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  • tocInhaltsverzeichnis
    Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 173 A Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Bestimmung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak- tionen (Drucksache 15/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bestim- mung des Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen (Drucksache 15/17) . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Einsetzung von Aus- schüssen (Drucksache 15/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B Wilhelm Schmidt (Salzgitter) SPD . . . . . . . . 173 B Ronald Pofalla CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 174 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 C Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der Aussprache zur Regie- rungserklärung des Bundeskanzlers Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 177 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 184 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 D Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 195 D Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 A Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 199 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 D Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 203 B Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 208 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 214 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 A Dr. Günter Rexrodt FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 227 A Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 233 A Plenarprotokoll 15/5 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 I n h a l t : Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 D Dr. Michael Meister CDU/CSU . . . . . . . . . . 236 C Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 241 A Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 B Arnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 250 B Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A Eduard Oswald CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 255 A Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 258 C Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 261 A Georg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . 262 B Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . 262 D Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 265 B Grietje Bettin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 268 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 273 B Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ 274 C Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 277 B Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 279 C Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . 280 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 D Nicolette Kressl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Ina Lenke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 287 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 289 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 293 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 173 5. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 290 (A) (C) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 291 Berichtigung 4. Sitzung, Seite 11 (B), Zweiter Absatz, der ersten Satz ist wie folgt zu lesen: „Sie, Herr Kollege Struck, drohen die erforderliche Strategiediskussion vollkommen zu verschlafen und laufen Gefahr, diese wie unser Engage- ment mit KSK in Afghanistan vor unserer deutschen Bevölkerung verheimlichen zu wollen.“ Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Oktober 2002 293 (C)(A) van Essen, Jörg FDP 30.10.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.10.2002 Joseph DIE GRÜNEN Koschyk, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 30.10.2002 Niebel, Dirk FDP 30.10.2002 Nolting, Günther FDP 30.10.2002 Friedrich Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 30.10.2002 Otto (Frankfurt), FDP 30.10.2002 Hans-Joachim Pieper, Cornelia FDP 30.10.2002 Schauerte, Hartmut CDU/CSU 30.10.2002 Schröter, Gisela SPD 30.10.2002 entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Ich erteile dem Kollegen Rainer Funke, FDP, das Wort.



Rede von Rainer Funke
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem

Antrag der Koalitionsfraktionen handelt es sich um eine
schlichte, machtpolitisch motivierte Trickserei.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


– Ich werde gleich darauf eingehen.
In diesem Land bestand immer Konsens darüber, dass

der Vermittlungsausschuss ein eigenständiger und heraus-
gehobener Ausschuss ist, in dem Vertreter aus Bundestag
und Bundesrat gemeinsam versuchen – oft unabhängig
von der Parteidisziplin –, tragfähige Lösungen zu finden.
Diesen Konsens möchte Rot-Grün nach langer Tradition
aufkündigen.

Nach allen zur Verfügung stehenden Berechnungsver-
fahren müsste es bei der Ausschussbesetzung bei einem
Patt von 7 : 7 : 1 : 1 bleiben. Die Koalition möchte daher
durch eine Änderung der Geschäftsordnung erreichen,
dass eine rot-grüne Mehrheit auf Bundestagsseite im Ver-
mittlungsausschuss gesichert ist.

Dies zeigt deutlich, dass es hier nicht um die Herrschaft
des Rechts geht, wie es dem Sinn unserer Geschäftsord-
nung, die wir uns selber gegeben haben, entspricht, son-
dern vielmehr um die rücksichtslose Durchsetzung von
Machtinteressen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn Sie auf die Mehrheitsverhältnisse abstellen, kön-

nen Sie nicht sagen, dass es noch gerecht wäre, wenn die
Koalition neun Stimmen bekäme und die Opposition sie-
ben. Ihr Antrag würde aber zu diesem Ergebnis führen.
Eine solche Abweichung vom bisherigen Zählsystem
wäre in sich nicht logisch und im Übrigen auch unsyste-
matisch. Dies weiß auch Herr Schmidt, der Geschäftsord-
nungsexperte ist.

Falsch ist meines Erachtens auch der Verweis auf die
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Ver-
fassungsgericht hat sich bisher nur mit der Frage befasst,
ob es zulässig ist, einen Wechsel in den bekannten Zähl-
verfahren oder aber im Einzelfall eine Abweichung zu-
gunsten einer anderen mathematischen Proportion vor-
zunehmen. Hier liegt aber keine Abweichung von der
mathematischen Proportion vor. Es ist kein anerkanntes
Zählverfahren, das Sie anwenden wollen, sondern das ist
reine Willkür.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das Gericht hat sich aber nie mit der Frage befasst, ob

der Bundestag auch die Befugnis besitzt, die Mehrheits-
frage mit einem gesonderten, nicht unter die bekannten
Zählverfahren fallenden Schlüssel zu beeinflussen.

Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, Kollege
Schmidt. Es wäre verfehlt, davon auszugehen, der Ver-
mittlungsausschuss sei mit den Ausschüssen des Bundes-
tages vergleichbar und man könne daher bei der Frage der
Besetzung die gleichen Maßstäbe anlegen. Die Anders-
artigkeit des Vermittlungsausschusses ergibt sich be-
reits daraus, dass er eigenen geschäftsordnungsmäßigen
Regelungen unterliegt


(Ludwig Stiegler [SPD]: Nur für seine Verfahren, nicht für seine Zusammensetzung!)


und sich eine vom Bundestag und vom Bundesrat getra-
gene Geschäftsordnung gibt, die im Übrigen in beidersei-
tigem Einvernehmen bestimmt wird und auch nur in bei-
derseitigem Einvernehmen geändert werden kann. Die


(A)



(B)



(C)



(D)


176


(A)



(B)



(C)



(D)






besondere Stellung des Ausschusses kommt auch dadurch
zum Ausdruck, dass die Mitglieder des Bundesrates an
Weisungen und Aufträge nicht gebunden sind. Bewusst
soll im Vermittlungsausschuss nicht entlang von Partei-
proporzen gearbeitet werden.

Sie weichen von diesen Grundsätzen, die wir uns alle
selbst gegeben haben, ohne erkennbaren Sinn ab. Ich
glaube, wir würden viel besser fahren, wenn wir im Ver-
mittlungsausschuss gemeinsam daran arbeiten würden,
vernünftige Gesetze durchzusetzen, statt Gesetze durch-
zupeitschen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Wolfgang Thierse


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Ich schließe die Aussprache.
    Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zur Ab-

    stimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU
    und der FDP zur Bestimmung des Verfahrens für die Be-
    rechnung der Stellenanteile der Fraktionen auf Drucksa-
    che 15/18. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
    dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stim-
    men von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die
    Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

    Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD
    und des Bündnisses 90/Die Grünen zur Bestimmung des
    Verfahrens für die Berechnung der Stellenanteile der Frak-
    tionen auf Drucksache 15/17. Wer stimmt für diesen An-
    trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag
    ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
    gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDPangenommen.

    Abstimmung über den interfraktionellen Antrag zur
    Einsetzung von Ausschüssen auf Drucksache 15/19. Wer
    stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
    Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen
    des ganzen Hauses angenommen.

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zur
    Fortsetzung der Aussprache zur Regierungs-
    erklärung des Bundeskanzlers

    Ich erinnere noch einmal daran, dass wir gestern für die
    heutige Aussprache neun Stunden beschlossen haben.

    Wir kommen zu den Themenbereichen Wirtschaft
    und Arbeit. Das Wort hat der Bundesminister für Wirt-
    schaft und Arbeit, Wolfgang Clement.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
    und Arbeit:

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
    ren! Lassen Sie mich zunächst sagen, dass ich mich sehr
    freue, dass ich ab heute die Möglichkeit habe, wenn auch
    ohne Mandat als Bundestagsabgeordneter, mit Ihnen zu
    diskutieren, zu debattieren, mich auseinander zu setzen
    und zu sprechen. Das Feld, auf dem ich mich in der nächs-

    ten Zeit zu tummeln beabsichtige, gehört sicherlich zu den
    wichtigsten Aufgabenfeldern, die wir gemeinsam zu be-
    ackern haben.

    Ich habe das Amt, das mir der Bundeskanzler angebo-
    ten hat, angenommen, weil ich mich der Aufgabe, für
    mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen, verpflich-
    tet fühle. Ich habe mich dieser Aufgabe verschrieben, weil
    ich sie schon in Nordrhein-Westfalen, einem wunderba-
    ren und dem größten Land der Bundesrepublik Deutsch-
    land – es ist nicht überall bekannt, dass das so ist –, wahr-
    genommen habe und sie jetzt in größerer Verantwortung
    für die Bundesrepublik wahrnehmen möchte.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sicher wird Sie, sofern Sie noch nicht oft in Nordrhein-
    Westfalen gewesen sind, mein Nachfolger gerne einladen
    und Ihnen das Ergebnis der Entwicklung dieses Landes
    von einem klassischen Industrieland hin zu einem Land
    der industriellen Dienstleistungen zeigen. Es wird be-
    stimmt sehr beeindruckend für Sie sein, das zu sehen.


    (Beifall bei der SPD)

    Sie können davon ausgehen, dass ich dieses Amt über-

    nommen und mein Herz über die Hürde geworfen habe,
    weil ich überzeugt bin, dass wir auf diesem Feld Erfolg
    haben müssen, Erfolg haben können und Erfolg haben
    werden.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na!)

    Die Lage ist nicht einfach. Aber ich denke, wir haben

    keinen Grund zur Schwarzmalerei. Um das einmal klar zu
    sagen: Die meisten Völker auf der Welt beneiden uns um
    die Probleme, die wir haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Die meisten Völker auf der Welt, all diejenigen, die uns na-
    tional wie international beobachten, bewundern die Leis-
    tung, die wir in Deutschland vollbringen, um unter schwie-
    rigen weltwirtschaftlichen Bedingungen die deutsche
    Einheit herzustellen, und zwar mit aller Kraft, die dazu
    nötig ist, und ohne irgendeinen Abstrich. Wir, das deut-
    sche Volk, die deutschen Unternehmen, die deutschen
    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, leisten zur Zu-
    sammenführung der beiden Teile Deutschlands mehr, als
    irgendwo sonst auf der Welt geleistet werden muss.

    Dies tun wir allerdings in einer Stimmungslage in Wirt-
    schaft und Gesellschaft, die – das ist meine Wahrneh-
    mung – durch hohe Unsicherheit gekennzeichnet ist. Hier
    spielen, wie schon oft gesagt, die Ereignisse des 11. Sep-
    tember 2001 wie auch andere geopolitische Risiken hi-
    nein. Sicherlich ist die Kriegsgefahr in Nahost eines der
    Hauptmomente, die die weltwirtschaftliche Stimmungs-
    lage nachteilig beeinflussen. Diese weltwirtschaftlichen
    Entwicklungen, mit denen wir es zu tun haben, wirken
    sich natürlich auch auf das deutsche Wirtschaftsgesche-
    hen aus. Dies zeigen der Kurssturz an den Börsen, die
    hartnäckige Bodenhaftung der Aktienkurse bei uns und all
    die Punkte, die auch gestern in den Debatten angespro-
    chen wurden.

    Rainer Funke




    Wolfgang Clement

    Hierzulande allerdings wird die Stimmungslage nach
    meinem persönlichen Eindruck noch zusätzlich belastet
    durch den bemerkenswerten Hang bei uns, die Welt grau
    in grau zu malen, durch eine Sorge um die Zukunft, die
    nicht begründet ist, wie ich empfinde, und gelegentlich
    sogar fast durch Zukunftspessimismus. Verstärkt wird all
    dies durch die Dauerdiskussion im politischen Raum, die
    sich – Sie erlauben, dass ich das sage; ich bin schließlich
    neu hier – nach meinem Eindruck nach der Wahl genauso
    anhört wie vor der Wahl und die damit nicht sehr viel wei-
    ter führt.

    Dies ist keine Kritik an der Kritik als solcher; es ist
    vielmehr eine Kritik an der Art, wie man Kritik übt, an ei-
    ner Kritik, die einzureißen droht und die keine sachliche
    Basis hat.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich will ein Beispiel nennen. Der Wirtschaftsprofessor
    Sinn erklärte, ohne auf irgendeine konkrete Einzelheit
    einzugehen, das Hartz-Konzept kürzlich für unseriös,
    nicht umsetzbar und jenseits von gut und böse. Er ist da-
    mit in Deutschland flächendeckend in die Schlagzeilen
    gekommen. Diese Art der Kritik kritisiere ich.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Majestätsbeleidigung!)


    Hier ist auch die unzutreffende Behauptung zu nen-
    nen, die in der letzten Legislaturperiode beschlossenen
    Steuerentlastungen für die Jahre 2004, 2005 ff. benach-
    teiligten den Mittelstand. Ich will einmal darauf hin-
    weisen, dass der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Herr
    Professor Wiegard – das Jahresgutachten ist ja mehrfach
    angesprochen worden –, kürzlich in der „Zeit“ deutlich
    gemacht hat, dass das letzte Jahresgutachten die These
    gründlich widerlegt hat, Personenunternehmen würden in
    Deutschland im Vergleich zu Kapitalgesellschaften steu-
    erlich benachteiligt. Sie sollten diese Behauptung verges-
    sen. Das war der Wahlkampf. Der ist vorbei.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, die uns vorliegenden ob-
    jektiven Daten in Deutschland zeigen, dass es uns nicht so
    schlecht geht, wie die Stimmung es vermuten lässt. Nach
    allen Prognosen, die uns vorliegen, werden wir im Verlauf
    des nächsten Jahres zu einer – natürlich noch zu schwa-
    chen –Wachstumsbelebung der Konjunktur kommen und
    damit zu etwas mehr Spielraum für mehr Beschäftigung
    und weniger Arbeitslosigkeit.

    Sie kennen das aktuelle Prognosespektrum für das
    Wirtschaftswachstum, das 2003 zwischen 1,4 Prozent –
    dies sagen einige Institute – und 1,7 Prozent – dies hat der
    IWF soeben gesagt – liegen wird. Die Herbstprojektion
    der Bundesregierung wird morgen im interministeriellen
    Arbeitskreis „Gesamtwirtschaftliche Vorausschätzun-
    gen“ abschließend erörtert. Ich stelle sicherlich keine
    allzu wagemutige Prognose, wenn ich sage, dass sich die
    Eckpunkte in dem genannten Spektrum bewegen wer-
    den. Das gilt auch für die erwartete Arbeitslosigkeit um
    4,1 Millionen. Die Prognosen besagen allerdings, dass
    sie im Verlauf des Jahres 2003 abnehmen wird. Um es

    klar zu sagen: Es geht zwar zu langsam, aber es geht ber-
    gauf.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)


    Ich finde die Bewertung, die der IWF gestern abgege-
    ben hat, bemerkenswert. Er hat über Deutschland nämlich
    gesagt, dass es sich in einem Zustand der zerbrechlichen
    Erholung befinde. Ich glaube, dass diese Bewertung rich-
    tig ist, und ich meine, dass wir in Deutschland in dieser
    Situation eine Allianz für Erneuerung brauchen, eine Al-
    lianz, die in unserer Gesellschaft eine stärkere Bereit-
    schaft zur Erneuerung in allen Teilen unserer Gesellschaft
    weckt und die in der Lage ist, eine Aufbruchstimmung
    zu entwickeln.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, wir müssen vermitteln – Sie
    als Opposition mögen sich da heraushalten –, dass Wandel
    Fortschritt und nicht Risiko ist und dass die soziale Verant-
    wortung Teil der Eigenverantwortung ist. Das ist bei uns
    zurzeit offensichtlich alles andere als selbstverständlich.

    Der französische Gesellschaftskritiker Frédéric
    Beigbeder hat in der Beobachtung des gesellschaftlichen
    Zustandes – nicht nur in Deutschland – kürzlich gesagt,
    dass heute die Nichtteilnahme das Entscheidende ist. Ich
    meine – damit knüpfe ich an das an, was der Bundes-
    kanzler gestern in der Regierungserklärung gesagt hat –,
    dass es gilt, diese Zeitströmung, wenn es sie denn gibt,
    umzudrehen. Das Entscheidende – vor allen Dingen in
    Deutschland – ist die Teilnahme.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Lammert [CDU/ CSU]: Die Arbeitslosen sind es auch!)


    Um es klar zu sagen: Deshalb werden wir auch im
    Kampf um Ausbildungs- und Arbeitsplätze jetzt in die
    Offensive gehen.


    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Deshalb werden wir versuchen, mit den Vorlagen, die aus
    dem Hartz-Konzept resultieren, an alle verantwortlichen
    Kräfte in der Gesellschaft zu gehen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Das sagt einer, der als Ministerpräsident gescheitert ist!)


    Deshalb werden wir mit dem Start am 13. November in
    Wolfsburg, dort, wo es nicht zuletzt durch den Einsatz von
    Herrn Hartz gelungen ist, die Arbeitslosigkeit zu halbie-
    ren, ein Signal setzen mit der Bitte, mit der Aufforderung
    und dem Appell an alle, die in unserer Gesellschaft Ver-
    antwortung tragen – auf der kommunalen Ebene, auf der
    Länderebene, in den Verwaltungen, in den Betrieben, in
    den Betriebsräten sowie in allen Organisationen und Insti-
    tutionen –, sich in den Kampf um Arbeits- und Ausbil-
    dungsplätze einzuschalten und nicht eine Politik zu betrei-
    ben, die sich darin erschöpft, die Arbeitslosenstatistiken
    vorzulesen. Damit muss Schluss sein. Es ist meine Haupt-
    aufgabe, dazu beizutragen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    178


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Ich kann nur vor der Hoffnung warnen, irgendjemand
    würde bei dieser Diskussion ausgespart. Wir werden alle
    gesellschaftlichen Gruppen ansprechen. Die Parteien mö-
    gen sich verhalten, wie sie sich verhalten wollen. Ich
    werde es jedenfalls nicht zulassen, dass diese Politik mit
    irgendwelchen oberflächlichen Handbewegungen und
    mit genereller Polemik untergraben und abgebremst wird.
    Wir müssen die Menschen wieder erreichen, wir dürfen
    nicht nur die Statistiken im Auge haben und wir müssen
    es schaffen, dass das Problem der Arbeitslosigkeit von al-
    len angegangen wird.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das Hartz-Konzept ist ja von allen gesellschaftlichen
    Gruppen unterschrieben worden. Es ist ein seit 20 Jahren
    einmaliger Vorgang, dass es gelungen ist, das Lager- und
    Interessendenken in diesem Feld des Arbeitsmarktes zu
    überwinden. Ich erinnere daran, dass Hartz und seine
    Kommission in ihrem Papier – in einer Arbeit, die wirk-
    lich bahnbrechend ist und Dank verdient – die „Profis der
    Nation“ angesprochen haben. Das sind über sechs Milli-
    onen Menschen, die aus ihren beruflichen, politischen und
    administrativen Funktionen heraus dazu beitragen können,
    die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dies muss durch ganz
    konkretes Handeln geschehen, beispielsweise indem man
    sich um einen Ausbildungsplatz in seinem eigenen Umfeld
    bemüht. Ich appelliere von hier aus an diejenigen, die sich
    als Profis der Nation verstehen, an die Mutmacher in un-
    serem Land, nicht die Miesmacher, mit anzupacken, damit
    wir diese gesellschaftliche Aufgabe bewältigen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Leitidee dessen, worum es auf dem Arbeitsmarkt
    geht, ist klar. Es geht darum, Eigenaktivitäten auszulösen
    und dafür Sicherheit einzulösen. Im Zentrum muss natür-
    lich die eigene Integrationsleistung des oder der Arbeitslo-
    sen stehen, das Bemühen um eine Beschäftigung, die An-
    nahme einer angebotenen Beschäftigung, die Bereitschaft,
    eine Zeitarbeit zu übernehmen, die Teilnahme an Weiter-
    qualifizierungen. Dies alles wird gestützt und abgesichert
    durch Dienstleistungs- und Förderangebote, durch Bera-
    tung, durch Betreuung, durch materielle Absicherung. Es
    gilt, das, was gesagt worden ist, aus der Phrase in die Pra-
    xis umzusetzen, das Prinzip des Förderns und des For-
    derns. Initiative wird belohnt, Passivität wird und kann
    von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn uns das gelingt, was der Grundgedanke des
    Hartz-Konzeptes ist – es wird bisher immer viel zu ober-
    flächlich beurteilt;


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie sind doch der Oberflächlichste!)


    ich hoffe, diese vorsichtige Bemerkung ist mir erlaubt, ich
    habe mich vor Kurzem etwas gröber geäußert, ich bitte
    dafür um Entschuldigung, aber ich meine immer das
    Gleiche


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Was haben Sie denn konkret gesagt?)


    – ich bin sicher, Sie werden dabei mitmachen, Herr
    Glos –, dann werden wir nicht nur die Arbeitsvermitt-
    lung, sondern auch die Arbeitsmarktstruktur revolutio-
    nieren. Deshalb ist es Unsinn, zu schreiben, das, worum
    es Hartz gehe, sei ein dritter Arbeitsmarkt oder Ähnli-
    ches. Wenn wir vom Dienstleistungsstandort sprechen,
    dann geht es natürlich um den ersten Arbeitsmarkt in
    Deutschland. Dort hinein müssen die Arbeitslosen ge-
    bracht werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ein Erfolg des Konzeptes, um den wir uns bemühen
    werden, wird nicht nur die Arbeitslosigkeit reduzieren.
    Wenn wir es wirklich gemeinsam anpacken, dann wird
    über diesen Prozess auch die Gesellschaft wieder enger
    zusammenrücken, dann werden – um das klar zu sagen –
    Outsider zu Insidern,


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Kommen Sie zur Sache, Herr Landtagsabgeordneter!)


    dann wird die Teilnahme am Arbeitsmarkt honoriert und
    nicht die Alimentierung von Arbeitslosen finanziert. Das
    ist ein Stück mehr soziale Teilhabe und spart öffentliche
    Mittel, weil unterstützte Menschen in Arbeit weniger Zu-
    schüsse als Arbeitslose benötigen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was haben Sie die letzten vier Jahre gemacht?)


    Hier liegt mittelfristig ein erhebliches Einspar- und
    Konsolidierungspotenzial. Dieses Potenzial, Herr Glos,
    gibt mittelfristig Raum für eine Senkung der Beitrags-
    sätze zur Arbeitslosenversicherung und damit zur Sen-
    kung der Lohnnebenkosten.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist so wahr wie alles andere! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist das Wetter heute?)


    – Sind Sie aus Bayern?

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Jawohl, Herr Landtagsabgeordneter!)

    Wir werden mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes

    sofort beginnen. Bereits morgen werden der Bundes-
    finanzminister und ich gemeinsam mit der Kreditanstalt
    für Wiederaufbau ein neues Programm, Kapital fürArbeit,
    bisher unter dem Namen Job-Floater bekannt, auf den
    Weg bringen. Dieses Programm gibt namentlich mittel-
    ständischen Unternehmen Anreize, bisher nicht Erwerb-
    stätige einzustellen. Pro eingestellten Arbeitslosen erhält
    das Unternehmen Mittel in einer Größenordnung bis zu
    100 000 Euro, von denen 50 000 Euro zur Stärkung der
    Eigenkapitaldecke von kleinen und mittleren Unterneh-
    men genutzt werden können.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Dies ist das erste Angebot, mit dem wir das, was die
    Hartz-Kommission erarbeitet hat, in die Tat umsetzen,
    und zwar 1 : 1. Die gesetzgeberischen Umsetzungsschritte
    müssen – das ist meine Bitte an das Hohe Haus, das wird
    auch meine Bitte an den Bundesrat sein – unverzüglich

    Wolfgang Clement




    Wolfgang Clement
    folgen. All diejenigen, die sich für den Arbeitsmarkt in
    Deutschland verantwortlich oder mitverantwortlich füh-
    len, sind gebeten, darauf hinzuwirken, dass die Gesetzge-
    bung so rasch als möglich erfolgen kann, damit eine Ab-
    senkung der Arbeitslosigkeit gelingt.

    Worum es geht, ist, Jobcenter einzurichten, die eine
    einheitliche Anlaufstation für alle arbeitsfähigen Perso-
    nen und stärker als bisher auch Dienstleister für Unter-
    nehmen sein werden.

    Worum es geht, ist die Förderung von Zeit- und Leih-
    arbeit in Deutschland durch den flächendeckenden Auf-
    bau von Personalserviceagenturen für eine vermitt-
    lungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung. Dies ist eines
    der wichtigsten Instrumente, das die Hartz-Kommission
    erarbeitet hat, um den deutschen Arbeitsmarkt in Ordnung
    zu bringen.

    Es ist nicht zu übersehen, dass die Bundesrepublik hin-
    sichtlich des Umfangs der Zeit- und Leiharbeit hinter allen
    anderen hoch entwickelten Volkswirtschaften zurückliegt.
    Diesen Rückstand müssen wir aufholen. Der Vorschlag der
    Hartz-Kommission bietet dafür eine hervorragende Vor-
    lage.

    Es muss und es wird uns gelingen, das, was an Zeit-
    und Leiharbeit in Deutschland nach meinem Eindruck ge-
    wissermaßen in der Schmuddelecke steht, aus dieser Ecke
    herauszuholen.


    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Dies wird uns gemeinsam mit den Arbeitgebern und den
    Gewerkschaften gelingen. Daran arbeiten wir und dafür
    werden wir einen gemeinsamen Vorschlag erarbeiten.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dies wird gelingen, indem wir für entliehene Arbeitneh-
    mer beim entleihenden Unternehmen – –


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie sind doch auch entliehen! Sie sind doch aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen entliehen!)


    – Wenn Sie ein Interesse an Sachfragen haben, Herr Glos,
    dann halten Sie sich jetzt zurück. Hören Sie einfach zu
    und beschäftigen Sie sich anschließend mit dieser Frage!
    Das ist besser, als dauernd dazwischenzureden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich bin dabei, wichtige Sachfragen zu erörtern. Sie sollten
    sich das einfach zu Gemüte führen. So viel Ruhe werden
    Sie wohl aufbringen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Majestätsbeleidigung!)


    Wir werden es schaffen, die Zeit- und Leiharbeit in
    Deutschland aus der Schmuddelecke herauszuholen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sie Leiharbeiter!)

    Wir werden dies schaffen, wenn wir den entliehenen

    Arbeitnehmern in dem übernehmenden wie auch im ent-

    leihenden Unternehmen eine Sicherheit für Lohn- und
    Arbeitszeit bieten, wenn wir das Prinzip des Equal Pay auf
    diesen beiden Feldern vorsehen und eine tarifliche Si-
    cherheit bieten.

    Wenn wir dies umsetzen – ich gehe davon aus, dass wir
    dafür die Zustimmung von Arbeitgebern wie Arbeitneh-
    mern finden –, dann können wir alle einschränkenden Re-
    gulierungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, die
    es mit dem Synchronisationsverbot, dem besonderen Be-
    fristungsverbot, dem Wiedereinstellungsverbot und dem
    Abwerbeverbot heute noch gibt, streichen. Damit können
    wir die Bürokratisierung und Überregulierung in diesem
    Sektor beenden und in einen Prozess eintreten, in dessen
    Verlauf wir in einem nennenswerten Umfang Leih- und
    Zeitarbeit in Deutschland schaffen können.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Des Weiteren wird der Vermittlungsprozess von Ar-
    beitslosen in den Arbeitsmarkt beschleunigt, indem die
    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die von Kündi-
    gung bedroht sind oder diese bereits erhalten haben, auf-
    gefordert werden, sich umgehend der Arbeitsvermittlung
    zur Verfügung zu stellen. Wir werden die Arbeitgeber an-
    halten, den gekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
    nehmern ausreichend Zeit für die Arbeitsuche zur Ver-
    fügung zu stellen, damit sie so rasch wie möglich gelingt.

    Wir werden die Regeln der Zumutbarkeit neu inter-
    pretieren. Insbesondere junge und ledige Arbeitnehmerin-
    nen und Arbeitnehmer sind aufgefordert, einen Ausbil-
    dungs- oder Arbeitsplatz unabhängig davon anzunehmen,
    wo er angeboten wird. Wir werden die berufliche Weiter-
    bildung neu ausrichten, insbesondere durch die Verbes-
    serung des Wettbewerbs unter den Dienstleistern der Ar-
    beitsförderung.

    Wir werden uns besonders um die älteren Arbeitneh-
    merinnen und Arbeitnehmer kümmern und sie durch eine
    Lohnversicherung und eine Erleichterung hinsichtlich der
    bisherigen Regelungen der befristeten Beschäftigung för-
    dern.

    Wir werden des Weiteren Mini-Jobs in Privathaus-
    halten fördern. Wir arbeiten derzeit zusammen mit dem
    Bundesfinanzminister an der Ausgestaltung einer entspre-
    chenden steuerlichen Förderung. Wir werden durch die
    Erhöhung der Verdienstgrenze auf 500 Euro im Bereich
    der haushaltsnahen Dienstleistungen zusätzliche Marktpo-
    tenziale für die in diesem Bereich bereits tätigen Unter-
    nehmen, aber auch für Newcomer, zur Verfügung stellen.

    Wir sehen nicht zuletzt ein etwas unterschätztes In-
    strument vor, nämlich die Erleichterung des Starts in die
    Selbstständigkeit durch die so genannten Ich-AGs oder
    Familien-AGs. In diesem Zusammenhang sind wir mit
    dem Bundesfinanzminister dabei, das Steuerrecht für
    Kleinstunternehmer zu überprüfen mit dem Ziel, es so un-
    bürokratisch wie möglich zu gestalten, um gewissermaßen
    vom Start an ohne bürokratische Belastungen dem Grün-
    der oder der Gründerin einer Ich-AG oder einer Familien-
    AG einen Spielraum zu bieten.

    Wir werden auf all diesen Feldern alle Regulierungen
    abbauen, die bürokratisch bzw. überflüssig sind. Ich sage


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    180


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    dies ausdrücklich auch mit Blick auf das Handwerk und
    die Handwerksordnung. Als jemand, der zu denjenigen
    gehört, die die Kammerorganisation im Industrie- und
    Handelskammerbereich genauso wie im Handwerksbe-
    reich ernst nehmen, sage ich: Wir brauchen mehr Flexibi-
    lität im Handwerksrecht; denn sie ist notwendig, damit
    wir den Gründerinnen und Gründern, die aus der Arbeits-
    losigkeit kommen und eine Ich-AG aufbauen wollen,
    ohne Behinderung durch die Handwerksordnung den not-
    wendigen Spielraum für ihre berufliche Selbstständigkeit
    geben können.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich bitte das Handwerk schon jetzt um Verständnis für
    diese Maßnahme und um Mitwirkung.

    Nach der Vorlage des Berichts der Kommission zur Re-
    form der Gemeindefinanzen beim Bundesfinanzminister
    werden wir endgültig die im Hartz-Konzept – auf das stüt-
    zen wir uns – vorgesehenen Voraussetzungen für die Zu-
    sammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
    schaffen. Das Ziel dieser Maßnahme ist völlig klar – wir
    werden es voraussichtlich zum 1. Januar 2004 erreichen –:
    Wir werden auf diese Weise ineffektive und unbegründ-
    bare Doppelstrukturen und Verschiebebahnhöfe endgültig
    beseitigen sowie eine neue, einheitliche Leistung für alle
    erwerbsfähigen Menschen einführen. Dieses so genannte
    Arbeitslosengeld II muss materiell zwischen der bisheri-
    gen Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe angesiedelt sein.

    Es ist klar, dass auch die Anrechnungsmodi etwa für
    Vermögen oder für das Einkommen des Partners – ich
    nehme damit Bezug auf einige Pressemeldungen, die ich
    heute gelesen habe – entsprechend angepasst werden
    müssen. Um allen Horrormeldungen und Sorgen schon
    vorab entgegenzutreten, versichere ich: Niemand wird
    durch die geplanten Veränderungen aus der bisherigen Ar-
    beitslosenhilfe in die Sozialhilfe abgedrängt werden. Nie-
    mand wird auf Sozialhilfe angewiesen sein! Wir werden
    dafür die notwendigen Vorkehrungen treffen. Aber wir
    müssen den bisherigen sachlich nicht begründbaren Wi-
    derspruch zwischen der Behandlung arbeitsfähiger So-
    zialhilfeempfänger und der von Arbeitslosenhilfeempfän-
    gern überwinden. Darauf zielt einer der Vorschläge der
    Hartz-Kommission ab. Er ist vernünftig und liegt dem zu-
    grunde, was wir als Arbeitslosengeld II bezeichnen. Wir
    werden diesen Vorschlag in die Tat umsetzen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich vermute, dass auf diesem Feld eine der wichtigsten
    Aufgaben liegt.

    Wir werden mit all dem, was ich hier darzustellen ver-
    suche – es gibt sicherlich noch einige Aspekte, die über
    die von mir angesprochene Fragestellung hinaus gehen –,
    einen erheblichen Beitrag zur Konsolidierung des Haus-
    halts der Bundesanstalt für Arbeit genauso wie der Ar-
    beitslosenversicherung leisten. Dies muss und wird ge-
    schehen. Wir werden insbesondere durch die rasche
    Realisierung dessen, was an praktischen und konkreten
    Maßnahmen im Hartz-Konzept vorgesehen ist, erhebliche
    Entlastungen bei der Arbeitslosenversicherung und der

    Bundesanstalt für Arbeit bewirken. Das ist die Aufgabe
    und das Ziel. Ich stütze mich bei all dem, was das Hartz-
    Konzept betrifft, auf die Vorarbeiten, die mein Kollege
    Walter Riester und das bisherige Ministerium für Arbeit
    und Sozialordnung geleistet haben. Ich habe hohen Res-
    pekt vor dieser Arbeit. Ich bin in diese Arbeit eingestiegen
    und werde sie mit voller Kraft verwirklichen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts – um das gleich
    deutlich zu sagen – ist die wichtigste Aufgabe im Kampf
    gegen die Arbeitslosigkeit, die wir jetzt zu lösen haben.
    Ich lese immer wieder, dass das noch nicht ausreiche. Ich
    warte interessiert und gespannt auf die Beiträge zur Rea-
    lisierung des Hartz-Konzepts, die sicherlich von allen Sei-
    ten kommen werden. Es werden gewaltige Schritte sein,
    die tiefer gehen werden, als die meisten öffentlichen Dis-
    kussionen bisher erkennen lassen.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Vor allem müssen Arbeitsplätze da sein!)


    Ich werde auch im Bundesrat mit jedem einzelnen meiner
    bisherigen Kollegen Ministerpräsidenten öffentlich de-
    battieren. Meine Bitte ist, dass jeder und jede mitmacht
    und dass sich niemand dem entzieht. Niemand hat nach
    meinem Verständnis das Recht, sich aus der Lösung der
    von mir skizzierten Hauptaufgabe herauszustehlen. Dies
    werde ich jedenfalls nicht hinnehmen. Ich werde jeden zur
    Diskussion zwingen. Ich bin jetzt alt genug, um meine
    Zeit darauf zu konzentrieren.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts ist das Wichtigste,
    was wir jetzt anpacken werden. Es ist aber natürlich nur
    ein Baustein in der gesamten Wirtschaftspolitik, die wir in
    der vor uns liegenden Zeit machen werden. Der zweite
    Schwerpunkt – ich muss mich in meiner Rede auf
    Schwerpunkte beschränken – konzentriert sich auf den
    Mittelstand. Das Klima für den Mittelstand, für kleine
    und mittlere Unternehmen in Deutschland, ist offensicht-
    licher rauer geworden.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Ja! Denken Sie mal darüber nach, warum!)


    Dabei spielt nicht Ihre Polemik, sondern der konjunkturelle
    Gegenwind, der den Absatz beeinträchtigt, eine Rolle. Die
    Konsolidierung, die viele Großunternehmen aus Gründen
    der internationalen Wettbewerbsfähigkeit vornehmen,
    dünnt bestehende Lieferverbindungen für kleine und mitt-
    lere Unternehmen aus. Gleichzeitig gibt es zunehmende
    Probleme bei der Finanzierung und es gibt, gerade für
    kleine und mittlere Unternehmen, zweifellos auch eine zu
    hohe bürokratische Belastung.

    Die Großbanken sind nach wie vor, ganz vorsichtig ge-
    sagt, zögerlich mit der Kreditvergabe an kleine und mitt-
    lere Unternehmen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Ich sage nur: Westdeutsche Landesbank!)


    Die Klärung der Finanzfragen ist überlebenswichtig für den
    Mittelstand. Wir sehen darin eine unserer Hauptaufgaben.

    Wolfgang Clement




    Wolfgang Clement
    Ich sehe darin eine meiner Hauptaufgaben und ich fühle
    mich in der Verantwortung, zu einer ausreichenden Fi-
    nanzierung des Mittelstands beizutragen.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich kann jetzt nur einige Einzelmaßnahmen nennen,

    meine Damen und Herren. Ich nenne die Unterstützung
    der Hausbanken durch eine teilweise Haftungsentlastung
    und durch bessere Anreize zur Durchleitung von Förder-
    krediten, damit die Hausbanken ihre Aufgabe, den Mittel-
    stand ausreichend mit Krediten zu versorgen, besser
    wahrnehmen können. Ich nenne die Zusammenlegung der
    Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Aus-
    gleichsbank, die der Bundesfinanzminister und ich ge-
    meinsam in aller Kürze vornehmen werden. Dort werden
    wir die Förderprogramme für den Mittelstand bündeln
    und straffen und durch eine Mittelstandsbank des Bundes
    den Mittelstand maßgeblich und wesentlich unterstützen.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich nenne eine Öffnung des EKH-Programms mit
    staatlichem Risikokapital, das bisher auf Gründerinnen
    und Gründer konzentriert ist und das wir für kleinere Mit-
    telständler in reiferen Unternehmensphasen öffnen soll-
    ten, um insbesondere so genannte Sprunginvestitionen
    möglich zu machen und zu fördern. Ich nenne die Nut-
    zung der Erfahrungen, die wir mit den Beteiligungskapi-
    talmodellen von KfW und DtA haben, um anlagebereites
    privates Kapital auch dem breiten Mittelstand über spezi-
    elle Fonds zur Verfügung zu stellen. Oder ich nenne das
    Beteiligungskapitalprogramm der BTU, mit dem wir in-
    novative Gründungen auf den Weg bringen und Instru-
    mente zur Anschlussfinanzierung entwickeln müssen.

    Auch die Außenwirtschaftsförderung werden wir
    insbesondere zugunsten des Mittelstandes, der kleinen
    und mittleren Unternehmen, nutzen. Das Auslandsge-
    schäft wird auch für den Mittelstand in Deutschland im-
    mer wichtiger. Jedes dritte mittelständische Unternehmen
    bei uns ist im Auslandsgeschäft aktiv. Wir haben gute
    Chancen für eine Ausweitung des Auslandsengagements
    in den nächsten Jahren. Diese Chancen ergeben sich aus
    der Einführung des Euro, mit dem Wechselkursrisiken im
    Euro-Raum weggefallen sind, was den Handelsaustausch
    und Investitionen in anderen Euro-Staaten erleichtert. Ich
    nenne die Erweiterung der Europäischen Union, für die
    jetzt die Tür geöffnet worden ist und mit der sich zahlrei-
    che neue Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten bie-
    ten werden.

    Um dem Mittelstand die Nutzung seiner Chancen im
    Globalisierungsprozess und im erweiterten europäischen
    Binnenmarkt zu erleichtern, werden wir Instrumente der
    Außenwirtschaftsförderung noch stärker auf den Mittel-
    stand ausrichten, zum Beispiel bei der Abwicklung der
    Zollverfahren, zum Beispiel bei der Beratung durch die
    Außenhandelskammern, zum Beispiel durch die Aus-
    landsmesseförderung und selbstverständlich durch Her-
    mes-Exportbürgschaften und durch Investitionsgarantien.

    Wir bereiten zudem eine umfassende Initiative „Inno-
    vation und Zukunftstechnologien im Mittelstand“ vor, die
    die Innovationskomponente der kleinen und mittleren

    Unternehmen stärken wird. Das ist überaus wichtig. Un-
    ser Ehrgeiz muss sein, dass wir auf den Feldern, die für
    den Weltmarkt der Zukunft entscheidend sein werden
    – das sind die Kommunikationsbranche, die Biotechnolo-
    gie, die Medizintechnologie, die Energietechnologie, die
    Verkehrstechnologie, die Mikrostruktur- und Mikrosys-
    temtechnologie –, in Deutschland auf Platz 1 kommen.
    Wir sind auf etlichen dieser Felder auf einem sehr guten
    Weg und wir werden diesen Weg fortsetzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Weil Investitionen der Humus für künftige Innovatio-
    nen und Wachstumsimpulse sind, werden wir gerade in
    den neuen Ländern die Investitionsförderung auf hohem
    Niveau fortführen. Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-
    rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bleibt Eckpfeiler
    der Investitionsförderung in den neuen Ländern. Die
    Mittel des Investitionsfördergesetzes werden wir zur Er-
    leichterung auch der kommunalen Investitionen weiterhin
    ungebunden zur Verfügung stellen.

    Ich gehe davon aus – wir haben guten Grund, davon aus-
    zugehen, denn wir haben dies so vorgesehen –, dass die er-
    folgreiche Umsetzung des Hartz-Konzepts, die ja bedeutet,
    dass arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger aus der Sozialhilfe
    in die Arbeitsvermittlung kommen, weitere kommunale
    Mittel für Investitionen freistellt und dass diese kommuna-
    len Mittel tatsächlich für Investitionen genutzt werden.

    Hinzu kommt, dass wir mit einem Masterplan Büro-
    kratieabbau wuchernde Bürokratie und Verwaltungs-
    überbau zurückschneiden müssen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Das ist eine wichtige Aufgabe, um so die Arbeit der kleinen
    und mittleren Unternehmen in unserem Land zu fördern.
    Der Mittelstand muss Kraft und Energie in die Erschließung
    neuer Märkte, in die Entwicklung neuer Produkte und in die
    Schaffung neuer Arbeitsplätze stecken, statt sie in Ämtern
    und bürokratischen Prozeduren zu verplempern. Wir wer-
    den dazu innerhalb der Landesregierung auf allen Feldern
    die Initiative ergreifen.


    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: „Der Landesregierung“?)


    – Der Bundesregierung. Ich bitte um Entschuldigung. Sie
    werden mir das sicherlich nachsehen. Ich bin diesem wun-
    derbaren Amt des Ministerpräsidenten noch etwas verhaftet.
    Zumindest Einzelne unter Ihnen werden Verständnis dafür
    haben. Einige sollen sich ja auch schon einmal um ein sol-
    ches Amt bemüht haben. Ich habe es jetzt aber abgegeben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich selbst werde jeden Vorschlag zum Bürokratieabbau
    prüfen, der mir genannt wird. Ich werde für die Mitarbei-
    terinnen und Mitarbeiter jedenfalls des Bereichs, für den
    ich jetzt Verantwortung trage, Boni aussetzen, um um-
    setzbare Vorschläge zum Bürokratieabbau, zum Abbau
    überflüssiger Regularien und Bürokratien zu erhalten und
    durchzusetzen.


    (Beifall bei der SPD)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    182


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich eine ganz
    klammheimliche Sympathie, Herr Bundeskanzler, für ei-
    nen Vorschlag habe, den Helmut Schmidt kürzlich ge-
    macht hat, nämlich die verfassungsrechtliche Grenze für
    innovative Experimente in den Ländern zu öffnen und
    eine Experimentier- und Innovationsklausel für die neuen
    Länder ins Grundgesetz zu übernehmen. Ich sage dies
    sehr vorsichtig. Wir haben auf der Landesebene – das ist
    im Moment die letzte Bemerkung als Ministerpräsident –
    solche Experimentierklauseln für die kommunale Ebene
    geschaffen. Nach unserer Erfahrung bewähren sie sich
    sehr. Davon wird sehr sorgfältig Gebrauch gemacht. Es ist
    ein Instrument, um Kräfte freizusetzen. Auf diese Weise
    könnte man für eine überschaubare Zeit gesonderte ge-
    setzliche Regelungen in einem Land oder auch in mehre-
    ren Ländern zulassen. Wir können daraus für weitere Pro-
    zeduren lernen; denn wir müssen den Prozess der
    Überwindung von Überbürokratie in Deutschland wirk-
    lich mit neuen Ideen voranbringen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Der Wettbewerb der Ideen ist eröffnet, auch auf diesem
    Feld. Wir sollten uns nicht allzu lange mit Einzeldiskus-
    sionen aufhalten, weil uns die Zeit davonläuft. An der Al-
    lianz für Erneuerung teilzunehmen heißt auch, Neues zu
    probieren. Nein gesagt worden ist jetzt genug in Deutsch-
    land. Jetzt muss auf diesem Feld im Sinne dessen, was der
    Bundeskanzler gestern deutlich gemacht hat, gesagt wer-
    den, was geht. Wir werden sagen, was geht, und das wer-
    den wir realisieren.


    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Was geht, ist beispielsweise zum Thema Bürokratieab-
    bau eine Vereinheitlichung von Bescheinigungen im Ar-
    beits- und Sozialbereich. Was geht, ist eine stärkere Nut-
    zung der elektronischen Datenübermittlung, insbesondere
    zur zentralen Speicherung von Arbeitsbescheinigungen
    durch die Einführung einer Jobcard. Was geht, ist die Ver-
    einheitlichung von Fristen und ist die Anhebung von
    Grenzen für die Buchführungspflicht im Steuerrecht. Was
    geht, ist eine deutliche Reduzierung statistischer Melde-
    pflichten, insbesondere durch eine stärkere Nutzung vor-
    handener Verwaltungsdaten. Das haben wir uns vorge-
    nommen. Was geht, ist die flächendeckende Einführung
    einer einheitlichen Wirtschaftsnummer unmittelbar nach
    erfolgreichem Abschluss der Erprobung. All dies müssen
    und werden wir jetzt in die Tat umsetzen


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Donnerwetter!)

    und damit neue Kräfte freisetzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Die Umsetzung des Hartz-Konzepts und die Mittel-
    standsinitiative werden in ein wirtschaftspolitisches Ge-
    samtkonzept für mehr Wachstum und mehr Beschäf-
    tigung eingebettet sein. Sie werden in eine flexible
    Konsolidierungspolitik für die öffentlichen Finanzen
    eingebettet sein, die den dringend notwendigen Schul-
    denabbau mit bevorstehenden weiteren Steuerentlastun-
    gen in den Jahren 2004 und 2005 für Unternehmen und
    Bürger, aber auch mit verstärkten Zukunftsinvestitionen
    für Infrastruktur, für Bildung, für Forschung und für Fa-

    milie verbindet – so wie wir es im Koalitionsvertrag vor-
    gesehen haben. Sie sollten in eine Tarifpolitik eingebun-
    den sein, die die Arbeitsmarktlage berücksichtigt und
    – wie es bereits in Tarifverträgen geschieht, jedenfalls in
    all denen, die ich kenne – die flexible Regelungen zuguns-
    ten betrieblicher Lösungen zulässt. Sie sollten in eine
    Geldpolitik eingebettet sein, die sich am Stabilitätsziel
    orientiert und dabei ihre Möglichkeiten zur Förderung
    von Wachstum und Beschäftigung nutzt.

    Sie sollte und wird eingebunden sein in weitere – ich
    füge ausdrücklich hinzu: überlegte – Fortschritte bei der
    Öffnung der Telekommunikations-, der Post-, der Energie-
    und der Bahnmärkte. Sie wird eingebunden sein in eine
    stärkere Berücksichtigung industrieller Interessen in Brüs-
    sel. Ich denke dabei etwa an die Chemikaliensicherheit und
    anderes. Außerdem sollte sie in die Beschleunigung des
    Strukturwandels hin zur Entwicklung der Informationsge-
    sellschaft in unserem Land eingebunden sein. Ich verweise
    in diesem Zusammenhang beispielsweise auf das neue Pro-
    gramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“.

    Es ist mir ein wichtiges Anliegen, ein in der Bundesre-
    publik Deutschland verbreitetes Unsicherheitsgefühl zu
    überwinden: die Neigung zum Pessimismus, die Neigung
    dazu, grau in grau zu malen.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei der Regierung kein Wunder!)


    Das mögen Sie, die Abgeordneten der Opposition, jetzt
    halten, wie Sie es für richtig halten. Wir dürfen nicht zu-
    lassen, dass sich in Deutschland eine Grau-in-grau-Stim-
    mungslage verbreitet.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Ich jedenfalls werde meine Kraft dazu einsetzen. Um dieser
    Stimmungslage entgegenzuwirken, brauchen wir selbstver-
    ständlich konkrete Maßnahmen. Ich habe Ihnen heute
    eine Reihe von konkreten Maßnahmen genannt. Es han-
    delte sich um diejenigen Maßnahmen, die wir als erste an-
    packen werden.

    Um unsere Ziele zu erreichen, brauchen wir auch ein
    bisschen mehr Mut und ein bisschen mehr Zuversicht in
    die Zukunft; deshalb ist das, was ich als „Allianz für
    Erneuerung“ bezeichne, so wichtig. Mir ist es wichtig,
    dass die „Allianz für Erneuerung“ gerade auf dem Feld in
    Gang kommt, das uns und mir am Herzen liegt, nämlich
    auf dem Arbeitsmarkt. Der Verbesserung der Situation auf
    dem Arbeitsmarkt werden wir uns ab sofort mit noch mehr
    Kraft widmen. Ich bin überzeugt: Wir können und wir
    werden Erfolg auf diesem Felde haben, wenn wir es ge-
    meinsam anpacken. Das zu tun ist meine Bitte an alle. Ich
    setze auf den Willen zum Erfolg.

    Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)