Rede:
ID1501006100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 9
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. jetzt: 1
    5. der: 1
    6. Kollege: 1
    7. Joachim: 1
    8. Stünker,: 1
    9. SPD-Fraktion.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Begrüßung der Präsidenten der Nationalver- sammlung der Republik Korea, Herr Park Kwan Yong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 A Verabschiedung des Abgeordneten Dr. Ingo Wolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 B Begrüßung der neuen Abgeordneten Gisela Pilz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 B Wahl der Abgeordneten Eckhardt Barthel (Berlin), Monika Griefahn, Michael Roth (Heringen), Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Günter Nooke, Annette Widmann-Mauz, Volker Beck und Hans- Joachim Otto (Frankfurt) als Mitglieder des Kuratoriums der „Stiftung Denkmal für die er- mordeten Juden Europas“ . . . . . . . . . . . . . . . . 531 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 531 C Tagesordnungspunkt 3: a) Abgabe einer Regierungserklärung: NATO-Gipfel am 21./22. November 2002 in Prag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 B b) Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Schäuble, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die NATO auf die neuen Gefahren ausrichten (Drucksache 15/44) . . . . . . . . . . . . . . . 532 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 532 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 535 C Markus Meckel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . 540 B Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 540 D Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 D Dr. Ludger Volmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 C Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . 544 D Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 545 D Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 547 C Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU 549 C Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 A Monika Heubaum SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 C Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver- besserung des Schutzes der Bevölke- rung vor Sexualverbrechen und anderen schweren Straftaten (Drucksache 15/29) . . . . . . . . . . . . . . . 554 C b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Sozialtherapeutische Maßnahmen für Sexualstraftäter auf den Prüfstand stellen (Drucksache 15/31) . . . . . . . . . . . . . . . 554 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . 554 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 556 D Sibylle Laurischk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 A Plenarprotokoll 15/10 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 10. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. November 2002 I n h a l t : Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560 B Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . 561 B Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . 564 B Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . 565 D Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . 566 A Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 B Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 567 A Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 568 B Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Überweisung im vereinfachten Verfah- ren Antrag der Abgeordneten Eckhardt Barthel (Berlin), Ernst Bahr (Neuruppin), weiterer Abgeordneter der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Den Deutschen Musikrat stärken (Drucksache 15/48) . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 D Zusatztagesordnungspunkt 8: Abschließende Beratung ohne Aus- sprache Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Streitsa- che vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BVerfGE 3/02 (Drucksache 15/69) . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 A Tagesordnungspunkt 5: Wahlen zu Gremien 5 a) Schriftführer gemäß § 3 der Ge- schäftsordnung (Drucksache 15/50) . . . . . . . . . . . . . 573 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Be- stimmung des Verfahrens für die Be- rechnung der Stellenanteile der Fraktio- nen im Ausschuss nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) (Drucksache 15/47) . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 B in Verbindung mit 5 b) Ausschuss nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes (Vermittlungsaus- schuss) (Drucksachen 15/51, 15/52, 15/53, 15/54) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 B Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 573 C Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 574 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zur Situation der öffentlichen Haushalte unter Berücksichtigung der zu erwar- tenden aktuellen Steuerschätzung und der damit möglichen Notwendigkeit ei- nes Haushaltssicherungsgesetzes . . . . . . 575 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 575 A Karl Diller, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . 576 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 578 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 580 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581 D Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 583 A Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 A Ilse Aigner CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 C Ortwin Runde SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 D Otto Bernhardt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 588 A Walter Schöler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 D Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 590 B Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 591 C Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 B Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Fortentwick- lung der ökologischen Steuerreform (Drucksachen 15/21, 15/71, 15/72) . . . . . 593 B Reinhard Schultz (Everswinkel) SPD . . . . . . 593 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 595 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 597 A Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 598 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . 599 A Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 601 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. November 2002II Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 A Dr. Christian Eberl FDP . . . . . . . . . . . . . 603 D Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 604 B Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 605 D Rolf Hempelmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 606 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 607 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 C Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Peter Götz, Dr. Michael Meister, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) (Drucksache 15/30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 A Peter Götz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 B Horst Schild SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 C Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . . . . 614 B Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 D Peter Götz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 616 B Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . 617 B Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 D Dr. Andreas Pinkwart FDP . . . . . . . . . . . 619 D Georg Fahrenschon CDU/CSU . . . . . . . . . . . 620 C Bernd Scheelen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 D Peter Götz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 623 D Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Urheber- rechts in der Informationsgesell- schaft (Drucksache 15/38) . . . . . . . . . . . . . . 625 A b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den WIPO-Verträgen vom 20. Dezember 1996 über Urhe- berrecht sowie über Darbietungen und Tonträger (Drucksache 15/15) . . . . . . . . . . . . . . 625 B Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 625 B Günter Krings CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 626 C Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 629 A Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 D Dirk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 C Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Jörg van Essen, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Rechtssi- cherheit für die bewaffneten Einsätze deutscher Streitkräfte schaffen – ein Ge- setz zurMitwirkung des Deutschen Bun- destages bei Auslandseinsätzen der Bun- deswehr einbringen (Drucksache 15/36) . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 C Jörg van Essen FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 D Christine Lambrecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . 634 A Thomas Kossendey CDU/CSU . . . . . . . . . . . 635 B Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 D Dr. Andreas Schockenhoff CDU/CSU . . . . . 638 B Ulrike Merten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 B Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 640 A Dr. Christoph Zöpel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 641 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 645 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. November 2002 III (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. November 2002 531 10. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 14. November 2002 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Dr. Christoph Zöpel Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 10. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 14. November 2002 645 (C)(A) Daub, Helga FDP 14.11.2002* Dr. Däubler-Gmelin, SPD 14.11.2002 Herta Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 14.11.2002 Fritz, Erich G. CDU/CSU 14.11.2002 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 14.11.2002 Gradistanac, Renate SPD 14.11.2002 Freiherr von und zu CDU/CSU 14.11.2002 Guttenberg, Karl-Theodor entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Hoffmann (Chemnitz), SPD 14.11.2002 Jelena Kubicki, Wolfgang FDP 14.11.2002 Lietz, Ursula CDU/CSU 14.11.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 14.11.2002 Nitzsche, Henry CDU/CSU 14.11.2002 Rossmanith, Kurt J. CDU/CSU 14.11.2002* * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Jürgen Gehb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor-

    letzter Redner bin ich in der komfortablen Situation, auf
    das, was ich hier gehört habe, replizieren zu können. Frau
    Ministerin, ich befürchte, dass Ihr Angebot, wir könnten
    uns zu vielen Punkten einigen, durch einige Wortbeiträge,
    die ich zuletzt erlebt habe, zunichte gemacht worden ist.
    Darauf möchte ich mich kaprizieren.

    Herr Montag, Sie machen uns wie viele Ihrer Vorred-
    ner den Vorwurf des Populismus. Ein Einziger hat in die-

    ser Sache populistisch agiert: Bundeskanzler Schröder,
    als er beifallsheischend der „Bild am Sonntag“ sagte, wer
    sich an kleinen Mädchen vergehe, müsse weggeschlossen
    werden – „und zwar für immer“.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ganz abgesehen davon, dass das auch in der Sache falsch
    ist, kann vielleicht bei dieser Gelegenheit ein bisschen
    Nachhilfe zur Unterscheidung zwischen Strafe und Maß-
    regel der Sicherung und Besserung gegeben werden, ob-
    wohl wir das eher im Ausschuss machen sollten.

    Auch derjenige, für den im Urteil die Sicherungsver-
    wahrung angeordnet worden ist, ist nicht bis in alle Ewig-
    keit verdammt, eingesperrt zu bleiben.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Vielmehr gibt es eine Anpassungsmöglichkeit, nämlich die
    Möglichkeit, sich zu bewähren und freigelassen zu wer-
    den. Nur im umgekehrten Fall fehlt diese Anpassungs-
    möglichkeit: Wenn keine Sicherungsverwahrung ange-
    ordnet worden ist, sich aber im Laufe des Vollzugs ergibt,
    dass der Täter gefährlich ist, fehlt die Möglichkeit, ihn
    weiter einzusperren. Das ist, so muss ich sagen, geradezu
    auf den Kopf gestellt.

    Es wundert mich, dass Juristen pausenlos das Verbot
    der Doppelbestrafung in den Mund nehmen: „ne bis in
    idem“. Die Unterscheidung muss Ihnen doch klar sein: Es
    gibt kriminelles Unrecht, das bestraft wird, wenn jemand
    tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt
    hat; daneben gibt es die Maßregel der Sicherung und Bes-
    serung, die gerade keine Strafe ist. Das ist ähnlich wie bei
    Disziplinarverfahren. Als wir Soldaten waren, einer we-
    gen Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde und dann
    noch ein Disziplinarverfahren kriegte, wurde aus der
    Sicht des juristischen Laien – das waren Nichtjuristen;
    manchmal habe ich den Eindruck, ich bin auch hier mit
    diesen konfrontiert –


    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    gesagt: Das verstößt aber gegen das Verbot der Doppel-
    bestrafung.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielen Dank für die Vorlesung! – Zuruf der Abg. Erika Simm [SPD])


    – Frau Simm, Sie kriegen gleich noch die richtige Ant-
    wort.

    Frau Lambrecht, Sie wurden eben des ungenauen Um-
    gangs mit der Wahrheit überführt, und zwar nicht zum ers-
    ten Mal.


    (Christine Lambrecht [SPD]: Das ist ja unerhört!)


    Der Einwand, man hätte das schon in den vorangegangen
    Legislaturperioden regeln können, ist geradezu abwegig.
    Dann hätte man nämlich nach der ersten Legislaturperi-
    ode aufhören können, Politik zu machen.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    568


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Ein weiteres geradezu abwegig anmutendes Argu-
    ment – ich nenne es, obwohl es in dieser Debatte etwas
    unpassend wirkt, ein Totschlagsargument – ist: Strafver-
    schärfungen oder Neuregelungen im Strafgesetzbuch
    schrecken sowieso keinen Täter ab; niemand schaut vor
    Begehung seiner Tat ins Strafgesetzbuch. Wenn man dies
    konsequent zu Ende denken würde, könnte man sagen:
    Man braucht gar kein Strafgesetzbuch. Dann kann man
    alle Tatbestände abschaffen. So geht es aber weiß Gott
    nicht.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist rot-grüne Logik!)


    Im Übrigen haben Sie, Frau Lambrecht, verkannt, dass
    es nur deshalb zu dieser Strafverschärfung kommt, weil
    man den Deliktscharakter vom Vergehen wie bei einem
    Kaufhausdiebstahl zum Verbrechen hoch setzen wollte.
    Dies ist der wesentliche Unterschied. Darauf beruht die
    Strafverschärfung.

    Frau Ministerin, wir haben uns vor 20 Jahren auf ganz
    anderem Gebiet rechtsdogmatisch auseinandergesetzt.


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)

    – Ja, das habe ich euch allen voraus.


    (Christine Lambrecht [SPD]: Es hat aber nichts genützt!)


    Was mich ein bisschen wundert, ist Ihre Angst, dass die
    Staatsanwaltschaft – –


    (Zuruf des Bundesministers Otto Schily)

    – Doch, Herr Minister Schily, Sie waren ja nicht da. Sie
    hat es wörtlich gesagt. Das können Sie nachlesen.

    Frau Zypries, Sie haben gesagt: „Ich habe ein bisschen
    Angst davor, dass die Staatsanwälte zurückschrecken
    oder gehemmt sind, in Zukunft Anklage zu erheben, wenn
    sich der Deliktscharakter vom Vergehen zum Verbrechen
    erhöht.“ Woher Sie diese Erkenntnis haben, weiß ich nicht.

    Ich möchte noch einmal auf die Sicherungsverwah-
    rung zurückkommen, denn dies ist offenbar das Thema,
    das hier am streitigsten ist. Wir hören pausenlos den Ein-
    wand, dies gehöre zur Gefahrenabwehr und falle deshalb
    in die Kompetenz der Länder. Dazu will ich Ihnen einmal
    etwas sagen: Es handelt sich hierbei in der Tat um eine
    Schnittstelle zwischen repressiven Maßnahmen gegen-
    über Straftätern und präventiven Maßnahmen für die Zu-
    kunft. Dies ist aber typisch für das Strafrecht, insbeson-
    dere für den Strafvollzug.

    Die Strafzwecklehre sagt

    (Joachim Stünker [SPD]: Wie bitte?)


    – ich sage es Ihnen einmal auf Lateinisch –:
    Punitur quia peccatum est ne peccetur.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das heißt, meine Damen und Herren: Es wird erstens be-
    straft, weil gesündigt worden ist, und zweitens, damit
    nicht wieder gesündigt werden kann. Dahinter steckt ein-
    mal der Sühnecharakter, aber auch der Präventionscha-
    rakter.

    Strafvollzug oder der Vollzug in der Maßregelsicherung
    hat per se präventiven Charakter


    (Erika Simm [SPD]: Aber nicht nur!)

    und ist deshalb nicht im Rahmen der Gefahrenabwehrre-
    gelungen unter Länderhoheit zu stellen. Dies ist der eine
    Gesichtspunkt.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der nächste Gesichtspunkt: Gefahr im Sinne des poli-

    zeirechtlichen Gefahrenbegriffs hat ganz andere Kautelen
    als die Gefährlichkeitsprognose eines Täters, vor dem
    man die Allgemeinheit schützen möchte. Die unmittel-
    bare Gefahr, wie sie im Polizei- und Ordnungsrecht der
    Länder steht, ist nicht mit der latent tickenden Zeitbombe
    des Sexualstraftäters zu vergleichen, von dem man im
    Laufe des Strafvollzugs gemerkt hat, dass er nicht thera-
    pie- und sozialisierungsfähig ist. Dies ist ein ganz anderer
    Ansatzpunkt.


    (Erika Simm [SPD]: Keine Ahnung!)

    – Frau Simm, die einzigen geistreichen Zurufe – dies
    hören sonst die Zuschauer nicht –, die Sie pausenlos ma-
    chen, sind: „Keine Ahnung“. Wenn Sie damit sich selbst
    meinen, kann ich Ihnen allerdings nur Recht geben.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Erika Simm [SPD]: Von Strafrecht verstehen Sie wirklich nichts!)


    Ein dritter Punkt: Wenn es so wäre, wie Sie es gesagt ha-
    ben, wäre schon seit jeher die Anordnung der Sicherungs-
    verwahrung ein Fremdkörper in der Strafrechtsdogmatik.


    (Joachim Stünker [SPD]: Ist er auch!)

    – Herr Stünker, dass Sie die Sicherungsverwahrung mit
    spitzen Fingern anfassen und sie am liebsten verdammen
    würden, haben Sie in sämtlichen Gesprächen im Rechts-
    ausschuss unter Beweis gestellt, das haben Sie durch meh-
    rere Zwischenrufe am 19. Oktober letzten Jahres zum
    Ausdruck gebracht, als der Kollege Geis hier davon ge-
    sprochen hat, dass wir einen Mangel an nachträglicher Si-
    cherungsverwahrung haben. Damals haben Sie gerufen:
    „Gott sei Dank!“ und „Gut so!“ – nachzulesen im Plenar-
    protokoll 14/196, Seite 19166.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu, wie Sie sich wie eine Schnecke an diese Thema-

    tik herankriechen, jahrelang gar nichts davon wissen wol-
    len, sich dann aber unter dem Druck der Länder oder des
    Bundeskanzlers zumindest zu dieser Vorbehaltslösung
    durchringen, will ich Ihnen auch etwas sagen. Zunächst
    hatte ich gedacht – und das war auch der Grund, warum
    die Länder so darauf angesprungen sind –: Wenn schon
    keine nachträgliche isolierte Sicherungsverwahrung,
    dann wenigstens die Vorbehaltslösung. Das ist nur prima
    facie eine Verbesserung; bei näherem Hinsehen ist es eine
    Verschlimmbesserung, und zwar aus folgendem Grunde:
    In den Fällen, in denen das erkennende Gericht bisher eine
    Sicherungsverwahrung mit dem Urteil ausgesprochen
    hat, ist in Zukunft zu befürchten, dass mancher Richter
    – das ist das, was Sie, Frau Zypries, vielleicht mit der
    Ängstlichkeit gemeint haben – sagt, um sich auf der siche-
    ren Seite zu bewegen: Ich will die Sicherungsverwahrung

    Dr. Jürgen Gehb




    Dr. Jürgen Gehb
    nicht jetzt schon verbindlich anordnen, sondern behalte
    sie mir vorsichtshalber vor; mag man dann im Strafvoll-
    zug sehen, wie es wird. – Das ist eine Schwäche Ihrer Vor-
    behaltslösung.

    Eine zweite Schwäche ist, dass natürlich der Richter
    die Anordnung von Sicherungsverwahrung gänzlich ver-
    säumen kann, aus welchen Gründen auch immer – Rechts-
    irrtum, Vergessen. Auch in diesen Fällen besteht eine
    Lücke, die man nur durch eine isoliert anzuordnende Si-
    cherungsverwahrung schließen kann.

    Ein dritter Fall, meine Damen und Herren. Sie können
    die Fälle damit ja nur pro futuro lösen, vielleicht erst am
    Sankt-Nimmerleins-Tag. Was ist denn mit all den ticken-
    den Zeitbomben, die jetzt schon einsitzen und bei denen
    man genau sieht, dass man sie eigentlich nicht wieder auf
    die Gesellschaft loslassen kann, bei denen man aber weiß,
    dass man sie nach Verbüßung der Strafhaft herauslassen
    muss? Das müssen Sie mal den Eltern der Geschädigten
    und Gedemütigten erklären. Herr Bosbach hat eben eine
    kleine Anzahl von Fällen aufgeführt. Ich möchte einmal
    wissen, wie Sie das in der Öffentlichkeit jemandem ver-
    kaufen wollen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir werden es sehen. Herr Stünker, Sie haben jetzt das
    Schlusswort,


    (Hermann Bachmaier [SPD]: Gott sei Dank!)

    – Ich werde mich bemühen, die Contenance zu behalten.
    Das ist bei Ihren Reden auch nicht immer leicht. – Ich
    freue mich dennoch, dass Sie als neuer rechtspolitischer
    Sprecher der SPD in Zukunft die Gelegenheit haben, im
    Rechtsausschuss zu beweisen, dass auch Sie zu läutern
    sind.

    Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Stünker, SPD-

Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Joachim Stünker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-

    leginnen und Kollegen! Herr Kollege Gehb, für eine
    Strafrechtsprofessur hätte das eben nicht gelangt.


    (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Aber für einen Aufsatz in „Wild und Hund“! Dafür wird man in einigen Ländern sogar Professor!)


    Ich hätte sogar Schwierigkeiten mit dem kleinen Straf-
    rechtsschein gehabt, Herr Kollege Gehb, weil Sie ja auf
    hohe Dekorationen großen Wert legen, wie Sie uns ge-
    zeigt haben.


    (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie machen mir ja richtig Angst! – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Wir sind hier nicht in der Hochschule!)


    Meine Damen und Herren, noch einmal im Blick auf
    die Rede von Frau Lambrecht: Herr Kollege Röttgen, ist
    es nicht ganz fair, wenn Sie der Kollegin Lambrecht hier
    vorwerfen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Wir beschäf-
    tigen uns heute innerhalb von zwei Jahren zum vierten
    Mal mit Ihren Vorschlägen für Änderungen im Sexual-
    strafrecht.


    (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Weil Sie nicht vernünftig werden!)


    Ihr Vorschlag enthält die Forderungen, die Sie seit 1997
    stellen und die Sie 1998 in der Strafrechtsänderungsdis-
    kussion mit Ihrem Koalitionspartner nicht durchsetzen
    konnten. Das ist die Wahrheit, Herr Kollege Röttgen.


    (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist nicht die Wahrheit! – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das ist Ihre Wahrheit! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die sozialdemokratische Wahrheit! – Zuruf von der SPD: Warum haben Sie es dann nicht gemacht?)


    Sie haben Ihre Vorstellungen 1998 nicht ins Strafgesetz-
    buch hinein bekommen. Darum haben Sie es in den letz-
    ten zwei Jahren viermal versucht.

    Meine Damen und Herren, in den Debatten, die wir seit
    zwei Jahren führen, haben wir interfraktionell immer
    darin übereingestimmt – auch die große Mehrheit der Be-
    völkerung stimmt mit uns darin überein, – dass die
    Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung des Men-
    schen, insbesondere bei sexuellem Missbrauch von Kin-
    dern, Jugendlichen, Schutzbefohlenen und widerstands-
    unfähigen Personen, zu den abscheulichsten und
    verachtungswürdigsten Straftaten überhaupt gehören.
    Darin sind wir uns einig. Der Staat hat daher zum Schutz
    der Bevölkerung gerade in diesem Bereich der körperli-
    chen und seelischen Selbstbestimmung der Menschen mit
    Nachdruck seiner Justizgewährungspflicht zu genügen.


    (Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Was lesen Sie jetzt eigentlich vor?)


    Das tun wir und das Strafrecht ist hierzu konsequent an-
    zuwenden, denn das Strafrecht gibt das Instrumentarium
    dafür bereits heute her.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich hoffe aber auch, dass wir interfraktionell in einer
    weiteren Zielbestimmung ebenso übereinstimmen, näm-
    lich darin, dass die Sexualdelikte, so ekelhaft und so
    schwerwiegend sie sind und so schutzbedürftig die Opfer
    sind, nicht dazu dienen dürfen, den Rechtsstaat aufzurol-
    len, weil andere Delikte sonst zwangsläufig folgen wür-
    den.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Da bekommen Sie nicht einmal Beifall von Ihren eigenen Leuten!)


    Dieser Satz stammt nicht von mir, sondern von dem von
    Ihnen benannten Sachverständigen Professor Krey aus
    Trier, mit dem er in der letzten Anhörung zu diesem
    Thema genau auf diese Gefahr hingewiesen hat.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    570


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Es ist gegenwärtig vor dem Hintergrund vieler spekta-
    kulärer Fälle – Herr Bosbach hat heute Morgen eine ent-
    sprechende Aufzählung vorgenommen – und der Bericht-
    erstattung in den Medien darüber leicht, im Bereich der
    Sexualstraftäter vieles durchzuboxen, was man bei ge-
    nauer Betrachtung unter rechtsstaatlichen Aspekten ei-
    gentlich gar nicht will. Daher ist es sehr wichtig, dass wir
    sehr sachlich und ohne die Emotionen, die teilweise in die
    heutige Debatte hineingekommen sind, über die hier zur De-
    batte stehenden Themen im Rechtsausschuss diskutieren.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie viel wollen Sie denn noch diskutieren?)


    Das betrifft insbesondere Ihren Vorschlag zur Ein-
    führung der nachträglichen Sicherungsverwahrung, mit
    dem Sie im Nachhinein den von uns im August geschaf-
    fenen § 66 a wieder in Ihrem Sinne ändern wollen. Herr
    Kollege Röttgen, auch hier muss man richtig zitieren. Sie
    haben vorhin sozusagen als Kronzeugen für Ihre Meinung
    den Deutschen Richterbund genannt. Wenn Sie die ent-
    sprechende Pressemitteilung zu Ende gelesen hätten, dann
    hätten Sie festgestellt, dass ein Oberstaatsanwalt und kein
    Richter die von Ihnen zitierte Erklärung abgegeben hat.
    Auch die Praktiker sind also in der Beurteilung dieser Frage
    sehr gespalten. Daher gilt: Die ganze Wahrheit und nicht
    die halbe Wahrheit ist wirklich die endgültige Wahrheit.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hartmut Schauerte [CDU/CSU])


    – Ich möchte damit nur sagen, dass jede Seite diese Frage
    sehr unterschiedlich beurteilt. Deshalb kann man nicht eine
    einzige Meinung als die richtige darstellen, Herr Kollege.

    Lassen Sie mich, wenn wir über die Sicherungsver-
    wahrung reden, kurz skizzieren, wie sich eigentlich die
    gegenwärtige Rechtslage nach den vielen Änderungen,
    die wir vorgenommen haben, darstellt. Nach Abs. 1 der
    Vorschrift ist die Anordnung der obligatorischen Siche-
    rungsverwahrung für den mehrfach rückfällig geworde-
    nen Straftäter möglich. Abs. 2 regelt dann nach der Ziel-
    setzung die fakultative Sicherungsverwahrung für den
    unentdeckt gebliebenen Serientäter. Abs. 3 enthält sehr
    differenzierte Regelungen für den Sexualtäter, der schon
    bei einer einmaligen Vortat in Sicherungsverwahrung ge-
    nommen werden kann.

    Im Sommer dieses Jahres haben wir § 66 a – die vor-
    behaltene Sicherungsverwahrung – neu geschaffen. Da-
    nach können die Gerichte die Sicherungsverwahrung vor
    der Haftentlassung anordnen, wenn im tatrichterlichen
    Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbe-
    halten worden ist und wenn während der Haftdauer der
    Hang zur Gefährlichkeit, der bis dahin noch nicht endgül-
    tig festgestellt werden konnte, zutage tritt.

    Wenn Sie sich dieses Instrumentarium einmal genau
    vor Augen führen, dann erkennen Sie, dass wir hier mit
    fünf Alternativen ein dichtes Netz geknüpft haben, mit
    dem gefährliche Straftäter, gerade Sexualstraftäter, wirk-
    lich sicher erfasst werden können. Dieses Instrumenta-
    rium muss nur konsequent von den Gerichten angewendet
    werden. Das ist in der gestern ergangenen BGH-Ent-
    scheidung zu dem neuen Abs. 3 nachzulesen, in der noch
    einmal sehr deutlich darauf hingewiesen worden ist. Tun

    Sie nicht immer so, als ob es keine Instrumente gäbe! Die
    Instrumente gibt es bereits. Man muss sie nur richtig an-
    wenden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Ihre Rede muss ich nachlesen! Ich verstehe sie nicht!)


    Zu dieser Systematik – darüber ist heute Mittag noch
    gar nicht gesprochen worden – passt überhaupt nicht mehr
    Ihr Vorschlag, Sicherungsverwahrung bereits für Ersttäter
    anordnen zu lassen, Herr Kollege Gehb. Das verstößt nun
    wirklich gegen die Rechtsprechung des Bundesverfas-
    sungsgerichts, das über Jahrzehnte in mehreren Entschei-
    dungen immer wieder auf das dem Strafrecht innewoh-
    nende Gebot der Verhältnismäßigkeit hingewiesen hat.
    Wenn Sie schon gegen Ersttäter mit der schwersten Sank-
    tion, der Sicherungsverwahrung, vorgehen wollen, dann
    kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie damit den Ultima-Ra-
    tio-Charakter der Sicherungsverwahrung völlig verken-
    nen und leichtfertig verfassungsrechtliche Grenzen über-
    schreiten, Herr Kollege.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Man muss also warten, bis er zum Serientäter wird, bis er zweimal oder dreimal vergewaltigt!)


    Dies gilt ebenso – damit möchte ich mich gern noch
    einmal beschäftigen; Sie haben es ja auch von mir erwar-
    tet – für die von Ihnen seit 1997 ständig wiederholte For-
    derung – Baden-Württemberg hat damit begonnen –, die
    Möglichkeit der Anordnung einer nachträglichen, also
    isolierten Sicherungsverwahrung in das Gesetz aufzu-
    nehmen. Bereits in der letzten Legislaturperiode habe ich
    von dieser Stelle aus mehrfach darauf hingewiesen – Sie
    haben das erwähnt –, dass eine derart ausgestaltete Siche-
    rungsverwahrung meines Erachtens und auch nach Auf-
    fassung meiner Fraktion eindeutig verfassungswidrig ist.

    Wenn Sie in der Literatur der letzten Wochen und Mo-
    nate zu dieser Thematik nachlesen, zum Beispiel in der
    neusten Ausgabe der „JZ“ vom Oktober 2002, dann stel-
    len Sie fest, dass in der Fachliteratur diese Auffassung
    mittlerweile durchgehend bestätigt wird. In der Fachlite-
    ratur wird auch die Argumentation verwendet, die wir Ih-
    nen hier mehrfach vorgetragen haben, nämlich dass das
    von Ihnen in Aussicht genommene Verfahren der isolier-
    ten Sicherungsverwahrung die rechtsstaatlichen Garan-
    tien der Strafprozessordnung letztlich aushebelt; denn die
    Anordnung der Sicherungsverwahrung – sie ist für einen
    Straftäter die schwerste Strafe – bedeutet eigentlich das
    Urteil „lebenslänglich“. Die lebenslange Freiheitsstrafe
    wird nach 15 Jahren geprüft; bei der Sicherungsverwah-
    rung wird zwar alle zwei Jahre geprüft, doch wer sich aus-
    kennt, der weiß, dass die Menschen dann tatsächlich 40
    oder 50 oder bis zu 60 Jahre einsitzen.


    (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Dann sitzen sie auch zu Recht!)


    Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Regelung mit den
    sehr tief greifenden Sanktionen verstoßen Sie eindeutig
    gegen die Prozessgrundrechte des Rückwirkungsverbotes

    Joachim Stünker




    Joachim Stünker
    und des Verbotes der Doppelbestrafung. Das können Sie
    in allen einschlägigen Aufsätzen nachlesen.

    Bezeichnend ist auch, welches Verfahren von Ihnen
    hierfür vorgeschlagen wird, nämlich nicht ein Verfahren
    mit einer öffentlichen Hauptverhandlung, sondern ein Be-
    schlussverfahren einer Strafvollstreckungskammer. Bei
    Beschwerden sind in diesem Fall sogar mehrere Oberlan-
    desgerichte zuständig. So könnte nicht einmal der Bun-
    desgerichtshof für eine bundesweite Vereinheitlichung
    der Rechtsprechung sorgen.

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Kon-
    trollüberlegungen anstellen – Herr Gehb, es wäre schön,
    wenn Sie mir zuhören würden –, um zu zeigen, ob wir mit
    unserer Auffassung zur isolierten Sicherungsverwahrung
    wirklich so falsch liegen. Gibt es mögliche Erweiterungen
    der Anordnung für Sicherungsverwahrung? Warum sollte
    man, wenn wir den Weg so gehen wollen, wie Sie ihn skiz-
    ziert haben, die Sicherungsverwahrung nicht auch nach
    der Entlassung aus der Strafhaft anordnen können? Denk-
    bar wäre doch eine Vorschrift darüber, dass die nachträg-
    liche Sicherungsverwahrung auch dann noch angeordnet
    werden kann, wenn der Strafgefangene zwar schon ent-
    lassen ist, sich aber innerhalb der maximal fünfjährigen
    Führungszeit zeigt, dass der Hang zur Gefährlichkeit wei-
    terhin vorhanden ist. Was wäre das denn für eine Anord-
    nung? Wäre das eine nachträgliche oder eine vorbeugende
    Anordnung der Sicherungsverwahrung?

    Wir können es, Herr Kollege Gehb, noch auf die Spitze
    treiben und die Frage stellen, wie das mit der Sicherungs-
    verwahrung ohne Straftat aussieht. Diese kriminalpoliti-
    sche Überlegung ist im Augenblick absurd. Ich habe damit
    aber Ihren Gedanken nur zu Ende gedacht; denn wenn Sie
    schon Ersttäter in Sicherungsverwahrung nehmen wollen,
    könnten Sie auch auf diese Idee kommen. Sie haben hier
    ja eben immerhin von tickenden Zeitbomben gesprochen.


    (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist absurd!)


    Das heißt, für gefährliche Personen, die keine Straftat be-
    gangen haben, bei denen ein Gutachter aber zu dem Er-
    gebnis kommt, sie könnten gefährlich sein und schwere
    Straftaten begehen, könnte eine Sicherungsverwahrung in
    Betracht kommen. Das wäre mit Sicherheit eine vorbeu-
    gende Sicherungsverwahrung. Das ist Ihren Gedanke zu
    Ende gedacht.

    Wenn Sie ihn zu Ende denken, dann kommen sie zu
    dem einzig richtigen Ergebnis, das mittlerweile auch in
    der Literatur so vertreten wird, dass die Fälle der
    nachträglichen isolierten Sicherungsverwahrung und
    auch die von mir eben genannten Fälle nicht unter das
    Strafrecht fallen, sondern Fälle der Gefahrenabwehr sind.
    Damit fallen sie unter das Polizeirecht und damit nach
    dem Zuständigkeitenkatalog des Grundgesetzes in die
    Zuständigkeit der Bundesländer. Die Bundesländer müs-
    sen hier ihre Schulaufgaben machen und müssen für die
    entsprechenden gesetzlichen Regelungen sorgen.


    (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist Art. 74 Abs. 1, konkurrierende Gesetzgebung! Wenn der Bund davon Gebrauch macht, ist dieser Bereich den Ländern verschlossen!)


    Ich kann Ihre Argumentation verstehen – ich weiß
    nicht, wer das eben gesagt hat –, wir bräuchten einheitli-
    che Regelungen auf Bundesebene. Das ist ein Gedanke,
    der richtig ist und der auch gut nachvollziehbar ist.
    Warum haben wir solche Regelungen bisher nicht? – Wir
    haben sie bisher nicht, weil die landesrechtlichen Rege-
    lungen, die man dazu in Bayern, in Baden-Württemberg
    und meines Wissens in Sachsen-Anhalt hat, verfassungs-
    rechtlich höchst prekär sind, um das vorsichtig auszu-
    drücken. Dort hat man nämlich eine materiell strafrecht-
    liche Regelung getroffen, hat diese aber polizeirechtlich
    verbrämt, um das deutlich zu sagen. Dieser Weg ist nicht
    zulässig. Die Länder müssen sich zusammensetzen und
    einen gemeinsamen Weg finden, der dem polizeilichen
    Gefahrenrecht entspricht, um in Zukunft eine Regelung
    für die entsprechenden Täter – es geht um die wenigen,
    die wir nach der geltenden Regelung nicht erfassen kön-
    nen – zu treffen.

    Meine Damen und Herren, in der Hoffnung, dass wir
    im Rechtsausschuss über dieses wichtige Thema gemein-
    sam und differenziert diskutieren werden, habe ich ver-
    sucht, mich heute noch einmal etwas differenzierter mit
    dieser Frage zu beschäftigen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Beim Versuch ist es geblieben! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Es ist wie im Strafrecht! Untaugliche Versuche sind nicht strafbar!)


    Im Ergebnis dürfen wir der Praxis nicht Steine statt Brot
    geben.

    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)