinweg zu viel geleistet haben, dass es eben
    nicht vernünftig war, sich von Lafontaine 1990 ins Bocks-
    horn jagen und dann Waigel einfach alle erforderlichen
    Maßnahmen zur deutschen Einheit über die Sozialsiche-
    rungssysteme finanzieren zu lassen, nur weil Lafontaine
    kurz vor der Wahl gesagt hat, dass Sie es über Steuerer-
    höhungen machen würden.

    Dasselbe Spielchen wird jetzt wieder abgezogen. Jetzt
    sollen eben wir zu irgendwelchen Bekenntnissen ge-
    zwungen werden, ohne vorher genau alles durchdacht und
    hier diskutiert zu haben, und sogar ohne Ihre Einbezie-
    hung. Auch das ist nicht sehr sinnvoll. Es geht eigentlich
    immer nur um dieses parlamentarische Spielchen vor
    Wahlen: Wir zwingen den anderen zu Aussagen, die nach-
    her alle irgendwie nicht funktionieren, und damit haben
    wir die Unregierbarkeit des Landes weiter sichergestellt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer hat euch denn gezwungen?)


    Wenn es nicht immer diese Manöver gäbe, hätten wir es
    geschafft, die Strukturreform eher anzupacken. Die
    CDU/CSU hatte im Maastricht-Jahr 1997, als es mit dem
    Haushalt ziemlich kompliziert war, eine Chance dazu. Im
    Prinzip ist unser struktureller Reformbedarf auch da

    schon deutlich geworden, denn der Rucksack unerledig-
    ter Reformen, den wir mit uns herumschleppen, drückt
    uns immer dann zu Boden, wenn wir in eine schwierige
    Konjunkturphase kommen.

    Genau das passiert jetzt wieder. Wir überschreiten das
    Maastricht-Kriterium in diesem Jahr und kommen bei
    3,8 Prozent an. Das ist wirklich sehr hoch. Maximal 3 Pro-
    zent wären erlaubt. Aber wir kommen dahin mit ungefähr
    2,5 Prozent strukturellem Rucksack, entstanden aus nicht
    gemachten Reformen aus den letzten zwei Jahrzehnten.
    Das alles ging schon vor der deutschen Einheit los. Das ist
    unser eigentliches Problem. Mit einem so schweren Ruck-
    sack kann man natürlich ziemlich schlecht steuern, wenn
    man in konjunkturelle Stürme gerät. Deswegen sind für
    uns nicht nur die Konjunkturprognosen für die nächsten
    Jahre wichtig, sondern für uns ist es auch wichtig, endlich
    die strukturellen Reformen anzugehen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Das machen wir, entgegen dem, was Sie im Land auf Pla-
    katen verbreiten, und entgegen Ihren Aufrufen zu De-
    monstrationen. Deutschland hat sich wirklich verändert:
    Die Christsozialen rufen zur Demo auf.


    (Lachen bei der SPD)

    Aber unabhängig davon: Wir gehen die Reformen an.

    Hartz wird umgesetzt. Sie dürfen sogar im Vermittlungs-
    ausschuss die Nachbesserungen einbringen, die Sie für
    unverzichtbar halten. Ich nehme an, es wird einen Kom-
    promiss geben. Sie werden also mitgestalten und in dieser
    einen Frage einmal Ihrer nationalen Verantwortung auch
    in der Opposition gerecht werden können.

    Mit der Rürup-Kommission ist der nächste Schritt
    schon vorgezeichnet. Nicht umsonst hat es Streit um den
    Kern ihrer Aufgabe gegeben. Kern der Aufgabe ist, taug-
    liche Vorschläge, die kurzfristig umzusetzen sind, zur
    Senkung der Lohnnebenkosten zu erarbeiten. Das ist der
    Dreh- und Angelpunkt.


    (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Was sagt der Herr Generalsekretär der SPD dazu?)


    Wir sollten uns jetzt einmal angucken, was alles schon
    erreicht worden ist. Wir haben mit den strukturellen Re-
    formen ja schon begonnen. Ich nenne den Bürokratieab-
    bau, der schon mehrmals erwähnt wurde. Ich nenne die
    Anzahl der Beschäftigten beim Bund. Diese Zahl liegt in-
    zwischen deutlich unter dem Beschäftigungsstand von
    1989, also von vor der deutschen Einheit.

    Oder sehen Sie sich an, dass sich in den letzten Jahren
    die ausländischen Direktinvestitionen deutlich verbessert
    haben, nachdem Sie in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre
    ein Jahr nach dem anderen Tiefststände produziert haben.
    Wir haben die Finanzhilfen des Bundes innerhalb von
    fünf Jahren um über ein Drittel von 11,4 Milliarden auf
    7,8 Milliarden gesenkt. Erzählen Sie uns doch nicht, dass
    wir nicht gespart hätten. Natürlich haben wir das getan.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Der Punkt ist: Unsere Einsparungen waren eine sanfte
    Annäherung unter anderen Voraussetzungen. Wir haben


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    756


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002 757

    gedacht, wir können das etwas langsamer und ruhiger an-
    gehen. Seit dem 11. September des letzten Jahres hat sich
    die Weltlage verändert. Die Weltkonjunktur zwingt uns,
    mit dem Sparkurs schneller voranzuschreiten als bisher.
    Wir hatten in der letzten Legislaturperiode eine zu sanfte
    Gangart. Aber die Zielrichtung und die Maßnahmen ha-
    ben gestimmt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Was ich bei Ihnen von der Opposition vermisse, ist der
    Respekt vor der Aufgabe, die ich hier beschreibe. Dieser
    Respekt ist bei Ihnen überhaupt nicht zu erkennen. Sie er-
    gehen sich hier in Inszenierungen irgendwelcher opposi-
    tioneller Theater


    (Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr!)

    und sind dabei der Meinung, dass es sich um eine seriöse
    Meinungsbildung in diesem Land handelt. Ich habe vor-
    hin schon davon gesprochen: Es gibt verletzten Stolz und
    es gibt die Angst, eine kollektive Schuld mit einzugeste-
    hen. Man versteckt sich gerne hinter anderen. Das ist al-
    les richtig. Aber so behebt man das Problem nicht. Ir-
    gendwann werden Ihnen die Menschen auf die Schliche
    kommen. Sie werden merken, dass Sie nichts angeboten
    haben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Sie haben sich erdreistet, den netten, blassen Herrn
    Wulff gestern seine zehn Punkte zur Reform des Arbeits-
    marktes vortragen zu lassen, in denen nichts Neues stand.
    Sie haben damit im Prinzip nur Ihre Verhandlungslinie für
    den Vermittlungsausschuss zum Hartz-Konzept darge-
    legt.


    (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das Schlimme ist doch, dass bei Ihnen jeden Tag was Neues kommt!)


    Und das nennen Sie ein Programm? Überlegen Sie sich
    das einmal! Es hätte natürlich nicht so spektakulär ge-
    klungen, wenn Sie gesagt hätten, dass es sich um Ihre Ver-
    handlungslinie für den Vermittlungsausschuss handelt. Es
    ist peinlich, wenn das die einzigen substanziellen Beiträge
    der Opposition sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich habe nicht umsonst auf die Notwendigkeit von Struk-
    turreformen hingewiesen. Ich will es plastischer darstellen:
    Wir reden darüber, dass dieser Haushalt seit Jahren, eigent-
    lich seit Jahrzehnten, dadurch belastet wird – die Belastun-
    gen steigen jedes Jahr weiter an –, dass die Zinslasten und
    die Ausgaben für die Alterssicherung, die inzwischen zum
    großen Teil steuerfinanziert sind, einen immer stärkeren
    Anteil am Bundeshaushalt haben. Es ist richtig: Auch wir
    haben diesen Trend nicht umkehren können. Wir haben
    ihn aber verlangsamt, indem wir die Einnahmen aus der
    UMTS-Versteigerung zur Tilgung eingesetzt und dadurch
    Zinsen eingespart haben. Wir haben versucht, günstige
    Zinskonditionen auszuhandeln. Im Moment laufen einige
    hochverzinsliche Kredite aus. Aber im Kern bleibt dieses
    Problem bestehen und verschärft sich in den nächsten vier

    Jahren noch. Das ist der entscheidende Punkt, den man
    beachten muss, wenn Herr Austermann von Investitions-
    quoten spricht.

    Es wird uns aber nur gelingen, die Investitionen sub-
    stanziell zu steigern – und nicht nur um 1 Milliarde Euro
    wie im nächsten Jahr –, wenn wir den Anteil der Zinslast
    und der Alterssicherungslast unter 50 Prozent drücken.
    Dieser steinige Weg steht uns bevor. Wir kommen nicht
    darum herum. Das ist eine neue Qualität, die nötig ist, um
    den Sparkurs aus der letzten Legislaturperiode in eine
    Kultur der Modernisierung zu überführen. Das ist jetzt
    wichtig.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich habe es schon mehrmals gesagt: Es ist schlicht ein
    Akt europäischer Solidarität – da hat Herr Rexrodt gar
    nicht Unrecht –, dass wir uns darum bemühen, die Stabi-
    lität des Euro und die Stärkung der Wirtschaftskraft der
    Europäischen Union nicht daran scheitern zu lassen, dass
    Deutschland seine Hausaufgaben nicht macht. Darin sind
    wir uns einig; das ist überhaupt kein Streitpunkt, Herr
    Rexrodt. Es ist aber sicherlich auch richtig, zu schauen,
    wer wie einen Beitrag dazu leisten kann.

    Dass wir das Maastricht-Kriterium um mindestens
    0,8 Prozentpunkte verfehlt haben – eigentlich sollten wir
    deutlich unter der 3-Prozent-Grenze liegen –, ist ebenfalls
    eine Kollektivleistung. Die Länder haben sich nämlich
    klammheimlich hinter dem Rücken von Hans Eichel ver-
    steckt. Behaupten Sie jetzt nicht, das sei nicht so! Ich habe
    mir die Haushalte der Länder Bayern und Hessen für die-
    ses Jahr angeschaut. Ich unterstelle – ich habe das jeden-
    falls gehört –, dass die Finanzverwaltung im Freistaat
    Bayern fähig ist.


    (Hans Eichel, Bundesminister: In Hessen auch, bitte!)


    Wenn dem so ist, dann hätte die Finanzverwaltung des
    Freistaates Bayern dem Finanzminister Faltlhauser be-
    reits im August oder September sagen müssen: Herr
    Faltlhauser, Sie müssen dringend eine Haushaltssperre
    veranlassen, weil das Geld nicht reicht.


    (Joachim Poß [SPD]: Ja!)

    Theoretisch hätte das so sein müssen. Aber Herr
    Faltlhauser hat erst am Nachmittag, als die Steuerschät-
    zung bekannt wurde, eine Haushaltssperre erlassen. Das
    heißt, er hat sich hinter Hans Eichel versteckt und hat sich
    nicht getraut, im Wahlkampf Bescheid zu geben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Dass der Kanzlerkandidat aus Bayern kam, könnte der
    Grund sein – man wollte vielleicht nicht den Eindruck er-
    wecken, auch in Bayern könnte etwas nicht klappen –,
    dass man verhalten reagiert hat. Dafür habe ich Verständ-
    nis. Es hat ja niemand vor der Wahl die Nichteinhaltung
    des Maastricht-Kriteriums wie eine Monstranz vor sich
    hergetragen, keiner! Sie auch nicht.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS SES 90/DIE GRÜNEN)


    Antje Hermenau

    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 12. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 3. Dezember 2002
    Antje Hermenau

    Roland Koch aus Hessen ist der Regisseur für das Op-
    positionstheater und hat inzwischen in der Bundestags-
    fraktion der CDU/CSU mehr zu melden als die Vorsit-
    zende.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr!)


    Wenn ich mir den Haushalt von Hessen anschaue, dann
    muss ich sagen: Der hat ja die Chuzpe gehabt, die Gele-
    genheit zu nutzen und in seinem Haushalt eine mehr als
    doppelt so hohe Neuverschuldung vorzunehmen, als ei-
    gentlich geplant war. Auch er hat sich hinter Hans Eichel
    versteckt und hat das alles – denn er hat im Februar Land-
    tagswahl und muss daher im Jahre 2002 noch ein paar Sa-
    chen auf die Reihe bringen – hinter dem Rücken von Hans
    Eichel gemacht.

    Diese Länderfürsten aber schicken ihre Finanzminister
    schön in den Finanzplanungsrat, wo sie sich gegenseitig
    versichern,


    (Joachim Poß [SPD]: Und sagen: Wir machen solide Finanzpolitik!)


    wie sehr sie sich alle anstrengen werden, die geplante
    Neuverschuldung einzuhalten und das Maastricht-Krite-
    rium nicht zu reißen, und dann gehen die Finanzminister
    in ihre Länderlein zurück, verstecken sich klammheim-
    lich hinter Hans Eichel und lassen ihn den Buhmann spie-
    len. Das ist eine Taktik!


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich habe davon gesprochen, dass wir strukturelle Re-
    formen als einen zweiten Schritt, einen qualitativen
    Sprung im Hinblick auf unsere Bemühungen in der letz-
    ten Legislatur, die nicht falsch, sondern richtig gewesen
    sind, angehen müssen. Sie haben die richtige Richtung ge-
    habt. Wir haben vielleicht noch nicht die richtige Energie
    besessen. Wir haben vielleicht zu sanft gespart; das will
    ich gelten lassen. Aber in diesem Land nach vielen Jahren
    überhaupt wieder eine Kultur des Sparens zu etablieren –
    inzwischen gibt es sogar folgende Reklame: „Geiz ist
    geil“; da hat sich doch in der Bevölkerung und, so hoffe
    ich, endlich auch bei allen Politikern etwas geändert; man
    sagt: Sparen macht Sinn –, das hat Rot-Grün in der letz-
    ten Legislatur geschafft. Das ist der Punkt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Der nächste qualitative Schritt wird sein, eine Kultur
    der Modernisierung durchzusetzen, und zwar gegen jed-
    weden Lobbyisten bzw. Oppositionspolitiker. Letztere
    meinen nämlich, sie hätten nicht genug mitzubestimmen,
    und haben die Sorge, dass ihre Stimme nicht gehört wird
    und sie ihre Vorschläge nicht anbringen können.

    Wenn Sie von der Opposition Ihre Vorschläge endlich
    einmal vorbrächten, dann würden wir uns diese anhören.
    Die Lage ist durchaus ernst. Wir sind für Ratschläge
    dankbar. Aber Sie machen keine Vorschläge, sondern ver-
    stecken sich und geben nicht zu, dass Sie in den Ländern
    und zu der Zeit, in der wir noch nicht an der Regierung
    waren, die derzeitige Misere mit verschuldet haben.

    Wir haben diese Misere nicht sofort beenden können.
    Das ist nämlich ein schweres Stück Arbeit. Da braucht
    man sich nicht zu genieren. Vielmehr können wir stolz
    sein und sagen: Wir haben uns angestrengt, aber nicht al-
    les erreicht. Der Weg stimmte. Jetzt kommen die nächsten
    Ziele.

    Wenn es einen Rückschlag gibt, der, wie ich erklärt
    habe, darauf beruht, dass man mit einem großen Rucksack
    an strukturellen Versäumnissen und in einer konjunkturell
    schwierigen Lage marschieren muss, dann meine ich:
    Häme steht Ihnen auf keinen Fall zu.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich werde den weiteren Debattenverlauf mit Interesse
    verfolgen. Vielleicht wird mein Vorschlag aufgenommen,
    einmal darüber zu sprechen, was wir in Zukunft gemein-
    sam beitragen und auf die Reihe bringen können. Wir
    können natürlich weiter Vergangenheitsbewältigung be-
    treiben, so wie Sie von der Opposition das die ganze Zeit
    hier vorgeschlagen haben. Alle Ihre Reden bisher stellten
    nur eine Vergangenheitsbewältigung dar. Sie bleiben da-
    bei sogar emotional stehen und sind nicht in der Lage, zu
    sagen: Jetzt müssen wir da durchmarschieren. – Jetzt
    übernehmen auf einmal Sie die Rolle des Buhmanns, in-
    dem Sie sagen: Die Konjunktur ist sehr schlecht. Man soll
    nichts schönreden und nicht auf Optimismus machen.

    Dabei hatten doch Sie den Optimismus, dass man die
    deutsche Einheit aus der Portokasse bezahlen könnte.


    (Lothar Mark [SPD]: Untersuchungsausschuss „Portokasse“!)


    Wer hatte denn den Optimismus, dass die Konjunktur auf-
    grund der New-Market-Blase nach oben geht? Wer hat
    solche optimistischen Aussagen immer verbreitet? Wenn
    Sie sich davon jetzt völlig abkehren, haben entweder wir
    es geschafft, dass Sie sich unserer Denkweise anpassen,


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Dann ist Deutschland verloren! – Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das bitte nicht!)


    oder Sie spielen Theater; das kann natürlich auch sein.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der SPD: Das Letzte ist richtig!)