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ID1500501300

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 173 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 15/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 15/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung von Aus- schüssen (Drucksache 15/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 173 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 174 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 177 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 184 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 D Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 195 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 199 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 203 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 208 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 214 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 227 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 233 A Plenarprotokoll 15/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 I n h a l t : Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 236 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 241 A Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 250 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 255 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 258 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 261 A Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . 262 B Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . 262 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 265 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 268 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 273 B Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 274 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 277 B Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 280 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 287 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 289 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 293 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 173 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 290 (A) (C) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 291 Berichtigung 4. Sitzung, Seite 11 (B), Zweiter Absatz, der ersten Satz ist wie folgt zu lesen: „Sie, Herr Kollege Struck, drohen die erforderliche Strategiediskussion vollkommen zu verschlafen und laufen Gefahr, diese wie unser Engage- ment mit KSK in Afghanistan vor unserer deutschen Bevölkerung verheimlichen zu wollen.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 293 (C)(A) van Essen, Jörg FDP 30.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 30.10.2002 Niebel, Dirk FDP 30.10.2002 Nolting, Günther FDP 30.10.2002 Friedrich Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 30.10.2002 Otto (Frankfurt), FDP 30.10.2002 Hans-Joachim Pieper, Cornelia FDP 30.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Schröter, Gisela SPD 30.10.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thea Dückert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr

    geehrter Herr Minister Clement, obwohl ich nur eine
    kurze Redezeit zur Verfügung habe, möchte ich vorab et-
    was zu Ihrer Rede sagen: Ich freue mich auf die Zusam-
    menarbeit. Ich glaube, mit dem, was Sie hier vorgeschla-
    gen haben, wird es möglich sein, das Ziel zu erreichen,
    das besonders wir Grüne uns gesteckt haben, nämlich Zu-
    gangsgerechtigkeit am Arbeitsmarkt herzustellen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Lieber Kollege Merz, Ihnen muss ich allerdings sagen:
    Bei Ihnen ist tatsächlich nach der Wahl vor der Wahl; denn
    leider ist das, was Sie vor der Wahl gesagt haben, hier nur
    wiederholt worden. Ich bin darüber entsetzt, dass Sie die
    Schlusslichtdebatte, die Sie bereits im Wahlkampf geführt


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    188


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    haben, wieder begonnen haben. Schließlich weiß jeder
    hier im Land, wann wir Schlusslicht geworden sind; das
    war unter Ihrer Regierung zu Beginn der 90er-Jahre.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


    Ich bin auch darüber entsetzt, dass Sie die Stirn haben
    – wenn auch verklausuliert –, wieder einmal Ihr 40-40-40-
    Konzept als einzige Alternative zu unserer Politik vorzu-
    stellen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass Sie damit die
    Staatsverschuldung in die Höhe treiben würden. Sie ha-
    ben für Ihr Konzept überhaupt keine Finanzierungs-
    grundlage vorgestellt.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Sie fragen nach den Zielen unserer Politik. Wenn Sie
    den Koalitionsvertrag gelesen hätten, wären sie Ihnen ins
    Auge gesprungen. Dort steht deutlich geschrieben: Er-
    neuerung, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Diese
    sind der Kern unseres Regierungsprogramms. Sie können
    darüber lachen oder sich abwenden, ich sage Ihnen aber:
    Uns ist es sehr ernst damit.

    Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, angesichts der
    niedrigen Wachstumsprognosen und der – das ist von
    Ihnen richtig bemerkt worden – demographischen Ent-
    wicklung müssen Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit für
    das, was wir vorhaben, nämlich Erneuerung in der Ar-
    beitsmarktpolitik, in der Wirtschaftspolitik und bei den
    sozialen Sicherungssystemen, unsere Maßstäbe sein.

    Herr Merz, die Bevölkerung hat längst begriffen, dass
    auf der einen Seite Reformen anstehen, dass aber auf der
    anderen Seite für diese Reformen Maßstäbe notwendig
    sind, die auch in schwierigen Zeiten gültig sind. Die Be-
    völkerung hat bei der Flutkatastrophe gezeigt, dass sie es
    begriffen hat. Wir haben vor der Wahl gesagt, dass es nicht
    möglich ist, eine solch außergewöhnliche Situation durch
    zusätzliche Verschuldung nach Ihrem alten Konzept
    „Rein in den Schuldenstaat“ zu meistern. Wir haben deut-
    lich gemacht, dass es notwendig ist,


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ihr habt mehr Schulden als wir 1998!)


    die geplanten – sie werden auch kommen – Steuersen-
    kungen um ein Jahr hinauszuschieben.

    Es ist wohlfeil gewesen, so zu tun – das haben Sie vor
    der Wahl gemacht –, als könnten Sie für das Jahr 2003
    weitere Steuersenkungen – diese haben Sie früher in un-
    serem Konzept angegriffen – zusagen. Es ist wohlfeil ge-
    wesen. Aber die Bevölkerung hat Ihnen genau dieses un-
    ehrliche Konzept nicht abgenommen. Sie hat begriffen,
    dass wir mit den Maßstäben von Nachhaltigkeit, also uns
    nicht zulasten zukünftiger Generationen zu verschulden,
    und Gerechtigkeit, also die Lasten je nach Stärke der
    Schultern zu verteilen, den richtigen Weg eingeschlagen
    haben, um schwierige Situationen zu bewältigen.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Wir brauchen uns hier überhaupt nichts vorzumachen:
    Natürlich sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingun-

    gen,mit denen wir Arbeits- und Wirtschaftspolitik betrei-
    ben wollen und müssen, schwierig. Die Wachstumspro-
    gnosen werden korrigiert und sie werden mit Sicherheit
    unter der momentanen Beschäftigungsschwelle in Deutsch-
    land liegen. Die Beschäftigungsschwelle liegt bei etwa
    2 Prozent. Es ist schwierig, all das, was darunter ist, in po-
    sitive Beschäftigungseffekte umzusetzen.

    Unter diesen schwierigen Bedingungen machen wir
    uns daran, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Dies stellt er-
    hebliche Anforderungen an die Beschäftigungspolitik.
    Wir stellen uns diesen Anforderungen. Ein erster Schritt
    ist die Umsetzung des Hartz-Konzepts 1 : 1. Ich glaube,
    konkreter kann es nicht sein.

    Wir machen dies, obwohl wir wissen, dass wir wegen
    der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung im nächsten
    Jahr ein zusätzliches Defizit zu bewältigen haben werden.
    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts entspricht einer nach
    vorn gerichteten Wirtschaftspolitik, einer Wirtschaftspo-
    litik, die auch die Voraussetzung einer konjunkturgerech-
    ten Konsolidierung erfüllt.

    Vor die Sparklammer werden wir Investitionen in die
    Zukunft, in den Arbeitsmarkt, ziehen. Dazu gehören zum
    Beispiel Investitionen für erneuerbare Energietechniken,
    die arbeitsmarktrelevant sind. Wir werden uns für die
    Ganztagskinderbetreuung einsetzen. Dies ist etwas, was
    Frau Merkel hier gestern noch als Brosamen bezeichnet
    hat, wohl nicht wissend, dass die Beschäftigungsfähigkeit
    von Frauen, von Personen mit Familie, von Erziehenden
    von der Möglichkeit abhängig ist, Erwerbstätigkeit mit
    Familie zu verbinden.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Herr Merz hat eben gesagt, er möchte das Teilzeitge-
    setz wieder


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    reduzieren. Auch dieses Gesetz ist ein wesentliches Ele-
    ment, mit dem wir Menschen, die mit Kindern leben, in
    Arbeit bringen können. Diese Dinge werden wir vor die
    Sparklammer ziehen. Ferner werden wir das JUMP-Pro-
    gramm für arbeitslose Jugendliche vor die Klammer ziehen.

    Ansonsten gilt: Sowohl bei der aktiven Arbeitsmarkt-
    politik als auch bei den notwendigen Reformen der so-
    zialen Sicherungssysteme wird es um Effizienzsteige-
    rungen, aber auch um Abstriche gehen. Darum kommen
    wir nicht herum. Allerdings werden wir bei der Verände-
    rung der sozialen Sicherungssysteme den sozialen Schutz
    der Menschen nicht infrage stellen.

    Herr Merz, Sie haben vorhin einen wesentlichen Punkt
    angesprochen, nämlich die Notwendigkeit der Zusam-
    menlegung der Arbeitslosen- und der Sozialhilfe. Aber
    dies wollen Sie im Gegensatz zu anderen Kollegen Ihrer
    Fraktion im Kern nicht. Dies haben Sie deutlich gemacht.
    Sie wollen die Menschen in die Sozialhilfe abdrängen.
    Außerdem wollen Sie den Bezug der Sozialhilfe zeitlich
    befristen.

    Wir schlagen ein neues Leistungssystem vor, in dem
    die Arbeitslosenhilfe nicht auf die Höhe der Sozialhilfe

    Dr. Thea Dückert




    Dr. Thea Dückert
    abgesenkt wird und in dem diejenigen, die heute Arbeits-
    losenhilfe beziehen, aktive Hilfe bekommen, um wieder
    in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.

    Unter den Bedingungen der derzeitigen wirtschaftli-
    chen Entwicklung ist eine Rundumerneuerung am Ar-
    beitsmarkt besonders notwendig. Die Umsetzung des
    Hartz-Konzepts ist ein zentraler Schritt. Es macht über-
    haupt keinen Sinn, dieses hier klein zu reden. Der Minis-
    ter hat einzelne Punkte genannt. Es geht unter anderem
    darum, die Bundesanstalt fürArbeit zu reformieren. Am
    Ende dieses Prozesses wird etwas anderes herauskommen
    als das, was wir heute kennen, und zwar wird es eine
    Dezentralisierung mit einem höheren Entscheidungs-
    spielraum in den Regionen und einem veränderten Auf-
    gabenschwerpunkt in Richtung vermittlungsorientierter
    Dienstleister geben.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts bedeutet auch,
    dass wir wesentliche Elemente zur Senkung der Dauer der
    Arbeitslosigkeit entwickeln und umsetzen werden, und
    zwar unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung.
    Diese sind: schnellere Vermittlung durch Prävention, eine
    neue Balance zwischen Fördern und Fordern, Hilfe aus
    einer Hand, Jobcenter – die Sie auch immer gefordert ha-
    ben –, schnelle Hilfe. Dies alles bedeutet auch, Herr Merz,
    eine veränderte Beweislast für die Betroffenen sowie ver-
    änderte, differenziertere Bestimmungen hinsichtlich der
    Zumutbarkeit für die Arbeitsuchenden.

    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts bedeutet auch
    – hierin liegt eine große Chance –, dass wir die Zeitar-
    beit beherzt fördern, allerdings tarifvertraglich gesichert.
    Damit haben wir ein Instrument, mit dem die Arbeitslo-
    sen auf der einen Seite ihren Kündigungsschutz behalten
    und die Unternehmen auf der anderen Seite die notwen-
    digen Flexibilitäten bei den Einstellungen bekommen
    können.

    Herr Merz, ich weiß, Sie sind recht neu in dem Bereich
    der Arbeitsmarktpolitik und der Umsetzung des Hartz-
    Konzepts.


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: So ist es! Er weiß nicht, worüber geredet wird!)


    Deswegen ist Ihnen vielleicht entgangen, dass die Verän-
    derung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, die wir in
    der letzten Legislaturperiode gemacht haben, zu erhebli-
    chen Erleichterungen geführt hat, so zum Beispiel zu ei-
    ner Verlängerung der Überlassungsfrist.


    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich bin froh, dass der Minister hier deutlich gemacht hat,
    dass wir durch die tarifvertragliche Sicherung auch dazu
    kommen können, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
    insgesamt vollständig zu entbürokratisieren und abzu-
    bauen.

    Der nächste Punkt betrifft ein wichtiges Element bei
    schwierigen wirtschaftlichen Entwicklungen. Wir werden
    der Schwarzarbeit zu Leibe rücken, und zwar nicht, in-

    dem wir verbieten oder kontrollieren, sondern indem wir
    den Menschen die Hand reichen und ihnen die Möglich-
    keit geben, aus der Schwarzarbeit heraus und in legale Be-
    schäftigung zu kommen. Das betrifft viele Bereiche, zum
    Beispiel die Haushalte. Es ist vernünftig, in diesem Be-
    reich die Minijobs einzuführen.

    Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir
    überprüfen werden, ob diese Heraufsetzung der Gering-
    fügigkeitsschwelle nicht auch in anderen Bereichen ar-
    beitsmarktpolitisch Sinn macht und sozialverträglich gere-
    gelt werden kann. Das ist bei der hohen Schwarzarbeit, die
    wir in unserem Lande haben, ein sehr wichtiger Schritt.

    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts bedeutet auch
    Hilfe zur Selbstständigkeit. Die Menschen sollen ihre
    eigenen Schicksale in die Hand nehmen können und sich
    selbstständig machen können. Nichts anderes ist die
    Ich-AG.

    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts bedeutet, dass wir
    Wettbewerbselemente einführen. Das ist ungeheuer wich-
    tig, gerade zur Steigerung der Effizienz noch immer sehr
    bürokratischer Strukturen im Bereich der aktiven Arbeits-
    marktpolitik. Alle, die ihr Arbeitsamt vor Ort kennen,
    werden sich noch die Augen reiben, wenn sie feststellen,
    wie viel Selbstbestimmung durch die wettbewerbliche
    Vergabe und die Anwendung von arbeitsmarktpolitischen
    Instrumenten dezentral möglich ist.

    Herr Merz, die Umsetzung des Hartz-Konzepts bedeu-
    tet auch das, was Sie zum Beispiel in Bezug auf die Qua-
    lifikation eingefordert haben. Die Qualifikation und die
    Abschlüsse gerade von jungen Menschen werden voll-
    ständig verändert. Sie werden flexibilisiert und an den be-
    trieblichen Bedürfnissen sowie den Fähigkeiten der Be-
    troffenen orientiert. Kürzere, auch modulare Ausbildung
    wird möglich sein. Das wird wichtig sein, um die Leute in
    den Arbeitsmarkt hineinzubringen.


    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


    Ich gebe hier keine Prognosen ab, wie stark der Entlas-
    tungseffekt sein wird. Aber eines kann ich sagen: Wir wer-
    den es schaffen, mit diesen Instrumenten die Dauer der
    Arbeitslosigkeit zu senken. Wir kommen mit ihnen an die
    Schwarzarbeit heran und können so die Beschäftigungs-
    schwelle in diesem Bereich, die heute sehr hoch liegt,
    senken.

    Ich nenne Ihnen zum Abschluss eines der grünen Ziele
    in diesem Zusammenhang – das steht auch in den Koali-
    tionsvereinbarungen –: Wenn es uns gelingt – da bin ich
    sicher –, mit diesen Instrumenten die Arbeitslosigkeit
    Stück für Stück abzubauen, die Dauer der Arbeitslosigkeit
    Schritt für Schritt zu senken, dann werden die Effizienz-
    gewinne, die wir im System haben, auch zur Senkung der
    Lohnnebenkosten, zur Senkung der Arbeitslosenversi-
    cherungsbeiträge verwandt werden; denn die Stabilisie-
    rung und – in der Zukunft – die Senkung der Lohnneben-
    kosten sind ein ganz zentrales Element, mit dem wir die
    Beschäftigungspolitik positiv flankieren können.

    Danke schön.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    190


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)








Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Brüderle, FDP-

Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Oh, Gott! – Gegenruf von der SPD: Nicht „Oh Gott“, sondern Herr Brüderle! – Gegenruf des Abg. Franz Müntefering [SPD]: Ein kleiner Unterschied! – Jörg Tauss [SPD]: Jetzt kommen die angelernten Textbausteine!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rainer Brüderle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Herr Tauss, Sie sollten mal nicht nur als IG-Metall-

    Mann sprechen.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minis-

    ter Clement, Sie haben heute Ihre erste Rede als neuer Su-
    perminister gehalten. Ich darf Ihnen zu Beginn im Namen
    der FDP-Fraktion für Ihre Tätigkeit ein herzliches Glück-
    auf zurufen.


    (Beifall bei der FDP)

    Ich will mit einem Lob beginnen. Es war richtig, dass

    der Bundeskanzler die Bereiche Wirtschaft und Arbeit zu-
    sammengelegt hat. Das haben wir seit Jahren gefordert.
    Im Januar dieses Jahres haben wir einen Antrag hierzu im
    Parlament eingebracht. Damals hat ihn Grün-Rot mit der
    Begründung abgelehnt, dies sei nicht sinnvoll. Jetzt neh-
    men Sie diese Zusammenlegung vor. Wir halten dies für
    richtig, weil ein innerer Zusammenhang besteht. Der Ar-
    beitsmarkt muss auch als Markt verstanden werden. Die
    Bereiche Wirtschaft und Arbeit müssen ganzheitlich zu-
    sammengeführt werden. Deshalb ist diese Entscheidung
    richtig. Sie ist indirekt aber natürlich auch eine Kritik an
    den beiden Vorgängern und ein Eingeständnis, dass die
    alte Struktur nicht die richtige war.

    Dieser organisatorische Befreiungsschlag allein reicht
    aber nicht. Ich habe im Koalitionsvertrag nichts zur in-
    haltlichen Ausgestaltung gefunden. Es muss ja doch eine
    Politik aus einem Guss sein.

    Mir fiel auf, dass im ganzen Kabinett kein einziger
    Wirtschaftswissenschaftler sitzt. Die Regierung hat of-
    fenbar ihre Probleme mit ökonomischem Sachverstand.
    Herr Clement, Ihre Kritik an dem Herbstgutachten fand
    ich nicht in Ordnung. Wenn Sie diejenigen, die es erar-
    beitet haben, für unfähig halten und wenn Sie es an sich
    für falsch halten, dann stellen Sie die Erarbeitung solcher
    Gutachten doch einfach ein. Sparen Sie das Geld und ge-
    ben Sie es lieber dem deutschen Handwerk. Aber Aufträge
    zu erteilen und dann zu sagen, das, was geliefert wurde,
    sei unnützes Zeug, ist nicht in Ordnung.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Professor Sinn, dem Chef des Ifo-Instituts, dessen
    Äußerungen Sie heute Morgen – das war ein Beispiel für
    unqualifizierte Kritik – abqualifiziert haben, haben Sie
    Unrecht getan. Das Ifo-Institut hat am 14. August und am
    10. September umfassende Studien über die Vorschläge
    der Hartz-Kommission öffentlich vorgelegt. Dort ist im
    Einzelnen wissenschaftlich begründet worden, wo die Be-

    denken liegen. Sie sollten einmal hineinschauen. Herrn
    Professor Sinn sollten Sie sagen, dass er doch etwas mehr
    geliefert hat als das, von dem Sie heute Morgen gespro-
    chen haben. Ihre Kritik war nicht in Ordnung.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Völlig richtig! – Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist auch nicht kritisiert worden!)


    – Ich habe schon zugehört.
    Wenn der Patient Fieber hat, dann ist die Lösung nicht,

    Herr Stiegler, das Fieberthermometer an die Wand zu
    knallen;


    (Johannes Kahrs [SPD]: Herr Möllemann!)

    man muss vielmehr den Infekt bekämpfen, die Immun-
    schwäche beseitigen und den Körper wieder kräftigen.


    (Beifall bei der FDP)

    Dann kann der Gesundungsprozess eingeleitet werden.
    Nicht das Fieberthermometer, sondern der Infekt ist die
    Ursache dafür, dass der Patient krank ist. Dort müssen Sie
    mit der Therapie ansetzen.

    Das neue Ministerium darf nicht zu einem verbeamte-
    ten runden Tisch werden, an dem alle zusammensitzen.
    Die Zusammenführung von Kompetenzen muss dazu ge-
    nutzt werden, um verkrustete Strukturen am Arbeitsmarkt
    aufzubrechen.


    (Beifall bei Abgeordneten der FDP – Johannes Kahrs [SPD]: Sie können ja ein Flugblatt dazu herausgeben!)


    Das Konzept der Hartz-Kommission ist sicherlich ein An-
    satz dazu. Gehen Sie das an.

    Man muss vieles aber auch kritisch hinterfragen dür-
    fen. Sie beginnen jetzt mit dem Jobfloater. Ich habe
    Zweifel, ob Unternehmen nur deshalb, weil sie mehr Kre-
    dite kriegen, Menschen einstellen. Vielleicht führt das
    auch zu einem Drehtüreffekt: Die Unternehmen entlassen
    Mitarbeiter, holen sich bei Ihnen den Kredit ab und stellen
    die Mitarbeiter dann wieder ein. Dadurch haben Sie nichts
    gewonnen, Sie haben nur das Geld unter die Leute ge-
    bracht. Versuchen Sie das aber trotzdem. Wir müssen se-
    hen, ob wir damit vorankommen.


    (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist die Clement-Förderung!)


    Für mich haben Sie bei Teilen der Ansätze eine kostü-
    mierte Vorgehensweise. Sie vermitteln die Zeit- und Leih-
    arbeit quasi vom Staat her, indem Sie Arbeitsämter zu
    großen Leiharbeitsfirmen umfunktionieren. Sinnvoller
    wäre es aber doch, die Bedingungen am Arbeitsmarkt
    gleich so zu ändern, dass Arbeitsplätze unmittelbar dort
    entstehen, wo Arbeit anfällt.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Dazu müssten Sie die Einstellungsbarrieren beseitigen,
    müssten über die Überreglementierungen nachdenken,
    den Kündigungsschutz überdenken und den Betrieben die
    Möglichkeit geben, intern mehr entscheiden zu können.




    Rainer Brüderle

    Sie wissen genau: 60 bis 70 Prozent aller Arbeitsver-
    hältnisse in Ostdeutschland entsprechen nicht dem gel-
    tenden Tarifvertragrecht. Diese Arbeitsverhältnisse sind
    alle rechtswidrig. Doch niemand, nicht einmal die Ge-
    werkschaften, rührt an diesem Zustand. Selbst Herr Tauss
    mit seinen Zwischenrufen wagt sich nicht daran.


    (Jörg Tauss [SPD]: Was ist mit mir?)

    Denn Sie wissen aus gutem Grund:


    (Johannes Kahrs [SPD]: Weil Sie keine Ahnung haben!)


    Wenn Sie da herangehen, verdoppeln und verdreifachen
    Sie die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern. Des-
    halb muss die Schlussfolgerung sein: Geben Sie den Be-
    triebsräten, den Betrieben und dem Mittelstand mehr Frei-
    heiten, damit sie eigene Wege gehen, eigene Regelungen
    aufstellen und betriebliche Bündnisse – oder wie immer
    Sie es nennen wollen – eingehen können. Machen Sie das
    nicht kostümiert. Geben Sie ihnen die Möglichkeit dazu.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich komme zu dem berühmten Mainzer Modell, das
    vor der Bundestagswahl als Wunderwaffe angepriesen
    wurde. Mich hat es nicht überrascht, dass nicht viel dabei
    herauskam. Schon bei den Modellversuchen in Branden-
    burg und in Rheinland-Pfalz kam nicht viel heraus. Denn
    es ist doch ein absurder Ansatz. Sie haben es durch staat-
    liche Regelungen geschafft, die Lohnnebenkosten in
    Deutschland so nach oben zu treiben, dass wir mit Steuer-
    geldern die Lohnnebenkosten subventionieren müssen,
    damit in Deutschland noch Arbeit entsteht. Es ist doch ab-
    surd, wie wir in Deutschland vorgehen. Gehen Sie doch
    die Ursachen an und machen Sie es nicht kostümiert.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Was haben Sie uns beschimpft, als wir gesagt haben,
    dass es in haushaltsnahen Bereichen viele Beschäfti-
    gungsmöglichkeiten gibt! Nicht Sie persönlich, aber Ihre
    Genossen haben uns als eiskalte Liberale bezeichnet


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Dienstmädchenprivileg!)


    und haben vom Dienstmädchenprivileg geredet. Jetzt ma-
    chen Sie es kostümiert, durch eine Art 630-Mark-Rege-
    lung; es geht also um den Niedriglohnsektor. Hätten Sie
    es gleich gemacht, wäre schon viel erledigt. Sie versuchen
    es; unsere guten Wünsche haben Sie. Ich bin überzeugt,
    dass man an viele Bereiche konsequenter herangehen
    müsste.

    Sie haben einen richtigen Satz an den Anfang gestellt:
    Damit die Wirtschaft wieder in Gang kommt, brauchen
    wir Vertrauen bei Konsumenten, Arbeitnehmern, beim
    Mittelstand und bei Unternehmen. Wie kann denn Ver-
    trauen entstehen, wenn vor der Wahl gesagt wird, die
    Steuern würden gesenkt, diese nach der Wahl aber erhöht
    werden? Wie kann Vertrauen entstehen, wenn vor der
    Wahl gesagt wird, die Schuldenkriterien nach Maastricht
    würden nicht überschritten, obwohl nach der Wahl die
    Schulden erhöht werden und man über diese Kriterien
    hinweggeht? Wie kann Vertrauen entstehen, wenn dadurch

    die Währungsstabilität – auch des Euro – angetastet wird?
    Man kann nicht nur sagen, dass man Vertrauen will. Man
    muss auch eine Politik betreiben, die Vertrauen auslöst.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

    Die Menschen verhalten sich richtig; denn sie sind un-

    sicher. Sie fragen sich, ob sie ihren Arbeitsplatz und ihr
    Einkommen behalten, ob sie einen neuen Arbeitsplatz er-
    halten und ob sie mehr verdienen können. Deswegen hal-
    ten sie das Geld zurück und sparen lieber; die Sparquote
    geht nach oben. Der Mittelstand ist verunsichert und fragt
    sich, ob die Vermögen- und die Erbschaftsteuer kommen,
    ob noch mehr draufgeknallt wird, ob die Mehrwertsteuer
    weiter erhöht wird und ob Sie nur warten, bis die Land-
    tagswahlen in Hessen und Niedersachsen vorbei sind, um
    den zweiten Teil der Wahrheit, den Offenbarungseid in der
    Finanzpolitik, auf den Tisch zu legen.


    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


    Das schafft kein Vertrauen. Das Vertrauen der Menschen
    kann man nicht reklamieren, sondern man muss es sich er-
    arbeiten; das ist Ihre Aufgabe.


    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Sie säen Misstrauen!)


    Die Hoffnungen sind auf Sie gerichtet. Dass die Presse
    so verheerend ist, ist kein böser Wille; die „Süddeutsche
    Zeitung“ ist ja eher die Hauspostille dieser Regierung. Es
    ist doch nicht unsere Erfindung, dass Sie dort so stark kri-
    tisiert werden. Es hat doch seinen Grund, dass Sie diese
    Pressekommentare bekommen. Das ist doch keine bösar-
    tige „Kettenhund“-Inszenierung dieser abartigen Opposi-
    tion, sondern das ist die Bewertung vieler draußen, die sa-
    gen, dass Ihr Einstieg nicht in Ordnung ist, er kein Vertrauen
    weckt und die Wirtschaft so nicht in Gang gesetzt wird.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Deshalb müssten Sie, Herr Minister, das ordnungspoli-
    tische Gewissen sein. Der Minister für Wirtschaft und Ar-
    beit ist mehr als ein Sonderbeauftragter zur Umsetzung
    der Ergebnisse der Hartz-Kommission. Er muss der Kom-
    pass sein; Laufen allein ist nicht die Lösung.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr gut!)

    Sie müssen wissen, wo Sie hinlaufen; Sie müssen der
    Kompass in dieser Regierung der Verirrten sein.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Sie wollen die Eigenheimzulage streichen. Eine Fa-
    milie mit zwei Kindern, die ein Einkommen von
    35 000 Euro im Jahr hat, gehört nicht zu den Spitzenver-
    dienern. Für diese wird es zu einer Mehrbelastung von
    200 bis 400 Euro pro Monat kommen. Das sind jetzt noch
    die letzten freien Einkommensteile, mit denen man etwas
    bewegen kann. Deshalb ist der Ansatz, den Sie gewählt
    haben, falsch. Sie müssen den Mut haben, konsequent an
    die Subventionen heranzugehen. Ich hätte alle um 10 Pro-
    zent gekürzt.


    (Ludwig Stiegler [SPD]: Wo denn?)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    192


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Natürlich wird es für Sie, der Sie langjähriger Minister-
    präsident von Nordrhein-Westfalen waren, schwer. Die
    Steinkohle ist tabu, obwohl sie ökologischer Unfug ist;
    sie trägt nämlich erheblich zu den CO2-Emissionen bei.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Daran müssen Sie als Erstes herangehen, an diesen Pakt
    der Unseligkeit für Europa, mit dem Sie eine Verlänge-
    rung dieser Subventionen in der Praxis erreicht haben. Im
    Gegenzug dürfen die Franzosen, die Italiener und die
    Holländer ihre Spediteure weiter zulasten der deutschen
    Brummifahrer subventionieren.

    Das ist ein falscher Pakt. Das ordnungspolitische Ge-
    wissen muss aufschreien. Sie müssen ein Gegenpol sein
    und sagen – das hat auch Karl Schiller schon gesagt –: Ge-
    nossen, lasst die Tassen im Schrank. – Lesen Sie wenigs-
    tens einmal, was Helmut Schmidt, die Ikone sozialdemo-
    kratischer Politik, in der „Zeit“ geschrieben hat. Ich bin
    bereit, jeden Satz dieses Aufsatzes morgen früh zu unter-
    schreiben. Er hat ja doch so Recht.

    Er sagt, Ursache sei das Tarifkartell. – Gebt den Leu-
    ten doch ein wenig mehr Freiraum und denkt nicht nur an
    die Funktionäre. Diese haben keine Arbeitsplatzsorgen;
    sie sitzen drin, sie sind fest angestellt und werden bezahlt.
    Denkt an die, die draußen stehen und hineinkommen und
    die auch eine Chance haben wollen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Der Wahlkampf ist herum. Deshalb müssen wir jetzt
    gemeinsam die Kraft finden, mit einer anderen Politik
    neue Chancen zu eröffnen.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Sie haben 16 Jahre nichts getan! Was wollen Sie denn jetzt? Brüllen Sie nicht so herum!)


    – Mancher schreit, weil er nicht anders kann.

    (Johannes Kahrs [SPD]: Sie haben 16 Jahre nichts gemacht, weil Sie keine Ahnung haben!)

    Machen Sie das doch zu Hause mit Ihrer Frau, nicht im
    Parlament. Pöbeln Sie doch Ihre Frau an, nicht mich; das
    ist doch viel einfacher.


    (Johannes Kahrs [SPD]: Pfui!)

    Der erste Schritt muss sein, die Fehlentwicklung zu

    korrigieren. Werden Sie bitte kein Monopolminister wie
    Herr Müller. Er dachte nur an die Großkonzerne. Denken
    Sie an den Mittelstand. Ich nenne hier nur einige Stich-
    worte: Scheinselbstständigengesetz, Umsatzverkürzungs-
    gesetz, Bauabzugsteuer, Verschärfung der Mitbestimmung.
    Das alles ist grottenfalsch. Dadurch können Vertrauen und
    eine gute Stimmung nicht entstehen.

    Was hat denn der deutsche Mittelstand Grün-Rot getan,
    dass er so schlecht behandelt wird? – Natürlich ist er steuer-
    politisch schlechter behandelt worden. Er erhält seine Ent-
    lastung auf Raten. Sie haben gerade eine Rate dieser Ent-
    lastung mit der Begründung „Hochwasser“ verschoben.
    Er wird sie allenfalls später bekommen.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Hoffentlich bleibt das Wetter im nächsten Jahr gut!)


    Weshalb können die großen Konzerne ihre Beteiligungen
    steuerfrei veräußern, während der Malermeister, der im
    Malereinkauf eine Beteiligung von 50 000 DM hat, steu-
    erlich anders behandelt wird? Deshalb ist der Ansatz, Ver-
    trauen zu schaffen, richtig.

    Wir brauchen alle Menschen, die mitmachen. Dazu
    brauchen wir Glaubwürdigkeit. Herr Eichel hat einmal
    ganz gut angefangen. Er hat Sozialdemokraten erklärt, wie
    wichtig Sparen ist. Heute spart er nur noch an einem, an
    seiner eigenen Glaubwürdigkeit. Das kann aber nicht die
    Lösung dafür sein, wie wir das Vertrauen zurückgewinnen
    können. Versuchen Sie, das zu leisten. Das ist einfach.

    Herr Clement, Sie haben Kredit. Verspielen Sie diesen
    Kredit nicht. Machen Sie das, was notwendig ist, mutig
    und kräftig, damit unser Land auf einen anderen Kurs
    kommt; denn das Land ist wichtiger als unsere Parteien.


    (Klaus Brandner [SPD]: Als die FDP, ja! – Jörg Tauss [SPD]: Das ist wahr!)


    Der Ansatz, der bisher von dieser Regierung mit einer lan-
    gen Latte von Steuererhöhungen, Verschlechterungen,
    Gleichmacherei bis hin zur Beitragsbemessungsgrenze
    – alles geht nach oben – präsentiert wurde, ist nicht der
    richtige. Sie müssen eine Korrektur vornehmen – und das
    heute –, sonst werden Sie es nicht schaffen.

    Allen Parteien insgesamt – selbst Ihnen mit Ihrer Pöbe-
    lei; wenn man nichts weiß, schreit man eben; er schreit vor
    Dummheit – vertrauen nach Umfragen aller demoskopi-
    schen Institute weniger als 50 Prozent der Bevölkerung.


    (Johannes Kahrs [SPD]: 18 Prozent!)

    Wenn wir es nicht schaffen, das Vertrauen gemeinsam
    zurückzugewinnen, wird es mit der Wirtschaft und dem
    Staate nichts.


    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Doch nicht durch solche Reden!)


    – Herr Schmidt, es hilft auch nichts, wenn man, wie Sie es
    gestern getan haben, dazwischenschreit: Sie wissen gar
    nicht, was rauskommt. – Sie haben uns offenbar ein Kos-
    tümfest präsentiert. Wir sind gespannt, was rauskommt.
    Hoffentlich wird es nicht noch schlimmer, als es schon ist.


    (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubertus Heil [SPD]: Erzählen Sie das doch Ihrer Frau!)