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ID1500412100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()



    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
    ren! Ich begreife Kultur als ein Regelwerk des Füreinan-
    ders und des Miteinanders. Sie umgrenzt das Feld der
    Auseinandersetzung einer Gesellschaft mit ihren Tradi-
    tionen und Wurzeln, ihren Werten, ihren Zielen, ihren
    Konflikten und natürlich ihren Visionen, den zukünftigen
    Pfaden der Entwicklung. Kultur prägt die Lebensent-
    würfe der Individuen und bildet zugleich den Nährboden
    ihrer Realisierung. Sie umfasst außerdem das Selbstbe-
    wusstsein einer Gesellschaft und eines Staates. Sie defi-
    niert die Verhältnisse des Umgangs miteinander sowie die
    von Gerechtigkeit und Verantwortung.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wenn der Staat die Kultur vernachlässigt, dann vergeht
    er sich an seiner eigenen Zukunft; denn er nimmt sich die
    kreative Kraft der Visionen, der Utopien. Ich zögere nicht,
    diese großen Begriffe hier einzuführen. Verstehen Sie
    mich bitte nicht falsch: Es geht mir nicht primär – jeden-
    falls nicht heute – um die Frage des Geldbetrages, den die
    öffentliche Hand für die Kultur aufbringt, auch wenn ich
    gleich zu Beginn meiner Amtszeit durchaus mit fiskali-
    schen Dingen konfrontiert war. Es geht mir heute viel-
    mehr um die Haltung gegenüber den Künsten, um die
    Wertschätzung dessen, was Künstlerinnen und Künstler
    zum Gemeinwohl beitragen.


    (Beifall bei der SPD)

    Die Künste sind ein Spezialfall der Kultur, das Kraft-

    feld der Kreativität in einer Kultur. In der Begegnung mit
    den Künsten lernen wir, unsere Subjektivität, das heißt
    unsere innere Vielfalt, unsere geistige Unabhängigkeit auf
    der Basis der Gewissheit kultureller Identität, auszuprä-
    gen. Die Künste erschließen Grundlegendes, aber nicht
    Selbstverständliches. Sie trainieren die Wahrnehmungs-
    fähigkeit, sie schulen die emotionale Intelligenz ebenso
    wie das Vermögen, über plurale Weltsichten nachzuden-
    ken. Künstler erkunden Grenzbereiche, sie zeigen Gren-
    zen auf und überschreiten sie zugleich. Die Ergebnisse
    dieser Grundlagenforschung präsentieren sie als ein An-
    gebot an die Sinne, ein Angebot, das im Übrigen bei je-
    dem Wahrnehmungsakt neu und anders ergriffen werden
    kann.

    Kunst stellt immer wieder neue Beziehungen her zwi-
    schen Optionen der Wahrnehmung und Formen der Reak-
    tion. Die Künste ermöglichen und erfordern auf diese
    Weise eine Art von Kommunikation, wie sie für unsere
    Gesellschaft einmalig ist. Diese Art von Kommunikation
    eröffnet uns neue Denkräume, neue Erfahrungsmöglich-
    keiten. Kunst ist das Labor für die Energien der Fantasie,
    des freien, sich selbst reflektierenden Denkens. Das Re-
    gelwerk des Miteinanders, meine Damen und Herren,
    gründet sich nicht zuletzt auf dieses Denken.


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    150


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Nun bin ich nicht nur die Beauftragte der Bundesre-
    gierung für Kultur, sondern auch für Medien. Hier soll
    eine Anmerkung genügen: Die Medien nehmen innerhalb
    des eben skizzierten Kontextes eine Doppelstellung ein.
    Sie sind einerseits Teil der Kultur, auch in dem Sinne, dass
    sie wesentlich zur Ausbildung von Subjektivität beitra-
    gen, andererseits vermitteln sie Ausprägungen von Kul-
    tur. Damit ist eines der Spannungsfelder benannt, inner-
    halb dessen wir uns mit den Medien und damit natürlich
    mit uns selbst auseinander setzen müssen.

    Was folgt aus diesen Überlegungen für mein Amtsver-
    ständnis? Ich möchte es so beschreiben: Regelwerke,
    nicht nur juristische, sind auf Anwältinnen und Anwälte
    angewiesen, damit sie ausgelegt werden und in Kraft blei-
    ben können. In diesem Sinne sehe ich mich als Anwältin
    für die Kultur. Zum Spektrum meiner „Anwaltspraxis“
    gehört in erster Linie dreierlei: das Moderieren, das Reprä-
    sentieren – auch verstanden als Vertretung von Interessen –
    und ebenso „Missionieren“, das heißt das Werben, ver-
    standen als Vermitteln von Kunst und Kultur und dem,
    was sie uns als Möglichkeitssinn eröffnen. Dass mich bei
    der Verfolgung dieser Mission der Wirklichkeitssinn nicht
    verlässt und verlassen wird, dessen bin ich mir sicher,
    auch dank der Bindung meines Amtes an dieses Haus.

    Ich sprach von einem Regelwerk des Miteinanders.
    Beziehen möchte ich diese Leitideen auch ganz praktisch
    auf die Kooperation mit anderen Ressorts. Kulturpoli-
    tik muss ressortübergreifend gedacht werden – ich könnte
    auch sagen: grenzübergreifend.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


    Beziehen möchte ich die genannten Ideen vor allem auch
    auf die Arbeit mit Ihnen hier im Parlament, im Ausschuss
    für Kultur und Medien und in den anderen Ausschüssen
    des Deutschen Bundestages. Es geht mir um eine Kultur
    des miteinander Debattierens, aber auch des miteinander
    Entwickelns.

    Ich bin gespannt darauf, mich mit Ihnen auseinander zu
    setzen und – davon gehe ich einfach aus – zu verstän-
    digen. Verständigung suchen wir über Grundsätzliches,
    aber auch über sehr konkrete kultur- und medienpolitische
    Fragen. Lassen Sie uns aber in jedem Fall gemeinsam der
    Kultur, der geistigen Orientierung unserer Gesellschaft,
    etwas mehr Gewicht verleihen!

    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Norbert Lammert

von der CDU/CSU-Fraktion.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit

    Beginn des rot-grünen Projekts ist die Kulturpolitik eine

    besonders auffällige, aber keine besonders starke Seite
    dieser Bundesregierung.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Dem ersten Beauftragten der Bundesregierung war das
    Amt nicht wichtig genug, um der Versuchung zu wider-
    stehen, bei der erstbesten Gelegenheit in einen scheinbar
    noch interessanteren Spitzenjob in der Medienwirtschaft
    zu wechseln.


    (Beifall des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP])


    Sein Nachfolger war dem Bundeskanzler nicht wichtig
    genug, um in dem Bundesland, aus dem er selbst kommt,
    in Niedersachsen, eine Regelung mit der staatlichen
    Hochschule, von der jener beurlaubt war, zur Sicherung
    einer späteren Laufbahn als Hochschullehrer sicherzu-
    stellen.

    Nun Christina Weiss. Ich begrüße Sie herzlich, Frau
    Weiss. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand, insbe-
    sondere aber die Hartnäckigkeit und das Durchsetzungs-
    vermögen, die Sie in einer Koalition brauchen werden, die
    sich seit Jahren mit Ankündigungen sehr viel leichter tut
    als mit der tatsächlichen Stärkung des Stellenwerts von
    Kunst und Kultur.


    (Monika Griefahn [SPD]: Wir haben alles abgearbeitet! – Jörg Tauss [SPD]: Sie waren vier Jahre abwesend, Herr Kollege!)


    Bei der sprichwörtlichen kulturpolitischen Feinfühligkeit
    des Bundesfinanzministers werden Sie genug Schwierig-
    keiten haben, den höchst bescheidenen Anteil Ihres
    Teilressorts am Bundeshaushalt aufrechtzuerhalten, der
    in der Zeit Ihrer Amtsvorgänger übrigens von überschau-
    baren 0,4 Prozent auf ganze 0,3 Prozent des Bundeshaus-
    halts gesunken ist – bei gleichzeitiger Ankündigung eines
    dramatischen Anstiegs des Stellenwerts von Kunst und
    Kultur.

    Der Blick in die Koalitionsvereinbarung ist ebenso
    ernüchternd wie die heutige Regierungserklärung. Das
    gilt sowohl mit Blick auf die nationale Kulturpolitik als
    auch – vielleicht in noch stärkerem Maß – mit Blick auf
    die auswärtige Kulturpolitik. Heute Morgen haben wir
    dazu zwei, vielleicht drei Sätze gehört – einer so belang-
    los wie der andere. Gerhard Schröder hat hier heute Mor-
    gen vorgetragen, die Kulturpolitik sei für diese Bundesre-
    gierung nicht einfach eine angenehme Nebensache.


    (Zuruf von der SPD: So ist das!)

    Nach dem, was er nicht vorgetragen hat, und nach dem,
    was auch in der Koalitionsvereinbarung dazu nicht zu fin-
    den ist, muss man befürchten: nicht einmal das.

    Wer in der Koalitionsvereinbarung unter dem Stich-
    wort „Kunst und Kultur“ nachschaut, findet eine An-
    sammlung von deprimierend einfallslosen und lustlosen
    Formulierungen zu diesem Gegenstand.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was in dieser Koalitionsvereinbarung neu ist, ist nicht
    richtig, und was richtig ist, ist nicht neu. Leider, Frau
    Weiss, haben wir auch von Ihnen außer einigen völlig

    Staatsministerin Dr. Christina Weiss




    Dr. Norbert Lammert
    unstreitigen Allgemeinplätzen über den Stellenwert von
    Kunst und Kultur heute nichts dazu gehört, was Sie denn
    an konkreten Vorhaben für diese Legislaturperiode in Ihr
    Amt übernehmen wollen.


    (Zuruf von der SPD: Warten Sie doch mal ab!)

    Nun gibt es eine auf den ersten Blick aufregende, je-

    denfalls elektrisierende Vokabel, die man in den wenigen
    Sätzen zur Kunst- und Kulturförderung in der Koalitions-
    vereinbarung nur schwerlich übersehen kann, und das ist
    die Prüfung auf die künftige Kulturverträglichkeit der
    eigenen Politik, die Klausel zur Kulturverträglichkeit, mit
    deren Überwachung offenkundig die Beauftragte der
    Bundesregierung ausdrücklich ausgestattet werden soll.


    (Günter Nooke [CDU/CSU]: Planfeststellungsverfahren!)


    Was von dieser Kulturverträglichkeitsklausel zu halten
    ist, haben wir mit einer nun wirklich erstaunlichen Ge-
    schwindigkeit in den wenigen Tagen zwischen dem Ab-
    schluss der Koalitionsvereinbarung und den ersten An-
    kündigungen des Bundesfinanzministers erlebt. Während
    es in der Vereinbarung der Koalition noch lautet – ich zi-
    tiere – „Wir werden auch in Zukunft die Vielfalt des En-
    gagements von Bürgerinnen und Bürgern in Vereinen ...
    nach Kräften unterstützen“, hat der Finanzminister einen
    Tag nach dem Abschluss dieser Koalitionsvereinbarung
    erklärt,


    (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Geringe Halbwertzeit!)


    was er sich unter einer tatkräftigen Unterstützung des En-
    gagements von Bürgerinnen und Bürgern in Vereinen vor-
    stellt: Er beabsichtigt die Streichung der Abzugsfähigkeit
    von Spenden von Unternehmen für gemeinnützige Orga-
    nisationen und Verbände. Dies war ein Anschlag auf das
    bürgerschaftliche Engagement in unserem Land.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Umsetzung Ihres Vorhabens wäre die mutwillige Zer-
    störung der finanziellen Grundlagen ehrenamtlichen En-
    gagements in Hunderttausenden von gemeinnützigen Ver-
    einen, Verbänden und Organisationen gewesen. Ihr Plan
    war ein ganz unglaublicher steuerrechtlicher Salto mor-
    tale nach unserer gemeinsamen Kraftanstrengung zur No-
    vellierung des Stiftungsrechts und nach der Ermutigung
    ehrenamtlichen Engagements durch eine famose, gran-
    diose Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages,
    die mindestens in dieser Zielsetzung völlig einig war.


    (Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)

    Im Übrigen war es auch eine schwer verständliche

    haushaltspolitische Dummheit; denn die auf diesem Wege
    bestenfalls zu erreichenden zusätzlichen Steuereinnah-
    men stehen in überhaupt keinem Verhältnis zu den sicher
    entgangenen Einnahmen der Vereine und Verbände, die
    diese Mittel dringend benötigen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Was ist jetzt Ihr Problem, Herr Kollege?)


    Was es im Übrigen mit der Ermutigung bürgerschaft-
    lichen Engagements zu tun haben soll, dass eigennützige

    Sponsorentätigkeiten steuerlich berücksichtigt werden
    können, gemeinnützige Aktivitäten dagegen nicht, das
    bliebe das große Geheimnis einer rot-grünen Koalition.


    (Jörg Tauss [SPD]: Die ganze Rede über das, was nicht ist!)


    – Verehrter Herr Kollege Tauss, es würde uns etwas feh-
    len, wenn nicht auch diese Rede hauptsächlich durch Ihre
    Zwischenrufe bei gelegentlichen Interventionen des ge-
    meldeten Redners gekennzeichnet würde.


    (Jörg Tauss [SPD]: Ich danke Ihnen!)

    Aber ich will mindestens zu Ihrer vorübergehenden

    Beruhigung gerne Folgendes einräumen: Ich gehe aus-
    drücklich davon aus, dass kein Kulturpolitiker sowohl der
    roten wie der grünen Fraktion an den Formulierungen der
    Koalitionsvereinbarung und schon gar nicht an den Ab-
    sichten des Finanzministers beteiligt war. Das strahlende
    Lächeln des Kollegen Barthel bestätigt diese freundliche
    Vermutung. Dies entlastet in der Tat die Kulturpolitiker;
    aber es zeigt den tatsächlichen Stellenwert von Kultur
    und Medien in dieser rot-grünen Koalition.


    (Jörg Tauss [SPD]: Es zeigt unseren Einfluss!)

    Verehrte Frau Weiss, Sie treten ein Amt an, das mitt-

    lerweile, nach anfänglichem Streit, insbesondere zwi-
    schen Bund und Ländern, mehr als zwischen den Parteien,
    als Ausdruck der Verantwortung des Bundes für die För-
    derung von Kunst und Kultur – neben der Verantwortung
    der Länder und Kommunen – als allgemein anerkannt gel-
    ten kann.


    (Jörg Tauss [SPD]: Prima!)

    Sie werden im Deutschen Bundestag auf einen Ausschuss
    für Kultur und Medien treffen, in dem das gemeinsame
    Bemühen um die Förderung von Kunst und Kultur noch
    ausgeprägter als die Wahrnehmung der jeweiligen Rolle
    von Regierung und Opposition ist. Das soll, soweit es an
    uns liegt, so bleiben.

    Sie werden eine breite Unterstützung im Übrigen drin-
    gend brauchen. Ich sage Ihnen heute für die CDU/
    CSU-Fraktion gerne zu: Sie werden sie auch bekommen,
    jedenfalls dann – allerdings auch nur dann –, wenn es
    nicht nur um Allgemeinplätze, sondern auch um konkrete
    Maßnahmen, um die Förderung von Kunst und nicht um
    die Selbstinszenierung von Politik geht. Es muss sich al-
    lerdings vieles ändern, damit manches besser werden
    kann.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Jetzt loben Sie uns mal!)