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ID1500401900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanz- lers mit anschließender Aussprache . . . . . 51 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 51 B Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 61 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 D Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . . 74 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 77 D Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 81 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 81 D Ernst Bahr (Neuruppin) SPD . . . . . . . . . . . . . 82 B Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C Sabine Bätzing SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 C Olaf Scholz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 B Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 93 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 97 A Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 102 A Dr. Angelica Schwall-Düren SPD . . . . . . . . . 104 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 A Rudolf Bindig SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 A Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 111 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 113 C Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . 115 C Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU . . . . . . 115 D Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 117 A Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministe- rin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 C Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 122 C Dr. Uschi Eid, Parl. Staatssekretärin BMZ . . . 123 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . . 124 D Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . 125 D Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 127 D Dr. Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . 130 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 131 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D Jerzy Montag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 136 A Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . 137 D Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 139 D Otto Schily SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 C Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 A Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 C Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . 146 B Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 147 B Silke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B Dr. Christina Weiss, Staatsministerin BK . . . . 150 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 151 B Plenarprotokoll 15/4 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 I n h a l t : Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 D Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP . . . . . . . 154 C Günter Nooke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 155 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 157 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 158 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . . 164 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 166 C Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 171 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002II (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 51 4. Sitzung Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 Beginn: 10.00 Uhr
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    (A) (B) (C) (D) 170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 4. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 29. Oktober 2002 171 (C)(A) entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenografischen Bericht Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.10.2002 Marieluise DIE GRÜNEN van Essen, Jörg FDP 29.10.2002 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 29.10.2002 Meyer (Tapfheim), CDU/CSU 29.10.2002 Doris Möllemann, Jürgen W. FDP 29.10.2002 Niebel, Dirk FDP 29.10.2002 Nolting, Günther FDP 29.10.2002 Friedrich Pieper, Cornelia FDP 29.10.2002 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.10.2002 Violka, Simone SPD 29.10.2002 Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Michael Glos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Herr Präsident, vielen Dank für die Gelegenheit, hier

    zu sprechen.

    (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr

    Dr. med. h. c. Fischer ist wohl nicht im Raum.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Doch, da hin ten ist er! Er steht an der Fahne!)

    Herr Fischer, Sie haben es derzeit schwer. Sie sind gleich-
    zeitig Fraktionsvorsitzender, Parteivorsitzender, Außen-
    minister und offensichtlich auch noch Chefökonom. Ich
    darf Ihnen und den Grünen ein paar ökonomische Rat-
    schläge geben. Die Frau Höhn hat ja gesagt: Das Problem
    ist, dass bei den Grünen die Parteivorsitzenden zu schlecht
    bezahlt werden; deswegen läuft das Ganze nicht. Bezah-
    len Sie Ihre Leute ordentlich, dann müssen Sie nicht alles
    selbst machen und dann sind Sie hier auch nicht so laut
    und aufgeregt, wie Sie es gerade waren.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Das „Handelsblatt“ hat heute geschrieben: „Stim-

    mungstief vor Schröders Rede.“ Was die allerdings mor-
    gen schreiben, Herr Bundeskanzler, weiß ich nicht.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bin nicht sicher, dass die Stimmung bei uns im Land
    und insbesondere in der Wirtschaft danach steigt.

    Ihr Vorvorvorgänger Willy Brandt wurde einmal Willy
    Wolke genannt, weil er sich immer so unbestimmt ausge-
    drückt hat. Sie müssten Gerhard Nebel heißen,


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei der FDP)


    weil das, was in Ihrer Regierungserklärung steht, unge-
    heuer nebulös ist. Wir haben geglaubt, dass sich heute alle
    Widersprüche aus den Koalitionsvereinbarungen ein Stück
    auflösen, aber die Nebel sind geblieben.

    Die Neuauflage der rot-grünen Koalition verspricht
    nichts Gutes für Deutschland. Ihr Programm ist mutlos.
    Ihre Mannschaft ist – das erkennt man, wenn man da hi-
    nüberschaut – kraftlos.


    (Zurufe von der SPD: Oh!)

    Die Zukunftsperspektiven für Deutschland sind dadurch
    trostlos.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie treten mit dem Anspruch an, eine Koalition der Er-

    neuerung zu sein. In Wirklichkeit ist es eine Koalition des
    Weiterwurstelns. Sie setzen für die Zukunft weiter auf
    Mangelverwaltung. Es ist Flickschusterei. Der Konkurs
    wird verschoben, nicht verhindert. Vor allem spürt man


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    84


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    das an den Reaktionen der Betroffenen. Die Konsumen-
    ten und die Investoren sind verunsichert. Der Wirtschafts-
    standort Deutschland wird leider weiter beschädigt. Das
    Vertrauen in unsere wirtschaftliche Zukunft wird leider
    nicht geweckt. In der heutigen Zeit des Wandels – es ist
    Aufgabe einer Regierung, den Wandel zu gestalten – und
    der Unsicherheit erwarten die Menschen Stabilität und
    Sicherheit. Sie aber verbreiten – insbesondere dann, wenn
    das ein Hü und Hott ist, wenn das eine Echternacher
    Springprozession ist: zwei Schritte vor, ein Schritt zurück –
    das Gefühl von Stillstand und Verunsicherung.

    Herr Riester hat lange vor der Wahl von der größten
    Rentenreform in der deutschen Geschichte gesprochen.
    Zwei Jahre später ist alles Makulatur. Die Schwankungs-
    reserve – das ist vorhin vom Kollegen Westerwelle noch
    einmal richtig gesagt worden –, die eiserne Reserve, der
    Notgroschen der Rentner wird angetastet und ausgegeben.

    Vor der Wahl ließ sich Herr Eichel als selbst ernannter
    Obersparminister der Nation feiern. Er hat sich als Autor
    einer Jahrhundertsteuerreform bezeichnet. Heute meldet
    er Rekorddefizite im öffentlichen Haushalt und in den So-
    zialversicherungssystemen.

    Die konjunkturellen Aussichten, die Lage der Staatsfi-
    nanzen und die sozialen Sicherungssysteme waren vor der
    Wahl im Lot und sind nach der Wahl im Eimer. Herr Eichel
    ließ verlauten, zusätzliche Konsolidierungsmaßnahmen
    seien nicht notwendig, das finanziell Erforderliche sei in
    der Haushalts- und Finanzplanung längst enthalten. Sie,
    Herr Bundeskanzler, haben gesagt: Keine höheren Steu-
    ern. Das war eines der bekannten schröderschen Macht-
    worte, die eine sehr geringe Verfallszeit haben.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Heute wissen wir, was dabei herauskommt, wenn Sie

    als SPD-Chef und Bundeskanzler die Wahrheit zur Chef-
    sache machen. Die rot-grüne Koalition handelt nach der
    Devise: Was juckt mich mein Geschwätz von gestern?

    Lügen haben bekanntlich kurze Beine. Es wird bald
    heißen: Noch kürzer sind dem Schröder seine.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Außerordentlich geistreich!)


    Aber vergessen Sie nicht: Lügen haben kurze Beine und
    Wähler haben ein langes Gedächtnis.

    Wir sind in der Tat in einer schwierigen ökonomischen
    Situation. Die Bilanzfälschungen in der Wirtschaft – ich
    erinnere insbesondere an diejenigen in der US-Wirtschaft;
    ich bin aber nicht sicher, ob in Deutschland nicht zum Teil
    das Gleiche passiert ist – haben die Aktienkurse in den
    Keller gedrückt. Man hat die Telekom angezeigt, um zu
    klären, ob die Bilanzen der Telekom richtig waren. Die
    Telekom ist ein gutes Beispiel dafür, wie man das Ver-
    trauen der Anleger nachdrücklich schädigen kann. Durch
    ein solches Vorgehen wird vor allen Dingen immer wie-
    der das Vertrauen der Menschen in die in der Politik Han-
    delnden geschädigt. Das, was bei der Telekom geschehen
    ist, geht auf Ihr Konto, Herr Bundeskanzler.


    (Jörg Tauss [SPD]: Na ja!)


    Was wir in den Sommermonaten erlebt haben, war der
    größteWählerbetrug in der Geschichte der Bundesrepu-
    blik Deutschland.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Als ich das zum ersten Mal gesagt habe, hat mich die Talk-
    masterin Sandra Maischberger – sie kann einen sehr ein-
    dringlich anschauen; Sie kennen sie, Herr Bundeskanz-
    ler –, gefragt: Herr Glos, wollen Sie den Vorwurf des Be-
    truges nicht zurücknehmen? – Daraufhin habe ich einmal
    nachsehen lassen, wie im Strafgesetzbuch der Tatbestand
    des Betrugs definiert wird.


    (Jörg Tauss [SPD]: Ja, 1990!)

    – Herr Tauss passen Sie auf: Erst muss man jemanden täu-
    schen. Dadurch muss sich der Getäuschte im Irrtum be-
    finden und daraus muss Schaden entstehen. Wenn das ge-
    schehen ist, dann ist der Tatbestand des Betruges erfüllt.
    Dies alles ist geschehen.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


    Die Menschen sind vor der Wahl über die wirkliche Lage
    getäuscht worden. Sie haben aus diesem Irrtum heraus
    dieser Regierung noch einmal das Vertrauen geschenkt
    und ihr zu einer knappen Mehrheit verholfen. Jetzt ist
    Deutschland geschädigt, und zwar nachdrücklich.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Gabriel – er wurde heute schon einmal zitiert – hat

    gesagt: „Die Wahrheit vor der Wahl, das hätten Sie wohl
    gerne gehabt.“ Er ist ein würdiger Nachfolger von Ihnen,
    Herr Bundeskanzler, und er war offensichtlich Ihr Lehr-
    ling, als Sie in Niedersachsen regiert haben.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Er tritt in Ihre Fußstapfen, genauso wie Herr Müntefering
    heute in die großen Fußstapfen von Herrn Stiegler getre-
    ten ist.


    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


    Das war an Ihrer Rede zu merken, Herr Müntefering. Rot-
    Grün bekennt sich zum Prinzip der Nachhaltigkeit. In den
    Täuschungsmanövern sind Sie allerdings sehr nachhaltig
    und das beschädigt die politische Kultur im Land.


    (Joachim Poß [SPD]: Glos ist der klassische Vertreter!)


    Es ist schlimm genug, dass die Kultur in unserem
    Land, dem Land der Dichter und Denker, dem Land von
    Goethe und Schiller, schon so beschädigt ist, dass
    Dieter Bohlen der Star der Buchmesse ist. Aber das be-
    wegt sich auf einer Linie mit dem Verhalten der Deut-
    schen bei der Kanzlerwahl. Es ist folgerichtig, dass aus
    dem einen das andere entsteht. Da lobe ich mir den ehe-
    maligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der die De-
    vise ausgegeben hat: Deutschland braucht Wahrheit und
    Klarheit. Die Antwort von Rot-Grün war: Machterhalt
    um jeden Preis. Ich weiß nicht, ob er diesen Preis wirk-
    lich wert war.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Michael Glos




    Michael Glos

    Herr Eichel wird in das „Guinnessbuch der Rekorde“
    eingehen. Eine so gelungene Selbstdemontage als Fi-
    nanzminister hat es noch nie gegeben. Das ist eine Bla-
    mage für unser Land. Wir müssten Deutschland eigentlich
    in Absurdistan umbenennen.


    (Horst Kubatschka [SPD]: Wo leben Sie eigentlich?)


    In der Weitsicht war Hans Guck-in-die-Luft dem Eichel
    weit überlegen.


    (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Koalitionsvereinbarungen sind voller Wider-
    sprüche. Dem deutschen Steuerbürger – also einer Person
    in diesem Land, die so dumm ist, überhaupt Steuern zu
    zahlen, da sie nicht alles schwarz macht – misstraut man
    zutiefst. Man will das Bankgeheimnis aufheben, man will
    den gläsernen Steuerbürger. Von ihm wird man wahr-
    scheinlich die biometrischen Daten aufnehmen, die man
    bei potenziellen Terroristen nicht im Pass haben will.


    (Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP)


    Ich finde das schon eine ungeheure Widersprüchlichkeit,
    meine sehr verehrten Damen und Herren.

    Für alle ökonomischen Fehlhandlungen zahlt die so ge-
    nannte Neue, aber auch die alte Mitte die Zeche, und zwar
    ganz brutal. Hans Eichel wurde nach kurzer Zeit vom ei-
    sernen zum blanken Hans. Sein großspuriges Versprechen
    eines ausgeglichenen Gesamthaushalts für 2006 war so
    viel wert wie Ihr Versprechen heute, Herr Müntefering,
    für 2006. Der Herr Bundeskanzler hat es heute in seiner
    Regierungserklärung ebenfalls versprochen.

    Was besonders schlimm ist: Die Defizitobergrenze
    von Maastricht wurde verfehlt, unser Land ist zum Ge-
    spött in Europa geworden. Deutschland braucht inzwi-
    schen nicht nur einen blauen, sondern einen dunkelblauen
    Brief. Der Stabilitätspakt ist geschaffen worden, weil man
    den Südländern misstraute. Man meinte, die Italiener und
    andere würden die Stabilitätskriterien nicht einhalten. In-
    zwischen sind die Deutschen diejenigen, die den blauen
    Brief in Empfang nehmen müssen. Ich finde es schlimm,
    wenn die Regeln für die neue Währung, die man sich
    selbst gegeben hat, einfach niedergerissen werden. Die
    Menschen haben dem Euro vertraut, weil wir gesagt ha-
    ben, er wird so sicher und stabil wie die Mark werden. Ich
    kann Sie nur davor warnen, über diese Dinge einfach hin-
    wegzugehen.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    3 Prozent bedeuten einen Spielraum von 60 Milliarden
    Euro, den man in den öffentlichen Gesamthaushalten hat.
    Das ist kein Pappenstiel, daraus lässt sich allerhand ma-
    chen. Einfach an die Obergrenze heranzugehen und sie zu
    überschreiten halte ich für falsch.


    (Joachim Poß [SPD]: Das haben Sie selbst doch einmal vorgeschlagen!)


    Wir befinden uns dadurch am Rande einer länger an-
    haltenden Rezession und das sollte Ihnen Sorgen machen.
    Die „Süddeutsche Zeitung“, die es inzwischen wahr-

    scheinlich bereut – wenn es die Zeitung nicht bereuen
    kann, weil sie ja nur ein Stück Papier ist, dann werden es
    der Verlag, die Herausgeber, die Eigentümer bereuen;
    denn dort klopft jetzt Bodo Hombach an die Tür –, hat
    Rot-Grün herbeigeschrieben und die ökonomischen Fol-
    gen müssen jetzt auch ein Stück getragen werden. Jeden-
    falls ist das, was im Wirtschaftsteil steht, oft richtig. Darin
    stand unlängst:

    Offensichtlich ist allenthalben die große Verunsiche-
    rung und neuerdings der blanke Zorn über eine die
    Bedürfnisse der Unternehmen missachtende Berliner
    Wirtschaftspolitik. Dieser Zorn ist real und nicht
    konstruiert, er ist keine Erfindung von Opposition
    oder Wirtschaftsjournalisten, keine Kampagne. Die
    Wut der Wirtschaft signalisiert eine sinkende Loya-
    lität. Die Folgen reichen weit: von der sinkenden Be-
    reitschaft auszubilden über ein nachlassendes ge-
    sellschaftliches Engagement bis hin zu wildester
    Steuergestaltung und womöglich einem regelrechten
    Investitionsstreik.

    So weit Marc Beise in der „Süddeutschen Zeitung“.
    Vorhin hat der Herr Minister des Äußersten gesagt


    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    – Entschuldigung, Herr Minister –, die Finanzmärkte be-
    finden sich in einer Krise. Das ist richtig. Der Einzelhan-
    del bekommt die nachlassende Kaufkraft zu spüren und
    auch die Verunsicherung der Verbraucher. Das Handwerk
    hat allein in den letzten drei Monaten über 300 000 Arbeits-
    plätze abbauen müssen. Und es fällt keinem Handwerker
    leicht, jemanden zu entlassen; ganz bestimmt nicht, da ist
    etwas Herzblut dabei. Die Talfahrt der Bauwirtschaft hält
    an und wird sich durch das geplante Zusammenstreichen
    der Eigenheimzulage noch beschleunigen.

    Herr Fischer, übrigens haben Sie in einer Diskussions-
    runde vor der Wahl noch die Opposition bezichtigt, sie
    wolle die Eigenheimzulage streichen.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)

    Das Gegenteil ist wahr.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Zulage wird von Ihnen jetzt kalt gestrichen, was Sie
    vorher in Ihrer Art der Wählertäuschung und -verunsiche-
    rung uns unterstellt haben.

    In der gesamten verarbeitenden Industrie ist die Stim-
    mung miserabel. Die Ampeln stehen auf Arbeitsplatzab-
    bau. Wer in dieser Situation auf massive Steuererhöhun-
    gen, steigende Sozialbeiträge und zusätzliche Schulden
    setzt, der verschärft die Krise. Das alles ist Gift für Kon-
    junktur und Wachstum.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei aller Ungewissheit über Prognosen ist eines ge-

    wiss: Mit einer derart schwachen Wirtschaftsdynamik
    kann keine grundlegende Wende auf dem Arbeitsmarkt
    erreicht werden, Hartz hin, Hartz her. Das wird sich als
    eine große Seifenblase erweisen.


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    86


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    Wenn Sie schon unserem wirtschaftlichen Sachver-
    stand nicht trauen, dann glauben Sie wenigstens den von
    Ihnen selbst berufenen Gutachtern aus den Wirtschafts-
    forschungsinstituten. Das sind inzwischen ja nicht mehr
    die, die während der Regierungszeit von Helmut Kohl be-
    rufen worden sind. Die sagen in ihrem Herbstgutachten:

    Alle Pläne der Wirtschaftspolitik in den kommenden
    Jahren müssen daran gemessen werden, ob sie dazu
    beitragen, die Probleme des geringen Wachstums
    und der geringen Beschäftigungsdynamik zu lösen ...
    Die Koalitionsvereinbarungen zur Anhebung von
    Steuern und Sozialabgaben sind das Gegenteil des-
    sen, was wachstumspolitisch geboten ist.

    Man kann das Ganze auch volkstümlich ausdrücken – ich
    denke dabei vor allen Dingen an die Leute draußen, die
    gerne den Ketchup-Song hören –, denn in der Gerd-Show
    heißt es dort:

    Was du heute kannst versprechen,
    darfst du morgen wieder brechen.
    Drum hol’ ich mir jetzt jeden einzelnen Geld-
    schein,
    euer Pulver, eure Kohle, euer Sparschwein.

    So sieht es die Bevölkerung draußen. Deswegen wird die-
    ser Song ein großer Hit werden.


    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Zeitalter der Globalisierung und der Konkurrenz

    um Finanzströme ist es ganz besonders wichtig, unseren
    Finanzmarkt in Ordnung zu halten. Nun hat sich Joseph
    Fischer, zurzeit, wie wir sehen, gleichzeitig Bundes-
    außenminister, Fraktionsvorsitzender und amtierender
    Parteivorsitzender der Grünen,


    (Hubertus Heil [SPD]: Nur kein Neid!)

    vorhin auch ein wenig über die Aktienmärkte, auch den in
    Amerika, verbreitet. Der Zusammenbruch geschah in ers-
    ter Linie an der deutschen Börse. Der Dow-Jones-Index
    ist längst nicht so stark gesunken wie der DAX. Auch in
    Europa sind die Aktienkurse im Durchschnitt nicht so
    stark wie in Deutschland gesunken. Das ist die Wahrheit.


    (Beifall bei der CDU/CSU – Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich haben Sie nicht in Aktien investiert!)


    – Selbstverständlich nicht. Ich bin dabei sehr gut gefah-
    ren. Das bisschen, was ich hatte, habe ich blitzartig ver-
    kauft, als Rot-Grün begonnen hat zu regieren.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Die alten Lehren kenne ich noch. Ich habe auch noch
    die Bücher des alten Bankiers Fürstenberg gelesen, der ge-
    sagt hat – die Geschehnisse unter Rot-Grün haben ihm
    wieder einmal Recht gegeben –: Aktionäre sind dumm und
    frech – dumm, weil sie anderen Leuten ihr Geld geben, und
    frech, weil sie dafür auch noch Dividende wollen.


    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sehr gut! Da beschimpfen Sie jetzt Aktionäre!)


    Jetzt sage ich Ihnen etwas, was viel ernster ist: Man
    kann Vertrauen ungeheuer schnell zerstören. Es ist aber
    ungeheuer schwierig, Vertrauen wieder aufzubauen. Ein
    zerstörter Kölner Dom wäre leichter aufzubauen als zer-
    störtes Vertrauen. Ihre Vorhaben, nämlich die Gewinne
    aus der Veräußerung von Wertpapieren und Immobilien
    unbeschränkt zu versteuern,


    (Zuruf von der SPD: Kirch!)

    der Lebensversicherung in die Kasse zu greifen, die ver-
    mögenswirksamen Leistungen in Aktien und Wertpapier-
    fonds zu besteuern, all diese Steuerpläne schaffen kein
    Vertrauen in unseren Kapitalmarkt, sondern werden die
    Krise leider noch verstärken.

    In Ihrer Regierungserklärung, Herr Bundeskanzler, ge-
    ben Sie auch auf andere Schicksalsfragen der Nation we-
    nig Antworten. Die Unterfinanzierung der Bundeswehr
    wird offensichtlich festgeschrieben.


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist der Bundeskanzler?)


    Bundesverteidigungsminister Struck hat den Fehler ge-
    macht, dass er sich nicht vom ersten Tag an dagegen ge-
    wehrt hat. Jetzt wird sein Etat weiter gekürzt. Das hat er
    nun davon. Die Bundeswehr ist unsere Armee. Wir sind
    stolz auf sie. Aber auch die Frage, wie es weitergehen soll,
    ob es eine Freiwilligenarmee wird oder ob die Wehrpflicht
    bleibt, ist noch nicht endgültig entschieden worden, son-
    dern diese Entscheidung wurde vertagt. Die NATO-Part-
    ner fragen sich, was eigentlich von uns zu halten ist, wenn
    überall so viel Beliebigkeit Platz greift.

    Über den Aufbau Ost haben wir vorhin eine mit-
    reißende Rede gehört. Herr Präsident, Sie haben sie dan-
    kenswerterweise vorher halten lassen. Ich freue mich da-
    rüber, denn so brauche ich nichts dazu zu sagen. Die
    frühere Chefsache ist also inzwischen zu einer Rolle
    rückwärts geworden. Bezüglich der inneren Sicherheit
    finden sich nur Leerformeln. Von dem, was wir wirklich
    bräuchten, steht nichts in der Koalitionsvereinbarung,
    auch nicht die von Bundeskanzler Schröder vollmundig
    aufgestellte Forderung: Sexualstraftäter, also Kinder-
    schänder, gehören weggesperrt, und zwar für immer.
    Dafür hat er sehr viel Beifall bekommen, aber er hat da-
    von in der Koalitionsvereinbarung nichts durchgesetzt.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


    Auch bei der Umweltpolitik herrscht Fehlanzeige.
    Stattdessen wird Erdgas stärker besteuert. Die Bauern
    kommen nur noch als Kostenfaktor im Zusammenhang
    mit der EU vor. Es finden sich keine Worte über den länd-
    lichen Raum und all das, was an der Landwirtschaft hängt.

    In der Außenpolitik hat man aus dem Schüren von
    Kriegsangst kurzfristig Kapital zu schlagen versucht. Das
    ist richtig. Jetzt folgt für den Herrn Bundeskanzler der
    Gang nach Canossa, wobei Canossa in diesem Fall ir-
    gendwo bei Washington liegt. Morgen macht ja der Bun-
    desaußenminister bereits einen Probegang.


    (Zurufe von der SPD)

    Ich kann Ihnen sagen: Heinrich IV. hat sich in Canossa
    wohler gefühlt, als Sie sich in den USA fühlen müssen.

    Michael Glos




    Michael Glos

    Jetzt glauben Sie, Sie könnten die Vereinigten Staaten
    von Amerika damit beruhigen, dass Sie für eine möglichst
    schnelle Aufnahme der Türkei in die Europäische Union
    kämpfen. Ich halte von einer Mitgliedschaft der Türkei in
    der Europäischen Union nichts.


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Nicht, dass ich missverstanden werde: Selbstverständlich
    wollen wir eine gute Partnerschaft mit der Türkei inner-
    halb der NATO; auch brauchen wir gute Handelsbezie-
    hungen mit der Türkei. Nur können wir ihre Vollmitglied-
    schaft in der Europäischen Union nicht gebrauchen. Auch
    die damit verbundene Freizügigkeit von Anatolien nach
    Deutschland hin in beliebigem Maße können wir nicht ge-
    brauchen.


    (Zurufe von der SPD)

    Wir können auch kein Land als Vollmitglied in der Euro-
    päischen Union gebrauchen, dessen Wirtschaftsleistung
    nur ungefähr 20 Prozent des Durchschnitts der Wirt-
    schaftsleistung der übrigen EU-Staaten beträgt und das
    eine Inflationsrate von 50 Prozent hat. Wenn man jetzt
    glaubt, dass man mit der Vollmitgliedschaft der Türkei in
    der Europäischen Union irgendjemandem einen Gefallen
    tun kann – nicht einmal den Türken selbst könnte man da-
    mit einen Gefallen tun –, dann ist man schief gewickelt.

    Auch der zweite Anlauf von Rot-Grün erfolgt im Rück-
    wärtsgang. Mit dem, was in den Koalitionsvereinbarun-
    gen steht und was wir heute hier gehört haben, lässt sich
    die Zukunft nicht gewinnen. Abraham Lincoln hat gesagt,
    man könne nicht die Schwachen stärken, indem man die
    Starken schwäche. Genau das ist aber Ihr Programm.


    (Widerspruch bei der SPD)

    Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung. Ich weiß

    nicht, ob der Herr Bundeskanzler noch hier im Plenarsaal
    ist.


    (Zuruf von der CDU/CSU: Nein!)

    Wenn er nicht mehr hier ist, dann hat er aber genug Ket-
    tenhunde hier, um sein Wort zu gebrauchen, die ihm das,
    was ich jetzt bemerken will, weitersagen können. Ich bin
    schon der Meinung und möchte ihm das gern ins Stamm-
    buch schreiben: „Hochmut kommt vor dem Fall.“


    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der SPD: Stoiber! – Weitere Zurufe von der SPD)


    Der Hochmut, mit dem Sie sich heute gegenüber der Op-
    position verhalten, wird sich – da bin ich ganz sicher –
    rächen. Hören Sie damit auf, diejenigen, die Verantwor-
    tung tragen für Unternehmungen und damit für die
    Arbeitsplätze von Millionen von Menschen, als Ketten-
    hunde zu beschimpfen!


    (Zurufe von der SPD)

    Das sind nicht Kettenhunde der Opposition.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn das al-
    les nur dieser Bundesregierung schadete, dann könnte es
    uns egal sein; dann könnten wir darüber sogar noch Scha-
    denfreude empfinden. Aber es schadet unserem Land, der
    Bundesrepublik Deutschland, in schwieriger Zeit. Für

    dieses Land werden wir auch aus der Opposition heraus
    arbeiten.

    Herzlichen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Als nächster Rednerin erteile ich der Kollegin Sabine
Bätzing von der SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Sabine Bätzing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

    Kollegen! Wenn man heute die Redebeiträge der Opposi-
    tion hört, dann könnte man glauben, dass die Opposition
    noch mitten im Wahlkampf steht. Wie vor dem 22. Sep-
    tember sind die Vertreter der Opposition auch jetzt nur da-
    bei, das Land zu zerreden, Innovationen zu behindern,
    Stillstand zu produzieren und zu demotivieren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das alles sind Dinge, die wir nicht brauchen.

    (Jörg Tauss [SPD]: Ja!)


    Ich möchte lieber noch einmal auf die Koalitionsver-
    einbarungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einge-
    hen, die eines ganz deutlich zeigen: Deutschland hat eine
    starke Regierung, die den Mut und die Entschlossenheit
    besitzt, die vor uns stehenden Herausforderungen anzu-
    gehen. Wir können dabei auf den beachtlichen Leistungen
    in der vorangegangenen Wahlperiode aufbauen. Der Still-
    stand, der unsere Republik viel zu lange gelähmt hat, ist
    beendet.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Gerade als Vertreterin der jungen Generation bin ich dafür
    sehr dankbar.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Rot-Grün hat mit der Erneuerung begonnen und wir

    werden sie nun fortsetzen. Im Koalitionsvertrag steht klar
    und deutlich, was wir in dieser Legislaturperiode umset-
    zen wollen. Wir werden die notwendigen Reformen – ich
    meine Reformen im positiven Sinne – konsequent fortset-
    zen. Da gibt es viel zu tun. Die Lasten, die damit notwen-
    digerweise verbunden sind, müssen wir heute tragen,
    damit unsere Kinder und Enkel in Zukunft Handlungs-
    spielräume und Perspektiven haben.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Ich danke daher im Namen der jüngeren Generation Hans
    Eichel für sein finanzpolitisches Kurshalten auch in ge-
    fährlichem Fahrwasser.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)



    (A)



    (B)



    (C)



    (D)


    88


    (A)



    (B)



    (C)



    (D)






    – Es ist so. – Es ist uns klar, dass noch manche Klippe zu
    umschiffen sein wird. Aber auch das werden wir schaffen.

    Ich möchte nun einige Bereiche nennen, die wir weiter
    voranbringen werden.

    Die Förderung von Familien mit Kindernmuss aus-
    gebaut und auf noch solidere Grundlagen gestellt werden
    als bisher.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Eigenheimzulage!)


    Wir wollen dafür kämpfen, dass Kinder kein Armutsrisiko
    sind. Fast 30 Prozent der Familien mit drei Kindern fallen
    leider heute noch unter die Armutsgrenze. Das sind
    30 Prozent zu viel. Denn wir alle wissen, dass Kinder aus
    besonders einkommensschwachen Familien einen schlech-
    teren Start ins Leben haben. Sie haben keine großen Chan-
    cen. Genau das wollen wir ändern. Als ehemalige Sach-
    bearbeiterin im Sozialamt weiß ich, wovon ich rede. Ich
    weiß auch, wohin ein solcher Fehlstart im Leben führen
    kann.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anna Lührmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Koalitionsvertrag enthält darum konkrete Maßnah-

    men, mit denen Familien mit Kindern und allein erzie-
    hende Mütter und Väter weiter unterstützt werden sollen.
    Ich nenne in diesem Zusammenhang die 10 000 zusätz-
    lichen Ganztagsschulen sowie den Ausbau der Betreuung
    von Kindern unter drei Jahren, bei der wir die Kommunen
    ab 2004 jährlich mit 1,5 Milliarden Euro unterstützen
    werden.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie sehen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
    wird zunehmend Realität. Wir setzen damit die erfolgrei-
    che Politik aus der letzten Legislaturperiode fort. Fami-
    lien mit Kindern bekommen bereits heute jährlich insge-
    samt 13 Milliarden Euro mehr als vor vier Jahren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört! – Zurufe von der CDU/CSU: Und wie viel Ökosteuer zahlen sie?)


    Auch durch die Flexibilisierung der Elternzeit und
    durch den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit sind wir die-
    sem Ziel ein Stück näher gekommen. Denn wir können es
    uns nicht leisten – das wollen wir auch nicht –, auf her-
    vorragend ausgebildete Frauen, die sich an Universitäten,
    Fachhochschulen und Berufsschulen bewiesen haben, zu
    verzichten. Es ist der richtige Weg, gerade die Kreativität
    der Frauen für unsere wirtschaftliche Entwicklung stärker
    zu nutzen.


    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)


    Aber unsere wichtigste Zukunftsressource ist die
    Bildung. Wir brauchen keine PISA-Studie, um klar zu er-
    kennen, dass wir in diesem Bereich noch besser werden
    müssen. Die laufende Diskussion um länderübergreifende

    Standards im Bildungsbereich halte ich für den richtigen
    Weg. Mein Dank geht an Edelgard Bulmahn; denn sie hat
    sich in beispielhafter Weise um die Reform des Bildungs-
    wesens verdient gemacht.


    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage: Der neue Wind in der Bildungspolitik kann uns
    nur gut tun.

    Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen den Genera-
    tionen wollen wir auch in Zukunft fördern. Daher gilt für
    Kinder und Jugendliche, dass wir gemeinsam mit ihnen
    die Zukunftschancen unserer Gesellschaft entwickeln
    wollen. Wir wollen, dass jeder Jugendliche, der will und
    kann, eine Ausbildung erhält. Die Sicherung des Ausbil-
    dungsplatzangebots hat eindeutig Priorität. Dabei bauen
    wir allerdings auch auf die Zusammenarbeit mit der Wirt-
    schaft. Denn Mitmachen ist Voraussetzung für einen Er-
    folg in diesem Bereich.

    An der Verbesserung der sozialen und beruflichen In-
    tegration von jungen Menschen liegt uns viel. Wir müssen
    daher die jungen Menschen ernst nehmen und wir müssen
    ihnen vor allen Dingen zuhören. Wir wollen den Jugend-
    lichen eine Balance aus Schutz und Freiräumen bieten, die
    sie zur persönlichen Entwicklung brauchen. Ich wünsche
    mir, dass wir, wenn wir dies beachten, wieder mehr junge
    Menschen für Politik interessieren.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Meine Damen und Herren, die Akzeptanz unserer Po-
    litik beruht auf einem einfachen Wort: Solidarität. Soli-
    darität ist ein Grundwert, eine Richtschnur, an der wir uns
    messen lassen wollen. Dass wir sie völlig zu Recht auch
    von denjenigen einfordern, die auf der Sonnenseite des
    Lebens stehen, ist doch wohl klar. Denn Solidarität be-
    weist sich in schwierigen Zeiten. Sie ist keine Einbahn-
    straße und schon gar keine Schönwetterallee. Die Ab-
    wanderung junger, gesunder und gut verdienender
    Beitragszahler in die private Krankenversicherung hat ein
    Ausmaß erreicht, das die Beitragsstabilität der gesetzli-
    chen Krankenkassen ernsthaft bedroht. Wir aber wollen
    keine Zweiklassenmedizin, sondern eine klasse Medizin.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Zu der sollen alle unabhängig von ihrem Einkommen den
    gleichen Zugang haben.

    Deshalb sage ich: Aus der Solidarität sollte man sich
    nicht so leicht verabschieden können. Nur wenn alle Ge-
    nerationen und alle Einkommensgruppen an einem Strang
    ziehen, können wir die vor uns liegenden Aufgaben auch
    bewältigen.

    Dies hat schon sehr früh ein Mensch erkannt, der in
    meinem Wahlkreis Neuwied/Altenkirchen lebte – Sie alle
    kennen ihn sicherlich –:


    (Zuruf des Abg. Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU])


    – Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Herr Meyer. Von ihm
    stammt die Maxime: „Einer für alle, alle für einen.“ In un-
    serer Geschichte gibt es genug Erfahrungen, die beweisen:

    Sabine Bätzing




    Sabine Bätzing
    Solidarität ist nicht angestaubt. Solidarität ist Zukunfts-
    fähigkeit.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Noch ein Wort zur Hartz-Kommission. In den nächs-
    ten Wochen und Monaten werden wir die größte Arbeits-
    marktreform in der Geschichte dieses Landes umsetzen.
    Herr Glos, wir versprechen Ihnen: Sie wird keine Seifen-
    blase sein, die irgendwann platzen wird.


    (Michael Glos [CDU/CSU]: Danke schön!)

    Denn wir können es nicht oft genug sagen: Das Konzept
    der Hartz-Kommission ist genau das, was unser Land jetzt
    braucht. Deshalb handeln wir. Wir werden dieses Konzept
    umsetzen.

    Meine Damen und Herren, dies ist ein Appell an Sie
    alle: Lassen Sie uns in den kommenden Jahren keinen
    Wettstreit im Miesmachen und Nörgeln austragen!


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Das Land hat dafür keine Zeit. Lassen Sie uns gemeinsam
    die notwendigen Entscheidungen treffen, vor die wir ge-
    stellt sind – und dies mit Mut und Konsequenz! Lassen Sie
    uns vor allem den Menschen beweisen, dass wir keine
    Lobbyrepublik sind, sondern uns den Aufgaben stellen, zu
    deren Bewältigung wir gewählt worden sind.

    Unser Wählerauftrag ist klar: Die Menschen haben uns
    das Vertrauen ausgesprochen, weil wir das bessere Kon-
    zept für die Zukunft unseres Landes haben. Die Wähle-
    rinnen und Wähler können sich darauf verlassen: Wir
    schaffen gemeinsam ein modernes Deutschland.

    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)