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ID1500600100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers . . . 295 B Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 295 B Gerda Hasselfeldt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 297 D Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 A Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 301 D Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 305 C Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . 306 C Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 308 C Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 312 C Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 316 C Dr. Uwe Küster SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 A Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 317 C Birgitt Bender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 318 B Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 320 B Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 B Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 322 A Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 324 C Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 326 D Dr. Dieter Thomae FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 B Markus Kurth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 329 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 331 B Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 A Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 336 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 339 A Plenarprotokoll 15/6 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 I n h a l t : (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 295 6. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
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    (A) (C) 338 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 6. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 31. Oktober 2002 339 (C)(A) Blank, Renate CDU/CSU 31.10.2002 Fahrenschon, Georg CDU/CSU 31.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Haupt, Klaus FDP 31.10.2002 Kolbow, Walter SPD 31.10.2002 Koschyk, Hartmut CDU/CSU 31.10.2002 Lietz, Ursula CDU/CSU 31.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 31.10.2002 Niebel, Dirk FDP 31.10.2002 Nolting, Günther FDP 31.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 31.10.2002 Polenz, Ruprecht CDU/CSU 31.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 31.10.2002 Schröter, Gisela SPD 31.10.2002 Dr. Stadler, Max FDP 31.10.2002 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 DIE GRÜNEN Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 31.10.2002 Margareta DIE GRÜNEN entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

    Sitzung ist eröffnet.
    Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, möchte ich

    mitteilen, dass heute zum letzten Mal Herr Dr. Peter
    Eickenboom als Direktor beim Deutschen Bundestag
    hinter mir Platz genommen hat. Er hat dieses Amt in der
    vergangenen Wahlperiode, die mit der Verlegung des Sit-
    zes des Parlaments nach Berlin höchste Anforderungen
    stellte, mit großer Kompetenz und – wie ich finde – sehr
    erfolgreich wahrgenommen. Dafür danke ich ihm persön-
    lich und im Namen des Hauses.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Für seine Aufgabe im Bundesministerium der Verteidi-
    gung wünsche ich ihm viel Erfolg.


    (Beifall im ganzen Hause)

    Wir kommen nun zum einzigen Punkt unserer heutigen

    Tagesordnung:
    Fortsetzung der Aussprache zur Regierungs-
    erklärung des Bundeskanzlers

    Ich erinnere noch einmal daran, dass wir am Dienstag für
    die heutige Aussprache drei Stunden beschlossen haben.
    Wir beginnen die heutige Aussprache mit den Themenbe-
    reichen Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Ich
    gebe das Wort an die Bundesministerin Renate Künast.

    Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
    schutz, Ernährung und Landwirtschaft:

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum ist
    Verbraucherschutz so wichtig? – Weil er uns alle angeht,
    weil er uns alle quasi in jeder Situation des Alltags und in
    fast allen Lebensbereichen betrifft.

    Schauen wir uns einmal die Neuentwicklungen an. Es gibt
    neue Technologien und dadurch neue Vertragsarten. Denken
    Sie zum Beispiel an den E-Commerce, wobei ich wetten
    möchte, dass ein Großteil der Mitglieder dieses Hauses das
    Medium E-Commerce überhaupt noch nicht genutzt hat.


    (Gudrun Kopp [FDP]: Doch!)


    – Natürlich ruft irgendwo einer „Doch!“, Frau Kopp. Das
    glaube ich sofort. Dies ist auch keine Abwertung. Aber
    noch nicht einmal 30 Prozent der Menschen nutzt dieses
    Medium.

    Was bedeutet das? Der Großteil der Menschen weiß
    gar nicht, wie die Vertragspartner dabei aussehen. Der
    Vertragspartner hat dabei gar kein persönliches Gesicht
    mehr. Die Vertragsgestaltung wird immer unübersichtli-
    cher und komplizierter. Plötzlich stellt sich dem Verbrau-
    cher dann die Frage, wie er bloß in die Situation gekom-
    men ist, finanzielle Verpflichtungen einzugehen, die jeden
    Rahmen sprengen. Habe ich überhaupt gewusst, dass ich
    einen Vertrag abschließe? Habe ich überhaupt ausrei-
    chend Informationen über die Vertragsgestaltung gehabt?

    Gerade mit Blick auf die neuen Vertragsarten, auf die
    neuen Technologien heißt Verbraucherschutzpolitik, die
    Menschen vor finanziellen Schäden und vor Täuschung
    zu schützen, indem man einen rechtlichen Rahmen setzt.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    – Ich sehe, die CDU zeigt der Aufforderung der Frak-
    tionsvorsitzenden entsprechend jetzt auch Interesse an
    dem Thema Verbraucherschutz,


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    weil sie gemerkt hat, dass in den Städten Verbraucher
    wohnen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Auf dem Land auch!)


    – Auf dem Land auch. Sehen Sie, ich merke, bei Ihnen
    gibt es einen richtigen Erkenntnisschub.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wie bei Ihnen! Auch Sie wissen jetzt, was ein Schwein ist!)


    Ich habe immer schon und auch in der letzten Legisla-
    turperiode gesagt: Auch Bauern sind Verbraucher, zum Bei-
    spiel wenn sie Saatgut kaufen. Gut, dass auch Sie es merken.

    Einer der brisantesten Punkte im Bereich Verbraucher-
    schutz ist für uns immer noch das Thema Gesundheit.




    Bundesministerin Renate Künast
    Manchmal steht nämlich auch die Gesundheit von Men-
    schen auf dem Spiel. Hier geht es um Sicherheit. Für uns
    wird es immer heißen – das bekräftigen wir auch jetzt –:
    Der Schutz der Gesundheit hat Priorität vor wirtschaftli-
    chen Interessen Einzelner.

    Was steht in dieser Legislaturperiode an? Als Erstes
    wieder das Verbraucherinformationsgesetz. Wir wer-
    den es neu einbringen, weil die Menschen ein Recht da-
    rauf haben, zu wissen, was enthalten ist: in den Verträgen,
    in allen Produkten, die sie kaufen, und in den Dienstleis-
    tungen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das wüssten wir auch gern bei der Koalitionsvereinbarung!)


    Wir wollen, dass die Verbraucher von den Behörden
    über konkrete Gefahren informiert werden. Wir meinen
    auch, dass die Wirtschaft an dieser Stelle ein verlässlicher
    Partner werden und Auskünfte geben muss. Wir sind uns
    auf jeden Fall sicher, dass wir nicht mehr im Mittelalter
    leben und man Informationen vor der Bevölkerung nicht
    quasi geheim halten muss.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie die FDP zum Beispiel!)


    Zum Thema Sicherheit gehört auch das Produkt-
    sicherheitsgesetz. Produkte müssen grundsätzlich Min-
    destanforderungen an Sicherheit einhalten. Deshalb gibt
    es hier jede Menge Regelungsbedarf. Ich nenne ein Bei-
    spiel, das Sie alle aus den Zeitungen kennen und das nach-
    gerade kurios erscheint: die Kordeln an Kinderjacken, die
    immer wieder, wenn sie zum Beispiel mit nicht entspre-
    chend gebauten Geräten auf Kinderspielplätzen zusam-
    menkommen, im wahrsten Sinne des Wortes zu Lebens-
    gefahr führen. Daran erkennt man, dass ein Begriff wie
    Produktsicherheitsgesetz im Lebensalltag von Bedeutung
    sein kann.

    Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, in
    dieser Legislaturperiode die Aufgaben in einem Aktions-
    plan Verbraucherschutz zusammenzufassen, um ganz klar
    zu sagen, welche Details wir in den nächsten vier Jahren
    regeln wollen. Wir werden den Verbraucherschutz durch
    einen regelmäßigen Fortschrittsbericht auch immer wie-
    der hier zum Thema machen – zum Schutze der Verbrau-
    cher.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Es ist längst klar, was erste Punkte eines solchen Akti-
    onsplanes sein werden, bei denen akuter Handlungsbedarf
    besteht. Fangen wir mit dem Bereich Telekommunika-
    tion an. Hier geht es vor allem darum, die neuen Miss-
    brauchstatbestände anzugehen. Technische Neuerungen
    führen zu mehr Missbrauchsmöglichkeiten. Lock-Anrufe
    oder -SMS im Mobilfunk fordern zur Benutzung von
    0190-Nummern oder auch zu kostenpflichtigen Rückge-
    sprächen auf. Das trifft am Ende nicht nur die Privathaus-
    halte, sondern oftmals auch den Mittelstand.

    Im Wettbewerbsrecht geht es um das UWG. Es braucht
    eine grundlegende Reform. Zum Beispiel werden die Ver-
    braucher in Zukunft nicht nur zweimal im Jahr die Mög-

    lichkeit haben, Rabatte zu genießen, sondern das ganze
    Jahr über. Dann muss das Ganze aber so gestaltet werden,
    dass nicht unter Einkaufspreis verkauft wird. Sonst
    könnte der Mittelstand am Ende überhaupt nicht mithal-
    ten und dort gingen Arbeitsplätze verloren. Auch hier wer-
    den wir tätig.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Der Bereich der Finanzdienstleistungen ist ein weite-
    rer wichtiger Punkt. Täglich werden in erheblichem Um-
    fange Versicherungen zu Bedingungen abgeschlossen, die
    von den Versicherungsnehmern am Ende gar nicht erfüllt
    werden können. Wir werden die Anbieter zu verbesserter
    Beratung verpflichten. Wir brauchen Rücktrittsrechte und
    Schadensersatzansprüche, wenn die Anbieter ihren
    Pflichten nicht nachgekommen sind.

    Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz braucht
    eine feste Verankerung im öffentlichen Bewusstsein. Wir
    brauchen Verbraucher, die klugen Konsum praktizieren
    können. Deshalb werden Aufklärung, Information und
    Beratung von Verbrauchern für uns ein Thema sein. Sie
    alle kennen die Frage, wie Produkte, zum Beispiel Le-
    bensmittel, überhaupt hergestellt worden sind. Jeder
    möchte gerne wissen, ob hinter einem Kakao oder einem
    Teppich Kinderarbeit steckt. Genau das werden wir erfül-
    len.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Das bedeutet – das sage ich ganz klar – für die einheimi-
    sche Wirtschaft kein Problem, sondern einen Standort-
    vorteil, da sie davon profitiert, dass die Verbraucher diese
    Produkte nicht kaufen.

    Früher hat man die Ersten bestaunt, die Umweltver-
    packungen für Joghurt wählten. Heute ist das selbstver-
    ständlich. Ich glaube, es wird in einigen Jahren auch
    selbstverständlich sein, dass Verbraucherschutz und Ver-
    braucherinformation zum Image einer Firma gehören.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    425 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in
    der EU wollen, dass ihre Interessen wahrgenommen wer-
    den. Sie wollen und werden ihre Macht entsprechend ein-
    setzen. Wir wollen in Europa federführend in Sachen Ver-
    braucherschutz sein. Wir sehen ganz klar, dass auch die
    Kommission und das Europäische Parlament den Ver-
    braucherschutz ganz vorn auf ihre Arbeitslisten schreiben.
    Wir haben das Grünbuch Verbraucherschutz. Die
    Kommission hat für das nächste Jahr konkrete Vorschläge
    für den Bereich Finanzdienstleistungen angekündigt. Da
    wollen wir nicht hinten sein.

    Wenn wir schon einmal bei dem Thema des großen Eu-
    ropas und der Brüsseler Entscheidungen sind, können wir
    auch gleich auf die wichtige Brüsseler Entscheidung aus
    der letzten Woche zur Erweiterung und zur Finanzierung
    dieser Erweiterung der Europäischen Union zu sprechen
    kommen. Damit wurde eine verlässliche Entscheidung
    über die Frage der Finanzierung des Agrarbereichs ge-
    troffen. Wir wissen nun, welche Mittel hierfür zur Verfü-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    296


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    gung stehen werden. 2006 werden dies 45,3 Milliarden
    Euro sein, 2013 48,5 Milliarden Euro. Nachdem das ent-
    schieden wurde und wir nicht mehr immer nur über Fi-
    nanzen reden müssen, ist der Kopf endlich frei, um über
    die ganz konkreten Reformen nachzudenken, die im
    Agrarbereich nötig sind.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich freue mich, dass Kommissar Fischler gesagt hat, er
    werde seine Vorschläge in Form einer Gesetzesvorlage
    Ende des Jahres vorlegen. Ich stimme ihm darin aus-
    drücklich zu. Wir haben auch in der Koalition vereinbart,
    die gemeinsame Agrarpolitik auf europäischer Ebene wei-
    terzuentwickeln. Dabei dürfen wir keine Zeit verlieren.

    In der Marktpolitik haben wir die Situation, dass alte
    Regelungen von Zahlungen an Landwirte auslaufen wer-
    den. Sie werden auch bei der WTO keine Verlängerung
    finden. Das heißt, man muss den Landwirten zeigen, wo
    es in Zukunft langgeht und welche Regeln gelten werden.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine
    Förderung des ländlichen Raums. Das heißt aber nicht,
    dass nur die Bauern gefördert werden. Manche begreifen
    das gerne als abgeschlossenen Bereich. Es geht vielmehr
    darum, lebensfähige Infrastrukturen auf dem Lande zu
    schaffen. Die ländlichen Räume müssen so attraktiv wer-
    den, dass dort Arbeitsplätze entstehen, und zwar sowohl
    im konkreten Bereich Landwirtschaft als auch in benach-
    barten Bereichen, ob das nun der Bereich Energie oder
    Tourismus ist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Wir brauchen deshalb die Modulation – Fischler wird
    dazu Vorschläge machen –, weil 80 Prozent der Fläche der
    Bundesrepublik land- und forstwirtschaftlich bearbeitet
    werden.

    Wir brauchen aber auch deshalb Reformen, weil im
    September nächsten Jahres WTO-Verhandlungen in Can-
    cun in Mexiko anstehen. Dort wird es darum gehen, alte
    handelsverzerrende Wirkungen von Direktzahlungen
    abzubauen. Gerade deshalb ist es gut und richtig, dass
    Kommissar Fischler vorgeschlagen hat, die Direktzahlun-
    gen zu entkoppeln; denn nur Direktzahlungen, die von der
    Produktionsmenge entkoppelt sind, werden die nächsten
    WTO-Verhandlungen überleben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir wissen, dass dahinter aber noch ein anderer Aspekt
    steht, der mit globaler Gerechtigkeit zu tun hat: Für das
    Überleben der Landwirtschaft in der EU und in Deutsch-
    land ist es wichtig, der nächsten WTO-Runde zu einem
    Erfolg zu verhelfen. Wir wollen, dass im ländlichen Raum
    für die Landwirtschaft Zukunft besteht. Wir wollen aber
    auch, dass Menschen in anderen Ländern leben können
    und nicht wir auf ihre Kosten leben und sie von großen
    Konzernen ausgepresst werden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Schon allein deshalb ist es also richtig, dass wir uns da-
    rum bemühen, dass die nächste WTO-Runde für uns, für
    die Entwicklungsländer sowie für den Umwelt-, den Tier-
    und den Verbraucherschutz ein Erfolg wird.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Wir haben in dieser Koalition vereinbart, dass bei der
    Konsolidierung des Haushaltes – dieser Zwang besteht ja –
    auch die Landwirtschaft mitmacht. Es werden zum Bei-
    spiel die ermäßigten Steuersätze abgeschafft. Auch die
    Privilegien müssen weg. Wir werden gleichzeitig aber
    auch die nötigen Spielräume für nachhaltige Landnutzung
    und artgerechte Tierhaltung schaffen und halten. Das hat
    Bestand auch vor der WTO. Wir werden mit dem Ak-
    tionsprogramm Ökologischer Landbau weitermachen und
    mit einem Aktionsprogramm Bäuerliche Landwirtschaft.

    Ich bitte Sie alle, folgenden Punkt zu sehen. Wir reden
    bei der Landwirtschaft nicht über einen abgeschlossenen
    Bereich. Wir reden hier vielmehr über den gesamten Be-
    reich Landwirtschaft, der auch die Lebensmittel- und
    Ernährungsindustrie umfasst. Lebensmittel führen wir
    täglich unserem Körper zu. Deren Qualität entscheidet
    über unsere Gesundheit. Darüber hinaus findet sich in die-
    sem Bereich jeder neunte Arbeitsplatz in der Bundesrepu-
    blik Deutschland. Deswegen ist es sinnvoll, dass sich das
    ganze Haus um den Agrarbereich kümmert.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)




Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Ich erteile das Wort der Kollegin Gerda Hasselfeldt,

CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerda Hasselfeldt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Wähler-

    täuschung geht auch in der Landwirtschaft munter weiter.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)

    In der Koalitionsvereinbarung ist noch großspurig die
    Rede von einer Stärkung der Leistungs- und Wettbe-
    werbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe. Ich
    habe deshalb nachgesehen und danach gesucht, wo etwas
    über die Maßnahmen zur Stärkung zu finden ist. Ich habe
    leider nichts gefunden. Das Gegenteil ist vielmehr der
    Fall. Man findet Aussagen über zusätzliche Steuerbelas-
    tungen, über zusätzlichen bürokratischen Aufwand und
    damit verbundene zusätzliche Kosten für die landwirt-
    schaftlichen Betriebe und Aussagen über nationale Al-
    leingänge, insbesondere im Verbraucherbereich. Meine
    Damen und Herren, das ist keine Verbesserung, sondern
    eine Verschlechterung der Bedingungen für die Landwirt-
    schaft.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun ist zu fragen, wo da denn die Stimme der Land-

    wirtschaftsministerin ist. Wo ist die Stimme derjenigen,
    die nicht nur für diesen Berufsstand, sondern auch für die
    Entwicklung der ländlichen Räume, der landwirtschaftli-

    Bundesministerin Renate Künast




    Gerda Hasselfeldt
    chen Betriebe, der Infrastruktur usw. in diesem Land ver-
    antwortlich ist?


    (Albert Deß [CDU/CSU]: Sie verhöhnt die Bauern doch!)


    Frau Künast, ich empfehle Ihnen, dass Sie sich ein
    Beispiel an Frankreich nehmen. Vom Staatspräsidenten
    über den Landwirtschaftsminister bis in zahlreiche Poli-
    tikbereiche hinein ist dort zu erkennen, dass man auf die
    Landwirtschaft stolz ist.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei uns im Land tut die Regierung hingegen alles, um das
    Bauernsterben zu beschleunigen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)


    Die deutschen Landwirte hatten Glück, dass der fran-
    zösische Staatspräsident bei den Agrarverhandlungen am
    letzten Wochenende auf die volle Laufzeit der Agenda-
    2000-Beschlüsse pochte. Frau Ministerin, wenn es nach
    Ihnen und dem deutschen Bundeskanzler gegangen wäre,
    hätten die deutschen Landwirte keine Planungssicherheit
    bis zum Jahr 2006 bekommen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es war schon ein peinlicher Auftritt des Bundeskanz-

    lers: Zwei Staatsmänner einigten sich auf die Deckelung
    der Agrarausgaben. Doch nach der Einigung wusste der
    deutsche Bundeskanzler nicht, auf was sie sich eigentlich
    verständigt hatten.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist nichts Neues!)


    Ich empfehle dem Bundeskanzler, dass er künftig nicht
    nur Dolmetscher, sondern auch Fachleute mitnimmt und
    dass er sich vor allem auf solche Gespräche besser vorbe-
    reitet; ein Aktenstudium wäre nicht das Verkehrteste.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Albert Deß [CDU/CSU]: Gerhard Nebel!)


    Bis 2006 haben die Landwirte nun Planungssicherheit.
    Sie haben aber auch die Gewissheit, dass die Direktzah-
    lungen ab 2007 – nach der Erweiterung – sinken werden.
    Deshalb wäre es richtig, die nationalen Belastungen, die
    den Landwirten in den vergangenen Jahren durch die na-
    tionalen Alleingänge Ihrer rot-grünen Regierung aufge-
    bürdet wurden, wieder zurückzunehmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)