Rede von
Winfried
Nachtwei
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Am Anfang dieser Legislaturperiode stehen wieder Ent-
scheidungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr
an, genauso wie zu Beginn der vorherigen Legislaturperi-
ode, als es nämlich um die Androhung von Luftangriffen
gegen die Bundesrepublik Jugoslawien ging. Damals
– das wissen wir alle – war diese Entscheidung in diesem
Haus und in der Gesellschaft heiß umstritten. Damals war
die Befürchtung verbreitet, dass damit ein Präzedenzfall
im Hinblick auf das Verhältnis zu den Vereinten Nationen
geschaffen werde.
Diese Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet. Wir ha-
ben uns bemüht, aus dem Kosovo-Konflikt und aus dem
Kosovo-Krieg die angemessenen friedens- und sicher-
heitspolitischen Lehren zu ziehen. Dies zeigt sich deutlich
zu Beginn dieser Legislaturperiode. Die Verlängerung des
Mazedonien-Mandats in der vorigen Woche stand – da-
rauf wurde ausdrücklich hingewiesen – im Kontext um-
fassender Politik einer wirksamen Krisenvorbeugung.
Die bevorstehenden Entscheidungen zur weiteren Betei-
ligung an Enduring Freedom und an der ISAF-Schutz-
truppe in Kabul sollen der Gewalteindämmung und Ge-
fahrenabwehr dienen.
In der Koalitionsvereinbarung stellen wir eindeutig
klar: Zweck von Kriseneinsätzen der Bundeswehr ist
nicht eine militärische Konfliktlösung; denn das wäre il-
lusionär. Ihr Zweck ist, zur Gewaltverhütung beizutragen
und Stabilisierungs- und Friedensprozesse dort zu unter-
stützen, wo zivile Beobachter und Vermittler, wo Poli-
zisten nicht mehr ausreichen. Der Rahmen von Kri-
seneinsätzen ist die Charta der Vereinten Nationen, ist das
Völkerrecht und eine Politik gemeinsamer und koopera-
tiver Sicherheit. Diese Grundhaltung kontrastiert mit Be-
strebungen, über eine „präventive Selbstverteidigung“
das allgemeine Gewaltverbot der UN-Charta zu unterlau-
fen. Die Absage der Bundesregierung an einen Krieg zum
Sturz des irakischen Regimes ist die logische Konsequenz
aus dieser Grundhaltung.
Die Bundeswehr soll wirksam und verantwortlich zur
internationalen Sicherheit beitragen können. Dafür ist zu-
mindest Folgendes unabdingbar: Friedenseinsätze und
Kriegsverhütung brauchen einen ausgewogenen Mix an
zivilen, polizeilichen, politischen und militärischen Fä-
higkeiten. Die rot-grüne Bundesregierung baut nun – so
steht es im Koalitionsvertrag – das in diesem Jahr ge-
gründete Zentrum für Internationale Friedenseinsätze
zu einer vollwertigen Entsendeorganisation aus. Das
heißt, wir bemühen uns, die zivilen Säulen von Friedens-
missionen der Vereinten Nationen, der OSZE usw. ent-
sprechend zu stärken.
Wir haben uns zum anderen vorgenommen, einen res-
sortübergreifenden Aktionsplan im Hinblick auf Krisen-
prävention auszuarbeiten, was bedeutet, dass wir die ver-
schiedenen notwendigen Fähigkeiten in diesem Bereich
systematisch aufbauen und entwickeln wollen.
Was hat das mit der Bundeswehr zu tun? Nur wenn wir
diese Fähigkeiten vernünftig entwickelt haben, kommen
wir aus Kriseneinsätzen wieder heraus. Das ist schlicht-
weg die Konsequenz.
DieBundeswehrreform, das heißt die Befähigung der
Bundeswehr zur Bewältigung neuer Aufgaben, ist nicht
nur fortzusetzen, sondern ausdrücklich auch weiterzuent-
wickeln; so haben wir es in der Koalitionsvereinbarung
formuliert. An die Lösung dieser Aufgaben geht Rot-Grün
mit Klarheit über die Zielsetzung der Bundeswehrreform
und mit – so formuliere ich diplomatisch – gewachsenem
Realismus. Dabei sind für uns die Vorschläge der
Weizsäcker-Kommission die Richtschnur. Eine notwen-
dige Modernisierung ist nur mit einer deutlichen Senkung
des Personalumfangs zu realisieren. Das ist die
offensichtliche Konsequenz.
Sehr geehrter Herr Minister, lieber Kollege Struck, am
25. Juli dieses Jahres wurden Sie zum Minister vereidigt.
Manche Gratulanten der Oppositionsfraktionen dachten
damals an eine Befristung Ihrer Amtszeit. Wir sind aus-
drücklich froh, dass Sie Minister geblieben sind. Ich bin
mir sicher, dass Sie Ihre Verantwortung mit sicherheits-
politischer Klarheit und mit Realismus wahrnehmen. Da-
bei wünschen wir Ihnen eine glückliche Hand und hoffen
auf eine gute Zusammenarbeit.
Danke.