Rede von
Otto
Bernhardt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zurück zu den grausamen Tatsachen.
Deutschland ist Schlusslicht bei der wirtschaftlichen Ent-
wicklung in Europa.
Das haben gestern die fünf Weisen noch einmal mit aller
Deutlichkeit festgestellt. Was wahrscheinlich genauso
schlimm ist: Gemeinsam mit Japan sind wir, so steht es
in dem Gutachten, bei der wirtschaftlichen Entwicklung
aller Industriestaaten der Welt auf den letzten Plätzen. Das
ist die aktuelle Situation.
Ich stelle fest: Früher haben Sie die Schuld für diese
Entwicklung immer bei der alten Bundesregierung ge-
sucht – das war die berühmte Altlast –, heute hat das nur
noch Herr Runde versucht. Er ist neu in diesem Hause.
Die anderen Kollegen wissen, dass man hier mit dieser
Platte keine Chance mehr hat.
Sie regieren seit vier Jahren. Wir diskutieren jetzt über die
Ergebnisse Ihrer vierjährigen Verantwortung.
Der zweite beliebte Punkt, auf den Sie immer wieder
hinweisen – Kollege Runde und andere haben das auch
eben wieder angesprochen –, ist die Weltwirtschaft.
Natürlich hat die Weltwirtschaft Einfluss auf die Ent-
wicklung in Deutschland; das bestreitet niemand. Aber
die entscheidende Frage ist doch: Warum werden andere
europäische Länder mit den gleichen Rahmenbedingun-
gen deutlich besser fertig als wir?
Warum haben Italien, Frankreich und Großbritannien im
letzten Jahr ein dreimal so hohes Wirtschaftswachstum
gehabt wie wir?
Das basiert auf verlässlichen Zahlen aus dem Jahr 2001.
Warum haben Belgien, Dänemark und Großbritannien
Vollbeschäftigung? Warum hatten im letzten Jahr mehr
als die Hälfte aller EU-Länder einen ausgeglichenen
Haushalt? Die Antwort ist klar; sie steht in der „Financial
Times Deutschland“ und im Gutachten. Ich zitiere die
„Financial Times Deutschland“, die heute schreibt:
„Eichel fehlt der Blick für die gesamte Ökonomie.“
Ich könnte es abändern: Der neuen Bundesregierung fehlt
dieser Blick.
Meine Damen und Herren, auf Steuerausfälle reagiert
niemand auf der Welt so wie Sie, nämlich mit Steuererhö-
hungen. Kein Nationalökonom empfiehlt dieses Konzept.
Das ist genau der verkehrte Weg.
Sie sprechen hier von sozial. Dazu kann ich nur sagen:
Diese Politik ist nicht sozial, sie hat uns eine steigende Ar-
beitslosigkeit gebracht. Sozial ist eine Politik, durch die
die Arbeitslosigkeit abgebaut wird.
Deshalb kann der richtige Weg nur sein, dass Sie das,
was wir in unserem Regierungsprogramm geschrieben
haben, aber leider nicht verwirklichen können, umsetzen:
Sie müssen den Arbeitsmarkt liberalisieren. Sie müssen
Ausgaben streichen und dürfen keine Steuern erhöhen.
Sie stellen sich hier hin und sagen, dass die Länder
55 Prozent der Verschuldung mittragen. Das Problem ist
aber, dass die Wirtschafts- und Finanzpolitik im Wesent-
lichen in diesem Hause bestimmt wird. Richtig ist, dass
die CDU-regierten Länder mit der schlechten Politik der
Bundesregierung deutlich besser fertig geworden sind.
Das unterstreichen alle Zahlen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, deshalb
kann ich abschließend nur den Rat geben: Machen Sie
eine Kehrtwendung, reagieren Sie auf Steuerausfälle rich-
tig und reagieren Sie nicht, wie Sie es zurzeit tun, nämlich
wie ein ängstlicher Buchhalter, sondern reagieren Sie wie
ein weitsichtiger Finanzpolitiker.