Rede:
ID1500403500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Kollege: 1
    6. Peter: 1
    7. Hintze,: 1
    8. CDU/CSU-Fraktion.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
  • folderAnlagen
    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Angelica Schwall-Düren


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute, zu Be-
    ginn der 15. Legislaturperiode, befindet sich die Europä-
    ische Union an einem entscheidenden Wendepunkt ihrer
    Geschichte. Die Einigung Europas und damit die endgül-
    tige Überwindung der künstlichen Teilung des Kontinents
    als Folge des Zweiten Weltkrieges ist in greifbare Nähe
    gerückt. Gleichzeitig stellt die aktuelle internationale
    Lage – dazu haben wir heute schon einiges gehört – die
    Europäische Union vor große neue Herausforderungen
    nach innen und außen.

    Die EU ist heute der entscheidende Handlungsrahmen
    für eine aktive und an demokratischen Grundwerten
    orientierte Gestaltung der Globalisierung. Nur im EU-
    Kontext kann es gelingen, die Herausforderungen der
    Globalisierung für das europäische Gesellschafts- und
    Sozialmodell erfolgreich zu meistern.


    (Beifall bei der SPD)

    Drei große Aufgaben hat die EU in den kommenden

    Jahren zu bewältigen: Sie muss auf dem Weg der europä-
    ischen Einigung voranschreiten, sie muss ihre Hand-

    lungsfähigkeit erhalten und erweitern und sie muss ein
    Europa der Bürger werden.

    Die Europäische Union ist ein einzigartiges Erfolgs-
    modell der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hätten
    unsere Großeltern und Eltern je davon zu träumen gewagt,
    dass ein durch Hass, Krieg und Verbrechen gegen die
    Menschlichkeit zerrissener Kontinent ein Modell der Ver-
    ständigung und Zusammenarbeit entwickeln kann, wie es
    mit der EU und ihren Vorläuferorganisationen gelungen
    ist? Wir haben heute ein Modell der friedlichen und kon-
    struktiven Lösung von Interessenkonflikten, ein Modell,
    das zunächst den Gründungsmitgliedern und dann den im
    Laufe der Jahre hinzugekommenen Ländern Wachstum,
    Wohlstand und soziale Sicherheit beschert hat, ein Mo-
    dell, das keineswegs zu einer Nivellierung unserer Ge-
    sellschaften geführt, sondern den Reichtum der Unter-
    schiedlichkeit bewahrt hat, insbesondere auch die
    kulturelle Vielfalt.

    Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist nun die
    Chance gegeben, Europas Wiedervereinigungsprozess
    weiter voranzubringen. Der Gipfel in Kopenhagen wird
    die Entscheidung bringen, dass zehn Länder in die Euro-
    päische Union aufgenommen werden. Weitere können in
    der Zukunft dazukommen.

    Lassen Sie mich deshalb in diesem Zusammenhang auf
    die Türkei zu sprechen kommen. Die in diesem Land an-
    gepackten Reformen, Herr Schäuble und Herr Gerhardt,
    belegen, dass die Heranführungsstrategie der Union ihre
    Früchte trägt.


    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Deshalb macht es Sinn, dass der Türkei in Kopenhagen
    ein weiteres positives Signal gegeben wird, dergestalt,
    dass das Land bei Fortführung des Reformprozesses in
    absehbarer Zeit damit rechnen kann, ein Datum für den
    Beginn von Verhandlungen genannt zu bekommen.

    Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Die EU-
    Osterweiterung stößt bei manchen Bürgerinnen und Bür-
    gern noch auf Vorbehalte. Was aber viel zu oft vergessen
    wird, sind die enormen Chancen, die mit der Erweiterung
    der Europäischen Union verbunden sind. Das ist einer-
    seits die weitere Ausdehnung des Raums des Rechts, der
    Sicherheit und der Freiheit in Europa und das ist anderer-
    seits der zu erwartende Wohlstandsmehrwert, bei dem wir
    letztlich alle durch höhere Wachstumsraten und Einkom-
    men profitieren. Deutschland profitiert übrigens ganz be-
    sonders von der EU-Erweiterung. Diesen Prozess zu un-
    terstützen ist die erklärte Absicht der SPD-Fraktion.


    (Beifall bei der SPD)

    Nicht erst die Aussicht, zehn weitere Länder in die

    Europäische Union aufnehmen zu können, hat deutlich
    gemacht, dass die Strukturen der EU optimiert werden
    müssen. Nur eine handlungsfähige Gemeinschaft wird in
    der Lage sein, die großen wirtschaftlichen, politischen
    und gesellschaftlichen Herausforderungen im Zeitalter
    der Globalisierung zu meistern.

    Ich nenne Ihnen nur die Stichworte Kosovo-Konflikt,
    11. September 2001, Hochwasserkatastrophe dieses Som-


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    104


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    mers, hohe Arbeitslosigkeit in vielen europäischen Län-
    dern, Flüchtlingsproblematik und internationale Krimina-
    lität. Schon daran wird deutlich, dass wir eine gemein-
    schaftliche Politik in den Bereichen der Außen- und
    Sicherheitspolitik, der Klimaschutzpolitik sowie der So-
    zial- und Rechtspolitik brauchen.

    Diese Herausforderungen sind aber mit den herge-
    brachten Gemeinschaftsmechanismen auf Dauer nicht zu
    bewältigen. Deshalb haben die europäischen Staats- und
    Regierungschefs am 15. Dezember 2001 mit der Er-
    klärung von Laeken – nicht zuletzt als Ergebnis der ent-
    schiedenen Initiative der Bundesregierung – den Grund-
    stein für den umfassendsten und ambitioniertesten
    Reformprozess seit Gründung der Europäischen Gemein-
    schaften gelegt.

    Für uns ist dabei besonders wichtig, dass erstmals in
    der Geschichte der europäischen Integration Parlamenta-
    rier aus den nationalen Parlamenten und dem Europä-
    ischen Parlament im Konvent von Anfang an maßgeblich
    an dem großen Reformprojekt einer europäischen Ver-
    fassung beteiligt sind. Wie ernst unser Bundeskanzler
    diese Arbeit nimmt, ergibt sich schon allein aus der Ent-
    sendung des Außenministers in den Konvent.

    Gestern nun hat der Präsident des europäischen Ver-
    fassungskonvents, Valéry Giscard d’Estaing, den ersten
    Verfassungsentwurf vorgelegt. Nun gilt es, mit diesem
    Entwurf zu arbeiten. Mit der Bundesregierung will die
    Fraktion darauf hinarbeiten, dass die Ausübung europä-
    ischer Macht demokratischer, transparenter und effizien-
    ter wird. Dabei müssen das Prinzip der Gewaltenteilung
    besser durchgesetzt und die demokratische Verantwort-
    lichkeit auf europäischer Ebene erhöht werden. Dies
    schließt die Bindung der EU-Organe an die Charta der
    Grundrechte ein. Darüber gibt es inzwischen eine große
    europäische Einigkeit.

    Die Reform der EU muss dazu beitragen, dass Europa
    eine Gemeinschaft der Bürger wird. Europa muss ein Ge-
    sicht bekommen. Europa muss mit Namen verbunden
    werden. Aber eine entsprechende Konstruktion wie zum
    Beispiel die Einsetzung eines EU-Präsidenten darf nicht
    zu einer Schwächung der EU-Kommission oder des Par-
    laments führen. Vielmehr müssen die demokratische Le-
    gitimation gestärkt und die Transparenz der Entscheidun-
    gen erhöht werden.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dazu ist eine Stärkung des EU-Parlaments unabdingbar.
    Gerade weil wir eine stärkere Vergemeinschaftung wol-
    len, muss das Europäische Parlament mehr Befugnisse
    bekommen.

    Die Musik spielt mehr und mehr in Europa. Immer
    mehr Politikfelder werden auf der europäischen Ebene
    vorgeprägt oder entschieden werden. Ich kann hier heute
    nur wenige davon ansprechen. Ich will beispielhaft den
    Ansatz der EU-Kommission nennen, die zweite Säule der
    Agrarpolitik für Maßnahmen der ländlichen Entwicklung
    zu stärken und eine integrierte ländliche Entwicklung vo-
    ranzubringen. Dies wird von uns ausdrücklich begrüßt
    und unterstützt.

    Durch die baldige Erweiterung der Europäischen
    Union werden politische Stabilität und wirtschaftliches
    Wachstum in weitere Länder Ost- und Mitteleuropas ex-
    portiert. Das europäische Sozialmodell muss dabei erhal-
    ten und ausgebaut werden. Die Europäische Union muss
    weiter an den in Lissabon vereinbarten Zielen zur Er-
    höhung der Beschäftigungsquote bis hin zur Vollbeschäf-
    tigung festhalten und Europa zu einer der wachstums-
    stärksten Regionen der Welt machen. Zur Erreichung
    dieses Zieles ist aber ein Gleichgewicht zwischen Wirt-
    schafts- und Sozialpolitik erforderlich.

    Günter Verheugen hat in Brüssel den Erweiterungspro-
    zess vorangebracht, Michaele Schreyer steht für die Fi-
    nanzierbarkeit der europäischen Aufgaben. Denn eine so-
    lide Haushaltspolitik ist nicht nur im nationalen Rahmen
    nötig. Wenn man in Europa ein Gleichgewicht zwischen
    starker Wirtschafts- und Sozialpolitik erreichen will, be-
    darf es einer soliden Finanzbasis.

    Mit großer Erleichterung ist deshalb in vielen Ländern
    die Nachricht aufgenommen worden, dass sich Bundes-
    kanzler Gerhard Schröder und Staatspräsident Jacques
    Chirac auf eine Grundlage für die Finanzierung der EU-
    Agrarpolitik über das Jahr 2006 hinaus geeinigt haben.

    Die Interessenlage konnte dabei nicht unterschiedli-
    cher sein: Neumitglieder, zu denen das agrarpolitisch
    wichtige Land Polen gehört, möchten die gleichen Leis-
    tungen bekommen, wie sie die Altmitglieder der EU er-
    halten. Länder wie Frankreich, die überdurchschnittlich
    von den Direktzahlungen profitieren, möchten keine Re-
    duzierung der Leistungen hinnehmen. Nettozahler wie
    Deutschland wehren sich gegen eine Steigerung der Bei-
    tragslast.

    Deshalb möchte ich Bundeskanzler Schröder aus-
    drücklich dafür danken, dass er mit dem französischen
    Staatspräsidenten einen Kompromiss gefunden hat, der
    das Beitrittsverfahren weiter voranbringt.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Herr Gerhardt, jeder weiß, dass Kompromisse die
    Eigenart haben, dass keine Seite ihre Position zu 100 Pro-
    zent durchsetzen kann.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Es war ja kein Kompromiss! Er hat sich ja nur verhört!)


    Deshalb möchte ich die polnische Zeitung „Gazeta Wy-
    borcza“ zitieren, die das Ergebnis des Gipfeltreffens als
    eine „Lektion des europäischen Realismus“ charakteri-
    siert hat.

    Herr Gerhardt, deutsche und französische Politiker, der
    französische Staatspräsident und der deutsche Bundes-
    kanzler treffen sich so häufig wie nie in der Geschichte
    zuvor.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Gut vorbereitet!)


    Deshalb können wir davon ausgehen, dass der deutsch-
    französische Motor, wie in der Vergangenheit und wie es
    in diesem Augenblick bewiesen worden ist, auch in Zu-
    kunft gut funktionieren wird. In Kopenhagen kann jetzt

    Dr. Angelica Schwall-Düren




    Dr. Angelica Schwall-Düren
    der nächste entscheidende Schritt für die Erweiterung der
    EU vollzogen werden. Der Konvent wird bis Som-
    mer 2003 die entscheidende Vorarbeit für die Reform der
    Institutionen leisten.

    Europa ist unsere Zukunft. Diese Zukunft ist gestaltbar.
    Europa hat keine andere Zukunft als die des Dialogs und
    der Einbindung in die europäische Aufklärung. Alles an-
    dere führt zur Destabilisierung. Die rot-grüne Koalition
    packt die vor uns liegenden Aufgaben für ein friedliches,
    soziales und nachhaltiges Europa an.

    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)




Rede von Dr. h.c. Susanne Kastner
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Das Wort hat der Kollege Peter Hintze, CDU/CSU-

Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Peter Hintze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

    Herren! Wenn es eine Lehre aus der Geschichte des
    20. Jahrhunderts gibt, dann ist es die, dass Deutschland
    jede Form eines deutschen Sonderweges schadet und dass
    es der europäische Weg ist, der unseren Interessen dient.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


    Der Bundesaußenminister ist erfreulicherweise noch
    unter uns. Wir haben heute auch eine neue Form des grü-
    nen Sonderweges kennen gelernt. Das ganze Plenum war
    gespannt auf die zwei klugen Kolleginnen, die die Grünen
    zu Fraktionssprecherinnen gewählt haben; aber Herr
    Fischer hat beschlossen, alle Debattenbeiträge selber zu
    leisten. Ich hoffe im Interesse des Hauses, dass das in Zu-
    kunft nicht so weitergeht.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Für eine erfolgreiche Europapolitik gibt es zwei
    Grundregeln. Europa kommt voran, wenn Deutschland
    und Frankreich zusammenwirken. Ich finde es gut – das
    will ich in dieser Debatte zum Ausdruck bringen –, dass
    es gelungen ist, beim jüngsten Gipfel Deutschland und
    Frankreich zusammenzuführen, dass 13 Staaten der Euro-
    päischen Union diesem gemeinsamen Weg gefolgt sind
    und damit den Weg zur Erweiterung frei gemacht haben.
    Wir haben unser Versprechen gegenüber den jungen De-
    mokratien Mittel- und Osteuropas einlösen und damit den
    Raum wirtschaftlicher Prosperität und politischer Stabi-
    lität ausweiten können. Herr Außenminister, ich stehe
    nicht an zu sagen, dass es gelungen ist, ein Stück der po-
    litischen Kontinuität zurückzugewinnen, die in den letz-
    ten Jahren verloren zu gehen drohte.

    Der Bundeskanzler ließ sich allerdings für eine Verein-
    barung feiern, die es so gar nicht gibt.


    (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ja! Das ist richtig!)


    Der Außenminister hatte empört und nervös auf der Re-
    gierungsbank reagiert, als FDP-Fraktionsführer Gerhardt
    darauf zu Recht hinwies. Es geht mir nicht nur um diese
    6 Milliarden Euro pro anno – das ergibt mit insgesamt
    über 40 Milliarden Euro eine riesige Summe zusätzlich
    für die nächste Finanzierungsperiode –, kläglich ist doch
    vielmehr, eine solche Verhandlungspanne auf die Dol-
    metscher zu schieben. Das ist die dämlichste Ausrede, die
    ich je in der europäischen Politik gehört habe.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Es wird auch beim Irak-Konflikt noch eine geben! – Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    – Jetzt bleiben Sie aber mal entspannt.

    (Ute Kumpf [SPD]: Kein Problem!)


    Das wäre aber noch hinnehmbar, wenn der von uns im
    Ergebnis begrüßte Gipfel nicht lediglich die Steine aus
    dem Weg geräumt hätte, die nicht zuletzt von deutschen
    Verhandlungsfehlern beim Berliner Gipfel 1999 herrühren.
    Das, was wir jetzt mühsam repariert haben, ist durch Ver-
    handlungsfehler entstanden, die sich diese Bundesregie-
    rung in der Vergangenheit geleistet hat.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Günter Gloser [SPD]: Das ist doch falsch!)


    Ich bin geneigt, Sie trotz guter Freundschaft zu ihm ge-
    genüber dem Kollegen Pflüger in einem kleinen Punkt et-
    was in Schutz zu nehmen.


    (Günter Gloser [SPD]: Aber nur ein bisschen!)

    Es ist richtig, dass Sie bei den Arbeiten zur Europäischen
    Verfassung zu denjenigen gehört haben, die unsere Ideen
    aufgegriffen und gesagt haben, dass hier die nationalen
    Parlamentarier ranmüssten. Das haben wir im Europaaus-
    schuss immer gefordert. Sie haben das irgendwann zu Ih-
    rer eigenen Sache gemacht. Aber warum ist es denn zu
    diesem Konvent überhaupt gekommen? Doch deshalb,
    weil die Regierungen, auch diese Regierung, gescheitert
    sind und sich mit Nizza einen grandiosen Fehlschlag ge-
    leistet haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Man kann unter solcher Führung Europa nicht mehr den
    Regierungen überlassen. Das müssen – ich greife ein Wort
    von Gerd Müller auf – wir Parlamentarier mit in die Hand
    nehmen, damit es gut wird.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die zweite Grundregel für ein Gelingen in Europa, ge-

    gen die Sie allerdings noch verstoßen, ist der faire Um-
    gang mit den kleinen Mitgliedstaaten. Es war immer das
    deutsche Erfolgsrezept, dass die Europapolitik nicht von
    den Großen monopolisiert wurde, sondern dass die
    Großen und die Kleinen im fairen Miteinander Dinge re-
    gelten. Hier hat sich die Regierung schwer versündigt.
    Wenn nun also der Stabilitätspakt unter maßgeblicher
    Beteiligung Deutschlands zur Auflösung freigegeben
    wird, dann ist das ein Affront nicht zuletzt gegen die klei-
    nen Mitgliedstaaten, die unter großen Anstrengungen ihre


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    106


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Aufgaben gemacht haben und die die Stabilitätskriterien,
    die wir gefordert haben, eingehalten haben. Von diesen
    Stabilitätskriterien sagen wir nun, sie seien nicht mehr so
    wichtig. Das ist ein Fehler dieser Bundesregierung, lieber
    Herr Fischer.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Es ist wichtig, dass die Staaten, die neu hinzukommen
    werden und mit denen wir unser Schicksal teilen wollen,
    erkennen, dass hier Fairness herrscht. Da Sie etwas
    lächeln – ich möchte das harte Wort „grinsen“ vermeiden –,
    möchte ich Folgendes sagen: Es ist auch ein persönlicher
    Fehler von Ihnen, Herr Fischer, dass Ungarn und Tsche-
    chien im Vertrag von Nizza weniger Sitze im Europä-
    ischen Parlament zugesprochen bekommen haben, als
    ihnen nach der Bevölkerungszahl zustehen. Wir von der
    Union erwarten, dass diese Ungerechtigkeit bei den Bei-
    trittsverträgen korrigiert wird. Ungarn und Tschechien
    müssen genauso fair behandelt werden wie Portugal, Bel-
    gien und andere Staaten in Westeuropa. Wir werden un-
    sere Zukunft nur dann gemeinsam bewältigen, wenn wir
    fair miteinander starten.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Friedbert Pflüger wird gleich in seinem Beitrag das
    Thema des Terrorismus genauer beleuchten. Aus euro-
    päischer Sicht will ich nur einen Punkt dazu sagen. Es ist
    auffällig –, dies geht mir in der öffentlichen Kommentie-
    rung zu stark unter – dass die Terroristen gerade zu einem
    Zeitpunkt in Moskau zuschlugen, in dem sich die politi-
    sche Führung in Russland klar an die Seite Europas und
    Amerikas stellte. Deswegen muss auch hier Klarheit herr-
    schen: Auf diesem Weg an der Seite Europas und Ameri-
    kas braucht auch Russland unsere Solidarität.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Uns allen fiel ein Stein vom Herzen, als die Ergebnisse

    des zweiten irischen Referendums bekannt wurden. Ich
    möchte uns alle aber dazu auffordern, diese Reaktion in
    Irland ernst zu nehmen. Das Projekt Europa wird dann
    gut, wenn es uns gelingt, die Bevölkerungen mitzuneh-
    men. Es ist nicht nur ein Projekt der politischen Führun-
    gen und der Regierungen und es ist auch nicht allein ein
    Projekt der Parlamente. Es ist ein Projekt der Bevölke-
    rungen in Europa; wir wollen sie mitnehmen. Es ist aus-
    gesprochen wichtig, dass wir mit der Art und Weise, wie
    wir debattieren und öffentlich dafür eintreten, dokumen-
    tieren, dass wir auch die Menschen in unseren Ländern
    mitnehmen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dazu, dass die Bevölkerung mitgenommen werden

    muss, gehören auch einige neuralgische Themen. Ich
    komme hier noch einmal auf das Thema Türkei zu spre-
    chen. Nachdem die Regierung ihre Absicht erklärt hat, die
    europafreundlichen Kräfte in der Türkei zu unterstützen,
    was ja akzeptabel ist


    (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig und gut!)


    – Frau Roth, ich möchte das entwickeln –, hat die Regie-
    rung eine ganze Reihe von Fehlern gemacht. Sie ist, ohne

    dass die entsprechenden Kriterien erfüllt waren, Schritte
    gegangen, die es gerade den europaorientierten Kräften in
    der Türkei schwerer machen, die Dinge, die wir in Europa
    brauchen, auch tatsächlich einzufordern.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht! Die Kriterien sind doch ganz klar!)


    Es ist ein schwerwiegender Fehler, wenn wir von den
    Menschenrechtskriterien und den politischen Kriterien
    absehen. Wir werden den islamischen Fundamentalismus
    nicht dadurch eindämmen, dass wir die Kriterien herab-
    setzen. Liebe Freunde, meine Damen und Herren, nur ein
    klares Festhalten an unserer Werteordnung kann uns
    tatsächlich zum Erfolg führen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Mensch will die Kriterien nach unten verändern!)


    Frau Merkel hat es heute Morgen kurz angesprochen;
    Sie haben mit Unverstand reagiert. Der Bundesaußenmi-
    nister weiß doch, dass der Oberstaatsanwalt in Ankara mit
    dem Vorwurf der Spionage und einer Strafandrohung von
    acht bis 15 Jahren gegen Vertreter politischer Stiftungen
    ermittelt. Das muss hier doch einmal ausgesprochen wer-
    den. Zu einem solchen Zeitpunkt, in dem die Erfüllung
    der klaren Kopenhagener Kriterien – übrigens nicht nur
    der politischen, sondern auch der wirtschaftlichen – in
    weiter Ferne liegt, kann man doch keinen Termin verge-
    ben. Es ist gerade einmal eineinhalb Jahre her, dass die
    Türkei eine der größten Währungskrisen in der Ge-
    schichte Europas und Asiens hinter sich gebracht hat.
    Auch auf diese Fragen müssen wir achten. Wolfgang
    Schäuble hat heute schon dazu gesprochen.

    Ich habe allerdings eine Theorie, die sich an die von
    Wolfgang Schäuble anschließt: Es ist nicht allein der
    Blick auf Amerika – es gibt außenpolitische Interessen;
    das ist zu verstehen –, sondern es ist möglicherweise auch
    der Blick auf die eigene, sich erweiternde Wählerschaft,
    die das europäische Interesse und die klaren Kriterien
    zurückstehen lassen.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Das halte ich für kein verantwortliches Handeln vonseiten
    der Regierung. Sie haben das Interesse unseres Landes
    und das der Europäischen Union wahrzunehmen.


    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Möllemann!)


    Dazu gehört die klare Einhaltung der Kriterien und der
    Verträge.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf den Kon-
    vent und den Verfassungsvertrag kommen.


    (Günter Gloser [SPD]: Laut ist die Rede ja!)

    Die Regierung hat das bisher ja recht lieblos behandelt.
    Peter Glotz, ein kluger Mann, war selbst erstaunt, dass er

    Peter Hintze




    Peter Hintze
    benannt wurde. Jetzt wurde er durch Herrn Fischer er-
    setzt. Wir hoffen, dass in das, was die Regierung in diesen
    großen und wichtigen Fragen will, jetzt etwas mehr Klar-
    heit kommt. Der Kanzler ist nicht mehr da. Er hat aber von
    diesem Pult aus angekündigt, er werde die Europa-
    zuständigkeit ins Kanzleramt holen. Allerdings erschöpft
    sich die ganze Geschichte in der Ernennung eines Grup-
    penleiters zum Abteilungsleiter. Das ist ein kleiner Teil-
    erfolg des Herrn Bundesaußenministers, der damals in der
    Debatte schon freundlich gelächelt hatte; der Kanzler
    hätte mal genauer hinschauen sollen.

    Wichtiger ist jetzt aber, was in der Sache herauskommt.
    Ich will zwei Punkte nennen. Der Bundeskanzler hat jetzt
    sein großes Interesse – so hat es der Regierungssprecher
    verkündet – an einem Präsidenten des Europäischen Ra-
    tes, der für mehrere Jahre gewählt wird, entdeckt. Dazu
    können wir nur sagen: Damit käme es zu einem Gegen-
    einander der Institutionen, was Europa bremsen und hem-
    men würde. Wir brauchen nicht mehr Institutionen. Wir
    brauchen eine klare Abgrenzung zwischen den Institutio-
    nen. Das ist der erste Punkt.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der zweite Punkt. Im Himmel herrscht mehr Freude

    über einen Sünder, der umkehrt, als über 99 Gerechte. Der
    Bundesaußenminister hat gestern bei seinem Vortrag im
    Konvent Ziele vertreten, die wir lange gefordert haben:
    klare Kompetenzabgrenzung, klare Gewaltenteilung.
    Wenn Sie durch Ihre Arbeit und Ihr Tun beweisen, dass
    Sie zu den Grundlinien, die Sie am Anfang Ihrer Rede be-
    schworen haben, zurückkehren wollen, dann können wir
    das nur begrüßen.